Er versteifte sich und zog noch mal am Papier. Etienne seufzte und ließ los. Raffael drehte das Handy zu sich, achtete darauf, dass es weiterhin auf dem Symbol lag, welches Etienne gezeichnet hatte. Dann sah er sich die Reihe von Bildern an, welche alle von Scarlett waren. Sie alle zeigten sie von weiter weg, aber es war unmissverständlich sie. Danach gab es wieder Bilder von Meta und ab und zu von einigen anderen Frauen ihrer Schule. Katelin aus dem neutralen Stadtteil, Anjelika aus seiner Provinz, eine weitere aus Gilgians.
„Bleib ruhig“, sagte Etienne und er hob den Blick und begegnete diesen grünen Augen, welche ihn wachsam ansahen.
„Ich bin es“, erwiderte und merkte dann, wie angespannt sich seine Stimme anhörte. Nun bereute er es, dass er ihm nicht hinterhergelaufen war. Aber das könnte er noch ändern. Die Schule war groß. Raffael war fit, erst recht nach dem, was Dustin ihn hat ackern lassen. Braad nicht. Er könnte ihn noch einholen.
„Du hast das vorhin sehr gut gemacht“, sagte Etienne und er sah sie an, beobachtete sie, wie sie ihre Hände mit der Handfläche nach unten auf den Tisch legte.
Er musste grinsen, als ihm klar wurde, dass sie bereit war, aufzuspringen. Sie war kleiner als er, was würde sie schon anrichten können, um ihn aufzuhalten? Aber er wollte sie auch nicht verletzen, also atmete er tief durch.
„Was meinst du?“, fragte er nach und versuchte sich erneut von der Wut abzulenken.
„Als du die Fassung bewahrt hast. Ich mag vielleicht nicht wissen, was genau an seinen Worten dich so wütend gemacht hat. Aber du bist ruhig geblieben. Das ist gut. Bleib es jetzt auch.“
„Das musst du mir nicht sagen“, presste er hervor und warf sich in den Stuhl zurück. Er legte die Hand über seine Augen. Eigentlich sollte es andersherum sein. Er sollte ihr zeigen, wie man ein guter Herrscher war. Doch diese Situation zeigte ihm sehr deutlich, dass er bei Weitem noch nicht so weit war. Das frustrierte ihn noch mehr.
„Raffael“, sagte Etienne und er spürte ihre Hand auf seiner, „Es sind nur Bilder. Und sie sind alle aus weiterer Entfernung. Und sie werden es wahrscheinlich auch sein, denn in diesen wenigen Minuten, in denen ich ihn kennengelernt habe, hat er sich als ein Feigling geoutet. Dein Plan war gut. Lass es uns ein paar Tage beobachten. Sollte er ein Neues bekommen, dann nehmen wir es ihm weg, bevor er neue Bilder machen kann.“
„Nein“, sagte er, „Wir sollten das dem Direktor übergeben.“
„Ich widerspreche“, sagte sie entscheidend und er sah erneut zu ihr.
„Warum?“, fragte er.
„Es gibt viele Gründe. Ich kenne eure Regeln nicht, aber wenn das zum Thema wird, könnten andere darauf aufmerksam werden und sich wundern, was da alles drauf ist. Es könnten Gerüchte herumgehen. Was, wenn Gilgian davon erfährt? Wolltest du das nicht vermeiden?“
„Ehrlichgesagt wäre ich doch bereit, ihm zu helfen, wenn er ihn… zur Rechenschaft ziehen wird.“
„Und was ist mit den Gerüchten?“, fragte sie.
„Es wird schon keiner herausfinden, wer auf den Bildern darauf war.“
Sie sah ihn einen Moment schweigen an, dann seufzte sie, „Du hast gesagt, es gehört mir.“
Er lehnte sich wütend zu ihr vor, „Sag mir, wo das wahre Problem liegt, es dem Direktor zu übergeben?“
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Sie erwiderte ruhig seinen Blick. Er konnte nicht erahnen, woran sie dachte.
Dann ließ sie die Schultern hängen, „Weil da auch Bilder von mir drauf sind. Ich werde das vernichten. Nicht an jemand anderen abgeben.“
„Ein Grund mehr, es dem Direktor zu geben“, sagte er aufgebracht.
Sie drehte das Papier zu sich, dass zwischen ihnen lag und redete weiter, „Ich muss zugeben, ich bin erschrocken und beeindruckend. Er hatte sie zwar aus einem guten Abstand aufgenommen, aber dennoch hätte ich es merken müssen. Und so ungeschickt wie er sich vorhin angestellt hat, wundert es mich wirklich, wieso ich ihn übersehen habe.“ Nachdenklich sah sie zu ihm auf, „Vielleicht hat er eine angeborene Fähigkeit? Oder er nutzt Magie. Aber ich habe keine bei ihm ausmachen können. Was glaubst du, woran liegt das?“
Er seufzte frustriert und wandte sich ab. Er hätte es ihr nicht übergeben sollen. Aber wenn er es ihr jetzt wegnehmen würde, würde es sie beide wieder auf null setzen. Und unabhängig von dem, was er hier als richtig empfand, wollte er sich nicht leisten, sie noch mehr gegen sich aufzubringen.
