„Catjill! Du hast es nur schlimmer gemacht! Korrigiere das wieder!“, rief Etienne wütend aus.
Die Luft schmeckte seltsam. Eine Mischung aus trockenem Staub und prickelnder Magie. Sie hätte von Anfang an in den zweiten Raum wechseln sollen, in die Welt der Geister. Catjill hatte darauf beharrt, im Raum der Lebenden zu verweilen. Er meinte, dass es die bessere Option wäre und sie hätte bei ihm nachfragen sollen, inwiefern und für wen. Denn es war keine gute Option für sie gewesen. Verfluchte Djinns. Und nun versuchte er sie mit seiner Magie dazu zu zwingen, zurückzuwechseln, während sie versuchte, sich weiter hier zu verstecken. Sie war nicht sonderlich erfolgreich darin und im Verstecken auch nicht. Zum ersten Mal in ihrem Leben verweilte sie genau in der Mitte der zwei Räumen und es fühlte sich furchtbar an.
Der Kater kletterte auf ihre Schulter und Etienne spürte seine Krallen. Wehe er hatte Löcher in ihre wertvolle Jacke gebohrt.
„Was soll ich denn bitte machen? Es sind keine Menschen. Außerdem bist du in der Lage, dich selbst zu verteidigen.“
Etienne packte den Kater am Fell, blieb stehen, drehte sich um und warf ihn den Monstern entgegen. Catjill gab ein lautes Fauchen von sich. Kurz explodierte es in heller, blauer Magie, welche die sonderbaren Farben der zweiten Ebene aufwirbelte. Ihr würde schwindlig werden, wenn sie das nicht schon öfters beobachtet hätte. Durch die Räume zu wandern war nicht kompliziert. Es war nur Training und stetige Wiederholung notwendig, bis der Körper sich daran gewohnt hatte. Nun konnte sie es genauso natürlich, wie etwas schreiben. Eine einfache Handlung, welche es nicht zu hinterfragen galt.
Dann schellte ihr kleiner Djinn aus der Magiewolke hervor. Die Biester kam nicht direkt hinterher, aber sie brauchten auch nicht lange.
„Das hilft mir nicht gerade“, meinte Etienne, drehte sich wieder um und lief weiter. Das Ziel war ganz oben. Auf dem Weg würde ihr schon etwas einfallen.
„Undankbares Gör! Das wirst du bereuen!“, rief ihr der Kater zu, als er aufholte.
„Spiel dich nicht so auf“, sagte sie zu ihm. Er war unsterblich. Sie hätten ihm nichts tun können.
„Nur weil ich unsterblich bin, heißt es nicht, dass ich keine Schmerzen empfinden kann. Sie hätten mich zerfetzt!“
„Ah, hör doch auf“, meinte Etienne und verdrehte die Augen.
Catjill beende kurz den Streit und sagte, „Du bist gleich an der Tür zum vierten Stockwerk.“
Etienne wechselte den Raum. Die Welt wurde auf einen Schlag weniger bunt. Sie konnte wieder die vermoderten Tapeten riechen und der sonderbare Geschmack verschwand. Catjill beschwerte sich sofort, doch sie ignorierte ihn. Das war eine bescheuerte Idee gewesen, egal was er sagte. Sie hätte niemals den Raum wechseln dürfen.
Sie nutzte ihre Geschwindigkeit, um die Tür aufzutreten. Zu ihrer Überraschung ließ sich das leicht durchführen. Sie drehte sich um und wollte sie schnell verriegeln, als sie plötzlich drei weitere Personen entdeckte, die dies bereits für sie erledigten. Alarmiert wich Etienne mehrere Schritte zurück und versicherte sich, dass ihr Messer in Reichweite war.
Hier sollte es keine Menschen geben.
Die Tür fiel ins Schloss. Es gab ein lautes Krachen und kurz hatte Etienne Sorge, dass sie aus den Angeln gerissen werden würde.
Drei Menschen, scheinbar in ihrem Alter. Die Frau mit braunen und der Mann mit dem schwarzen Haar atmeten schwer und beachteten sie nicht. Stattdessen blickten sie achtsam zur geschlossenen Tür, welche gefährlich laut ächzte.
Ihr dritter Begleiter schien auch außer Atem, doch anstatt besorgt die Tür anzustarren, musterte er Etienne von oben bis unten. Ihm schien nicht zu gefallen, was er sah und das irritierte sie. Die Fremden waren in der Überzahl und bewaffnet. Die Situation war auf ein mal deutlich schlimmer, als zuvor.
„Gehören sie zu denen?“, fragte Etienne den Djinn. Wenn ja, dann wäre dies gut.
