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29.1 Alinas Bitte

Alina stand draußen im Hof neben Lenius. Beide in ihrer Drachengestalt, bereit loszufliegen.

»Bleib in der Burg, in Ordnung?« Lenius lehnte seinen Drachenkopf an Gilwa. »Die Diener werden sich um dich kümmern. Ich bin so schnell es geht wieder zurück.«

Gilwa schlang die Arme um Lenius und rieb seine Stirn an dem weißen Kopf.

»Demian wird dich nicht wieder schlagen, oder?«, fragte der Junge mit zitternder Stimme.

Bei der Erwähnung ihres Cousins, wandte Alina sich mit einem schweren Schlucken ab und ihr Blick fiel auf die Tür, die zum Palas führte. Elyon trat aus ihr in den Hof, gefolgt von Nevin und Dilek. Aus der Ferne, kamen gerade zwei weitere Drachen angeflogen, die Männer aus dem Tempel auf ihren Nacken trugen.

»Alina, Lenius, müsst nicht gehen, wenn nicht wollt.«, sagte Elyon zu ihnen und legte eine Hand auf Alinas Schulter. Diese war leicht entgeistert, da Elyons Stimme fast samtig klang, ihre Stirn war in Falten gelegt. Machte sich das sonst unnahbare Mädchen Sorgen um sie?

»Ich gehe. Je mehr Hilfe du bekommst, desto besser«, sagte Alina leise.

Nevin ging zu Lenius und hielt ihm einen versiegelten Brief entgegen. »Hier ist der Brief an Demian. Ich stecke ihn in deine Tasche« Der Prinz ging zu der ledernen Tasche, die über Lenius' Halstuch hing.

Alina wusste, dass Elyon und Nevin sich auf dem Weg nach Höhental machen würden, doch nicht genau, was sie vorhatten. Lenius schien mehr zu wissen, schließlich hatte er ihr einen Teil von Elyons Plan erzählt, doch er schwieg darüber, wie genau sie in das für Fremde verschlossene Land eindringen wollten.

»Bist du soweit?«, fragte Lenius.

Alina nickte, dann spürte sie ein leichtes Klopfen an ihrer Schulter. Es kam von Elyon.

»Vielen Dank. Guten Flug.«

Wieder konnte Alina nur nicken, dann sprang der weiße Drache in die Luft und Alina folgte ihm nach, Richtung Küste.

Den ersten Teil der Strecke verbrachten sie schweigend. Alina versank immer wieder in Gedanken, mal trübe, mal schwere. Mal glitten sie durch ihren Kopf, ohne dass sie wusste, was sie genau beinhalteten, dann überlegte sie wiederum fieberhaft, wie sie Demian begegnen sollte.

»Wie geht es dir? Hast du noch genug Wasser?«, fragte Lenius und Alina blinzelte, während sie versuchte die Worte nachzuvollziehen, die er gerade zu ihr gesagt hatte.

Tatsächlich spürte sie ein Kratzen in der Kehle und ihr Drachenkörper bewegte sich nur mit mehr Anstrengung in der Luft.

»Ich bräuchte was«, krächzte Alina.

Lenius zog seinen Kopf nach unten und peilte die hügelige Landschaft unter ihnen an. Als er einen Wasserfall entdeckte, der in treppenartigen Kaskaden in einem Fluss mündete, zog er seine Lufthaut ein und ließ sich Richtung Wasser fallen. Alina machte es ihm nach.

Der Fluss war breit genug, dass beide hineinwaten konnten. Sie stellten sich vor dem herabfallendem Wasser, sodass es ihnen ins Maul hineinfloss.

Lenius war der erste, der von dem Wasser zurückging und seine Lefzen ableckte. »Sollte Demian sich blicken lassen, soll ich dann mit ihm reden? Oder soll ich ihm nur dem Brief geben?«, fragte er.

