Irgendwann folgte sie dem weißen Drachen wieder Richtung Boden, auf eine hügelige Landschaft zu, bedeckt mit tiefgrünem Gras, das nur von einem großen See unterbrochen wurde. Nicht weit davon, stand ein riesiges Holzhaus mit einem roten Dach.
Sie landeten in der Nähe des Ufers und Lenius stürzte sich, kaum das Nevin und Dilek abgestiegen waren, auf das kühle Nass zu. Elyon sprang von ihrem Nacken und stupste Alina in Richtung des Sees. Sie folgte Lenius' Beispiel und füllte ihren Körper mit frischem Wasser.
Als Alina ihren Kopf wieder hob, kamen sechs Menschen auf sie zu marschiert. Die Gruppe wurde von einem breit gebauten Mann angeführt, in dessen braunes Haar die ersten grauen Strähnen zu sehen waren. Obwohl seine Augen einen warmen Braunton hatten, dieselbe Farbe wie Nevins, wirkten sie so hart wie Eisen. Er stampfte mit solch gewaltigen Schritten auf sie zu, dass Alina am liebsten wieder weggeflogen wäre. Das musste, ohne Frage, der Kaiser sein.
Gleich hinter ihm liefen zwei jüngere Männer. Diese hatten eine so helle Haut und hellblonde Haare, dass sie fast weiß aussahen. Die Ausnahme waren ihre hellroten Nasen und Wangen, die in der Mittagssonne glühten. Dazu kam die geschwungene Form ihrer Nase und die dünnen Lippen, die ihnen eine fremdländische Wirkung gaben. Sie waren nicht so edel gekleidet wie ihre Begleiter, sondern in einfachen, dunkelbraunen Roben die ihre Körper bis knapp über den Füßen bedeckten. Ihre wasserklaren Augen starrten zunächst die Drachen, dann Elyon neugierig an, mit einem leisen Lächeln auf den Lippen.
Den Schluss der Gruppe bildeten drei junge Männer, alle mit langen Haaren, ähnlich frisiert und gekleidet wie Elyon und Nevin. Einer hatte hellbraunes Haar und sah ungefähr so jung aus wie Nevin, die zwei anderen trugen im Gegensatz zu dem Jüngling kurze, fast schwarze Bärte und hatten dicke Augenbrauen, wie die des Kaisers.
Als der Herrscher vor ihnen stand, fielen Nevin, Dilek und Elyon auf ein Knie, falteten die Hände ineinander und hoben sie ihm entgegen.
»Mögen Kraft, Weisheit und Mitgefühl Euch leiten und Eure Jahre ewig sein, Eure Kaiserliche Majestät«, riefen sie wie aus einem Mund.
»Erhebt euch«, sagte der Kaiser und sie folgten seinem Befehl. Es herrschte kurz Stille, während die harten Augen des Kaisers über sie glitten. Als er die Drachen ansah, verfinsterten sich die braunen Augen noch weiter, dann wandte er sie Elyon zu.
»Prinzessin Elyon. Es ist mir eine Freude Euch endlich wieder zu treffen.«
»Die Ehre und Freude sind ganz meinerseits«, sagte Elyon langsam und etwas heiser.
Gier lag im Lächeln des Kaisers, als er sich zu den zwei hellblonden Ausländern umdrehte. Beide nickten ihm zu, bevor er wieder zu Elyon sprach.
»Eure Hoheit, meine Begleiter würden Euch gerne näher betrachten und untersuchen, wenn das in Ordnung ist. Da ich gehört habe, dass Eure Gesundheit in letzter Zeit zu leiden hatte, dachte ich mir, dass meine Gäste Euch vielleicht helfen könnten.«
Ohne auf Elyons Zustimmung zu warten, winkte der Kaiser die zwei fremdländischen Männer nach vorne. Elyon ballte die Fäuste und ging einen Schritt zurück, als sie näher kamen.
»Nicht ängstigen. Nichts Schlimmes wird passieren«, sagte der Ältere von ihnen in gebrochener Sprache. Er hatte langes, dünnes Haar in zwei Zöpfen gebunden, genauso wie seinen langen Bart, während der andere Mann beides sehr kurz trug und einen dünnen, grünblauen Strich an seinem linken Ohrläppchen hatte.
