Als Elyon gerade ein paar Pilze und Beeren nicht weit von dem See gesammelt hatte, begann es zu regnen. Schnell packte sie das Essen in ihre Tasche und rannte in den Wald hinein, dicht gefolgt von dem Drachen. Sie hielt sich nahe an Felsen, in der Hoffnung eine Höhle zu finden. Da wurde sie von dem Drachen am Kragen gepackt und wie ein Welpe trug er sie einen großen Felsen hinauf und schlüpfte in den dunklen Eingang einer Höhle. Vorsichtig setzte er sie auf den Boden ab.
»Brav«, sagte sie leise und klopfte dem Drachen an die Schulter. Sie wusste immer noch nicht, was für ein Geschlecht es war. Auch jetzt gab ein schneller Seitenblick keinen weiteren Hinweis. Sie hatte den Drachen auch nicht beim Ausscheiden gesehen. Entstand kein Urin, weil sämtliches Wasser für das Fliegen benutzt wurde? Elyon wandte sich von dem Tier ab und zog ein paar Äste aus ihrer Tasche, die sie zuvor gesammelt hatte und zündete ein Lagerfeuer an.
Das Tier beobachtete jede ihrer Bewegungen. Es machte ihr üblicherweise nichts aus, wenn sie von Tieren beobachtet wurde. Doch etwas in dem Blick des Drachen verursachte ein mulmiges Gefühl in ihrem Magen. Als wüsste es genau, was sie tat und warum sie es tat.
Elyon breitete ihren Wolfspelz behutsam auf dem Boden aus, damit er in der Nähe des Feuers trocknen konnte und tat das Gleiche mit ihrer Kleidung. Da fiel ihr Blick auf das riesige Tier, das seinen Kopf gerade wegdrehte. Ein verlegener Ausdruck lag in seinem Blick. Elyon stutze, dann sah sie auf ihren nackten Körper herab.
Konnte es sein? Nein. Elyon schüttelte den Kopf. Wie konnte ein Tier Nacktheit verstehen? Doch der Drache sah sie erst wieder an, als sie in ein trockenes Unterhemd und Hosen schlüpfte. Ein seltsames Tier. Sie zog etwas Dörrfleisch aus ihrer Tasche. Die Drachenaugen hefteten sich auf ihr Essen. Elyon setzte sich ans Feuer hin, begleitet von den aufgerissenen Augen des Tieres. Nachdenklich kaute sie auf dem trockenen Fleisch herum.
Tümmler kamen ihr in den Sinn. Bei weitem die intelligentesten Tiere, mit denen sie je gearbeitet hatte. Obwohl sie sich sonst fern von Wasser und besonders dem Meer hielt, hatte sie als kleines Mädchen ein paar Delfine getroffen. Neugierig hatten sie sich ihr genähert und waren immer an der gleichen Stelle im Wasser, wenn sie zurückgekehrt war. Sie hatte die Gruppe gefüttert, mit ihnen gespielt und ihr Verhalten beobachtet. Der Drache schien einen ähnlichen Verstand zu haben.
Ein Geräusch riss sie aus ihren Gedanken. Etwas Weißes schnellte wie ein Pfeil an ihr vorbei und landete am anderen Ende der Höhle, wo kein Licht hinkam. Elyon nahm ihr Kurzschwert zur Hand. Der Drache sprang auf die Füße und schlich geduckt wie eine Katze an das Ende der Höhle heran. Er knurrte leise. Ein Winseln echote durch den hohlen Raum.
Elyon trat behutsam auf das Winseln zu und stellte sich direkt neben das graue Tier. Seine Augen glühten gelb auf. Sofort blitzte aus dem Schatten ein weiteres Augenpaar auf. Der Drache verstummte und brummte leise. Das Augenpaar kam näher. Elyon schnappte nach Luft. Es war ein weiterer Drache. Kleiner, mit weißem Fell und riesigen blauen Augen. Zitternd und in sich zusammengekauert trat er aus der Dunkelheit hervor. Er näherte sich bedächtig dem größeren Drachen und ließ Elyon dabei keinen Augenblick aus den Augen. Ein dunkelbrauner Stoff war um den Hals des Drachen gebunden. War er gezähmt? Ganz langsam ging Elyon auf die Knie und hielt dem kleinen Drachen ihre Hand hin.
