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Elyons Fluch Band 1 (German)
34.1 Alinas Verzweiflung

34.1 Alinas Verzweiflung

Ein Brennen breitete sich durch Alinas Schwanzspitze aus. Etwas Klebriges lag auf ihrem Fell.

»Verdammt«, zischte sie, flog von der Membranwand weg und schüttelte ihren Schwanz, als sie sicher war, genau in der Mitte der Speiseröhre zu fliegen. Zumindest hoffte Alina, dass sie sich dort befand. Sie konnte gerade noch so die Wände ausmachen, dank ihrer Drachensicht. Doch sobald der scharfe, modrige Gestank ihr von unten entgegenwehte, verschwamm alles vor ihren Augen.

Dennoch richtete Alina ihre Nase nach unten und schoss hinein in die Dunkelheit. Je tiefer sie flog, desto kühler und dunkler wurde es. Sie blinzelte, ihre Augen brannten, während sie versuchte trotz des üblen Geruchs und dem wenigen Licht etwas zu erkennen.

Als ein seltsames Rauschen durch die Röhre echote, hielt Alina abrupt an. Gerade rechtzeitig, denn ihre Krallen berührten etwas Weiches, Glitschiges. Sofort zog sie ihre Pfoten enger an und horchte mit offenem Mund, um den üblen Geruch zu entgehen.

Ihre Schwanzspitze pochte vor Schmerzen, aber Alina traute sich nicht, diese wieder zu schütteln, um die Wände nicht versehentlich zu berühren. Hier unten war es so dunkel, dass die Drachenaugen ihren Dienst versagten und Alina schwebte sehr langsam voran, um die Wände zu meiden. Sie folgte dem Rauschen, das von vorne kam und dass wegen ihrem rasendem Herzen, kaum hören konnte. Etwas Saures breitete sich auf ihrer klammen Zunge aus.

Wie sollte sie Elyon hier nur finden? Es war unmögliche, mit diesem abartigen Gestank ihre Fährte aufzunehmen. Alina schaffte es noch nicht einmal tief Luft zu holen, um zu versuchen, ihren Herzschlag zu beruhigen.

Dennoch stellte sie ihre Ohren auf, bis sie spannten und vor Schmerzen zuckten und horchte auf jedes Geräusch, das nicht von diesem Biest stammte.

Rechts von ihr, erkannte Alina einen runden Gang, aus dem schwaches Licht schien. Wo Licht war, musste doch ein Ausgang sein. Und ein Ausgang bedeutete frische Luft. Ehe sie weiter nach Elyon suchte, beschloss Alina, den Gang zu erforschen.

»Nein!«, drang es dünn und heiser zu ihren Ohren.

Sie hielt den Atem an. Es klang wie Elyon.

Alina zog ihren Körper an, bereit, in den rechten Tunnel hineinzuschießen, doch sie hielt inne. Ihre Schwanzspitze brannte immer noch, als würde sie unter Flammen stehen. Sie musste ihre Geschwindigkeit drosseln und sich langsam vorkämpfen, sonst würde sie Elyon nicht helfen können.

Da es jetzt mehr Licht gab, konnte sie besser Abstand von den glitschigen Wänden halten und selbst den großen Schleimtropfen ausweichen, die von oben herabfielen.

Ein riesiger, schwach beleuchteter Raum breitete sich am Ende des Tunnels aus. Es ähnelte von der Dunkelheit mehr einer Höhle, als einem Organ. Die Wände waren schwarz und kalte Luft strömte ihr entgegen. Unter ihr, breitete sich dunkles Gewässer aus. Sie flog in die Höhle hinein und hatte freien Blick auf das ganze Wasser. Von oben drang Tageslicht durch riesige Löcher hinein. Ein paar strähnige Fellstücke hingen von den Rändern herab. Da lenkte ein Wimmern ihren Blick auf die andere Seite des Raums.

Unten, auf dem flachen Gewässer, stand eine Gestalt mit dunklen, langen und zerzausten Haaren. Er streckte eine knöcherne Hand auf einen großen Schleimklumpen zu. Alina hielt die Luft an. Ihr Herz erstarrte vor Schreck. Bevor sie ihre Augen davon abhalten konnte, hatten diese sich bereits auf das Gesicht geheftet, nur zur Hälfte bedeckt mit fahler, ranziger Haut. Ein wütendes Ächzen riss sie von der halbtoten Gestalt los. Etwas zuckte in dem Schleim. Sie erkannte einen dunklen Haarschopf und mit Lederbändern bedeckte Hände.

»Elyon!«, rief Alina und sauste auf den schwarzen Klumpen zu.

Da bückte sich Elyons Gestalt und der Klumpen fing an zu zittern, dann sich zu strecken. Der ranzige Mann blieb stehen, dann schrie er und lief auf Elyon zu. Ein widerliches Klappern und Kratzen, das nur von Knochen kommen konnte, jagte ihr einen Schauer ein. Doch sie flog weiter auf die gefangene Elyon zu. Kurz bevor Alina sie erreichte, hob sich ein Kopf aus dem schwarzen Schlack. Mit zwei riesigen Ohren und gelben Augen. Das riesige Biest fletschte die Zähne und grollte so laut, es brachte das Wasser um sie herum zu beben.