»Name ist Halka«, stellte sich der Mann mit den Zöpfen vor und verbeugte sich. »Bitte, darf ich Hand nehmen?«
Elyons Brauen zogen sich misstrauisch zusammen und sie starrte die dargebotene Hand an, als würde sie diese um keinen Fall anfassen wollen. Doch dann streckte sie vorsichtig ihre aus.
Halka kam ihr mit seiner entgegen und berührte mit den breiten Fingerspitzen Elyons Handfläche. Das Mädchen riss erschrocken die Augen auf, als hätte sie einen gewischt bekommen. Sie zog an ihrer Hand, doch diese verharrte wie festgeklebt an den Fingern des Fremden.
Alina schluckte. Erst als Halka von sich aus die Finger zurückzog, löste sich Elyons Hand. So plötzlich wieder freigelassen, stolperte sie nach hinten. Nevin fing sie auf und hielt ihre Schultern fest, bis sie ihr Gleichgewicht wieder erlangt hatte.
Alle Augen waren auf Halka gerichtet, der zurück zu seinem hellblonden Begleiter schlenderte und ihm etwas zuflüsterte. Alina spitzte die Ohren, doch sie verstand kein einziges Wort von den rollenden, harten Lauten. Der Kurzhaarige nickte zufrieden, dann lehnte er sich zum Kaiser, bis er den dünnen Mund nahe an sein Ohr gebracht hatte. Wieder wurden leise Worte weitergegeben, doch dieses Mal in der Kaisersprache.
»Sie hat die Gabe der Tiere und ist eine Gestaltwandlerin.«
Alles, was diese Worte in ihr hervorrufen, waren Fragen. Was war eine Gabe und was war ein Gestaltwandler? Jemand der sich verkleidete? Sie blieben unbeantwortet, denn Alina konnte sich nicht dazu überwinden, weiter zu überlegen, was damit gemeint sein könnte. Obwohl sie getrunken hatte, fühlte sich ihr Kopf zu schwer an, um viel über das Geschehen vor ihr nachzudenken. Sie warf einen kurzen Seitenblick auf Lenius, der seine Ohren nach vorne gerichtet hielt. Er musste es auch gehört haben, doch seine blauen Augen verrieten nur die Fragen, die auch ihr in den Sinn kamen.
»Bevor wir über Euch und Euren Zustand weitersprechen, will ich wissen, was ihr über das Ungeheuer im Meer zu berichten habt«, sagte der Kaiser streng.
»Man nennt ihn den Urdrachen, da er der Erste war, der sich in einen Drachen verwandelte und ziemlich sicher der Ursprung des Fluchs ist«, erklärte Nevin. Die Rovisländer vor ihnen tauschten kurze Blicke miteinander aus, selbst der Kaiser hielt kurz inne um Nachzudenken, eher er weiter sprach.
»Wieso ist er jetzt plötzlich aufgetaucht? Und wieso erfahre ich erst heute davon? Du hättest mir schon längst schreiben sollen!« Seine Stimme brodelte.
Nevin schob leicht sein Kinn vor und wollte etwas entgegnen, doch Elyon streckte die Hand vor Nevins Brust aus.
»König Demian ist schuld«, sagte Elyon langsam. »Er hat das Ungeheuer in einer Höhle gefunden. Nicht weit von Siegenshafen. Ich sollte ihn zähmen, doch bin fast dabei umgekommen. Kurz danach ist Urdrache ausgebrochen.«
»Wenn ich diesen blonden Mistkerl erwische ...«, zischte der Kaiser und hob eine zitternde Faust vor seinem Gesicht. Alina rückte ein klein wenig näher an Lenius heran.
»Der Hund hat wahrscheinlich auch nicht vor, diesen Urdrachen zu beseitigen, habe ich recht?«, fragte der Kaiser.
»Der Urdrache hat die Sturminseln angegriffen. Statt ihn zu bekämpfen, hat er seine Schiffe geschickt, um die Inselbewohner zu evakuieren. Sie segeln gerade Richtung Siegenshafen«, erzählte Nevin.