»Ganz ruhig. Ich tue nichts«, röchelte ihre kaum benutzte Stimme.
Der Kleine stellte die Ohren auf und starrte neugierig auf ihre Hand. Dann legte er den Kopf schief, öffnete sein Maul und fragte: »Willst du mich etwa streicheln?«
Erschrocken kraxelte sie von ihm weg und starrte das weiße Tier völlig entgeistert an.
»Hast du noch nie einen weißen Drachen gesehen?«, fragte er mit einer hohen Kinderstimme.
Kein Muskel bewegte sich in Elyons Körper. Und obwohl ihre Ohren es hörten, konnte sie es nicht glauben. Sie schüttelte den Kopf. Hatte sie zu viel Traumtod eingeatmet?
»Keine Angst. Alle weißen Drachen können sprechen.« Der kleine Drache tapste auf sie zu und Elyon wollte zurückweichen, doch sie zwang sich still sitzen zu bleiben und beobachtete mit klopfenden Herzen, wie der Kleine näher kam und sie beschnupperte.
Der graue Drache legte sich zurück auf seinen Platz hin und beobachtete die beiden. Die braunen Augen blinzelten sie ruhig an. Trotzdem wagte Elyon es immer noch nicht sich zu bewegen.
»Du kannst mich hinter den Ohren streicheln. Das ist meine Lieblingsstelle. Oder meine Stirn. Das mag ich auch. Wie heißt du? Und wo kommst du her? Du riechst nach Wald und Salz und wilden Tieren. Und nach Mädchen. Mädchen riechen anders als Jungen. Wusstest du das? Ich bin Gilwa.«
Im nächsten Augenblick, begann der Drache zu schrumpfen. Das Fell verschwand und gab den Blick frei auf eine gebräunte, glatte Haut. Elyon wagte es nichtmal zu blinkern und trotzdem war alles zu schnell vorbei. Jetzt stand kein Drache mehr vor ihr, sondern ein kleiner Junge mit rehbraunen Haaren und großen Augen in gleicher Farbe. Das Tuch fiel wie ein Umhang über seinen Körper.
Elyon blinzelte. Einmal. Und noch einmal. Der Junge stand immer noch da und starrte sie neugierig an.
»Wie ist dein Name?«, fragte er wieder.
Vorsichtig stand sie auf und betrachtete die nackten Füße des Jungen.
Er drehte sich um und zeigte auf den grauen Drachen. »Gehört sie zu dir?«
»Sie?«
Der Junge tapste zu dem Drachen und vergrub seine Hand in das lange Brustfell. »Ja. Sie. Es ist eine sie. Ein Mädchen. Oder wie Lenius sagen würde, eine junge Frau.«
Der graue Drache beugte seinen Hals und beschnupperte den Jungen. Die hellbraunen Haare wirbelten durcheinander, als sie Luft aus ihren Nüstern stieß. Lachend hob Gilwa seine Hände und kraulte ihren Kopf. Doch sie zog ihn weg und bedachte den Jungen mit einem empörten Blick.
Elyon räusperte sich, doch sie wagte es kaum ein Wort über sich zu bringen. Das Sprechen fiel ihr schwer, seitdem ihre Mutter und ihre Amme es ihr als kleines Kind untersagt hatten, unaufgefordert zu sprechen und alle Fragen möglichst mit einem Nicken oder Kopfschütteln zu beantworten. Sie benutzte ihre Stimme nur für das Nötigste. Doch jetzt hatte sie so viele Fragen und wollte dringend alle aussprechen, aber ihr fehlten die richtigen Worte.