Ein Wolf. Statt Elyon, stand nun ein Wolf da, viermal so groß wie der Mann, der mit aufgerissenem Mund zurückstolperte.

Auch Alina zog sich nach oben zurück und blinzelte mehrmals um sich zu vergewissern, dass das Mädchen tatsächlich nicht mehr da war.

Das schwarze Tier riss sich von den letzten Schleimfäden los und sprang auf den langhaarigen Mann zu. Dieser stolperte nach hinten, hob die Hand, dann schoss ein langer Arm aus Schlack aus der Wand, dicker als der Stamm einer alten Eiche.

»Elyon! Pass auf!«, schrie Alina und wollte auf den Wolf zu flitzen, als das schwarze Tier einen Satz zur Seite machte. Das Geschoss landete auf dem Gewässer und spritzte Schleim und Wasser nach allen Seiten.

Da kamen weitere Schleimfäden aus den Wänden herausgeschossen. Wie Blitze sausten die langen Arme auf den Wolf zu, während das Tier durch die Höhle lief und ihnen auswich. Der alte Mann ächzte vor Anstrengung, sein einziges Auge fiel fast aus der vergammelten Höhle heraus.

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Er war abgelenkt, sein Nacken ihr zugewandt. Sie brauchte nur hinunterzufliegen und mit ihren Pfoten sein Genick zu brechen. Alina schluckte. Würde das etwas bringen? Der Mann sah kaum noch wie ein Mensch aus. Was genau war er? Und wie konnte er noch am Leben sein?

Keuchend hielt er an, sein Blick weiterhin auf den Wolf gerichtet, der ohne Schwierigkeiten all seinen Attacken auswich. Elyon nutzte die kurze Pause, um sich springend umzudrehen und auf den Mann zuzulaufen. Alina biss die Zähne aufeinander und zog sich, ohne weiter zu überlegen, nach unten. Da riss der Halbtote die Arme hinauf, brüllte und ein dicker Schlackvorhang viel von der Decke herab.

Alina schaffte es gerade noch rechtzeitig, sich zurückzuziehen, doch die Spitzen ihres Fells wurde getroffen und die ätzende Masse fraß sich bis kurz vor ihrer Haut durch. Sie zog scharf nach Luft und schüttelte sich mit aller Kraft, die sie hatte. Elyon war ebenfalls zurückgesprungen. Der Schlack hatte sie am Ohr getroffen, doch sie schien ihn nicht einmal zu bemerken, denn sie stürmte auf den schwarzen Vorhang zu, der wie ein Wasserfall von der Decke herabregnete und brach hindurch.

Alina flog instinktiv auf den Schleim zu, dann hielt sie abrupt an, bevor sie wieder getroffen werden konnte. Ihr ganzer Kopf pochte, das Herz rutschte ihr bis in die Eingeweiden.

Ein kratzender Schrei echote durch den Raum. Große, mit filzigem Fell bedeckte Brocken brachen von der Decke herab und krachten ins Wasser.

Der schwarze Schlack um Elyon brach ab und verteilte sich auf dem Boden. Der Blick wurde frei. Elyon stand da, in ihrem Maul der alte Mann, erschlafft, doch mit einem gehässigen Grinsen auf den Lippen. Er röchelte ein paar Worte, dann brach sein Körper wie trockenes Holz auseinander. Als es im Wasser landete, zerfielen große Teile davon zu Staub. Vollkommene Stille. Selbst das ständige Rauschen war verstummt.

Dann begann der ganze Raum zu beben. Immer mehr Brocken brachen von der Decke ab und auch das Wasser unter ihnen floß ab, als sich Risse im Boden auftaten.

Keuchend stand der Wolf da, starrte die halb verstaubten Körperteile an, als konnte das Tier nicht fassen, was gerade geschehen war.

»Elyon! Wir müssen hier raus!«, schrie Alina, während sie ständig im Zickzack flog, um den fallenden Fellbrocken auszuweichen.

Da sah sie, wie der Wolf zur Seite stolperte, in sich zusammenfiel und sich langsam auflöste. Alina eilte auf die regungslose Gestalt zu und klaubte das Mädchen mit ihren Vorderpfoten auf. Ohne zurückzublicken, flog sie auf das größte Loch über ihnen zu, dass sie hinaus gen Himmel entließ. Als sie draußen waren, nahm Alina tief Luft, ehe sie die Lage betrachtete.

Der Urdrache lag in sich zusammengefallen auf dem Boden. Sein Arm, sein Schwanz und die Hälfte seines Rumpfes lösten sich in Flüssigkeit auf, während sein Rücken wie trockene Äste zerbrach. All seine inneren Flüssigkeiten verteilte sich wie ein See um ihn und fraßen die Graslandschaft auf. Alina ignorierte das Ungeheuer, die anderen Drachen und Feuervögel. Elyon. Sie musste nach Elyon sehen. Alina flog den Fluss hinauf und landete am Ufer, das noch unberührt vom Schlack war. Vorsichtig legte sie das Mädchen auf das Gras. Ihre Augen waren geschlossen, sie bewegte sich nicht.

