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Elyons Fluch Band 1 (German)
15.1 Alinas Dämmerung

15.1 Alinas Dämmerung

Als Alina am nächsten Morgen in Elyons Zimmer ging, räumte ein Dienstmädchen gerade das leere Bett auf. »Wo ist Elyon? Ich meine, Prinzessin Elyon?«, fragte Alina.

»König Demian ist heute Morgen mit seinem Schiff aufgebrochen, in Begleitung der Prinzessin.«

Alinas bereits flauer Magen, zog sich krampfhaft zusammen. Die Magenschmerzen waren gekommen, nachdem sie die halbe Nacht wachgelegen hatte um auf Gilwa zu warten. Er war gestern Abend auf der Suche nach den Waschräumen verschwunden und nicht mehr zurückgekehrt. Und Demian war auch nicht aufzufinden gewesen. Und dass, obwohl sie sich zum Abendessen verabredet hatten.

»Ach so, danke. Wann kommen sie zurück?«, fragte sie das Dienstmädchen.

»Ich vermute seine Majestät ist zu den Inseln gefahren und kehrt wahrscheinlich am Abend zurück.«

Alina verabschiedete sich und trat etwas ratlos in den prunkvollen Gang ein. Wo war Gilwa nur geblieben? Der einzige Ort, der ihr zunächst einfiel, war der Schlafsaal, aus dem sie den kleinen Jungen gestern geholt hatte. Auch wenn er wahrscheinlich nicht freiwillig wieder dorthin zurückgekehrt war, bat sie einen der Diener, der im Gang stand, sie in den Hof zu bringen.

Draußen angekommen, sah Alina verwirrt auf den dunkelgrauen Himmel. Heute Morgen war sie noch mit einer strahlenden Sonne aufgewacht und jetzt drohte ihnen Regen. So einen schnellen Wetterwechsel war sie nicht gewohnt.

Als sie vor der Eingangstür des Schlafsaals stand, wo sie Gilwa gestern gefunden hatte und den Diener entließ, tauchten auf der anderen Seite des Hofs vier seltsame Wesen auf, die sie zum Stehen brachten. Durch ein Tor robbten vier drachenähnliche Tiere in den Hof hinein. Die Köpfe sahen wie die anderen aus, doch statt mit Fell bedeckt zu sein, hatten sie eine glatte, graublaue Haut die feucht glänzte. Sie zogen sich mit Hilfe von zwei langen Vorderflossen voran.

»Wasserdrachen.«

Alina zuckte beim Klang der männlichen Stimme zusammen. Ihr gegenüber stand ein junger Mann, angelehnt an der Wand neben der Schlafsaaltür.

»Du bist Alina, nicht wahr? Die mit uns von der Burg hierhergeflogen ist.« Jetzt erkannte sie ihn wieder. Er gehörte zu Lenius' Bande. »Mein Name ist Marek. Und ich suche Lenius. Hast du ihn gesehen?«

Alina schüttelte den Kopf und schluckte, während sie versuchte, irgendeinen sinnvollen Satz in ihren Gedanken zusammenzubringen. Sie fühlte sich ohne Demian verloren unter all den fremdländischen Menschen. Sie bewegten sich anders, sprachen anders. Sobald sie den Mund aufmachte, hatte sie das Gefühl, dass alle Augen sie anstarrten. Doch Alina hatte keine Zeit für Unsicherheiten.

»Hast du Gilwa gesehen? Er ist ebenfalls verschwunden«, fragte sie leise.

»Ich dachte, er hätte im Schloss übernachtet?«

»Er sollte bei mir übernachten. Aber ich kann ihn seit gestern Abend nicht mehr finden.« Alina kaute auf ihrer Lippe, während Mareks Augenbrauen sich misstrauisch zusammenzogen. Alina legte eine Hand auf ihren Bauch. Der Kuchen, den sie zum Frühstück gegessen hatte, drohte wieder hochzukommen. Sie schluckte wieder.