Statt zu fragen, holte sie ihr Heft und etwas Grafit aus ihrer Tasche heraus und fertigte zwei schnelle Skizzen an. Eine von dem kleinen Drachen und eine von dem Jungen. Er stellte sich neben sie und beobachtete ihre Striche.
»Das bin ja ich! Du kannst so schön zeichnen!«, rief der Junge erfreut aus und setzte sich dicht neben ihr hin. Elyons Nackenhaare sträubten sich. Er saß so nahe, dass sie die feuchte Wärme von seinem Umhang spüren konnte.
»Wieso?« Ihre Stimme kratzte immer noch und Elyon wagte es nicht, mehr zu fragen. Deshalb zeigte sie auf die Skizze des Drachens und ließ das Grafit dann über seine Menschengestalt schweben.
»Wieso? Wieso ich mich verwandelt habe? Oder wieso ich ein Drache bin?«
Elyon nickte nur.
Der Junge starrte fragend auf das Heft, dann kam sein rechter Arm unter dem Umhang hervor. Eine lilane Bissnarbe zeichnete sich so breit wie sein Oberarm auf der goldenen Haut aus.
»Da wurde ich vor einem Jahr gebissen. Da war ich fünf Jahre alt. Jetzt bin ich sechs. Ich bin schon seit über einem Jahr ein Drache. Am Anfang war ich so grau wie sie.« Er drehte sich zu dem Drachen um, dann wieder zu Elyon und grinste breit. »Jetzt bin ich ein weißer Drache. Das ist gut, weil ich dadurch auch als Drache sprechen kann. Und ich kann meine Drachenkräfte auch ausleihen und sie in meiner menschlichen Gestalt nutzen. Das hat mir Lenius beigebracht. Er ist mein großer Bruder, auch wenn wir nicht die gleichen Eltern haben. Wo ist deine Familie? Bist du ganz alleine hier? Und gehört sie zu dir?«
Elyon hielt inne. Sie hatte sich geschworen, keinem etwas über sich selbst zu sagen. Selbst ihren Namen nicht. Menschen waren nicht zu trauen. Doch Gilwa war ein Kind und hatte eine so seltsame Geschichte, dass Elyons innere Abwehr fiel.
»Alleine. Auf einer Reise.«
»Und der weibliche Drache? Reist sie mit dir?«
Elyon schüttelte den Kopf. »Gefunden. Seitdem nicht mehr weggegangen.«
»Das heißt, dass sie dir vertraut. Also kann ich dir auch vertrauen. Normalerweise soll ich wegbleiben von nicht gebissenen Menschen. Sie mögen uns nicht. Wegen dem Drachenfluch. Aber die weißen Drachen sind völlig harmlos. Nur die Grauen sind manchmal gefährlich und die Dunkelgrauen sind es immer.«
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Gilwa lehnte sein ganzes Gewicht gegen Elyon an und senkte betrübt seinen Blick. Elyon hätte ihn fast weggestoßen, bis sie feststellte, dass er keine Abscheu in ihr hervorrief. Oder Angst. Die Berührung war unangenehm, aber nicht mehr.
»Ein Drache aus unserer Bande ist zu einem dunkelgrauen Drachen geworden. Er ist jetzt ein wildes Tier. So hat Lenius es erklärt und er musste ihn wegschicken.«
»Lenius. Drache?«
Aufgeregt sprang Gilwa auf und streckte die Arme in die Höhe. »Ein riesiger Drache! So weiß wie der Mond! Er hat riesige Zähne! Und zwei Hörner. Klauen wie die eines Greifvogels und kann damit selbst die dicksten Holzbalken zerbrechen! Er ist der stärkste Drache weit und breit. Ich bin besonders schnell. Ich kann wie ein Blitz durch den Himmel jagen! So schnell, dass man mich fast nicht mehr sehen kann!«
So schnell es ging, schrieb Elyon all seine Aussagen in Stichpunkten neben den Skizzen auf. Ihre Schrift sah völlig verzerrt aus vor lauter Aufregung. Der Junge plapperte mehr über Drachen in wenigen Augenblicken aus, als sie in den letzten zwei Jahren durch Bücher und Schriften auf den Sturminseln erfahren hatte.