»Ha! Fremdlinge wagt er auch noch auf kaiserlichen Boden anzuschleppen! Ist die Insel zerstört? Und wo treibt sich das Biest jetzt herum?«
»Als Letztes wurde es im Meer Richtung Nordostküste gesichtet, nicht weit von den unbewohnten Wäldern«, antwortete Nevin, der immer blasser um die Nase wurde.
»Habt ihr bereits einen Weg gefunden, um diesen Fluch aufzuheben und damit auch dieses Ungeheuer zu beseitigen? Denn ich vermute, dass die Bestie auch mal ein Mensch gewesen sein muss.«
Elyon sah kurz zu Nevin, doch als er nichts sagte, streckte sie ihre Brust aus sie und antwortete an seiner Stelle. »Nein, Eure Majestät. Ich muss den Fluch noch genauer untersuchen, um eine Lösung zu finden.«
Der Kaiser kniff die Augen zusammen und seine Nasenflügel bebten.
»Noch genauer untersuchen? Ich weiß, Ihr wart krank, doch wir sprechen hier von einer Kalamität, die mein ganzes Reich nicht nur bedroht, sondern auseinanderreißt.« Seine Stimme war leise, doch so scharf, dass selbst Lenius neben ihr etwas zusammenzuckte.
»Mein Hof ist außer sich vor Panik, die Könige wagen es mir zu drohen, dass sie sich ohne meine Mitsprache zusammenschließen werden, um das Biest zu beseitigen. Wir haben keine Zeit für weitere Untersuchungen! Ich brauche Antworten, und zwar jetzt!« Der Kaiser zeigte auf Alina und Lenius.
»Da Ihr es gewagt habt, mit diesen abscheulichen Kreaturen herzukommen, hatte ich damit gerechnet, dass Ihr uns eine Lösung anhand eines Beispiels zeigen wolltet, Prinzessin. Dem ist anscheinend nicht der Fall und Ihr habt es trotzdem gewagt, diese Bestien anzuschleppen. Ihr könnt von Glück sagen, dass wir uns nicht auf kaiserlichem Boden befinden, sonst würden diese Würmer längst nicht mehr stehen.« Er richtete seine Augen auf Nevin. »Ich schlage vor, dass ihr drei euch bereitmacht, mich ins Kaiserreich zu begleiten, Ilias. Und zwar jetzt gleich!«
Elyon baute sich breitbeinig vor dem Kaiser auf, obwohl ihr Kopf ihm noch nicht einmal bis zur Brust reichte. »Ich werde nicht mitkommen. Ich werde eine Lösung für den Fluch finden. Ich brauche nur ein wenig mehr Zeit«
Alle Augen, außer die des Kaisers, richteten sich weit aufgerissen auf die drahtige Gestalt, die den Kaiser anstierte. Eine dicke Vene stand aus der Stirn des Herrschers heraus.
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»Ich weiß nicht, ob ich Euch für Euren Mut bewundern oder bemitleiden soll. Ihr solltet meine Geduld besser nicht herausfordern, Prinzessin.«
»Diese Drachen und noch viele weitere sind zahm. Sie gehorchen mir. Ich weiß was ich tue. Und ich weiß, wo ich es am besten tun kann. Ich komme nicht mit in die Kaiserstadt. Aber ich verspreche, dass Prinz Ilias und ich alles tun werden, um dieses Ungeheuer loszuwerden. Und den Fluch.«
Alina hielt vor Verwunderung den Atem an. So hatte sie Elyon noch nie gehört. Sie hatte nicht geahnt, dass sie so angestrengt nach einer Auflösung des Fluchs suchte.
Die Fäuste des Kaisers zitterten und er riss gerade seinen Mund auf, als der blonde Fremde, der sich noch nicht vorgestellt hatte, ihn vorsichtig an der Schulter berührte. Sofort drehte der Kaiser seinen Kopf leicht zur Seite und der Blonde flüsterte ihm etwas zu. Als Alina ihr Gehör schärfte, war es zu spät.
Die Gesichtszüge des Kaisers entspannten sich etwas und ein Funke leuchtete in seinen Augen auf.
»Prinzessin Elyon, Idris. Zieht eure Schwerter«, befahl der Herrscher.
Der junge Mann, der an der rechten Seite des Kaisers stand, beugte sich leicht zu seinem Vater vor und starrte ihn verwirrt an.
