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Kontrahenten: Magie der Angst

„Aber, aber, meine Kinder!“, rief plötzlich eine angenehme Frauenstimme in den mit schwerer Luft verpesteten Raum.

Eine etwas kleine, dafür aber eine elegante Frau mit einer bunten Brille an der kleinen Nase und hellroten, kinnlangen Haaren stand am Eingang der Tür. Sie klatschte in die Hände, was Anaki zusammenzucken ließ. Etienne bedachte ihn besorgt und sah dann weiter wachsam zu Halil, welcher sich nach der kleinen Dame herumgedreht hatte.

„Wir wollen doch nicht zu Gewalt greifen.“

„Madame Warlen“, grüßte Scarlett und Etienne konnte die Anspannung in ihrer Stimme hören.

„Misch dich nicht ein, blöde Kuh.“

Sie lachte, „Ah, Halil Schatz. Wie immer charmant. Wieso wundert es mich nicht, dass du heute hier bist, um Ärger zu machen? Du und unser liebster Anaki müsst darauf acht geben, dass kein Ärger passiert. Nicht den Ärger anstiften.“

Etienne blickte zwischen den Beteiligten hin und her, unsicher, welche Regeln und Gegebenheiten daran beteiligt waren, dass Halil nicht auf eine Lehrerin hörte und diese sich das auch noch gefallen ließ.

Die graublauen Augen der Frau fielen auf sie, „Du bist unsere neue Schülerin. Willkommen! Ich hab mich schon gefreut, als ich von dir gehört habe. Lass uns eine schöne Zeit hier verbringen.“

Etienne strahlte sie angespannt an, erfreut über die ganz andere Behandlung, als die, die sie von O’Donnel bekommen hatte und verunsichert über den Zeitpunkt der Grüße.

„Ich freue mich schon!“ Ihre Stimme wurde übertönt von einem lauten Geräusch, welches von Halil stammte. Er hatte mit dem Fuß aufgestampft.

Die Frau lächelte zufrieden Etienne zu und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder zu Halil und Anaki. Auch Etienne sah wieder zu Halil, bedachte den Schaden am Boden. War er von sich aus so stark oder hatte er verborgene Fähigkeiten, die ihm das erlaubten, auf solch kurze Entfernung solch einen Schaden anzurichten? Sie spürte kaum Magie von ihm ausströmen. Wenn, dann war da nur ein sanfter Zug, welcher darauf vermuten ließ, dass sie in seinem Körper floss, aber es schien nicht so zu sein, dass sie nach außen Drang. War es vielleicht nichts Angeborenes? Nutzte er etwas, einen Gegenstand? Schummelte er sich durch?

„Also wirklich, wer soll das reparieren?“, schimpfte Warlen.

Halil funkelte sie wütend an. Zeitgleich schien er jedoch die Situation einzuschätzen, bedachte sie vorsichtig und grinste dann wieder, „Soll der Versuch deine Anwesenheit zu präsentieren mich von irgendwas abhalten? Du gehörst Raffaels Provinz an.“

Dann drehte er sich wieder zu Anaki um, welcher die Hände hob, „Nur zu, ich werde mich nicht wehren.“

Etienne sah besorgt zu ihm. Dass die Lehrerin nichts tat, um ihn aufzuhalten, irritierte sie.

„Natürlich nicht, ansonsten müsstest du ja zugeben, dass du nie gegen mich gewinnen könntest.“

„Hast du mich nicht bereits besiegt?“

Etienne atmete tief durch und sah noch mal zu der Uhr. Würde er nach der Pause wieder verschwinden? Er war immerhin erst in dieser aufgetaucht.

„Halil, ich finde, du solltest wieder in deine Klasse gehen“, sagte Warlen und Etienne beobachtete, wie er genervt die Augen verdrehte und wieder zu ihr sah.

