Novels2Search
Calisteo - Stadt der Geister [German/Deutsch]
Natur der Bälnoid: Vorwurf von Gier

Natur der Bälnoid: Vorwurf von Gier

Der starke Wind blies ihr stetig in den Hinterkopf, weswegen ihr die kurzen hellen Haare die ganze Zeit ins Gesicht geweht wurden. Es war unmöglich sie zurückzuhalten und Meta wünschte sich, sie hätte sie zugebunden, doch dann würden alle den furchtbar blauen Fleck auf ihrem Gesicht sehen, welchen sie sich bei ihrem Fall auf die Treppenstufen zugezogen hat. In weiter Entfernung hörte sie einen Donner, welcher sie zusammenzucken ließ. Zwischendurch fegten einzelne braune Blätter, welche in ihrem natürlichen Kreislauf der Natur vertrocknet und leblos geworden waren, mit Höchstgeschwindigkeit gegen ihre Wange, was sie immer wieder erschreckte. Die Luft war frisch und kalt und sie brannte leicht beim Einatmen, ließ die Innenseite ihrer Nase sich unangenehm zusammenziehen, dass es zwickte. Doch als Halil erneut seine Stimme hob, merkte sie nichts davon.

„Was meinst du mit, du weißt es nicht?“, fragte er und Meta fühlte sich trotz der drohenden Stimme gar nicht mehr so sehr eingeschüchtert wie sonst. Sie war früher hier gewesen und er auch. Sie mutmaßte, er wollte in die Turnhalle. Sobald er sie erblickt hat, waren sie jedoch zu dem Gespräch vom Vortag übergegangen und er hat ihr endlich erzählt, was er von ihr wollte.

„Ich meine, dass ich dir nicht wie von Zauberhand helfen kann. Denkst du, ich rede mit Anaki und dann ist alles gelöst? Wie stellst du dir ein Versöhnen überhaupt vor? Was soll ich ihm überhaupt sagen?“

Keine Antwort. Dann holte er tief Luft und sagte: „Das wolltest du mir sagen. Du weißt schon, man kann sich mit allen aussprechen, deine Worte. Also los. Sorge dafür, dass er mir verzeiht und das Thema ist erledigt.“

Schon wieder sagte er das. Seit das Gespräch gestartet war, war er immer nur darauf aus, sie auf ein Gespräch mit Anaki zu schieben und sich selbst herauszunehmen.

„Vorausgesetzt man will es“, beendete sie sein Zitat ihres Satzes, „Willst du dich überhaupt vertragen? Denn ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie dieser Vorschlag helfen soll.“

„Was meins du damit, du weißt es nicht?“

Geduld, sagte sie sich und versuchte einen neuen Ansatz.

„Vielleicht sollten du und ich uns mal darüber unterhalten, wieso du sauer auf ihn bist?“, fragte sie vorsichtig. Sofort verdüsterte sich sein Ausdruck.

„Das ist nicht dein Ernst? Ich will nicht von jemandem therapiert werden, der aussieht, als bräuchte er selbst eine. Ich will nur meinen Einsatz erfüllen.“

Meta ignorierte diese unhöflichen Worte und versuchte es erneut: „Und wie hast du vor, den Einsatz zu erfüllen? Es hieß, dass du dich mit Anaki vertragen sollst, so wie du es gesagt hast. Da du derjenige bist, der den Streit immer anfängt, musst du auch den ersten Schritt auf ihn zu machen.“

Halil sah aus, als würde er sich gleich übergeben. „Das ist unerhört! Überzeuge ihn einfach davon, mir zu verzeihen und sag ihm, dass ich ihn nie wieder ansprechen werde. Er wird bestimmt ein Rad drehen und sofort darauf eingehen. Er nimmt doch sowieso ehrenlos alles an, was ihm angeboten wird.“

„Hat er etwas angenommen, womit du unzufrieden bist?“, fragte sie ihn schnell.

Erneut sah er beleidigt aus und erhob die Stimme: „Hör auf mit dem Therapieren! Ich sagte doch, dass es überhaupt nicht um mein Problem mit ihm geht.“

Meta atmete frustriert aus. Er war so furchtbar stur!

„Schau, ich glaube nicht, dass das ausreicht. Um sich zu vertragen, muss man beide Seiten verstehen. Alles andere dient nicht dem Zweck des Wortes.“

„Ah, bist du Experte?“, fragte er.

Sie stampfte frustriert mit dem Fuß auf, was ihr zwei erhobene Augenbrauen entgegenbrachte und einen Schrecken ihrerseits über ihre eigene Reaktion. Sie versuchte ihn zu überdecken, indem sie schnell weitersprach.