»Ihr sollt Euren Willen bekommen, Prinzessin. Aber nur, wenn Ihr es schafft, meinen ältesten Sohn im Schwertkampf zu besiegen. Dann gebe ich Euch drei Tage Zeit, um einen Plan zu verfassen und mir vorzustellen, der das Ungeheuer besiegt und mein Land von dem Fluch befreit.«
Stille breitete sich aus. Idris wisperte seinem Vater etwas zu, doch der Kaiser sah ihn noch nicht einmal an. Elyon regte keinen einzigen Muskel, während sie nachdenklich den Boden anstarrte. Dann hob sie ihren Blick und streckte einen Finger aus, um auf den blonden Fremden, mit der Tätowierung am Ohr, zu zeigen.
»Wenn ich gewinne, will ich mit Aik sprechen. Unter vier Augen.«
Nun war der Kaiser dran, überrascht zu schauen. Doch nachdem er sich wieder erholt hatte, nickte er gelassen und bedeutete seinem Sohn nach vorne zu treten.
Nevins Stirn legte sich in Falten, während Elyon auf ihren Gegner zutrat. Doch das Mädchen verriet weder in ihrem Gesicht, noch in ihrer Körperhaltung irgendeine ängstliche Regung.
Die größere Gruppe ging einige Schritte zurück, um den Kämpfenden mehr Platz zu geben. Gleichzeitig zog Elyon ihr Schwert, doch statt es mit zwei Händen zu führen, hielt sie es nur mit ihrer Rechten.
Der Prinz stand mit Augen, die genauso finster blickten, wie die des Kaisers, etwa zehn Schritte von Elyon entfernt. Zunächst bewegte sich keiner. Beide maßen sich mit Blicken. Dann stürmte Elyon nach vorne. Der Prinz stählte seinen Griff, bereit, Elyons Angriff zu parieren, doch ihr Schwert war nicht auf den Prinzen gerichtet. Sie hatte das Schwert im Laufen so gedreht, dass der Griff nach oben zeigte, als hätte sie ein Stecken in der Hand.
Als sie Idris fast erreicht hatte, schwang der Prinz die Klinge. Elyon hechtete blitzschnell unter das Schwert durch, direkt am Prinzen vorbei. Dann fing sie sich mit den Armen und dem rechten Knie auf, schwang ihr linkes Bein und stieß mit einer fegenden Bewegung so kräftig gegen das Bein ihres Gegners, dass er nach hinten kippte. Sofort schwang Elyon sich hoch, das Schwert wie einen Schild vor sich haltend, danach stürzte sich auf den am Boden liegenden Prinzen und hielt die Klinge an seine Kehle.
Alinas Kopf schwirrte, weil sich alles so schnell vor ihren Augen abgespielt hatte, so wie immer, wenn Elyon mit ihren erstaunlichen Reflexen kämpfte.
»Mein Sieg.« Das Mädchen richtete sich auf und steckte ihr Schwert zurück in die Scheide.
Der Kaiser stand für mehrere Augenblicke mit geöffnetem Mund da. Erst nachdem er ein paar Mal geblinzelt hatte, fing er sich so weit, dass er nicken konnte.
Aik lächelte sanft, dann ging er an dem Kaiser vorbei und näherte sich Elyon mit leicht gebeugtem Kopf.
»Es wäre mir eine Ehre, mit Euch sprechen zu dürfen.« Obwohl seine fremde Aussprache besonders die s- und t-Laute scharf betonte, klang seine Stimme leicht wie das Zwitschern eines Vogels.
»Alina, komm mit.«
Ihr Kopf schwirrte immer noch und sie begriff deswegen erstmal nicht, dass Elyon sie angesprochen hatte. Als Lenius seine Schnauze sanft gegen ihren Hals stupste, wachte sie auf und fing Elyons Blick ein, die bereits einige Schritte von ihr entfernt stand. Hastig lief sie dem Mädchen hinterher.
Aik führte sie an und blieb erst stehen, als sie außer Hörweite am Seeufer standen. Seine Gesichtszüge wirkten weich wie seine Stimme, mit den großen Augen, dem runden Kinn und leicht nach unten geschwungene Augenbrauen, die man nur im zweiten Blick sehen konnte, weil sei so hell waren. Doch sein Blick war seltsam. Weder kalt, noch warm. Fast schon ausdruckslos.