„Und was willst du machen, wenn nicht? Willst du meinem Onkel davon erzählen? Oder meinem Vater? Ah natürlich, würde mich überhaupt nicht wundern, wenn er seine Finger hier mit im Spiel hat. Oder in dir? Ah ja, wir wissen alle nur zu gut, dass er sich nicht von Frauen fernhält. Nicht wahr?“

Er drehte sich bei der Frage wieder zu Anaki, sah ihn mit Verachtung und Wut an und Etienne stellte fest, dass sie nur Sekunden hatte zu entscheiden, was sie tun wollte. Es lag nicht in ihrem Interesse, sich in einen Kampf einzumischen. Anaki war aber der Erste, der wirklich nett zu ihr war. Er hatte ihr ohne Gegenleistungen zu verlangen seine Hilfe angeboten. Er war lieb, harmlos, hilfsbereit und es würde sie in ihrer Ehre verletzen, wenn sie ihm nicht helfen würde.

Als er sich wieder vollends zu Anaki drehte und einen Schritt auf ihn zu ging, atmete Etienne tief durch, stand auf und trat mit erhobenen Händen zwischen sie. Sie hörte Scarlett fluchen und sah, wie sie aufstand.

„Was auch immer es ist, sicherlich können wir das friedlich klären“, sagte sie lächelnd. Sie bemerkte, wie der Djinn sich im Schlaf unruhig bewegte, als Halils bedrohlicher Blick auf sie fiel, „Ich habe gehört, das ist dein dritter Tag. Willst du dir wirklich mich zum Feind machen?“

„Wir könnten auch Freunde werden“, warf sie ein.

„Wir werden keine Freunde, wenn du dich zwischen ihm und mir stellst“, sagte er und grinste sie boshaft an, „Wobei. Ich würde es mir überlegen, wenn du mir einen Gefallen tust.“

Sie wurde von Anaki zur Seite geschoben und nun fand sie sich auf einmal hinter ihm.

„Lass sie in Ruhe, Halil. Es gibt wirklich gar keinen Grund all diese Menschen hier hineinzuziehen. Lass uns einfach rausgehen.“

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Noch bevor er richtig zu Ende gesprochen hatte, ging er keuchend zu Boden, als Halil ihm die Faust in den Magen rammte. Halil lächelte zufrieden zu ihm hinunter und sah dann wieder zu Etienne, „Also, der Gefallen.“

„Verrenne dich nicht“, hörte sie Scarlett sagen, „Es gibt eine Grenze von dem, was du dir erlauben kannst.“

Er lachte und drehte sich zu ihr um, was Keyen dazu verleitete, sich noch mehr vor sie zu stellen.

Etienne ging in die Hocke und legte die Hand an Anakis Rücken, während er weiter nach Luft schnappte. Sie konnte sein gerötetes Gesicht ausmachen, welches vor Schmerz verzogen war, und Speichel floss sein Kinn hinunter. Sie strich mit der Hand beruhigend seinen Rücken hinunter, hoffte, dass er bald wieder normal atmen konnte.

Sie stupste Catjill an, welcher daraufhin aufwachte und leise an ihrer Schulter die Situation betrachtete, während Halil Scarlett auslachte, „Ah, kümmere dich um deinen eigenen Kram. Hast du nicht noch alte Männer zu verführen?“

Scarletts Gesicht rötete sich und sie hob trotzig das Kinn. Etienne sah ihren verletzten Blick, welcher sodann wieder von Keyen verdeckt wurde, „Es reicht Halil. Du machst das Ganze noch zu Raffaels Problem, wenn du so weiter machst.“

„Oh entschuldige, mir war nicht bewusst, dass Raffael eine Diktatur führt, in welcher wir armen Mitglieder der neutralen Provinz nichts sagen dürfen, was wir wollen. Wollen wir schauen was passiert, wenn er sich einmischt?“

„Du weißt, dass ich das so nicht meine“, erwiderte Keyen aufgebracht.

„Kannst du stehen?“, fragte Etienne Anaki. Dieser nickte unter Schmerzen.

„Dann lass uns dich zur Krankenschwester bringen“, meinte sie.

„Was glaubst du, was du da tust?“, fragte Halil an sie gewandt.

Etienne lächelte ihn an, „Genau das, was ich gesagt habe. War nett dich kennengelernt zu haben. Wir sehen uns sicher die Tage über.“

„Warte Etienne…“, flüsterte Anaki kaum merklich. Etienne musste sich keine Sorgen um Halil machen. Er war ein Mensch. Ihr Djinn beschützte sie vor Menschen. Sie wusste nur noch nicht, wie. Die Abmachung hatte sie vor Monaten mit ihm geschlossen. Er hatte sich geweigert, sie im selben Maße gegen magische Wesen zu schützen. Aber Menschen waren kein Problem. Etienne hatte zwar nie verstanden, was dabei solch einen Unterschied für ihn machte. Menschen waren nicht um so vieles harmloser, wie er es immer darstellte.