„Du-, du hast mich gestern beinahe schon dazu gedrängt. Lass es uns doch einfach so versuchen, wie ich es mir vorstelle. Sonst hättest du auch irgendwen anders fragen können. Meinst du nicht?“

Er schwieg und sie konnte in seinem Kiefer sehen, wie er nachdachte, als dieser stetig etwas kaute, was es nicht gab. Dabei wurde sein Ausdruck nach und nach mit jeder verstrichenen Sekunde grimmiger und grimmiger, bis Meta sich wünschte, sie hätte nichts dazu gesagt und einfach das abgenickt, was er ihr vorgeschlagen hatte. Sie hat sich aber nicht vorstellen können, dass Anaki das ohne Fragen annehmen würde. Wahrscheinlich hätte er dann so oder so das Gespräch mit Halil gesucht oder sie einfach weggeschickt. Letzteres wollte sie vermeiden, da sie sich wirklich nicht sicher war, wie Halil darauf reagieren würde. Was, wenn er so wütend wurde, dass sie anstelle von Anaki, sein neues Ziel von Gemeinheiten werden würde?

„In Ordnung“, presste er dann hervor und sie fühlte sich nicht wirklich besser. Im Gegenteil, langsam fing sie an zu glauben, dass es keine gute Idee war.

„Nein du hast recht“, sagte sie schnell, „Wir lassen es einfach.“

Sie drehte sich um und versuchte zurück durch die Seitentür zum Durchgang zu gelangen, welcher direkt zum Theatersaal führte. Halil tauchte sofort vor ihr auf und versperrte ihr den Weg.

„Was soll das? Du hast darauf beharrt!“

„Du hast mich überzeugt, dass ich falsch liege.“

„Ist das dein Ernst?“

Meta rieb sich über die Oberarme. Sie hatte Gänsehaut, aber das lag nicht an der Kälte und der Nässe des unangenehmen Wetters. Es war eher die Kälte, welche sich von Innen in ihr ausbreitete, ausgelöst durch die unangenehme Situation, dessen Stimmung durch den Donner nur verstärkt wurde. Ihr war plötzlich klar geworden, dass sie tatsächlich dabei sein würde, wenn diese beiden ein Gespräch miteinander starten sollen. Im besten Fall würde sie zwischen ihnen vermitteln und das bedeutete, dass sie mittendrin war. In ihrer Vorstellung hatte sie aber deutlich weniger zu tun gehabt.

„Ich glaube nicht, dass ich das kann. Such dir bitte doch jemand anderen, damit bist du deutlich besser dran“, sagte sie und versuchte noch einmal an ihm vorbeizukommen.

„Warte, warte, warte“, rief er aus und packte sie am Oberarm. Meta vermied es ihn anzusehen, sie hatte Angst von der Wut und der Enttäuschung, welche ihr entgegenspringen würde. Er würde aber deutlich enttäuschter sein, wenn er merkte was für eine schlechte Arbeit sie machen würde, also war es besser, jetzt die Reißleine zu ziehen. Ihr Blick hing am Boden. Die Pflastersteine waren zu schönen Mustern zusammengelegt. Meta kannte sie auswendig, denn früher saß sie öfters hier draußen im Garten und hatte sie bestaunt und durchgezählt. Auf einmal tauchte Halils Gesicht vor ihr auf, seine grünen Augen sahen zu ihr herauf, eine ungewöhnliche Perspektive, welche ihr unangenehm war.

„Wir sind verwandt“, sagte er unvermittelt, „Also nein, nicht er und ich direkt. Aber sein jüngster Bruder, auf welchen er aufpasst, ist mein Halbbruder. Selber Mistkerl von Vater. Anaki und ich waren lange befreundet, lange bevor dieses ganze Chaos mit unseren Familien angefangen hat. Ich hab ihm das aber nie vorgeworfen. Er kann genauso wenig für seine Flitze von Mutter, wie ich für meinen Flitze von Vater. Aber ich habe ihm nichts davon vorgeworfen, auch nicht, dass er sie nicht aus seinem Leben geschnitten hat, auch nicht, dass er immer wieder mit diesen Unmenschen sich trifft und auch nicht, dass er ihnen verziehen hat. Mir ist absolut bewusst, dass er und seine Geschwister ein Dach über dem Kopf brauchen und dieser Mistkerl kann ihnen eins geben. Das einzige, was ich ihm vorgeworfen habe war, dass er versucht hat zwischen mir und meinem Vater zu vermitteln, weil dieser Mistkerl mich einfach nicht in Ruhe lassen will!“

Stolen from its rightful author, this tale is not meant to be on Amazon; report any sightings.

Meta sah ihn mit großen Augen an, als ein Wort nach dem anderen aus ihm ausbrach und sie wusste nicht so recht, wie sie damit umgehen sollte. Hier wurden Dinge genannt, von denen sie noch nie gehört hatte. Eine Verbindung zwischen Halil und Anaki, von der sie nichts gewusst hatte.