»Ich mache mir Sorgen«, sagte Marek und sah sich um. Dann kam er näher und sprach in ihr Ohr hinein. »Ich weiß, dass Demian dein Cousin ist, aber er tut viele Dinge, die mir nicht ganz geheuer sind. Ich glaube er hat Lenius dafür bestraft, dass er ihm die Prinzessin nicht gebracht hat.«

Alina sagte nichts, sondern wich seinem Blick aus und starrte auf die seltsamen Wasserdrachen die einem älteren Mann in blauer Uniform zuhörten, während beim Reden mit seinen Armen in der Luft fuchtelte.

»Wir brauchen zehn von euch um die Sturminseln«, rief er aufgebracht. »Sorgt dafür, dass kein fremdes Schiff sich nähern kann. Fangt auch jedes Boot ab, sodass der König sich nicht mit dem Kaiser in Verbindung setzen kann.«

Nicht weit von den Wasserdrachen, landeten drei schlanke, hellgraue Drachen. Um ihren Hals waren blaue Umhänge gebunden. Sie legten etwas von ihren Vorderpfoten auf den Boden ab. Alina hielt die Luft an. Es waren Menschen. Leblos lagen sie da, zwei Männer und eine Frau. Die Männer hatten beide helle Haut und kohlschwarzes Haar. Die Frau trug die Uniform einer Wächterin. Da beugten sich die Drachen zu ihnen hinunter und bissen ihnen in die Schulter. Wimmernd drängte sich Alina näher an die Hauswand ran. „Was, was machen sie da?"

Marek folgte ihrem Blick und biss sich auf die Lippen. »Hat dir Demian nichts erzählt? Von seinen Plänen?«

»Doch, aber was hat das mit ihnen zu tun? Warum werden sie gebissen? Jetzt sind sie verflucht!«

Marek legte ihr eine Hand auf den Mund. »Nicht so laut. Das was da gerade passiert, steht hier an der Tagesordnung.« Marek löste sich von ihr und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Demian geht streng gegen jeden vor, der Drachen jagt oder tötet. Doch statt sie zu töten oder einsperren zu lassen, lässt er sie als Strafe in Drachen verwandeln.«

Alinas Herz rutschte ihr in den Magen. Sie schlang die Arme um ihren Bauch und schüttelte den Kopf. »Das kann nicht dein Ernst sein. Demian würde so etwas nie tun. Jedes Menschenleben ist kostbar. Das wurde uns in Höhental beigebracht. Niemand hat das Recht einen anderen zu töten, oder zu verletzen. Und die Wächterin hat nie jemanden freiwillig angegriffen. Sie hat nur Höhental verteidigt. So wie ich, so wie Demian«, wisperte Alina.

»Ja, aber scheinbar ist es für ihn in Ordnung, sie zu verfluchen.« Marek beobachtete, wie die drei leblosen Körper von Wachen davongetragen wurden.

Alinas Bauch verkrampfte sich schmerzhaft. Ein eiskaltes Gefühl packte ihre Eingeweide. Der Wunsch, Aiven an ihrer Seite zu haben, fuhr wie ein Stich durch ihre Brust. Jetzt war sie alleine. Entsetzt. Verwirrt. Ohne jemanden zu haben, mit dem sie all diese Gefühle teilen konnte. Alina nahm tief Luft, so wie Aiven es ihr immer gesagt hatte und richtete ihren Rücken auf. Sie musste sich auf die Probleme konzentrieren, die sie vielleicht lösen konnte. Gilwa, Elyon und Lenius zu finden. Und vielleicht gab es für all die schrecklichen Dinge, die sie sah und hörte eine Erklärung. Eine die Sinn machte. Eine, die bewies das Demian immer noch der gleiche war, wie damals. Eine helle Stimme riss sie aus ihren Gedanken heraus.

»Nein! Ich will nicht! Lass mich los!«

Der gleiche dunkelhaarige Mann, der sie gestern im Hof empfangen hatte, zerrte Gilwa mit sich auf das Tor zu, aus dem die Wasserdrachen gekommen waren.