»Alle Drachen, Menschen?«
»Ja. Es passiert durch den Biss. Wenn ein Drache einen Menschen beißt, dann verwandelt er sich in einen grauen Drachen. Aber man kann sich ändern. So wie ich. Ich war am Anfang grau und jetzt bin ich weiß und ich bin richtig schnell geworden!« Gilwa hopste zurück zu Elyon und beugte sich zu ihrem Heft hinunter.
»Schreibst du alles auf, was ich sage? Ich wünschte, ich könnte lesen und schreiben. Aber keiner hat Zeit es mir beizubringen. Wenn du mit uns auf die Burg kommen würdest, könntest du es mir zeigen. Aber ich weiß nicht, ob ich dich zur Burg bringen darf. Wir hatten noch nie Mädchen oder Frauen bei uns. Lenius mag das nicht. Aber ich weiß nicht warum.«
Hinter ihren Notizen setzte sie ein großes Fragezeichen hin. Sie war zufrieden mit seinen Informationen. Dennoch durfte sie nicht vergessen, dass Gilwa noch ein Kind war. Sie brauchte mehr Beobachtungen und eine zweite oder dritte Meinung um genauen Fakten über die Drachen zu sammeln. Doch einige Dinge waren bereits gewiss. Drachen konnten sprechen. Gilwa hatte geredet, auch in seiner Drachenform. Die Drachin hatte bis jetzt noch kein einziges Wort gesagt, noch hatte sie sich zurückverwandelt.
Elyon klappte das Heft zu. Drachen waren eigentlich Menschen. Das war unerwartet. Und etwas enttäuschend. Menschen waren ihre meist verhasste Spezies. Trotzdem brannte sie darauf, mehr über die Drachen und über den Fluch zu erfahren. Elyon seufzte leise. Etwas anderes drängte die Fragen über die Drachen zurück. Sie musste so schnell wie möglich von hier weg. Sie war zu weit zurück in den Süden gekehrt. Ihr Ziel lag im hohen Norden.
»Graue Drachen, nicht fliegen?«, fragte Elyon.
Gilwa folgte ihrem Blick auf den grauen Drachen.
»Sie fliegt nicht? Wahrscheinlich hat sie es noch nicht gelernt. Ich kann es dir beibringen!« Gilwa hüpfte aufgeregt auf der Stelle. Da dröhnte ein lautes Knurren aus dem Höhleneingang. Als sie sich umdrehte, stand etwas Großes und Weißes vor der Höhle. Mit Krallen dicker als Elyons Beine.
»Lenius!«, rief Gilwa, rannte hinaus und warf seine Arme um das Vorderbein des Drachens [https://img.wattpad.com/3410e2d473a844b7551e9e06e874445e97e11681/68747470733a2f2f73332e616d617a6f6e6177732e636f6d2f776174747061642d6d656469612d736572766963652f53746f7279496d6167652f517750554c7a445a4f52555f33413d3d2d3831343239343834372e313565356436353336373366646562653836383630393836333830312e6a7067?s=fit&w=1280&h=1280]
»Lenius!«, rief Gilwa, rannte hinaus und warf seine Arme um das Vorderbein des Drachens. Ein riesiger Kopf beugte sich hinunter. Blaue Augen. Zwei weiße Hörner.
Lenius stupste Gilwa vorsichtig an und beschnupperte ihn. »Alles in Ordnung?«, fragte er besorgt.
»Ja! Ich habe jemanden getroffen! Ein Mädchen und sie hat Hosen an! Sie riecht nach wilden Tieren. Und sie kann nicht sehr gut sprechen. Und sie hat die Drachin bei sich! Erinnerst du dich an sie?«
Der Drache war zu groß für die Höhle, nur sein Kopf passte hinein. Der lange Hals streckte sich bis zu Elyon vor. Die blauen Augen glühten auf.