„Aber…“, meinte sie verwirrt, ihr Kopf schwirrte von vielen Fragen. Ein Skandal dieser Art musste Halils und Anakis Leben wahrscheinlich wirklich schwer gemacht haben. „Wenn ihr gemeinsam durch so vieles gegangen seid, was muss denn noch Schlimmeres passiert sein, dass du so wütend auf ihn bist?“

Halil presste erneut die Lippen zusammen. Seine Wut fühlte sich zum Greifen an, auch wenn diese gemischt war mit Verunsicherung.

Er atmete tief durch und antwortete: „Zu vieles. Zum Beispiel ist er ein genauso rücksichtsloser, verantwortungsloser Mistkerl ist, wie mein Vater. Wusstest du, dass Katelin voll in ihn verschossen ist? Er war es scheinbar auch in sie, bis ein paar andere Mädels ihm schöne Augen gemacht haben. In Ordnung, kein Problem für mich. Ich war damals auch verknallt in Katelin gewesen, aber es war offensichtlich, was sie für ihn empfand und Anaki selber schien da gar nicht so abgeneigt zu sein. Nur zu gern hätte ich meinem damaligen besten Freund Platz gemacht. Aber dann verrät er sie so. Und das war auch nicht alles. Er soll sich mit meinem Vater in Verbindung gesetzt haben, um zu überlegen, wie sie meine Mutter aus dem alten Haus meiner Familie vertreiben können. Dass er schlecht über mich und unsere damaligen Freunde geredet hat, Gerüchte verbreitet hat, dass er und mein Vater Pläne geschmiedet haben, wie sie mich am besten dazu zwingen können, diesen elenden Namen von ihm anzunehmen… ah das ist zu viel, um das alles aufzuzählen.“

Meta starrte ungläubig zu ihm hinunter. Die grünen Augen strahlten ehrliche Wut aus und dahinter lag etwas, was sie als Schmerzen beschreiben würde. Aber sie kannte ihn nicht gut genug, um ihn einschätzen zu können. Sicherlich würde sie Schmerz empfinden, wenn sie in seiner Situation wäre. Aber in erster Linie wäre es Unglaube. Da sie sich furchtbar unwohl fühlte, zu ihm hinab zu starren, hockte sie sich ebenfalls hin.

„Aber Halil, macht das wirklich Sinn?“

„Du glaubst mir nicht was? Wundert mich nicht.“

„Nein, nein. Ich habe keinen Grund dir nicht zu glauben. Aber Anaki scheint nicht wirklich der Mensch zu sein, welcher sich in solche… Intrigen mischt. Wo hast du das denn her? Hast du ihn… ehm…“, sie wusste gar nicht, bei welchem Thema sie zuerst anfangen sollte.

Er schwieg einige Momente, was ihre Nervosität in die Höhe schießen ließ.

„Ich habe es aus verschiedenen Quellen. Es war auch nicht so, als hätte ich es sofort geglaubt. Manches gesehen und nicht geglaubt. Aber dann nahmen die Sachen zu. Und als das mit dem Haus meiner Mutter angesprochen wurde, ist bei mir eine Sicherung durchgebrannt. Ich habe ihn damit konfrontiert und er hat es zugegeben. Da wusste ich, dass der Rest auch stimmen würde. Zugegeben, ich würde ihn auch einfach ignorieren und nie wieder ein Wort mit ihm wechseln. Eine Zeit lang hat er es auch nicht akzeptiert und mich genauso belästigt, wie es mein Mistkerl von Vater noch tut. Aber er hat es irgendwann aufgegeben.“

„Und wieso kommt es zum regelmäßigen Streit?“, fragte sie, gänzlich gebannt von der Erzählung.

„Weil mein Vater mich noch immer nervt“, sagte Halil leise und der Frust in seinem Unterton war so intensiv und eindringlich, dass der Donner welcher ihn begleitete, sie zusammenzucken ließ.

„Wie meinst du das?“, fragte sie nervös, erinnerte sich daran, dass er ihr all das freiwillig sagte und es keinen Grund gab, wieso er wütend auf sie sein sollte.

„Mein Vater versucht neuerdings über meinen Onkel mich dazu zu bringen, seinen Namen anzunehmen und nach der Schule bei ihm in Familiengeschäfte unterwiesen zu werden. Er führt ein ganz gutes Militärgeschäft in der ersten Provinz. Dann nervt er auch noch meine Mutter mit Briefen und Besuchen. Ihr geht es nicht so gut und nach der Scheidung ist ihre Gesundheit teilweise komplett eingebrochen. Nicht einmal jetzt bekommt sie Ruhe vor ihm. Er versucht mich dazu zu zwingen, auszuziehen, sie in ein anderes, kleines Haus am Rand der ersten Provinz unterzubringen, diese Flitze als Mutter zu betiteln und generell, mir alles vorzuschreiben, was mein Leben angeht. Er zerrt und zieht und nervt und es ist kaum auszuhalten mich jeden Tag regelrecht gegen ihn wehren zu müssen, nur um ein paar Stunden Ruhe zu bekommen.“

„Was hat Anaki damit zu tun?“, fragte Meta nach, während ihr Herz für Halil litt.

