Ein Chor aus gedämpften Rufen drang zu ihnen hinauf. Alina wechselte einen kurzen Blick mit Isko, dann eilten die beiden zurück zu den Treppen. Von oben waren Jaro und Odilia zu sehen, die gerade den runden Hof durchquerte, in Richtung der hinteren Gartenanlagen.
Gerade als Alina selbst im Hof ankam, liefen Lenius, Gilwa und Dilek an ihr vorbei. Durch die Säulen sah sie einen geflügelten Drachen. Nevin. Und Elyon.
Alina rannte den anderen hinterher und kam im Garten an, gerade als Elyon von Nevins Nacken absprang. Sie taumelte leicht nach der Landung, Elyons Lider hingen schlaff über ihre Augen. Etwas war geschehen. Etwas Ungutes.
Alina drängelte sich an den Leuten vorbei auf das Mädchen zu.
»Was ist mit deinem Auge passiert?«, rief Jaro und auch Dilek begann erregt auf Nevin einzureden.
Alina stellte sich atemlos vor Elyon hin, neben Lenius und Gilwa die Elyon besorgt betrachteten.
»Alles in Ordnung? Habt ihr den Urdrachen gefunden?«, fragte Lenius.
Das dunkelhaarige Mädchen nickte und rieb ihre Stirn. Hinter Alina bauten sich immer mehr Leute vor der Gruppe auf und lauschten gebannt dem Gespräch zwischen Nevin und Jaro.
Da bahnte sich Odilia einen Weg durch die Gruppe, bis die alte Frau schnaufend vor Nevin stand.
»Ich hoffe sehr für dich, dass der Urdrache der Prinzessin nicht folgt.«
Nevin seufzte und wandte den Blick ab.
Odilia riss ihre Augen auf. »Bist du wahnsinnig?! Du führst das Vieh direkt zum Tempel.«
»Wir sind bis zur Sturminsel geflogen, um den Drachen wieder zur südöstlichen Küste zu locken. Er bewegt sich langsam. Wir sind nur hier um zu berichten und durchzuschauen. Gib uns etwas Zeit, wir sind bald wieder weg.«
»Ich werde euch-!« Isko legte eine Hand auf Odilias Schulter. Aus dem Augenwinkel bemerkte Alina, dass Elyon nicht mehr vor ihr stand. Unter Nevins Bauch sah sie Elyons drahtige Beine, die sich der Wassermühle näherten. Ohne zu überlegen, hastete Alina ihr hinterher.
»Zur Seite.« Der junge Mann, der auf die große Haustür aufpasste, starrte Elyon für einen Moment verwirrt an, doch Elyon ging einfach an ihm vorbei, öffnete das Tor und verschwand im Gebäude. Unschlüssig blieb Alina dort stehen. Sollte sie Elyon hineinfolgen, oder war es besser, sie alleine zu lassen?
Lenius stellte sich gerade neben ihr hin.
»Lass sie erstmal alleine. Ich glaube, ihr ist grad alles zu viel.«
Alina nickte und legte eine Hand auf ihre schwere Brust. Am liebsten hätte sie sich wieder hingelegt, um im Schlaf der ganzen Anspannung in der Luft und dem Gewicht in ihrer Brust zu entkommen.
Da ging das Tor wieder auf und Elyon schlüpfte wieder heraus. Sie öffnete die Tür noch weiter und ein dunkelgrauer Drache trat heraus.
»Nevin!«, rief Elyon. In ihrem Blick lag ein schwaches Glimmen.
Der große Drache drehte den Kopf zu ihr, starrte auf den feinen dunkelgrauen Drachenkopf, sein ganzer Körper war starr wie eine Statue.
Die dunkelgraue Drachin japste vor Freude und lief auf den größeren Drachen zu, der sich immer noch nicht bewegte.
»Ilka!« Jaro tauchte hinter Nevin auf, der mit tränengefüllten Augen auf die Graue zu lief, die Arme bereits ausgestreckt, als würde er es kaum aushalten, sie nicht zu berühren.
Die Drachin schlitterte über das Gras und stieß fast gegen Jaro, doch sie warf sich zu Boden und lehnte winselnd ihren Kopf gegen Jaro an. Weinend schlang Jaro die Arme um den Drachenkopf. Sein Schluchzen reichte bis zu Alinas Ohren und berührte etwas in ihr, sodass es unmöglich war, Tränen zurückzuhalten.