„Ist gut jetzt“, sagte sie lachend und zog ihn hoch. Dieses Zimmer fühlte sich noch mehr nach Krankheit an, als vorhin. Musste sie das nun jeden Tag durchstehen? Sie wusste nicht, wie sie die Situation gewaltlos lösen sollte. Somit konnte sie ihrem Bruder gegenüber nicht ihr Versprechen einhalten. Sich auf ihren Djinn zu verlassen, war ihre beste Möglichkeit, diese Situation zu bewältigen, dabei ihre Neutralität möglichst zu wahren und ihr Versprechen einzuhalten.

„Du denkst wirklich, du kommst damit durch?“, fragte Halil und trat zu ihr. Scarlett schob Keyen beiseite und schien zu ihnen treten zu wollen, wurde jedoch von Keyen abgehalten. „Nur damit das klar ist“, rief sie Halil zu, „Wenn du sie verletzt, wird das kein privates Problem unter Mitgliedern der gleichen Provinz mehr.“

Etienne blickte zu ihr, leicht überrascht von ihrem Versuch sie zu beschützen.

Halil schien kurz zu zögern und Etienne drückte Anaki sanft, aber bestimmt, zur Tür. Es war still, als sie zu dieser gingen.

Halil wiederholte leise Scarletts Worte und sein Tonfall trieb ihr eine Gänsehaut den Rücken hinauf. Anaki lief gekrümmt, schien kaum Kraft zu haben, sich gegen sie zu wehren. Etiennes Sinne waren auf Halil konzentriert, von welchem sie sich langsam entfernten. Sie spürte die Blicke der anderen, welche die Situation genau beobachteten.

„Ah stimmt“, hörte sie Halil dann sagen, „Das interessiert mich bei weitem nicht so sehr, wie euch.“

Sie hörte schnelle Schritte, wollte sich aus ihrem Instinkt heraus herumdrehen und zuschlagen, eher er es konnte. Gänsehaut schoss ihr den Nacken hinunter und sie war bereit sich zu verteidigen, als Catjill ein lautes Brüllen von sich stieß, während er von ihrer Schulter sprang und seine Gestalt sich vergrößerte. Er schnappte nach Halil mit seinen nun langen, scharfen Zähnen. Sie Gestalt schien zu wachsen, sein blaues Fell wurde dunkel. Schwarzer Rauch umgab ihn, während er so tief knurrte, dass sie das Beben tief in ihrem Inneren spürte. Schlagartig wurde es dunkel im Zimmer. Es war, als hätte jemand in tiefster Nacht das einzige Licht ausgeschaltet, welches die Monster von einem fernhielt. Und genauso wie es gekommen war, war es auch wieder verschwunden.

Halil stolperte zurück und fiel hin. Etienne blickte mit großen Augen zu Catjill, welcher sich langsam wieder zurück in seine kleine Katzengestalt begab. Zufrieden leckte er sich über die Pfote. Ein Gefühl kroch tief aus ihr empor und sie unterdrückte es, indem sie ihren Atem kontrollierte und sich vor Augen führte, dass es seine Magie sein musste. Die Angst war jedoch scharf und ließ ihr kalten Schweiß den Rücken herunterlaufen.

Sie ist nicht echt, rief sie sich in Erinnerung, versuchte sich durch ihr Wissen zu beruhigen.

Ein kurzer Blick in das Zimmer und sie entdeckte Scarlett und Keyen an der anderen Seite des Raumes neben Warlen kauern. Colin hatte seine Waffe gezogen, Valtin stand hinter dem Tisch, hielt dieses wie eine Barriere zwischen sich und Catjill.

„Wir gehen dann mal“, sagte Etienne leise, vertraute ihrer Stimme nicht, dass sie nicht zittern würde. Dann drückte sie Anaki schnell Richtung Tür. Sie musste ihren Djinn dringend aus den Augen der Leute schaffen.