»Eure Hoheit, ich dachte, Ihr wolltet unter vier Augen sprechen. Jetzt sind es sechs.« Er war wesentlich gewandter in der Kaisersprache, als der andere Fremde.
Elyon erwiderte nichts. Sie starrte den hellen Mann nur an, als würden ihre dunklen Augen sich in sein Gesicht hineinbohren wollen. Dann zeigte sie auf Alina.
»Mein Schutz.«
Aik nickte.
»Aus dem Verbotenen Osten?«, fragte sie schließlich.
»Aus Duggvori, um genau zu sein.«
»Wie hierhergekommen?«
Aik schmunzelte und senkte den Blick. »Das ist eine lange Geschichte, die ich Euch heute nicht erzählen werde. Habt Ihr etwa vor, in den kalten Teil des Kontinents zu reisen?«
»Fluch loswerden. Wie?« Elyons Augen verfinsterten sich, doch Alina konnte nicht verstehen, wieso. Aik tat nichts, außer sie freundlich anzusehen und ihre Fragen zu beantworten.
»Nun, ich kann Euch mitteilen, dass Ihr dafür nicht unbedingt den langen, anstrengenden Weg in den Osten auf Euch zu nehmen braucht. Ich würde mich anbieten, damit zu helfen.«
»Hast du Lösung? Für Fluch?«
»Ich nicht. Doch einer meiner Begleiter kennt sich mit Flüchen aus, oder besser gesagt, korrupten Gaben. Und er hat mir gegenüber erwähnt, dass Ihr wichtig seid, um die Korruption wieder zu beseitigen.«
»Ist Begleiter nicht hier?«
Aik schüttelte, immer noch lächelnd, den Kopf.
»Warum nicht?«
Da tauchte zum ersten Mal ein Blitzen in Aiks Augen auf. Elyons Gesicht verfinsterte sich immer mehr, mit jedem Wort das er mit seiner sanften Stimme von sich gab.
»Ich habe ihn nicht mitgebracht, da ich Euch schon lange kennenlernen und mit Euch arbeiten wollte. In Euch schlummert etwas, woran ich größtes Interesse habe. Wisst Ihr, wir sind uns ähnlich. Wir beide tragen unergründliche Macht in uns. Macht, die uns von anderen Menschen auszeichnet.«
Aik hob seine rechte Hand und zog die Finger leicht zusammen. Dann zuckten sie, es knisterte leise und schließlich tanzten kleine, weiße Blitze um seine Finger. Alinas Fell stellte sich auf, ihr Herz schien still zu stehen. Als sie kurz blinzelte, waren die Blitze schon wieder verschwunden.
Mit offenem Maul suchte sie nach einer Spur von dem, was gerade geschehen war, doch seine Hand entspannte sich und er legte sie zurück zu seiner anderen hinter dem Rücken. Alina konnte die Augen trotzdem nicht von der Stelle lösen, wo das seltsame Schauspiel geschehen war. Hatte sie sich getäuscht? Hatte sie richtig gesehen? Alina warf schnell einen Blick auf Elyon, die genau so erstaunt aussah, wie sie sich fühlte.
»Ihr tragt eine seltene Gabe in Euch, dessen Potenzial für immer schlummern wird, wenn Ihr keine Unterweisung bekommt. Ich bin bereit Euch dabei zu helfen, Eure Gabe kennenzulernen und zu meistern. Und nicht nur das. Ich biete Euch zudem an, diesen Fluch und den Urdrachen loszuwerden.«
Elyon presste die Lippen misstrauisch aufeinander. »Und was soll ich dafür tun?«
»Ah! Ich sehe, Ihr seid so klug wie man es Euch nachsagt. Nun denn. Alles, was ich von Euch verlange, ist, dass ihr mich in die Kaiserstadt zurückbegleitet. Mehr nicht. Ihr spart Euch den Weg in die kalten Länder und die Arbeit, nach einer Lösung für den Fluch und den Urdrachen zu suchen.«
Elyon erwiderte nichts. Sie betrachtete ihn nur, suchte sein Gesicht ab. Nach was genau, war Alina ein Rätsel und sie verstand nicht, warum Elyon so lange überlegte. Es schien ein außergewöhnlich gutes Angebot zu sein. Aik wirkte wie ein freundlicher Mann. Und ein schreckliches Ungeheur nahte. Aik schien sich sicher zu sein, all ihre Probleme beseitigen zu können.