Der Kater seufzte schwer, „Es sind Menschen, Etienne.“
„Sicher? Die sehen mir aus, als würden sie sich gleich verwandeln.“
Bitte keine Menschen, dachte sie.
Der braunhaarige brach in Gelächter aus, „Nein, ich versichere dir, wir sind Menschen. Wobei ich bei meiner Cousine manchmal Bedenken habe.“
Dann grinste er sie an und es machte sie nervös. Die Frau hatte einen Degen dabei. Einer von ihnen hatte eine Pistole in seiner Hand und unter seiner Jacke sah Etienne den Griff einer weiteren Waffe, wahrscheinlich ein Messer. Seine Jacke war groß, Etienne würde vorerst nichts weiter ausmachen können. Schwerer fiel es ihr, den braunhaarigen einzuschätzen. Im Gegensatz zu den anderen sah er aus, als würde er Urlaub machen. Er hatte eine einfache Jeans und ein Pullover in Beige an. Einfache Turnschuhe. Überhaupt nicht so gekleidet, wie es eine Expedition an diesen Ort verlangen würde.
„Das überzeugt mich nicht“, meinte sie zu Catjill nach ihrer Musterung.
Die braunen Augen der Frau wanderten zu ihr, „Bist du ein Idiot?“
„Ich glaube nicht.“
„Das ist Antwort genug“, murmelte sie und sah wieder zur Tür.
„Was macht ein so hübsches Mädchen wie du, an solch einem Ort?“, fragte sie plötzlich der braunhaarige.
„Ich suche etwas“, antwortete Etienne und zwang sich, nicht noch weiter zurückzutreten.
„Sicher, dass du dich nicht übernommen hast?“, meinte der andere.
„Ich glaube nicht“, erwiderte Etienne.
Er schnaubte und lachte dann, „Ah komm. Es ist doch offensichtlich.“
„Ich bin allein genauso weit gekommen wie ihr zu dritt.“
„Da hat sie recht“, sagte der braunhaarige zu seinem Kameraden und dann an sie gewandt, „Ich bin Raffael. Das ist meine Cousine Scarlett und unser Freund Crom. Und du bist?“
Etienne schwieg. Dann sagte sie, „Ich weiß nicht, ob ich mich möglichen Monstern vorstellen möchte.“
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Ihr Djinn seufzte, „Beharrst du immer noch darauf?“
Etienne spürte seine Aufregung. Sie haben nicht viele Menschen bisher gesehen. Und er war viel zu neugierig. Sie mochte es nicht.
„Selbstverständlich. Halt dich fern von ihnen, sie könnten dich essen.“
„Bitte? Meinst du das ernst?“, fragte Scarlett und Etienne vermied es, noch weiter zurückzutreten, „Was stören dich eigentlich drei Menschen, wenn du mit einem Monster unterwegs bist?“
Etienne setzte zu einer Antwort an, doch Catjill kam ihr zuvor, „Ich bin kein Monster. Ich bin ein Djinn.“
Etienne schloss kurz die Augen. Das hat er gerade nicht gemacht. Wieso plapperte er immer alles aus? Wieso musste er die Aufmerksamkeit auf sich ziehen?
Als sie die Augen wieder öffnete, begegnete sie einem wachsamen Blick und ihr Herz fing von dem neuen Stress zu pochen an. Wenn diese Menschen wüssten, was ein Djinn wert war, dann würden sie vielleicht Versuchen, ihn ihr wegzunehmen. Sie musste die Aufmerksamkeit von ihm lenken.
„Du kommst mir bekannt vor. Sicher, dass wir uns nicht schon einmal begegnet sind?“
Überrascht blinzelte sie. Haben sie ihn vielleicht nicht verstanden? Oder sie wussten nicht, was ein Djinn sein soll? Oder seine Magie war stark genug, dass sie dieser Aussage über ihn nicht genug Aufmerksamkeit schenkten. Was auch immer es war, sie musste dafür sorgen, dass diese Menschen kein Interesse an ihm entwickelten.
Doch bevor sie erneut zum Sprechen kam, spürte sie, wie Catjills Gewicht von ihrer Schulter verschwand. Sie taumelte beinahe.
„Viel Erfolg“, sagte er, „Ich kümmere mich um den Rest.“
Sie blinzelte ihm kurz hinterher. Dann spürte sie Gänsehaut ihren linken Arm hinauf wandern. Sie wich ruckartig zurück, schnell genug, dass etwas Großes nur knapp an ihr vorbeizog. Zu knapp für ihr Wohlempfinden. Dann verschwand es, was sie als eine Klinge identifizierte und tauchte über ihr auf. Etienne sprang zurück und es krachte auf den Boden, zerstörte die glatte, schwarze Marmoroberfläche, welche die Kronleuchter über ihnen widerspiegelte.