»Gilwa!«, rief Alina und rannte den beiden hinterher, gefolgt von Marek.

»Alina!« Der Junge schüttelte den Mann ab, der seinen Griff gelockert hatte und warf sich in Alinas Arme. Sie fing ihn auf. Gilwa klammerte sich an ihr, als würde er sie nie wieder loslassen wollen.

»Was hat das zu bedeuten? Was hast du mit dem Jungen vor?«, fragte Marek.

»Er soll mit den anderen weißen Drachen Kampfübungen machen. So hat es König Demian befohlen«, erklärte der ältere Mann.

»Ist alles in Ordnung? Haben sie dir etwas angetan?«, flüsterte Alina in Gilwas Ohr hinein.

»Alina«, wisperte er so leise, dass sie es kaum hören konnte. Sie trug Gilwa ein paar Schritte weg, während Marek mit dem dunkelhaarigen Mann diskutierte.

»Was ist passiert?«, fragte sie leise.

»Sie haben mich gestern Abend im Park geschnappt und mich in eine Kammer eingeschlossen. Als Strafe, weil ich nach der Sperrstunde nicht im Schlafsaal war«, erklärte Gilwa.

Alina drückte den Jungen enger an sich. »Das tut mir leid. Warum hast du nicht nach mir rufen lassen?«

»Hab ich. Aber sie haben nicht auf mich gehört. Und Alina, etwas ganz Schlimmes ist passiert. Sie haben Lenius eingesperrt. Und er ist verletzt. Und Elyon ist auch eingesperrt.«

Alina ging in die Hocke und setzte Gilwa ab. »Was hast du gerade gesagt?«

»Schnell! Wir müssen dringend in den Keller! Bevor sie Elyon wegbringen. Und wir müssen Lenius verarzten!« Gilwa schnappte sich Alinas Handgelenk und zerrte sie mit sich in Richtung des Tors.

»Moment! Der Junge soll bei mir bleiben!«, rief der dunkelhaarige Mann und wollte ihnen hinterherlaufen, doch Marek hielt ihn zurück und schärfte ihm irgendetwas ein. Dann ließ er den älteren Mann stehen und rannte den beiden hinterher.

Das Tor führte sie zu einem weitläufigen Park, dessen Ende von Alinas Standpunkt nicht zu sehen war. Während links und rechts viele Bäume im zunehmendem Wind zitterten, bewegten sich vor ihnen die Grashalme einer weiten Wiese wie Wellen im Meer. Die Wiese war frei von Büschen, Bäumen und Blumen. Dafür standen mehrere Gruppen von Soldaten auf der linken Seite, die ihre Kampffähigkeiten übten, während auf der rechten Seite eine große Anzahl von Drachen miteinander kämpfte. So viele Drachen hatte sie noch nie in ihrem Leben gesehen. Alina versuchte sie zu zählen, doch Gilwa zog sie hastig weiter. Vorbei an den Kämpfenden, führte er sie zielsicher durch die hohen Zypressen hindurch, die nahe an der Schlossmauer standen. Dahinter endete der Boden abrupt an einer Steilküste und unter ihnen, brodelte das Meer zwischen unzähligen großen Steinen.

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»Wo führst du uns hin?«, fragte Marek und starrte fragend auf die gefährliche Brandung.

»Da, wir müssen die Mauer runterklettern. Ganz unten ist eine Tür.« Gilwa zeigte auf die Schlossmauer, die knapp hinter der Felsenküste endete. Alina schluckte schwer und ein mulmiges Gefühl verbreitete sich in ihrem Bauch als ihr klar wurde, wie nahe das Schloss am Meer stand. Zum Glück schien das Kliff hauptsächlich aus Gestein zu bestehen, sodass der Berg, auf dem das Schloss stand, hoffentlich das große Gebäude für lange Zeit tragen konnte.

»Aber wie sollen wir dorthin kommen?«, fragte Alina, die den steinernen Streifen, der zwischen Schlossmauer und Tiefe stand für zu schmal sah, um ihn sicher betreten zu können.

