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Calisteo - Stadt der Geister [German/Deutsch]
Kontrahenten: Ein unerwarteter Besuch

Kontrahenten: Ein unerwarteter Besuch

Gilgian knurrte und gab einen Fluch von sich, als er lautes Rufen und das Bellen von Befehlen seiner Sicherheitsmänner im Flur hörte. Auch Meta warf einen verwunderten Blick Richtung Tür. Dabei hatten sie solch einen ruhigen Abend gehabt.

Mit Mühe stand er auf und stapfte zur Tür, welche er aufriss und Etienne im Gang mit einigen seiner Wachmänner ringend vorfand. Er wurde sich für einen Moment unsicher, ob seine Leute so nachlässig waren, dass sie Etienne so weit in sein Anwesen haben eindringen lassen oder ob sie sich unsicher waren, eine junge Frau von seiner Schule durchzulassen und im letzten Moment gekniffen haben.

„Was zur Hölle machst du da?“, fragte er.

„Ich wollte euch besuchen“, sagte Etienne lächelnd.

„So?“, fragte Gilgian knurrend nach. Dann schickte er seine Leute zurück auf ihren Posten. Kurz überlegte er sich, dieses Balg wegzuschicken, doch dann dachte er an das Gespräch mit Meta und dachte, dass sie sich vielleicht freuen würde, sie zu sehen. Er ging zurück in sein Zimmer und spürte, wie Etienne ihm folgte. Meta saß auf einem Stuhl und sah verwirrt zu ihnen hinauf, „Etienne?“

„Hallo Meta! Wie geht es dir?“

„G-gut“, antwortete sie überrascht. Nachdem Gilgian sich am Morgen zu einem Treffen mit den Anderen geschleppt hatte, um über die Ereignisse der gestrigen Nacht in der Stadt zu sprechen, hatte er den ganzen Abend damit verbracht, sich mit Meta zu unterhalten. Gilgian war aufgefallen, dass es das erste Mal seit langem war. Eine ausnahmsweise gute Auswirkung von der gestrigen Wahnsinnstat der verrückten Neuen.

„Ich habe euch was zu essen mitgebracht. Ich hoffe, es schmeckt euch“, Etienne hob die weiße Tüte hoch und Gilgian nahm sie entgegen.

„Was willst du?“, fragte er dann.

„Nur meine Klassenkameraden besuchen“, sagte Etienne strahlend, „Ist daran etwas verkehrt?“

„Es ist unüblich“, erwiderte Gilgian und gab Meta ein Päckchen des Essens. Meta schaute zunächst ganz überfordert. Genauso wenig wie er war auch sie jemals in dieser Position gewesen. Ein Besuch von jemandem Fremden. Für die längste Zeit waren sie nur untereinander gewesen und Gilgian hatte gedacht, dass das so passen würde. Doch nach ihrem Gespräch fragte er sich, ob es auch wirklich das Richtige für sie gewesen war.

Metas Lippen verzogen sich zu einem schüchternen Lächeln und ein Stich ging ihm durchs Herz. Er brauchte nicht viele Menschen in seinem Leben und er hatte gedacht, bei ihr wäre es genauso. Aber sie war wahrscheinlich einsamer, als er es wahrgenommen hatte.

Gilgian setzte sich auf sein Bett und beobachtete aus schmalen Augen, wie Etienne durch das große Zimmer ging und sich umsah. Bei dieser Neugierde wunderte es ihn nicht, dass sie geradewegs in das alte Haus der McClaines gegangen war. Das würde sie aber nicht noch einmal machen. Diesmal würde er nicht davon überrumpelt werden. Er war sich sicher, dass Etienne gezielt auf Meta zugegangen war. Und Meta hatte solch ein schlechtes Selbstwertgefühl, dass sie leicht zu überzeugen war, wenn man nur genug auf die Tränendrüse drücken würde. Das bedeutete nicht, dass sie unbedingt Mitleid mit den Menschen hatte. Sie wollte nur nützlich sein. Immerhin war das etwas, was er sicher über sie wusste.

„Das wundert mich irgendwie nicht“, sagte Etienne und riss ihn aus seinen Gedanken, „ihr seid alle nicht sonderlich hilfsbereit einander gegenüber.“

Sie trat an seinen Schreibtisch und betrachtete das Durcheinander aus Papieren. Gilgian ließ das Meiste die Menschen machen, die sich schon seit Jahren um die Provinz gekümmert hatten. Doch es gab leider noch immer Angelegenheiten, um die er sich nicht drücken konnte. Aber seine einzige wahrhaftige Aufgabe bestand darin, darauf zu achten, dass keiner Meta oder ihm in den Rücken fiel.

Soll sie nur schauen, dachte er dann. Es war nicht so, dass er Geheimnisse haben musste. Er hatte seinen Leuten gut genug demonstriert was passieren würde, wenn ihn jemand hintergehen würden. Und wenn dieses Balg die Herrschaft über alle Provinzen übernehmen sollte, konnte sie sich schon mal mit den nervigen Angelegenheiten vertraut machen.

„Offensichtlich sind wir alle keine Freunde“, erwiderte er.

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Sie schnaubte lächelnd, „Das habe ich gemerkt. Heute ist ein Halil in der Klasse aufgetaucht.“

Gilgian spürte, wie ein wütendes Gefühl sich in seiner Brust ausbreitete. Er war so sehr mit den anderen Problemen beschäftigt, dass er vergessen hatte, dass es auch noch diesen Ärger gab, welcher immer unterschwellig in der Schule lauerte.

