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Calisteo - Stadt der Geister [German/Deutsch]
Die Geister der McClaines: Wieder nach Unten

Die Geister der McClaines: Wieder nach Unten

Etienne blinzelte überrascht, verarbeitete seine Worte und fragte sicherheitshalber nach, „Meinst du das metaphorisch?“

„Nein“, sagte er lächelnd und sah ihr in die Augen, erwiderte ihren Blick, ohne seinen abzuwenden, was sie irritierte.

„Wir wussten alle schon eine Weile, dass er Dinge in Stein verwandeln kann. Es ist ihm mal aus Versehen passiert, als seine Fähigkeiten gerade erst erwacht waren. Er war da… elf Jahre alt. Du hättest das sehen sollen. Er hat den Ball zurückgeworfen und damit fast jemanden getötet. Damals war er noch kein Provinzherrscher. Ich habe nur nicht gedacht, dass er seine Kraft auch an lebenden Wesen nutzen kann.“

Etienne rief sich noch den Zustand des Schatzzimmers von Metas Vater auf. Größtenteils schien es eine Mischung aus Ordnung und Chaos gewesen zu sein. Sie konnte sich an einige Statuen erinnern. Einige von diesen waren eindeutig aus einer anderen Zeit. Aber es gab auch welche, die sie sich nicht so genau angeschaut und als einen Versuch der Rekonstruktion der alten Kunst im Hinterkopf vermerkt hatte.

„Sein versteinerter Körper könnte natürlich sehr gut geeignet sein als Verbindung zur ersten Ebene“, überlegte sie, „Erst recht, wenn er noch größtenteils intakt ist. Dafür müssten wir dann wieder runter.“

Es war die beste Möglichkeit, gegen seine ganzen Schatten anzukommen. Wenn er mit diesen nicht mehr in ihre Welt eindringen könnte, dann würde er keine Flüche aktivieren können oder sie sonst anders bedrohen. Vielleicht würde es hier und da einige Unannehmlichkeiten geben, aber nichts weiter, was ihnen Schwierigkeiten bereiten würde.

„Willst du da wirklich wieder rein?“, fragte er sie.

Etienne blickte in das Loch. Unter ihr tat sich noch ein Stockwerk auf, in dessen Boden ein größerer Spalt klaffte. Es war sehr dunkel, fühlte sich fast schon bedrohlich an. Und der Gedanke an die ganzen möglicherweise verfluchten Gegenstände und noch mehr altertümlichen Wesen bereitete ihr leichte Bauchschmerzen.

„Ich glaube nicht, dass ich da wirklich eine Wahl habe. Wenn wir ihn gut genug ablenken, könnte Gilgian vielleicht den Körper seines Onkels identifizieren und wir könnten ihn zerstören.“

Sie könnte ihn zerschmettern. Das würde die Präsenz des Geistes deutlich mindern. Und wenn er ihnen gegenüber immer noch ein Problem darstellen würde, würde sie Catjill den Rest machen lassen. Das würde aber seinen Preis haben, denn es handelte sich bei ihrem Gegner nicht um einen Menschen.

„Du könntest auch einfach gehen. Oder hast du deinen Stein noch nicht?“

Sie blickte mit zusammengekniffenen Augen zu ihm und hielt ihre Hand davon ab, prüfend zu ihrer Tasche zu wandern und ihm zu zeigen, wo er war. „Hast du vor mich wieder zu bestehlen?“

Er schüttelte den Kopf, „Einer reicht mir.“

Sie sah ihn schweigsam an, dachte über seine ersten Worte nach. Auch er blickte ihr prüfend ins Gesicht.

„Was soll diese Aussage dann?“, fragte Etienne.

„Ich wollte es nur als Option in den Raum werfen.“

Etienne stand auf und verzog das Gesicht. Die Schulter tat deutlich mehr weh, als die Wange.

„Lass uns die Pause kurz halten“, sagte sie zu ihm und beendete das Thema, „Ich werde da runtersteigen. Wenigstens Meta bin ich es schuldig.“

Er seufzte und stand ebenfalls auf. Sie sah ihm dabei zu, wie er die Kordel von seinem Arm löste. Ihr Ende verlief zum Bettpfosten, welches in schönem, dunklen Holz emporragte. Er hatte Ärmel von seinem Hemd hochgezogen und sie konnte an seinem Unterarm die roten Abdrücke erkennen.

„Was hast du nun vor?“, fragte sie ihn. Er richtete sich auf und sah ins Loch, „Ich schätze ich werde auch helfen. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich mich wirklich in eine Familienfehde einmischen will.“

Dann seufzte er erneut, diesmal schwerer, verharrte kurz still, mit einem traurigen Blick in die Ferne.