In den zweiten Raum schauen, ermahnte sie sich. Es nutzte diesen, um sie zu verwirren. Um zu verschwinden, obwohl es noch da war. Ein Wechsel, dann ein zweiter, hin und her, bis sie den Überblick verlieren sollte. Etienne kannte das schon.
Das Wesen verschwand wieder. Doch ihr Blick in den zweiten Raum ermöglichte ihr, es zu sehen. Sie musste nur genauso oft wechseln, denn auch aus dem zweiten Raum konnte man nicht in den ersten Blicken.
Es hatte eine schwarze Maske auf und war gehüllt in einem zerrissenen schwarzen Umhang, welcher nicht die dürren, grauen Beine verborgen hatte. Im zweiten Raum konnte sie dunklen Dunst unter seinem Umhang hervorkriechen sehen.
Die dürren Beine sprinteten los und kurz bevor er vor ihr auftauchte, wechselte er den Raum und schwang die Klinge. Etienne folgte seinem Wechsel, wich aus, ging auf Abstand. Das musste ein Wächter sein.
Ein kurzer Blick zu den anderen Dreien und die Möglichkeit, dass sie Monster waren, musste nun endgültig begaben werden. Auch sie hatten gerade eine schwere Zeit mit einem von diesen Wesen. Eine Kreatur, welche einem humanoiden Bullen ähnelte. Er schien nicht den Raum zu wechseln.
Und wo war der Dritte? Etienne blickte vom Instinkt geleitet hinauf und sah eine hübsche Frau auf die Lage hinunterschauen. Sie war durchsichtig, ihr Körper war schwer zu erahnen. Immer wieder verschwand ein Teil, nur um kurz darauf wieder aufzutauchen. Manchmal intensiver auszumachen, manchmal kaum zu erblicken. Wie schillerndes Organza, welches vom Wind sanft hin und her geweht wurde.
Etienne hob die Hände, „Ich komme in Frieden.“
Der Wächter lachte und schwang elegant den Finger. Dann verschwand sie und Etienne konnte sie selbst im zweiten Raum nicht ausmachen. Das Wesen mit der Maske bewegte sich langsam auf sie zu. Sein Mantel war befleckt und dreckig und Etienne verspürte keine Lust genauer herauszufinden, womit. Er ging auf sie los und aufgrund der Anwesenheit der anderen Menschen, blieb Etienne nichts übrig, als zurückzuweichen. Sie brachten alles durcheinander und Etienne war noch unentschlossen, wie sie damit umgehen sollte.
Sie bemerkte, wie etwas gegen die andere Seite des Raumes krachte. Möbel, welche vorher schon nicht so gut aussahen, brachen nun vollkommen in sich zusammen. Scvhwarze Haare tauchten aus dem Schutt auf und die Person richtete sich schnell wieder auf. Dann wurde ihr Blick auf ihn blockiert und Etienne schlug die Arme schützend vor sich, als ein gezielter Schlag sie erwischte. Ihre Arme schmerzten, doch ihre geliebte Jacke schützte sie. Der Schlag nahm ihr das Gleichgewicht und Etienne stolperte gegen die Wand, von welcher sie sich anschließend wieder abstieß, bevor der nächste Schlag sie erwischen konnte. Sie landete auf dem Boden und spürte den Putz der Wand auf sie fallen.
Wenn nur die anderen Menschen nicht hier wären, dachte sie sich. Wenn nur das der Fall wäre, dann würde sie jetzt nicht so eine schwere Zeit haben. Etwas angeborene Magie, wenn auch mit schwerem Herzen, und sie würde die Lage im Griff haben. Ihr Messer brauchte sie gar nicht erst zu ziehen, das würde ihr gegen diesen nicht helfen.
Sie kroch zurück, als sich das Wesen langsam wieder aufrichtete und seine milchigen Augen zu ihr sahen. Dann griff sie in ihre Tasche. Gewollt oder nicht, ohne etwas Hilfe von ihren magsichen Fähigkeiten würde sie nicht viel ausrichten können. Dies vor Fremden zu tun stört sie ungemein. Das Wesen trat näher zu ihr und stolperte dann zurück, als ein Schuss es traf und Magie um ihn herum aufwirbelte. Der Zauber nahm seine Aufmerksamkeit in Anspruch, schwirrte um ihn herum, wie Fliegen um einen toten Körper. Sie blickte zu dem Braunhaarigen, Raffael, welcher wachsam zu dem Wesen sah und dann zu seinen Freunden, welche gegen das andere Wesen kämpften. An seiner Waffe musste handwerkliche Magie angebracht sein. Etienne musste die Muster sehen, um den Zauber einordnen zu können. Angeborene Fähigkeiten waren dies sicherlich nicht.