„Oh nein“, höre er Meta besorgt sagen, „Wurde Anaki verletzt?“

Das fragte er sich auch. Er mochte Anaki nicht unbedingt, aber er wertschätzte ihn. Er war ein ruhiges Gleichgewicht in dieser nervenaufreibenden Klasse. Und er gab ihm nie das Gefühl, dass er ihn hinterrücks angreifen würde.

„Ja“, sagte Etienne, „Aber ich bin mir nicht sicher, wie schlimm das ist. Nachdem ich ihn im Krankenzimmer abgeliefert habe, habe ich ihn nicht mehr gesehen.“

Gilgian knurrte, „Halil ist ein hinterhältiger Spinner. Er hat wahrscheinlich mitbekommen, dass keiner von uns da war. Wie ist Anaki so glimpflich davon gekommen?“

Sie hob die Hand und zog einen schwarzen Umschlag unter den Papieren hervor. Kurz sprang Gilgian der Gedanke durch den Kopf, wie dreist sie war. Bevor er das sagen konnte, ergriff sie jedoch das Wort, „Ich hab ihn mit Catjill erschreckt. Und dann sind Anaki und ich zur Krankenstation.“

Gilgian sagte für einen Moment nichts. Er blickte kurz zu Meta, welche mit einem schockierten Gesichtsausdruck zu Etienne sah. Sie war blass geworden und er konnte es verstehen. Dennoch, er selbst fing zu lächeln an.

„Du hast dich mit Halil angelegt?“, fragte Gilgian und Genugtuung breitete sich in ihm aus, „Ich glaube, ich kann dir nun den gestrigen Tag verzeihen.“

Etienne sah zu ihm und strahlte ihn dann an, „Darf ich das haben? Ich mag die Muster und sammle neuerdings besondere Umschläge.“

Sie hob den Umschlag und er konnte sich nicht weniger um ihn kümmern.

„Nur zu“, sagte er grinsend.

Sie steckte ihn schnell in ihren Rucksack und antwortete, „Wie kommt es, dass du dir bei Anaki Sorgen machst, während du dir bei mir regelrecht zu freuen scheinst?“

Gilgian widmete sich wieder dem Essen zu, „Du weißt wieso.“

„Etienne, du hast so viele Wunden von gestern mitgenommen. Selbst dein Bein scheint es abbekommen zu haben. Es ist eine furchtbare Idee, mit Halil zu kämpfen“, sagte Meta und ihre besorgte Stimme trübte Gilgians Freude. Säuerlich blickte er zu ihr und entdeckte die Sorge auf ihrem Gesicht.

Er sah wieder zu Etienne, welche zum Fenster ging. Es stimmte, sie hatte tatsächlich eine Bandage mehr gehabt, als am Vorabend. Ihr Bein war unten verbunden und er fragte sich, wieso ihm das nicht aufgefallen war.

„Oh, bitte sprich mich nicht auf meine Wunden an“, sagte sie seufzend, „Ich würde Tatinnes Behandlung gerne wieder vergessen.“

Sofort wanderten seine Gedanken wieder zu dieser alten Schachtel zurück. Es schauderte ihm.

Etienne öffnete die Vorhänge und sah hinaus. Nach einem kurzen Moment rief sie aus, „Wie cool! Von deinem Zimmer aus kann man zum Eingang des Hauses sehen. Und direkt nebenan ist der kleine Turm. Ich hab ihn von draußen gesehen. Die Aussicht muss fantastisch sein.“

Gilgian nahm wieder das Essen zu sich. Er wollte mit ihr nicht darüber reden. Das war ursprünglich das Haus seiner Eltern gewesen. Es war kleiner, als das von Meta, aber er fand es auf eine natürliche Art und Weise sicherer. Durch sein Zimmer konnte er in den Turm und entweder nach ganz oben oder nach unten zu einem weiteren, versteckten Ausgang gelangen. Und er konnte immer ausmachen, wer sich zu seinem Haus bewegen wollte.

„Etienne“, sagte Meta, „Vielleicht solltest du die Provinz für eine Weile wechseln.“

„In meine kommst du nicht“, sagte Gilgian direkt. Meta warf ihm einen verärgerten Blick zu und er zuckte ihr grinsend mit den Schultern entgegen. Wenn es Meta wirklich wichtig wäre, dann würde er es erlauben.

„Nicht nötig“, sagte Etienne, „Das wäre aktuell für mich nicht tragbar.“

Gilgian sah Metas enttäuschtes Gesicht. Die Sorge war ihr noch immer anzusehen.

„Wieso bist du eigentlich hier?“, fragte Gilgian und wechselte das Thema. Es war kein kurzer Weg von der Schule zu seinem Zuhause. Und da sie nicht sehr wohlhabend aussah, konnte sie nicht die wenigen Busse genutzt haben, um über die Hauptstraßen zu ihnen zu kommen. Wahrscheinlich war sie gelaufen. Oder eher gejoggt, wenn er die Uhrzeit bedachte. Vielleicht hat sie sich ein Pferd gemietet?

Sie drehte sich mit einem entschuldigendem Lächeln zu ihnen um, „Ich habe gestern Abend noch mal einen kurzen Abstecher zu dem Haus gemacht.“

Gilgian spürte, wie die Wut sich in ihm regte. Heftig.