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„Ich wäre wirklich unglücklich, wenn Gilgian und Meta etwas passieren würde“, sagte er und es hörte sich wie ein Eingeständnis an sich selbst an, „Bevor er und ich Herrscher wurden, waren wir gar nicht so schlecht aufeinander zu sprechen. Ich zumindest nicht auf ihn. Und Scarlett und Meta haben sich wirklich gut verstanden. Ich habe nicht gewusste, dass sie in solch schweren Verhältnissen steckten.“

„Vielleicht ist es eine gute Sache“, sagte sie, „Dann würdet ihr euch nicht mehr so sehr anfeinden.“

Raffael sah sie mit einem Gesichtsausdruck an, den sie nicht deuten konnte. Er rührte sich nicht und Etienne wunderte sich, ob sie etwas Falsches gesagt hatte. Das war der Grund, weshalb sie nicht wirklich gut mit Menschen war. Sie irritierten sie.

„Was ist?“, fragte sie bei ihm nach und es fühlte sich unwohl.

Er atmete durch, „Nichts. Mach dir keine Gedanken darüber.“

Das war so suspekt, dass sie sich nicht einfach abspeisen lassen wollte. Dann kam ihr ein Gedanke und sie fragte, „Dachtest du gerade an Tatinnes Vorhersehung?“

Raffael hob die Brauen, „Hat sie dir davon erzählt?“

„Natürlich“, sagte Etienne, „Aber da brauchst du dir keine Gedanken drum zu machen. Es kann sich unmöglich um mich handeln.“

„Ah wirklich?“, fragte er ausdruckslos.

„Ein Grund, mir den Stein nicht weiter vorzuenthalten“, sagte sie.

Er lächelte „Wir können das gerne wann anders besprechen. Was ist der Plan?“

Etienne sah wieder runter, „Wenn der Eingang durch die Tunnel gesperrt ist, können wir hier herunterklettern.“

„Ich habe dich da gerade herausgezogen“, warf er ein.

Sie sah leicht genervt zu ihm, „Das war ein unkontrollierter Fall. Wenn wir es schaffen uns unbemerkt wieder rein zu schleichen, dann könnten wir seinen Körper ausmachen und zerbrechen. Könntest du ihn ablenken, dass er mich nicht bemerkt?“

„Mir wird sicherlich was einfallen. Wir sollten aber vorher schauen, was genau da unten los ist. Bitte spring nicht einfach zu dem Geist rein.“

„Wie kommst du darauf, dass ich das einfach blind machen würde?“, fragte sie aufgebracht. Sie war kein selbstmordgefährdeter Vollidiot.

Er erwiderte ihren Blick und sagte trocken, „Du bist mindestens blind in dieses Haus hereingestürmt. Oder willst du mir sagen, dass du innerhalb eines halben Tages herausgefunden hast, was hier auf euch treffen würde?“

Etienne entschied sich, das zu ignorieren. Sie ging in die Hocke und stieg dann vorsichtig durch die Öffnung. Etienne prüfte einige Stellen, an denen sie sich festhalten konnte und als diese sicher schienen, hielt sie sich an diesen fest und hievte sich hinunter in die untere Etage. Sie landete leise neben dem größeren Spalt im Boden, der deutlich größer war, als der in die höhere Etage, und konnte die Kampfgeräusche lauter hören. Im Zimmer entdeckte sie keine Gefahren, nur die dunklen Konturen der Möbel, welche unter ihrem matten Licht im Zimmer sichtbar wurden. Sie bedeckte ihren Talisman etwas mehr mit ihren Händen, dämmte es etwas mehr, damit kein Licht in die untere Etage drang und auf sie aufmerksam machte. Raffael kam ebenfalls leise hinunter. Er blickte sich kurz um, sah dann aber nach unten in das Geschehen.

„Du solltest dich aufmerksamer umschauen“, sagte sie zu ihm mahnend. Er belehrte sie über Vorsicht und machte es dann nicht besser.

„Du hast keinen Alarm geschlagen“, wandte er ein.

Er sah hinunter in die Etage unter ihnen, das Schatzzimmer des Geistes. Etienne erfüllte kurz das Gefühl des Stolzes. Sie hatte selten mit anderen Menschen zusammen gefährliche Situationen durchgestanden. Aber die Anerkennung für ihre Fähigkeiten zu bekommen, so viel, dass er ihr regelrecht zu vertrauen schien, dass keine Gefahren auf ihn warteten, überraschte sie. Ihre Begegnungen waren bisher nicht sonderlich positiv gewesen. Sie schüttelte das Gefühl ab und blickte ebenfalls hinunter. Etienne konnte die Umrisse des Crawling ausmachen, dessen reglose Gestalt am Boden lag. Sie war sich sicher, dass es tot war und nun kam die Sorge hinzu, dass Raffael oder Gilgian oder Meta etwas zu genau sich anschauen könnten, was Etienne mit ihm getan hatte. Dennoch, einer weniger war immer gut für die Welt. Blieb nur zu hoffen, dass es keine weiteren gab. Die Tatsache, dass der Geist keine Flüche gegen Etienne und Raffael nutzte, gab ihr zu hoffen, dass er viel zu selbstsicher war, als dass er glauben würde, sie könnten sich gegen einen Crawling behaupten. Vielleicht hatte er sie sogar schon längst vergessen, während er sich mit Gilgian auseinandersetzte.