»Was bist du?«, fragte er und verengte die Augen. »Du riechst nach Mensch und Tier gleichzeitig.« Argwöhnisch schwenkte er seinen Kopf nach links, dann nach rechts während er sie wieder beschnupperte. Elyon krabbelte rückwärts von ihm weg in Richtung des grauen Drachens.
Gilwa hing sich an das lange Fell von dem weißen Drachenhals. »Können wir sie mitnehmen? Sie ist ganz alleine und ich will der Grauen das Fliegen beibringen.«
»Du weißt, das geht nicht«, erklärte der riesige Drache. Er schnaubte genervt. „Und jetzt komm. Wir müssen nach Hause zurück.«
»Ich will nicht im Regen fliegen!", protestierte Gilwa und klammerte sich an Elyons Bein. „Und ich will, dass sie mitkommen!«
»Gilwa. Keine Diskussion. Du kommst jetzt mit.«
Die Graue winselte im Hintergrund, während Elyons Gedanken völlig überfordert waren. Sie sah die Drachen, sie hörte die Stimmen, und trotzdem fühlte sie, als wäre alles nur ein seltsamer Traum, der sich vor ihrem inneren Auge abspielte.
Lenius knurrte leise, dann schnappte er nach Gilwas Umhang und wollte ihn von Elyon wegziehen, doch Gilwa klammerte sich eisern an ihrem Bein fest. Elyon verlor den Halt und stolperte über Gilwa und fiel um.
»Lenius, Vorsicht!«, schrie Gilwa als Elyon und er auf dem Boden lagen. Die Drachin sprang auf die Beine und stellte sich knurrend zwischen den beiden und Lenius. Ihr Fell plusterte sich auf und sie schnappte in die Luft, knapp neben seinem weißen Kopf. Lenius wich zurück, sein Gesicht verzerrt vor Ekel.
»Gilwa, komm sofort her. Dieser Drache hat den Fluch nicht unter Kontrolle. Sieh doch wie wild sie ist. Es ist zu gefährlich für dich«, knurrte der riesige Drache.
Elyon rappelte sich auf und lief zu ihrer Tasche. Das Knurren der Grauen war bekannt. Es überraschte sie nicht, als sie wieder mit etwas Traumtod zurückkam, dass die Augen gelb leuchteten. Es waren die letzten Zweige des Krauts. Hoffentlich war es genug.
»Ganz ruhig. Es passiert dir nichts«, raunte sie, während sie behutsam auf den Kopf der Grauen zuging. Sie hörte nicht auf zu knurren, doch ihre Lippen legten sich wieder über die Fangzähne. Elyon stellte sich auf Zehenspitzen und streckte die Hand aus. Als ihre Fingerspitzen das Fell erreichten, wandte der graue Kopf sich ihr zu und das Tier hörte auf zu knurren. Die Augen waren immer noch gelb. Elyon streichelte das Kinn, und rieb abermals die Stelle dicht über die Nüstern mit dem Traumtod ein.
Die Züge der Drachin entspannten sich. Die Lider fielen halb zu und die Iris färbte sich von Gelb zu Braun. Das Tier schüttelte seinen Kopf, wie um die letzten Spuren ihrer Wut abzuschütteln.
»Wie ... wie hast du das gemacht?«, fragte Lenius atemlos. Seine blauen Augen weit aufgerissen, schnupperte er direkt neben ihrer Schulter. »Was ist das für ein Kraut?«
»Traumtod.«
»Ist sie wieder in Ordnung?«, fragte Gilwa. Seine Stimme klang dünn und er hielt sich von der Gruppe fern. Elyon nickte nur und als Gilwa wieder neben Elyon stand, klammerte er sich an ihr Bein und sah den grauen Drachen mit großen Augen an.
»Verstehst du was wir sagen?«, fragte Lenius den grauen Drachen.
Sie nickte und wich ihren Blicken aus.