„Hilf lieber ihnen, ich komme klar“, sagte sie und wünschte sich, er würde sich mit anderen Sachen beschäftigen.
Er sah kurz mit gehobenen Brauen zu ihr und dann wieder zu dem Monster, „Ich wage das aktuell zu bezweifeln. Aber gib dein Bestes.“
Er drehte sich wieder halb zu seinen Freunden. Und Etienne merkte, wie er erneut einen Schuss abgab und das Monster dabei störte, einen erfolgreichen Angriff auf seine Begleiter auszuüben. Er beschützte sie, ohne sich richtig einzumischen. Wenn sie nur dieselbe Hilfe von ihrem Djinn bekommen würde.
Etienne rappelte sich wieder auf und sah zu dem Wesen vor sich, welches wahrscheinlich langsam wieder zur Besinnung kam. Sie vermutete, sie wusste, um welchen Zauber es sich bei Raffaels Waffe handelte. Etwas, was den Magiefluss störte. Jeder Mensch besaß Magie, egal ob er sie nutzen konnte oder nicht. Diese Waffe wirkte wie eine Betäubung, brachte den Kreislauf durcheinander und ließ die Person verwirrt zurück. Bei solch einem Geschöpf, welches nahezu rein aus Magie bestand, musste es furchtbare Schäden zurücklassen.
Sie holte ihre kleine Tasche hervor und so lange keiner schaute, nahm sie schnell die vierte der zehn Ampullen und trank die wenigen Tropfen der roten Flüssigkeit, die sich da drin befand. Magie durchströmte ihren Körper, löste Gänsehaut an der jeder Stelle ihrer Haut aus. Sie spürte wie die Magie in ihr erwachte, spürte sie bis in die Fingerspitzen durch ihre Adern fließen. Auf eine andere Weise, als die letzte, die sie genutzt hatte. Sie fühlte sich leicht, als könnte sie selbst zu schweben anfangen.
Die Wächter waren alt und fühlten sich an, wie zur Form materialisierter Staub im Wind. Ein Echo aus Gefühlen und alten Ideen, welche Substanz brauchten, um zu existieren. Sie waren etwas anders, als die zum Sein erwachten Wesen, welche hinter der Tür ausgesperrt waren. Aber beide Geschöpfe brauchten etwas aus dem ersten Raum, um in diesem existieren zu können. Ihrer Vermutung nach sollte Windmagie am ehesten helfen, um die wenige Substanz auseinander zu treiben. Die Geister selbst würden eine Weile brauchen, um die Materie zurück zu formen und zum Angriff zu nutzen.
Als der Wächter auf sie zuging, hob Etienne die Hand und erinnerte sich an das, was ihr erzählt wurde. Sie sollte sich vorstellen, was sie erreichen wollte. Dann es in ihrer Hand sammeln und loslassen. Sie stellte sich Wind vor, so stark, dass es einen Baum entwurzeln könnte. Und dann ließ sie es auf den Wächter los. Er flog auf die andere Seite des Raumes und schlug gegen die Wand auf. Staub wirbelte auf und Wandstücke sprangen in alle Richtungen davon. Etienne stolperte zurück und fiel wieder hin, überrascht von dem Rückstoß, von welchem ihr nun die Schulter wehtat. Doch dann wurde ihre Überraschung von Triumph abgelöst. Sie hatte diesen Zauber bisher noch nie genutzt. Er funktionierte besser, als sie gedacht hatte.
„Das war beeindruckend“, hörte sie und blickte sich nach der Stimme um, welche zu Raffael gehörte, „Was hast du da getrunken?“
Etienne verzog das Gesicht und entschloss sich, ihn zu ignorieren. Sie verstaute ihre kleine Tasche wieder sicher an ihrem Gürtel. Sie war was Besonderes, darauf ausgelegt, den Inhalt zu schützen. Dieser war so wertvoll, dass Etienne sich wunderte, wie sie den Verlust einer Ampulle in den nächsten Monaten ausgleichen sollte. Doch dieses Problem würde sie auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.
Das Wesen würde sich irgendwann im Laufe der Zeit wieder zusammensetzen. Etienne musste zusehen, dass sie bis dahin auf und davon war.