Statt ihr zu antworten, zog Gilwa seine Schuhe aus und verkrampfte die Hände. Seine Füße veränderten sich, bekamen lange Finger und Fell spross aus der Haut heraus. Mit den Krallen an seinen Fingern, sprang er auf die Rückwand des Schlosses und krallte sich an das schmutzige, weiße Mauerwerk.

Als Marek Gilwa nachmachte und ihm hinterher klettern wollte, griff sie instinktiv nach Mareks hochgekrempelten Ärmel.

»Ich ... Ich kann das nicht«, wisperte sie. »Die Krallen.«

Marek blickte sie fragend an, dann riss er im Verständnis die Augen auf und hockte sich mit dem Rücken zu ihr gewandt hin.

»Kletter auf meinen Rücken, schling die Beine um meine Taille. Ich trage dich.«

Alinas Herz machte einen panischen Sprung und sie musste ihre Füße dazu zwingen, still stehen zu bleiben, statt zu flüchten. Mit einem Blick auf die Tiefe, auf die Felsen, die zwischen dem schäumendem Wasser ragten, stellte sie sich vor, was passieren würde, wenn sie von der Mauer fielen.

»Könnt ihr euch nicht einfach verwandeln und rüber fliegen?« Gilwa hatte schon die Hälfte des Wegs hinter sich gebracht, zwischen den Klippen, wo Alina und Marek standen und der dünnen Holztür, die einsam auf dem Grund des Schlosses in der weißen Mauer stand.

»Wir passen nicht durch die Tür in unseren Drachengestalten. Und ich hab keinen Umhang dabei. Und schau mal rauf. Da steht ein Drache Wache.« Marek zeigte auf einen Turm hoch über ihnen, wo ein hellgrauer Drache über das Meer in die Ferne sah.

Unwillkürlich zog Alina den Kopf ein, um sich kleiner zu machen.

»Wir würden mehr auffallen, wenn wir in unseren Drachengestalten fliegen. An die Wand gekrallt, bieten uns die Fenstervorsprünge und die Balkone etwas Sichtschutz. Kommst du mit, oder bleibst du hier?«

Sie schnappte zwei, dreimal nach Luft, dann schlang sie ihre zitternden Arme und Beine um Marek. Der kalte Wind zerrte an Alinas Haaren und ihr Magen rutschte ihr in die Hose, als er zum Sprung ansetzte und sich an der Mauer festkrallte. Vorsichtig, arbeitete Marek sich seitlich zur Tür vor.

»Behalte den Drachen für mich im Blick. Sollte er nach unten schauen, gib mir sofort Bescheid.«

Alina schluckte und sah hinauf zu den Turm. Der Drache war zunächst nicht zusehen, dann tauchte sein Kopf hinter der Zinnen hervor und starrte wieder auf das Meer.

Ihre Brust wummerte gegen Mareks Rücken und sie wusste nicht, was ihr eher die Luft wegschnitte, der Drache auf dem Turm oder die rauschende Tiefe unter ihnen. Der kalte Wind pfiff zu ihnen hinauf und zerrte an Alinas Haaren und Kleidung. Er war so laut, dass er das Schlagen der Tür gegen die Schlossmauer übertönte, die Gilwa gerade aufgerissen hatte.

Erschrocken starrte Alina hinauf zu dem Drachen. Doch er war nicht zu sehen. Marek hatte noch die Hälfte des Weges vor sich. Ihre Hände zitterten, ob mehr vor Kälte oder Angst, konnte sie nicht bestimmen. Am liebsten hätte sie die tränenden Augen geschlossen, doch der Drache lauerte über ihnen und sie musste Wache halten.

Als sie fast die Tür erreicht hatten, zitterte Alinas Körper so sehr, dass selbst ihre Zähne klapperten. Endlich griff Marek nach der offenen Tür, die von dem Wind gegen die Mauer gepresst wurde und schwang sich in den dunklen Raum hinein.