Alina schluckte das kühle Nass herunter und seufzte. »Ich weiß es nicht.« Sie schloss den Blick, während sich ein starker Druck in ihrem Hals ausbreitete. »Es tut mir leid. Vielleicht bin ich doch keine so große Hilfe«

»Das solltest du dir wieder schnell aus dem Kopf schlagen. Ich bin dankbar, dass du mit mir fliegst, vor allem, nachdem Demian ... du weißt schon. Er wird nicht begeistert darüber sein, mich wiederzusehen.«

Alina sah auf, doch Lenius drehte den Kopf weg, sie konnte nur hören, wie er schwer schluckte.

Ihn vor Demians Zorn schützen. Das konnte sie tun. Sie würde es ihrem Cousin nicht erlauben, Lenius auch nur ein Haar zu krümmen.

»Lass uns weiterfliegen«, sagte sie.

Lenius übernahm wieder die Führung, da er den Weg zur Südküste am besten kannte und sich nicht durch die riesigen Wälder, Felder, Städte, Siedlungen, Berge und Täler, die sich immer zu wiederholen schienen, verwirren ließ.

Sie mussten noch eine weitere Rast einlegen, damit Alina wieder trinken konnte, erst danach flogen sie ohne Unterbrechung auf die Küste zu, die sie nach der Mittagszeit erreichten. Sie flogen über die Grenzmauern von Siegenshafen hinweg, direkt auf die Hauptstadt zu, wo sie vor den weißen Stadtmauern anhielten, direkt vor dem Haupttor. Die hohen, eisernen Torflügel waren geschlossen. Die weißen Drachen die links und rechts auf den Türmen thronten, knurrten und sprang zu ihnen herunter.

»Du wagst es dich hier noch blicken zu lassen, Lenius?«, knurrte der Größere von ihnen, doch keine von den beiden konnte dem gewaltigen weißen Drachen auf Augenhöhe begegnen. Lenius beugte sich zu ihnen herunter und knurrte zurück.

»Holt Demian. Wir haben eine wichtige Nachricht für ihn.«

»Vergiss es! Mach das du verschwindest, oder wir rufen Verstärkung!«

Alina trat zwischen ihnen.

»Holt König Demian. Sagt ihm, dass seine Cousine Alina ihn sprechen muss.«

Die zwei Wachen verstummten und sie traten mit verdutzten Gesichtern ein paar Schritte zurück. Schließlich nickte der Größere und flog über die Mauer zurück in die Stadt hinein.

»Danke«, sagte Lenius, ließ dabei keinen Augenblick den Blick von dem Drachen, der immer noch vor ihnen stand und sie beobachtete.

Alina legte sich hin, ihre Augen wanderten über die helle, glatte Mauer, die links von einem wilden Feld umgeben war und rechts von einem Wald. Als sie den salzigen Duft, den eine Brise ihr entgegenwehte, bemerkte, kam es wieder. Das Gefühl, dass ihr Herz von einer kalten Hand gepackt und zerquetscht wurde.

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Strand. Meer. Sie hatte noch nicht einmal Zeit gehabt, mit Aiven im Salzwasser zu baden, oder im Sand nach Muscheln zu suchen. Alina blieb in ihrem Bedauern hängen, bis Lenius sie nach einer Weile ansprach.

»Sie kommen.«

Alina hob den Blick. Die Wache flog zu ihnen zurück. Auf seinem Nacken saßen Tessa und Demian.

Sie schluckte und ein Stich fuhr durch ihre Magengrube. Schnell richtete sie ihre Augen auf dem Boden, und starrte ihn an, auch als der Drache vor ihnen landete.

Jemand sprang ab und rannte zu ihr. Alina bemerkte noch schulterlange, blonde Haare, ehe Tessas Arme sich um ihren Brustkorb schlangen.

Ihre Cousine sagte nichts, auch Demian schwieg, der nun vor ihnen stand und Lenius anstierte. Alina zog sich von Tessa los und stellte sich neben dem riesigen Drachen hin.