In ihr wurde es warm, doch gleichzeitig berührte das Geschehen alle wunden Stellen in ihrer Brust und Alina musste sich abwenden, da es sie zu sehr an den Strand erinnerte, wo sie Aiven wiedergetroffen hatte, eine Erinnerung, die sein Fehlen noch schwerer wiegen ließ, als es schon tat.
Kleine Arme schlangen sich um ihr Bein. Gilwa drückte seinen Kopf gegen ihre Hüfte und er drückte sie so fest, als wollte er verhindern, dass Alina auseinander fiel.
Die Zuschauer begannen miteinander zu flüstern, die Worte verließen so schnell ihre Lippen, dass Alina sie selbst mit ihrem schärferen Gehör nicht verstehen konnte. Doch die Stimmen klangen nicht feindselig, eine Erregung lag in der Luft, voller Erwartung und Hoffnung.
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Alina wischte sich hastig die Tränen von den Augen und schluckte mehrmals, im Versuch ihre Tränen zurückzuhalten. Sie hielt nach Elyon Ausschau und dachte, dass Ilkas zurückgewonnenes Bewusstsein, Elyon vielleicht endlich in einem besseren Licht dastehen ließ.
Jaro stand vor der Prinzessin, auf seinen Knien, die Hände um ihre gelegt, die er immer wieder an seine Stirn drückte, während er schluchzend mit ihr sprach.
Elyon wandte immer wieder ihre Augen ab, ihr Blick zuckte hin und her und eine verlegene Röte lag auf ihren Wangen.
Hinter Jaro standen Nevin und Ilka, beide betrachteten Elyon lächelnd und mit schimmernden Augen. Nicht weit von ihnen, standen Isko, Kael und Odilia. Die faltige Stirn erheblich geglättet, die Augen offen und die Lippen entspannt, wirkte ihr Gesicht fast schon weich. Ein Ausdruck, den Alina der alten Frau niemals zugetraut hätte.
Jaro stand auf und Elyon zog, immer noch verlegen, ihre Hand zurück. Auch das, war ein neuer Anblick für Alina, der es schaffte, ein kurzes Lächeln mit ihren Lippen zu formen.
»Alina, wenn Elyon mit Nevin den Tempel verlässt, willst du hier bleiben, oder mit ihnen nach Adlerstal fliegen?«, fragte Lenius, ohne die Augen von Nevin und den anderen zu lösen.
Sie legte eine Hand auf Gilwas Kopf und streichelte ihn vorsichtig. Sie brachte nicht lange zu überlegen.
»Ich will mit. Ich will nicht hier bleiben.«
Warum, konnte Alina sich nicht erklären. Etwas in ihr brach in Angst aus, wenn sie sich vorstellte, nicht in Elyons Nähe zu sein. Die kleingewachsene Prinzessin, die jünger war als Alina selbst und doch mehr Weisheit, Erkenntnis und Überlegenheit in sich trug, als die vielen Erwachsenen um sie herum.
»Können wir auch mit? Können wir mithelfen, den Urdrachen zu töten?«, fragte Gilwa an Lenius gerichtet.
Lenius seufzte und schwieg für einen Augenblick, sein ernster Blick ganz auf Nevin gerichtet. Dann, statt zu antworten, ging Lenius zu der Gruppe um Elyon hin, zu denen sich inzwischen auch Dilek, Isko, Kael und Odilia gesellt hatten. Gilwa rannte ihnen hinterher und Alina folgte ihnen mit zaghaften Schritten.
»Wir haben sichergestellt, dass die Drachen regelmäßig Traumtod bekommen haben. Erstaunlich, was es für eine Wirkung hat«, bemerkte Isko.
Ilka stupste Elyon sanft mit ihrer Schnauze an.
»Ich wundere mich, ob es auch etwas mit Elyon selbst zu tun hat«, warf Nevin ein. »Vor allem die schwarzen Drachen scheinen sehr empfindlich auf ihre Gegenwart zu reagieren.«
»Das ändert nichts an der Tatsache, dass ein Ungeheuer sie verfolgt«, sagte Odilia und verschränkte die Arme. Die Weichheit in ihrem Gesicht war verschwunden, doch ihre Lippen waren nicht ganz so fest zusammengepresst wie üblich.