»Nein, danke.«
Alina riss die Augen auf und ein leises Was schlüpfte aus ihrem Maul heraus. Sofort spürte sie Aiks Blick auf sich, doch sie ignorierte den Mann und bückte sich zu Elyon, um ihr ins Gesicht zu schauen. Mit zusammengekniffenen Augen verschränkte Elyon die Arme vor der Brust.
»Eure Hoheit, Ihr solltet Euch das lieber nochmal überlegen«, warf Aik vorsichtig ein. »Mir scheint, ihr seid in einer etwas verzwickten Lage.«
Doch Elyon schüttelte den Kopf. »Ich traue dir nicht«, erklärte Elyon langsam »Ein Fremder der dem Kaiser nahesteht. Der nicht freiwillig Hilfe anbietet, ohne etwas dafür zu verlangen, auch wenn Menschenleben im Spiel stehen. Verlangt vom Kaiser, dass ich meine Fähigkeiten wie Schaukuh vorstelle. Sagt nicht eindeutig, was genaues Ziel ist. Will nichts mit dir zu tun haben.«
Elyon wandte sich zum Gehen, als die Luft sich statisch auflud und um sie prickelte. Alina zuckte erschrocken zusammen, Elyon hielt inne und beide drehten sich wieder zu dem blonden Mann um. Aiks Gesicht nahm ernstere Züge an, doch er wirkte nicht einschüchternd, wie der Kaiser, der immer wieder aus der Ferne einen prüfenden Blick auf sie warf, doch Aiks Blick war bedrängend genug, um Elyons Lippen zum Zittern zu bringen.
»Ich kann Eure Einwände gut verstehen. Doch hier ist nicht der richtige Ort, noch die richtige Zeit um Euch von meinen genaueren Absichten zu erzählen. Fakt ist, dass Ihr keine Möglichkeit habt, in die kalten Länder zu kommen. Die Grenze ist durch Höhental gesperrt und mit Eurer unterentwickelten Gabe, werdet ihr Schwierigkeiten haben, in Höhental einzudringen.« Aik hielt wieder seine Hand hoch, als wollte er erneut seine Blitze berufen. »Das, was Ihr gesehen habt, war nur eine kleine Kostprobe meiner Fähigkeiten. Ihr solltet sie nicht abschlagen, besonders nicht, weil Euch die Zeit davonrennt und der Kaiser nicht gerade der geduldigste Mann ist.«
Elyon knurrte leise und schüttelte bestimmt den Kopf. Aik seufzte und schenkte ihr ein trauriges Lächeln. »Ihr macht Euch das Leben gerade sehr viel schwerer, als es sein müsste.«
Elyon würdigte ihm keinen Blick mehr, sondern stapfte zurück zur Gruppe. Sobald sie wieder vor dem Kaiser stand, als Aik gerade noch dabei war gemächlich zurückzukehren, nickte sie Nevin zu, dann wandte sie sich an den Kaiser.
»Ich melde mich in drei Tagen, Eure Majestät.« Elyon fiel wieder auf ein Knie. »Möge es Euch stets wohlergehen, mein Kaiser.«
»Wenn ich bis dahin nichts von Euch höre, werde ich meine Truppen nach Adlerstal schicken«, murrte der Kaiser. Er warf Nevin einen letzten, wütenden Blick zu, dann wandte sich der Herrscher von Rovisland ab und marschierte zurück in die Hütte, gefolgt von seinen Söhnen und den Fremden. Der jüngste Sohn blickte Nevin über die Schulter an, als würde er seinem Bruder eine wortlose Botschaft schicken, dann richtete er seinen Kopf wieder auf den Kaiser und eilte zurück ins Haus.
Elyon, Nevin und Dilek atmeten auf.
»Lasst uns sofort zurückfliegen«, sagte Nevin und Lenius bückte sich, damit die zwei jungen Männer aufsteigen konnten. »Aber ich wüsste gerne später, worüber du dich mit Aik unterhalten hast«, fügte er noch hinzu.
Elyon nickte mit einem schweren Seufzen.