Halil zögerte, dann zuckte er mit den Schultern, „Gar nichts. Er erinnert mich nur sehr an ihn.“

Meta starrte ihn erneut sprachlos an, bis es ihr dann dämmerte. „Halil!“, rief sie empört aus und er hob erneut die Braune. Dann erinnerte sie sich daran, dass sie nicht in der Position war über ihn zu urteilen, egal was sie davon hielt, dass er seine schlechte Laune einfach nur an Anaki ausließ.

„Was?“, fragte er, „Er macht denselben Mist wie mein Vater, obwohl ich sein Sohn bin. Etwas Erziehung tut ihm schon nicht schlecht.“

„Es nicht gut ist, deine Laune so an ihm auszulassen.“

„Ja“, sagte er grinsend, „Aber ich finde es nicht so schlimm.“

Meta atmete tief und verzweifelt durch. Wie sollte sie denn bitte hierbei vermitteln? Dennoch, erschien ihr die Situation seltsam. Das sagte sie ihm auch: „Denkst du nicht, dass es nicht zu Anaki passt?“

„Ich war über mehrere Jahre mit ihm befreundet, glaubst du wirklich, ich kenne ihn schlechter, als du?“

„Ja, aber, ist es nicht sonderbar, wie viele Freundschaften in den letzten Jahren zugrunde gegangen sind?“, fragte sie weiter nach, „Du warst doch auch mit Elias und Raffael befreundet und mit Keyen, Valtin und Scarlett und Jesse und so vielen anderen. Wieso seid ihr alle so auseinander gegangen?“

Er zuckte mit den Schultern, „Weil wir uns wohl alle zu verschieden entwickelt haben. Hinterlistig ist jetzt mit hinterlistig befreundet, wobei… Raffael bekommt ab und zu noch Gnadenfrist.“

Meta dachte an den Vortag zurück. Dieser hatte ihr Bild von Raffael etwas geändert, aber zum Positiven. Die Scham und die Enttäuschung die sie in seinem Gesicht gesehen hat und die aufrichtige Reue, als er sich bei ihr entschuldigt hat. Raffael hatte früher viele Menschen um sich herum gehabt. Aber mit der Zeit waren es weniger geworden, bis er Provinzherrscher geworden war. Nun waren es wieder mehr, wenn auch nahezu ausschließlich von der zweiten Provinz.

„Es ist dennoch seltsam“, sagte sie zu ihm, „Wieso sollte Anaki all das machen, wenn dein Vater sich scheinbar um dich bemüht, während er in einer kleinen Wohnung mit fünf Geschwistern sitzt, mit nahezu keiner Unterstützung von seinen Eltern.“

Halil holte Luft und schwieg dann.

„Hast du dir nie Gedanken darüber gemacht.“

„Doch natürlich. Ich habe jahrelang versucht zu verstehen, wieso zum Teufel er solche krummen Dinge dreht, anstatt mich um Hilfe zu bitten. Oder Raffael oder Elias oder sonst wen. Immerhin hat er wohlhabende Freunde… genauso wie seine Mutter, die sich wie ein Blutegel an meinen Vater geklebt hat.“

„Vielleicht will er nicht wie seine Mutter sein, wie du nicht wie dein Vater sein willst“, mutmaßte sie nachdenklich, „Hast du ihn je gefragt, was genau bei ihm los ist?“

Er holte wieder Luft und schwieg erneut. Kaute auf seiner Unterlippe herum und ließ sich dann schwer seufzend von der Hocke auf seinen Hintern fallen, legte die Arme auf die angewinkelten Knie. Dann traf ein wirklich genervter Ausdruck ihre Augen und Meta spannte sich nervös an.

„Pass auf du kleiner Plagegeist. Wenn deiner Vermutung stimmt und ich ihn falsch eingeschätzt haben soll, was ich wirklich anzweifle, denn er hat zugegeben, meine Mutter aus ihrem Haus vertreiben zu wollen, dann werde ich ihn mir anhören… wenn er es will. Wenn aber nicht, dann sorge einfach dafür, dass wir als vertragen gelten und ich nie wieder etwas von ihm hören muss. Oder von dieser Verrückten Giftmischerin.“

Meta verstand nicht, wieso sie nun als die Triebkraft in diesem Gespräch galt. Denn immerhin wollte er, dass sie vermittelte und sie verstand etwas mehr über die Situation.

Previous Chapter
Next Chapter