»Ich hoffe, du hast Alina nicht dazu ausgenutzt, um mich aus meinem Schloss locken. Ich habe viel zu tun und keine Zeit für Verräter.« Demians Nasenflügel bebten.

Lenius wollte gerade etwas erwidern, doch Alina baute sich vor ihm auf. Ihr Herzschlag pulsierte durch ihren Drachenkörper.

»Wir sind hier um Elyons Bitte an dich weiterzugeben«, erklärte sie.

Demian hob eine Augenbraue, gleichzeitig lockerten sich seine Augenbrauen und seine Lippen lösten sich voneinander, als er mit einem sanften Ausdruck sich Alina zuwandte.

»Was möchte sie?«

»Sie will den Urdrachen erlegen«, erklärte Alina.

Demian riss die Augen auf. Er fand seine Sprache erst nach einer Weile wieder. »Erlegen? Wie?«

»Nun ...« Alina kannte einen Teil des Plans, doch all ihre Worte vermischten sich in ihrem Kopf, je länger sie vor Demian stand. Ihrem Cousin, der Aiven getötet hatte. Der mit geradem Rücken und ruhigem Blick vor ihr stand. Wie war es ihm möglich mit ihr zu sprechen, ohne dass seine Stimme brach oder zitterte? Ohne, dass ein trauriger Ausdruck auf seinem Gesicht lag?

»Sie hat seine Schwachstelle gefunden.« Warf Lenius ein. »Doch sie braucht Ablenkung, um an sie heranzukommen. Nevin hat nicht genug Drachen. Deswegen wollte sie dich darum bitten, dass du ihr Drachen zur Verfügung stellst.«

Um sich von den schweren Gedanken abzulenken, die sich ihr aufdrängten, ging Alina zu Lenius' Tasche und zog die Schleife mit den Zähnen auf, um die lederne Klappe mithilfe ihrer Schnauze hochzuheben und vorsichtig mit ihren Zahnspitzen den Brief herauszunehmen.

Tessa war bereits zur Stelle und nahm ihr den Brief ab, dann brachte sie diesen ihrem Bruder. Er brach das Siegel und überflog die Zeilen mit gerunzelter Stirn. Danach zerknüllte er in seiner zitternden Faust.

»Der Prinz wagt es, mir zu drohen? Glaubt ihr wirklich, dass es meine Schuld ist, dass ich den Urdrachen befreit habe und deswegen verpflichtet bin, ihn zu beseitigen? Die Ausgeburt ist durch Elyons Familie entstanden! Ich habe ihn nur gefunden!«

»Und hast versucht ihn zu zähmen!«, rief Alina ihm entgegen und Demian trat mit aufgerissenen Augen zurück. Sie hatte ihn noch nie so angeschrien. Doch es war ihr egal. Sie hatte es satt, sein reueloses Gesicht zu beobachten.

»Du hättest ihn in Ruhe lassen sollen! Oder dich mit Elyon beratschlagen, bevor du sie in die Höhle reingeworfen hast! In ihren sicheren Tod!« Alina fletschte die Zähne.

»Sie sollte ihn nur zähmen! Nicht sterben! Sie hat es ja noch nicht einmal versucht.« Demians Gesicht färbte sich rot.

»Nicht versucht? Woher willst du das wissen? Du warst nicht zur Stelle, als Elyon ihm entgegenstand!«

Alina wollte mit lautem Grolle auf ihn zu marschieren, doch Tessa stellte sich zwischen ihnen, die Arme weit von sich ausgestreckt.

»Beruhigt euch! Hier herumzuschreien, wird niemandem etwas bringen.«

Alinas Knurren erstarb in ihrer Kehle, doch ihr Körper bebte vor Wut und sie dachte nicht daran, ihre Zähne wieder zu verstecken.