»Nevin, ich will gehen«, sagte Elyon und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ich muss mich noch von allen verabschieden und Jaro und Dilek letzte Anweisungen geben.«
»Anweisungen?« Dilek hob eine Augenbraue. »Die kannst du mir auch unterwegs geben. Ich komme mit.«
»Es ist gefährlich«, murmelte Nevin. Doch ein erleichterter Blick lag in seinem unverletzten Auge.
»Wir kommen auch mit«, verkündete Jaro, eine Hand lag immer noch auf der Wange der Drachin.
»Was? Jaro, bitte nicht! Wir brauchen dich hier!« Isko ließ die Schriftrollen fallen und hastete auf Jaro zu.
»Er gehört zu dem Kaiserjungen. Es ist besser, wenn er ebenfalls geht. Kael und ich können seine Arbeit übernehmen«, sagte Odilia und verschränkte ebenfalls die Arme.
Die harte Stimme der alten Frau brannte in Alinas Ohren. Sie wollte weg von hier.
»Ich möchte bitte auch mitkommen«, verkündete Alina mit heiserer Stimme.
Elyon hob überrascht ihre dunklen Brauen, aber nur für einen kurzen Moment, dann schloss sie die Augen und zuckte mit den Schultern.
»Wir würden auch mitkommen. Ich kann euch vielleicht behilflich sein«, sagte Lenius und Gilwa schenkte ihm dafür ein breites Lächeln.
»Ich wiederhole mich, aber, es ist wirklich gefährlich. Bist du dir sicher? Wäre es nicht besser für Gilwa, hier zu bleiben?« Nevin beugte seinen Hals, bis er auf gleicher Augenhöhe wie Lenius war.
»Ich bin ein Rovisianer. Ich will demjenigen folgen, der das Beste für unser Land, für das Volk will«, begann Lenius zu erklären. »Es wäre mir eine Ehre, unserem zukünftigen Kaiser zu unterstützen. Und Elyon.« Lenius sah die Prinzessin kurz an, mit einem leisen Lächeln auf den Lippen. »Ich bin überzeugt, dass sie es schaffen kann, diesen Fluch aufzuhalten und auch den Urdrachen. Ich möchte auch ihr helfen und alles dafür tun, damit dieses Land eine gute Zukunft haben kann.« Der dunkelblonde Mann drückte Gilwa enger an sich.
»Für den jungen wäre es hier aber sicherer, solange die Prinzessin sich entfernt. Und du bist neben Nevin der größte Drache hier, wäre es nicht besser von dir, hier zu bleiben und deine Landsleute zu beschützen?«, fragte Odilia.
Doch Lenius schüttelte den Kopf und stellte sich, mit Gilwas Hand in seiner, neben Elyon hin. Alina folgte ihm.
»Odilia, es wäre eine Schande, sie einfach für immer aus dem Tempel zu verbannen. Ich bin dafür, dass wir Briefe wechseln und dass Nevin, Jaro und Dilek jederzeit zurückkommen können, sollten wir es für notwendig erachten.« Kael hob seufzend die alten Schriftrollen auf, dann sah er die Menge an, die sich um sie versammelt hatte. Es waren so viele, dass es fast alle Einwohner der Singbucht sein mussten. Männer, Frauen, Kinder und Greise.
»Lasst uns abstimmen!« Kael trat näher an die Einwohner heran. »Wer ist dafür, dass wir Nevin uns seine Verbündeten für immer von unserer Mitte verbannen?«
Odilia erhob sofort ihre Hand, so wie ein Viertel von der Menge.
»Wer ist dafür, dass wir weiterhin Kontakt mit ihnen halten?« Alle restlichen Einwohner, sowie Kael und Isko hoben ihre Hände.
Odilia seufzte schwer. »Gut, die Einwohner haben gesprochen. Wir können uns mit Hilfe von Drachenboten auf dem Laufenden halten. Doch die Prinzessin kommt mir nicht in den Tempel, nicht ohne einen triftigen Grund.«