Für eine Weile sagte Lenius nichts, sondern dachte nur nach. Elyon nutzte die Gelegenheit, um den riesigen Drachen genauer zu betrachten. Überlegte, wozu die Hörner gut waren. Und wie ein so riesiger Körper überhaupt fliegen konnte. Sie hatte noch nie ein so großes Tier gesehen. Seltsamerweise, waren all seine Bewegungen leicht und elegant, als würde er kaum was wiegen.
»Ich glaube, ich würde euch doch zu meiner Burg bringen«, murmelte Lenius.
Gilwa riss die Augen auf und sprang vor Lenius auf und ab. »Wirklich? Sie dürfen mit?«
»Ich bin Lenius, der Anführer einer Drachenbande. Wir leben in einer verlassenen Burg, nicht weit von hier und ich könnte deine Hilfe gebrauchen. Wie heißt du?«
Er machte eine Pause und Elyon wusste, dass er auf eine Antwort von ihr wartete. Doch ihre Lippen blieben verschlossen. Auch wenn sie nicht so eine Abscheu vor ihm verspürte wie vor Menschen, traute sie ihm trotzdem nicht. Doch eine verlassene Burg klang äußerst verlockend. Ein guter Schutz von ihren Verfolgern. Und sie brannte darauf, mehr über Drachen zu lernen.
»Elora.« Es war der zweite Vorname ihrer Mutter gewesen. Sie wusste nicht, wie bekannt der Name der Könige im Kaiserreich waren. Es war sicherer, ihren echte geheim zu halten.
»Ich habe einige Drachen, die gerade etwas ... wild werden. Ich weiß nicht, wie viel du über Drachen weißt, aber was ich damit meine ist, dass sie kurz davor stehen sich endgültig in Drachen zu verwandeln, ohne etwas von ihrem menschlichen Verstand zu behalten. Das ist sehr gefährlich. Für uns und für Menschen. Das was du mit ihr gemacht hast. Meinst du, du könntest es auch mit den Drachen auf der Burg versuchen?«
»Gegenleistung?«, fragte Elyon.
»Wie bitte?« Lenius starrte hilfesuchend auf Gilwa, der nur mit den Schultern zuckte und seinen Kopf gegen Elyons Hüfte lehnte. Statt sich von ihm loszureißen, legte sie eine Hand auf seinen Kopf und streichelte das braune Haar. Kinder waren nicht so schlimm wie Erwachsene. Und etwas an seinem Geruch beruhigte Elyon. Eine Mischung aus Harz und frischem Wind.
»Ich helfe. Dafür bekomme ich was. Brauche Waffen. Reiseproviant. Kleidung. Kräuter und Heilpflanzen.«
»Einverstanden. Alles was du brauchst sollst du bekommen, wenn du mir helfen kannst.«
»Lass uns gleich losfliegen!«, rief Gilwa, stellte sich auf alle Vieren und verwandelte sich zurück in einen Drachen.
Lenius zog seinen Kopf aus der Höhle und Elyon begann ihre Sachen wieder zu packen und die halbfeuchte Kleidung anzuziehen. Das graue Weibchen ließ sie nicht aus den Augen. Erst als Elyon ihre Stiefel wieder anhatte und aus der Höhle kam, schloss sie sich den anderen Drachen an.
»Klettere auf meinen Kopf«, sagte Lenius und legte ihn ins nasse Gras.
»Grauer Drache kann nicht fliegen«, erklärte Elyon, während sie sich hoch zu seinen Ohren zog.
»Ich trage dich mit meinen Pfoten. Wenn du nichts dagegen hast«, sagte er zu der Grauen. Das graue Tier nickte. Sobald Elyon sicher auf seinem Kopf stand, packte Lenius den grauen Drachen mit seinen Vorderpfoten und schoss gemeinsam mit Gilwa durch den Regen davon. Und zu Elyons großer Zufriedenheit, kehrte er dem Meer den Rücken zu und flog nördlich auf ein Gebirge zu.