Ihr ganzer Körper bebte im Takt ihres Herzschlags und sie atmete tief ein, ehe sie ihre Füße auf den Boden stellte. Der Geruch von feuchtem Stein wehte ihr entgegen. Sie waren umgeben von alten Steinwänden, aus der bereits einige der grauen Ziegel abgebrochen waren. Direkt vor ihr teilte sich der Raum in zwei riesige große Zellen mit breiten Gitterstäben. Die linke Zelle war leer. In der rechten Zelle, vor der Gilwa sich bereits hingekniet hatte, lag Lenius, der sich gerade ächzend aufsetzte. »Gilwa?«, stöhnte Lenius. Marek drängte sich ebenfalls an die Zelle.

Alina wagte es nicht, näher heranzutreten, als sie ihn genauer ansah. Sein Gesicht und seine Oberarme waren gezeichnet von langen, getrockneten Blutspuren, unter denen blaue Flecken durchschienen. Das an den Ärmel zurückgekrempelte Hemd war zum Teil zerrissen und trug ebenfalls Blutspuren. Lenius versuchte gerade etwas Schwarzes, leicht klebriges von seinem Oberkörper zu lösen.

»Was ist passiert?«, fragte Marek.

»Demian. Er hat mich durchprügeln lassen und dann mit seinem schwarzen Schlack bewusstlos gemacht. Wegen Prinzessin Elyon.« Lenius ächzte vor Schmerzen und presste eine Hand gegen seine linke Schulter. »Deswegen bin ich noch nicht ganz verheilt.«

»Lenius! Wirst du wieder in Ordnung sein?«, fragte Gilwa besorgt und steckte seinen Kopf zwischen die Gitterstäbe.

»Ja, Kleiner. Keine Sorge. Gleich springt der Fluch wieder an, danach bin ich so gut wie neu. Und dann bringe ich dich aus Siegenshafen raus. So schnell wie möglich.«

»Das heißt hoffentlich, dass du dich endlich von Demian lossagst. Ich war noch nie mit seinen Methoden, neue Drachen zu rekrutieren einverstanden«, murrte Marek.

»Du hättest dich schon längst von unserer Bande lossagen können«, erwiderte Lenius und zog sich mit schmerzverzerrten Gesicht auf die Beine.

Alina wich zurück, bis sie die kalte Wand auf ihrem Rücken spürte. Ihr Kopf konnte weder die Bilder, die sie vor sich sah, noch die Worte, die sie hörte einordnen. Nichts passte zu Alinas Bild von Demian zusammen. Zu dem, was sie für ihn empfand. Sie mussten sich irren. So war niemand aus ihrer Familie. Doch sie hatte es mit eigenen Augen gesehen. Wie die bewusstlosen Menschen im Hof gebissen worden waren.

»Lenius! Wo ist Elyon?« Gilwa rannte zu der leeren Zelle und steckte wieder den Kopf durch das Gitter, als könnte er so besser hineinsehen.

»Was meinst du damit?«, fragte Lenius.

»Sie war gestern hier! Und jetzt ist sie verschwunden! Wir müssen sie finden, schnell!« Gilwa rannte zurück zu Lenius' Zelle und zerrte an der Zelltür.

»Langsam, Gilwa.« Die blauen Flecken in Lenius' Gesicht verblassten langsam und seine Züge entspannten sich »Erklär mir genau, was passiert ist.«

»Ich habe euch gestern hier gefunden und Elyon wollte, dass ich Alina hole. Sie hat um Hilfe gebeten. Ist es zu spät? Ist sie jetzt für immer weg?«

Die beiden jungen Männer sahen Alina an. Noch völlig benommen von dem, was sich bis jetzt vor ihr abgespielt hatte, trat sie näher heran und hielt sich an einem Gitterstab fest.

»Alina, weißt du, wo Elyon ist?«, fragte Lenius leise.

»Ich hab nur von dem Dienstmädchen gehört, dass Demian mit ihr zu irgendwelche Inseln gefahren ist«, wisperte sie.