»Elyon!«, hauchte Alina erschrocken. Der dünne Arm sah aus, als wäre er von einem Stein getroffen worden. Zertrümmerte Knochen stachen aus mehrere Fleischwunden heraus. Elyons Kleidung war belegt mit Schlack und ein Geruch, wie von verbrannter Haut breitete sich in der Luft aus. Schnell zog Alina sie ins Wasser und wusch den ganzen Schleim und das Blut ab. Ihre Kleidung löste sich stellenweise auf und dunkelrote Haut kam zum Vorschein, als hätte Elyon überall buckelige Schürfwunden. Warum war sie von dem Schleim betroffen? Alina hatte gedacht, dass es ihr nichts antun konnte.

Elyon atmete noch, doch selbst das Wasser, konnte sie nicht von ihrer Ohnmacht wecken.

Winselnd sah sie sich um, doch weit und breit war kein Drache in Sicht. Sie war nutzlos. So wie immer.

Dann fiel ihr ein, dass sie noch etwas tun konnte. Ohne zu zögern, biss Alina sich ins Bein und riss ein Stück ihrer Haut ab. Das Blut, fast so flüssig wie Wasser, ließ sie über Elyons gesamten Körper tropfen. Auf den gebrochenen Arm ließ sie das meiste Blut fließen. Als ihre Wunde anfing, auszutrocknen, stand sie keuchend da und beobachtete Elyon.

Immer noch ohnmächtig. Winselnd schnupperte sie an Elyons Körper. Es roch nicht mehr so schlimm wie vorher. Hoffentlich reichte es aus. Ihre eigene Wunde verheilte bereits wieder. Doch Elyons Arm blieb unverändert. Es schien nicht genug zu sein. Alina bückte sich, um in ihr anderes Bein zu beißen, als jemand ihren Namen rief. Es war Lenius.

»Was ist passiert?«, fragte er atemlos, als er neben ihr landete.

»Sie ... sie ist ohnmächtig. Ich weiß nicht warum. Ihr Arm. Er heilt nicht. Ihre Haut. Ich brauche mehr Blut.«

Alina wollte sich wieder beißen, doch Lenius packte mit einer Klaue ihren Kopf und hielt sie zurück.

»Ganz ruhig, Alina. Lass mich das machen. Weiße Drachen haben bessere Heilkräfte.«

Sie nickte erleichtert und machte ihm Platz. Mit konzentriertem Blick, biss er sich ins Bein und ließ das Blut zunächst auf Elyons Arm fließen, dann begann er ihre Stofffetzen zu entfernen.

»Was tust du da?«

»Wir müssen sie ausziehen, wir wissen nicht, wo sie überall verätzt wurde.« Mithilfe seiner Krallen war Elyon schon bald entkleidet. Ohne mit der Wimper zu zucken, biss Lenius sich erneut ins Bein und ließ so lange Blut fließen, bis man Elyons Haut nicht mehr sehen konnte. Nur ihr schwarzes Haar drang durch das Rot hindurch.

Dann wartete er. Beobachtete. Und ächzte frustriert. »Etwas stimmt nicht. Ihr Arm heilt nicht.« Er beugte seinen Kopf zum Wasser und nahm ein Maul voll. Dann spuckte er es über Elyons Arm aus.

»Die Haut scheint sich zu erholen. Etwas. Aber sie sieht auch nicht ganz verheilt aus. Eher vernarbt. Wenn das so weiter geht, müssen wir ihren Arm amputieren.«

»Was? Wieso?«

»Sie doch, wie viel da fehlt. Sogar ein Knochenstück. Und es wächst nicht zurück. Das kann man nicht nur mit einer Schiene wieder in Ordnung kriegen. Und unser Blut bringt nur wenig.«

Als Alina genauer hinsah, die offene Fleischwunde, die Knochensplitter, die herausragten, drehte sie sich um und würgte.

»Alina, flieg zurück ins Krankenlager. Frag nach jemanden, der einen Arm amputieren kann. Schnell.«

Sie war froh, eine Entschuldigung zu haben, um Elyon nicht mehr anschauen zu müssen und hob ab. Mitten in der Luft traf sie auf Nevin und Dilek. Alle beide, sowie ihre Drachen, sahen unbeschadet aus, wenn auch vom Kampf durchnässt und mit Blutspritzern übersehen.

»Wo ist Elyon?«

»Am Fluss. Dort wo Lenius steht«, keuchte sie.

»Ist sie am Leben?!«, fragte Nevin.

»Ja, ich muss schnell weiter! Sie braucht einen Arzt!«, rief sie ihnen noch zu, dann schoss sie geradewegs auf das Krankenlager zu.