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Elyons Fluch Band 1 (German)
15.3 Alinas Dämmerung

15.3 Alinas Dämmerung

»Sie folgen uns nicht«, stellte Lenius fest, als Siegenshafen am Horizont auftauchte. Sobald sie von der Insel geflohen waren, hatte er Alina wieder mit seinen Vorderkrallen gepackt und mitgezogen, da sie mit seiner Geschwindigkeit nicht mithalten konnte.

Ein banges Gefühl stieg in ihr auf. Was, wenn Demian von dem Urdrachen erfasst worden war? Alina seufzte, drückte Elyon enger an sich und beugte ihren Kopf, so weit es ging, um auf ihre Pfoten schauen zu können. Das Mädchen hing schlaff in Alinas Griff. Kohlschwarze Schatten färbten ihre geschlossenen Lider. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Und Alina spürte etwas Nasses auf der Pfote. Was sich nicht nach dem Wasser anfühlte, in das sie mit Elyon gefallen war. Winselnd blickte sie hinauf zu Lenius. Wenigstens schützte sein massiver Körper Elyon vor dem Regen.

Statt weiter auf Siegenshafen zu zusteuern, schwenkte Lenius nach rechts und flog höher, durch die brodelnden Wolken. In einem Moment waren sie von einem dichten, grauen Schleier eingehüllt. Blitze zuckten in der Ferne. Dann löste sich der Schleier auf und sie waren umgeben von blauem Himmel. Lenius verlangsamte sein Tempo.

»Ich muss dich loslassen. Sonst verbrauche ich zu viel Wasser.« Sobald seine Vorderpfoten sich öffneten, fing Alina ihren Fall auf, indem sie ihre Flughaut aufblähte und schlängelte Lenius hinterher. Statt weiter die Führung zu übernehmen, ließ er sich nach unten und dann zurückfallen, bis sein Kopf dicht neben Elyon war.

»Sie sieht nicht gut aus. Wir müssen zwischendurch landen, um die Prinzessin auf Verletzungen zu untersuchen«, sagte Lenius und übernahm wieder die Führung. Alina folgte seiner Geschwindigkeit, so gut es ging, doch es dauerte nicht lange, bis sie hecheln musste. Ihr Körper brannte bereits vor Anstrengung.

Als Lenius, was Alina wie eine Ewigkeit vorkam, endlich wieder in die hellgraue Wolkendecke eintauchte, ließ sie sich erleichtert fallen. Rechts von ihnen, tauchte eine weitere Hafenstadt auf, doch direkt unter ihnen lag eine unbewohnte Küste.

Lenius führte sie zu dem Wald, der sich etwa dreißig Fluglängen hinter dem Strand erstreckte. Die Bäume standen nicht so dicht nebeneinander, sodass sie einen guten Blick auf den Boden hatten. Er flog auf ein Bach zu, aus dessen Bett graue Steine herausragten.

Ihre Zunge weit herausgehängt, plumpste Alina mit ihren Hinterbeinen ins Gras und legte Elyon vorsichtig ab.

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»Trink. Ich schau nach ihr.«

Alina nahm Lenius' Angebot dankbar an und schleppte sich zum Wasser. Doch sie ließ sich nicht viel Zeit, um ihren Durst zu stillen, stattdessen kehrte sie nach drei Schlucken gleich wieder zurück zu Elyon und Lenius.

Das dunkelhaarige Mädchen lag unter einer Kiefer, geschützt von dem sanften Nieselregen, der Alinas und Lenius' Fell benetzte. Elyons Gesicht war blutleer, im Kontrast zu den pechschwarzen Schatten, die wie zwei aufgemalte Kreise auf ihren Augen lagen.

»Sie hat eine Verletzung im Bauch und am Rücken. Der Urdrache muss sie dort erwischt haben«, seufzte Lenius. »Warum sie diese Schatten um die Augen hat, ist mir unerklärlich.«

Lenius zog eine Vorderpfote an, schloss die Augen, dann fuhr er mit seinen rechten Krallen über die linke Pfote. Er winselte leise. Dunkelrote Tropfen quollen aus der Wunde heraus und er hielt die blutende Pfote über Elyons Bauch.

Sobald der Schnitt bedeckt von seinem Blut war, drehte Alina das Mädchen vorsichtig um. Sie schnappte nach Luft, als sie die Wunde an Elyons Rücken sah. Wie zwei riesige Schluchten, die sich diagonal über die kleine Gestalt zogen. Statt zu bluten, waren die Schnitte mit einer schwarzen Masse gefüllt. Nicht nur ihr Hemd war zerrissen, sondern auch ihr Pelzumhang.

Lenius hielt inne. Seine Nüstern öffneten sich weit, dann verzog er die Schnauze. Auch Alina schnupperte und wandte dann angewidert den Kopf weg. Das schwarze Etwas in der Wunde roch genauso übel wie die Höhle, aus der sie vor Stunden geflüchtet waren.

»Alina, lass uns zum Bach gehen. Wir müssen das erst rauswaschen.«

Zu zweit gingen sie zurück an den Bach, um Wasser zu holen. Danach ließen sie es über die Rückenwunde laufen. Erst dann tropfte Lenius noch mehr von seinem Blut auf Elyons Wunde. Schließlich legte der große Drache sich mit einem lauten Seufzer hin.

»Wir fliegen gleich weiter, sobald das Blut seine Wirkung entfaltet hat.« Lenius warf einen besorgten Blick auf das leblose Mädchen, das nun wieder auf dem Rücken lag. »Falls es wirkt.«

Alina winselte leise.

»Trink so viel Wasser, wie du kannst. Wir müssen weiter Richtung Nordosten fliegen, wo wir die anderen, nicht weit von der Küste, in einem Wald treffen werden. Ich weiß nicht, was du nun vorhast, aber du solltest es dir während des Flugs überlegen. Ich werde mit den anderen nämlich von dort aus entscheiden, ob wir zum südlichen Kontinent, oder es wagen, in den verbotenen Osten zu fliehen.«

Alina nickte, dann trottete sie zurück zum Bach.

Das Gewicht von all den Dingen die passiert waren und dem Ungewissen, was nun sein sollte, wog zentnerschwer in ihrem Kopf. Die eine Person, die für sie ein Stück Heimat bedeutet hatte, war nicht mehr. Demian hatte sich verändert. Und es fühlte sich schrecklich an.

Es schauderte sie am ganzen Körper, als sie wieder das Ungeheuer vor Augen hatte. Elyon hatte es nicht geschafft, ihn zu zähmen. Hoffentlich bedeutete es, dass Demian den Urdrachen aufgeben würde. Sollte er aus seiner Höhle entkommen, konnte Alina sich die Ausmaße der Zerstörung, die er bringen würde, nicht mal ausmalen.

Mit gesenktem Kopf kehrte sie zurück zu Lenius, der wieder aufgestanden und bereit war, weiterzufliegen.