Marek und Lenius tauschten einen kurzen Blick aus, dann seufzte Lenius und fuhr sich durch die dunkelblonden, mit Blut befleckten Haare.

»Was sollen wir jetzt tun? Willst du die Prinzessin zurücklassen?«, fragte Marek ihn.

Lenius seufzte. Dann legte er seine Hand durch die Gitterstäbe auf Gilwas Kopf und streichelte ihn liebevoll.

»Ich will eigentlich am liebsten sofort von hier fliehen. Aber das wirst du nicht akzeptieren, was Kleiner?«

»Nein! Wir müssen Elyon finden und sie retten! Sie mag Demian auch nicht! Er hat bestimmt was Böses mit ihr vor.«

Lenius sah auf und Alina wich unwillkürlich von ihm zurück. »Wirst du uns verraten?«, fragte er sie leise. Alina wusste keine Antwort. Was sie tun, was sie sagen sollte. Sie verstand es nicht. Sie verstand Demian nicht. Was ging nur in ihm vor? Was genau plante er? Hier würde sie keine Antwort finden. Sie schluckte den Kloß in ihrer Kehle hinunter und ballte ihre Hände. »Ich werde nach Elyon suchen. Ihr könnt fliehen. Ich werde Demian nichts verraten.«

Für einen Augenblick starrten sie alle nur nachdenklich an. Dann ergriff Lenius wieder das Wort.

»Sie werden dich nicht auf ein Schiff lassen und du kannst nur zur Insel gelangen, wenn du dich verwandelt. Ich vermute, du möchtest das nicht?«

Alina schwieg eisern und presste ihre eiskalten Hände zusammen.

»Marek, hast du noch genug Wasser für etwas Säuredampf?«

Marek nickte. Dann traten erst Lenius zurück und dann Gilwa, der sich beim Gehen an Alina festhielt und sie mit sich zog. So weit, bis sie die Mauer auf der anderen Seite am Rücken hatten.

Da krümmte Marek sich und der beißende Geruch des Fluchs verteilte sich in der Luft. Gilwa und Alina mussten sich enger an die Wand drängen, um nicht von Mareks wachsenden Schwanz getroffen zu werden. Sobald er seine Verwandlung beendet hatte, legte er sein offenes Maul an die unteren Gitterstangen und schwarze Wolken zischten wirbelnd aus ihm heraus.

Nach einer Weile trat er zurück und Lenius ging vor zu den Gittern. Er holte mit seinem Fuß aus und trat dreimal gegen die Gitterstangen, die nun schwarz glänzten und nach dem dritten Tritt, brachen drei von ihnen und Lenius zwängte sich hindurch.

»Marek, du nimmst Gilwa und fliehst mit ihm zur Burg. Sammle die von uns, denen wir vertrauen können. Sammelt euch im Wald. Du weißt noch, welchen Platz wir mal ausgemacht hatten?«

Marek nickte.

Genau in diesem Augenblick, schallte der laute Knall einer Tür durch den Raum.

Sofort setzten Marek und Lenius in Bewegung und während letzter nach Alinas Hand griff und sie Richtung Tür zog, war Marek gerade dabei zu schrumpfen.

»Warte!«, schrie Alina gerade, da sprang Lenius bereits in die Tiefe und verwandelte sich mitten im Fall. Alina spürte gerade die ersten Wassertropfen auf ihren Beinen, als Lenius' wachsende Drachenfinger sie hochwarfen und er sie mit beiden Pfoten wieder auffing. Hinter ihnen fielen gerade Marek und Gilwa in die Tiefe. Als Marek sich verwandelt hatte, schnappte er sich Gilwa und flog mit ihm davon, im gleichen Augenblick als der Drache auf dem Turm sie bemerkte und wütend brüllte.

»Warte! Wolltest du nicht aus Sigenshafen fliehen?«, brüllte Alina gegen den Wind. Statt ihr zu antworten, sauste Lenius über das Meer hinweg, während Marek vor Demians Drachen floh.