»Alina. Demian hat den Urdrachen nicht freigelassen. Nachdem Elyon ihm begegnet ist, ist er von alleine aus der Höhle entkommen. Du kannst immer noch die Stelle sehen, durch die er durchgebrochen ist. Ein riesiges Loch im Berg, auf der östlichen Seite der Insel.« Tessa ließ langsam ihre Arme sinken und hob ihre Hände, während sie mit ruhiger Stimme auf Alina einredete.

»Es war nicht Demians Schuld und es war nicht sein Plan, den Urdrachen ungezähmt auf das Reich zu hetzen. Er möchte die Einwohner seines Reichs und seine Drachen schützen, deswegen hält er hier die Stellung, statt dem Ungeheuer hinterherzujagen, denn es könnte sich auch Richtung Siegenshafen bewegen.«

»Das wird er nicht, solange Elyon noch am Leben ist. Ihr Vater tot, habe ich recht? Sonst wäre er schon längst auf dem Weg hierher«, warf Lenius ein, sein Nasenrücken war in Falten gelegt, genau wie seine Stirn.

»Was meinst du damit?«, blaffte Demian und ging an Tessa vorbei, um sich vor Lenius hinzustellen.

»Der Urdrache folgt immer seinen Blutsverwandten. Im Augenblick, folgt er Elyon. Egal wohin sie geht, er wird wie einen Kompassnadel von ihr angezogen.«

Demian hielt kurz inne, die blauen Augen zuckten hin und her, während er grübelte. Dann nickte er entschlossen, mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen

»Gut, dann muss ich nur dafür Sorgen, dass Prinzessin Elyon sich von Siegenshafen fernhält.«

»Das heißt, du wirst ihr nicht helfen?«, fragte Alina, in der Hoffnung, dass sie ihn falsch verstanden hatte, auch wenn Demians Entschluss ihm auf der Stirn geschrieben stand.

»Nein. Das Biest zerstört alles und jeden, der sich ihm in den Weg stellt. Auch wenn Prinzessin Elyon meint, dass sie den Drachen erlegen kann, ist es trotzdem zu gefährlich. Meine Drachen bleiben hier.«

»Demian«, wisperte Tessa und legte eine Hand um den Arm ihres Bruders. »Vielleicht könntest du es dir noch einmal überlegen ...«

Doch Demian schüttelte den Kopf. Ein paar blonde Haarsträhnen lösten sich von dem Halbknoten an seinem Hinterkopf.

»Nein. Auf keinen Fall.« Demian gab einen tiefen Atemstoß von sich. »Aber Alina, ich wünsche mir, dass du nicht zurück zu Prinz Nevin und Prinzessin Elyon kehrst. Meine Türen stehen dir offen. Tessa und ich wären sehr erleichtert und dankbar, wenn du hier bleiben würdest. Deine Familie wartet hier auf dich.«

Alina konnte nichts sagen, nichts tun, außer Demian anzustarren. Und sich zu fragen, ob sie vielleicht falsch hörte. Und ob der Mann, der vor ihr stand, tatsächlich ihr Cousin war. Wieder wunderte sie sich, wo seine Sanftmut und Fürsorglichkeit geblieben war, für die er so bekannt in Höhental war. Er sprach davon, seine Drachen zu beschützen, doch dabei sah sein Gesicht so verbissen aus, dass es Alina innerlich schmerzte. Auch Tessa verzog das Gesicht, als würde sie unter Qualen leiden.

»Du kannst es dir überlegen.« Demian strich die losen Haarsträhnen von seinem Gesicht. »Doch ich muss zurück in mein Schloss kehren. Melde dich bei den Wachen, solltest du es dir anders überlegen.« Demian machte auf dem Absatz kehrt, doch hielt sofort an, als er den weißen Drachen bemerkte, der auf sie zuflog. Er hatte ein Geweih wie das eines Rehs und lange Schneidezähne, die aus seinem Maul herausragten, obwohl es geschlossen war.

»Demian! Warte einen Augenblick!«, rief der neue Drache, während er vor Alinas Cousin landete.

»Calin? Was machst du hier?«, fragte Demian atemlos.