„Mach, was du für richtig hältst“, sagte er und konnte nicht umhin, beschämt festzustellen, dass er sich wie ein beleidigtes Kind anhörte. Sie erwiderte nichts und nach einem weiteren Moment merkte er aus dem Augenwinkel, dass sie ihn anstarrte. Er blickte wieder zu ihr und merkte, wie irritiert sie aussah. Ihre Augen wanderten über sein Gesicht, als würde sie ihn analysieren, wie ein fremdes Geschöpf aus den Abralistischen Gebirgen, einer Gebirgskette im Süden, unweit entfernt von Calisteo. Auch diese bildete eine natürliche Grenze des Gebietes, welches Calisteo beanspruchte, und seine Provinz grenzte an den Feldern und Gebieten an, welche zu den Bergen führten. Nicht selten haben sich seine Menschen über sonderbare Kreaturen beschwert, welche schnell wieder verschwunden waren. Sie vermuteten aktuell, dass diese aus den alten Minen kamen, welche dort zu finden waren.
„Was?“, fragte er und nahm sich vor, die nächsten Worte nicht so schroff auszusprechen.
Sie zögerte und er atmete durch und sagte sanfter, „Es tut mir leid. Ich will es nicht an dir auslassen. Sag mir bitte, was dich beschäftigt.“
„Ich verstehe nicht, wieso du so wütend bist. Es sind nur Bilder. Und das nicht mal wirklich skandalöse.“
„Wie geht es dir eigentlich damit, dass da auch welche von dir drauf sind? Macht dich das nicht wütend?“
Sie zuckte mit den Schultern, „Es war kein Anschlag auf mein Leben. Und das Einzige, was es in mir auslöst, ist Neugierde. Ich will wissen, wie er das ohne mein Wissen angestellt hat. Das herauszufinden könnte auch den Vorteil beinhalten, dass ich ihn davon abhalten kann, das künftig noch mal zu machen.“
Er grinste, „Da gibt es einen einfacheren Weg zu und der führt zum Direktor.“
„Als du gemerkt hast, dass er Bilder von Meta macht, warst du nicht bereit zum Direktor zu rennen.“
Er schwieg dazu. Scham setzte ein, als ihm klar wurde, dass es stimmte. Er war so sehr versessen darauf, Etienne zu zeigen, dass sie sich auf ihn verlassen konnte und so sehr darauf fokussiert, einen Kampf zu vermeiden, dass er bereit war, Meta als Opfer hinzunehmen.
Etienne verdrehte die Augen, „Oh bitte. Das war kein Vorwurf. Es gibt nur so viele Menschen, um die man sich kümmern kann. Aber da du vorhin erst eine andere Einstellung zu dem Ganzen hattest, kannst du doch sicherlich nachvollziehen, wieso ich lieber diesen Weg wähle.“
„Es war aber nicht richtig von mir“, wandte er ein und schämte sich umso mehr.
Sie zuckte mit den Schultern, „In meinen Augen ist es das.“
„Was machst du damit?“, fragt er und deutete aufs Handy.
„Ich werde es zu Hause vernichten. Nachdem ich mir ganz genau angeschaut habe, was seine kürzeste Entfernung zu jemanden war.“
Er lächelte. Ein Indiz mehr zu seiner Vermutung zu ihrer Systematik. Aber er war nicht zufrieden mit der Situation. Er hatte sich nun zum zweiten Mal als unreif und unfähig erwiesen. So konnte es nicht weitergehen. Er würde später Dustin um Rat fragen. Aber erst in den nächsten Tagen. Er musste seine Liste abarbeiten.
„Wirst du Scarlett davon erzählen?“, fragte sie ihn.
„Wahrscheinlich“, erwiderte er und wusste auf Anhieb, wie ihre Reaktion ausfallen würde, „Sie würde ihn in der Luft zerfetzen.“
Etienne lächelte, „Würdest du dich da anschließen, wie bei Gilgian?“
„Ich würde gerne, aber so wie ich sie kenne, wird sie mir nicht viel übrig lassen.“
Sie lächelte ihm entgegen und er erwiderte es. Er fühlte sich nicht wirklich besser, aber er konnte die Situation akzeptieren für das, was sie war. Vielleicht würde er aber Warlen davon erzählen und sie bitten, einen zusätzlichen Blick auf Braad und Meta zu werfen. Er würde Etienne aber nicht davon erzählen. Darüber lohnte es sich nicht zu streiten.