Zwei der hünenhaften Krieger staksten mit vorgehaltener Waffe auf Constance zu. Sie bedeuteten ihr wortlos mitzukommen, nahmen Constance in die Mitte und geleiteten sie zu den übrigen Kriegern. Dort gruppierten sich alle neu und bildeten einen Kordon um Constance.
Die Türe zur Suite öffnete sich. Constance starrte in die Mündungen eines weiteren halben Dutzends Schusswaffen. Sie versuchte unwillkürlich, ihre schweißnassen Hände an ihrer Kleidung abzuwischen, aber ihr seltsamer Panzer nahm keine Flüssigkeit auf, fühlte sich unter ihren feuchten Händen nur leicht klebrig an.
Constance atmete tief durch und zwang sich, ruhig zu bleiben. Was könnte sie schon gegen einen Krieger ausrichten, geschweige denn gegen ein ganzes Dutzend dieser Kampfmaschinen? Immerhin hatten die Krikri sie nicht gefesselt oder sie an den Armen gepackt und hierher geschleift. Der Griff ihrer Klauenhände wäre sicher alles andere als angenehm gewesen.
Die Krieger vor ihr wichen langsam zurück, ohne Constance auch nur für einen einzigen Moment aus ihren Facettenaugen zu verlieren. Die Übrigen drängten sich mit Constance in den Vorraum der Suite, in dem es damit recht eng wurde.
Constance blickte auf eine lückenlose Wand aus Leibern und Gliedmaßen der Krikri-Krieger. Sie wurde mindestens um Haupteslänge überragt und konnte nicht sehen, wer sich noch in dem Raum befand.
›Willkommen in unserem Kreise, kleine Schwester!‹
Constance zuckte zusammen. Eine weitere Stimme in ihrem Kopf? Der getragenen Ausdrucksweise nach konnte das nur die Königin sein.
Die Krieger teilten sich vor ihr, gaben offensichtlich widerwillig den Blick auf die Königin frei.
Constance musterte sie verwundert. Das war nicht die Königin, die sie auf dem Schwarmschiff der Krikri empfangen hatte. Nicht die Königin, die Constance vor dem bevorstehenden Angriff durch die Militärs der Konföderation gewarnt hatte. Nicht die Königin, die Constances Immunität mit den Militärs ausgehandelt hatte.
Diese Königin war viel kleiner und zierlicher gebaut, hatte nicht den aufgeblähten Hinterleib der anderen — älteren? — Königin. Ihr Körperbau unterschied sich kaum von dem der Krieger. Ihre Mandibeln wirkten vielleicht etwas filigraner. Ihre schlanken Klauenhände eigneten sich nicht so sehr für das Zerreißen und Töten von Gegnern.
Constance wurde von einem unsanften Stoß in den Rücken aus ihren Betrachtungen gerissen, stolperte nach vorne und fiel auf die Knie. Sie ließ sich weiter zu Boden sinken, breitete die Arme in einer Geste der Unterwerfung seitlich aus und murmelte die formelle Begrüßung. »Verehrte Königin, allmächtige Mutter des Schwarms, Spenderin des Lebens, möge deine Sippe für immer Bestand haben.«
›Unsere Sippe, kleine Schwester! Unser Schwarm! Du gehörst jetzt zum selben Schwarm wie ich, zum selben Schwarm wie auch diese Krieger, die so sehr um mein Wohlergehen besorgt sind.‹
Die Krikri-KI warf ein: ›Und du stehst in der Hierarchie über diesen Bestien. Vergiss das nie! Alle weiblichen Mitglieder des Schwarms erfüllen wichtigere Funktionen als die Männlichen, die immer durch Technik ersetzt werden könnten, mit Ausnahme der jungen Freier, aber das ist eine andere Geschichte.‹
The narrative has been stolen; if detected on Amazon, report the infringement.
Von Gedanken an irgendwelche Freier wollte sich Constance derzeit lieber nicht ablenken lassen. Sie hatte wichtigere Dinge im Kopf. »Was wollt Ihr hier an Bord der Silver Eagle, Verehrteste?«
Schon wieder meldete sich die fast schon aufdringliche KI. ›Warum bringst du deine Frage laut vor?‹
Offenbar hatte Constance den Eindruck hinterlassen, dass sie alleine nicht zurecht käme.
›Es wäre besser, wenn du die mentale Schnittstelle verwenden würdest, damit kommt es nicht so leicht zu Missverständnissen als bei Verwendung des Übersetzungsmoduls.‹
»Danke für den Hinweis«, murmelte Constance halblaut. Insgeheim war sie dankbar für die Informationen, die ihr die Krikri-KI so freimütig zukommen ließ. Sie konnte sich einfach nicht so schnell daran gewöhnen, dass sie mit ihrer Umgebung direkt per gedachtem Wort kommunizieren konnte.
Die Königin projizierte eine gelinde Belustigung. ›Seid ihr beiden jetzt fertig? Wenn ich nicht selbst den Befehl gegeben hätte, dass unsere Komm-Expertin sich um deine Einführung in den Schwarm kümmern sollte, könnte ich verärgert über die andauernden Unterbrechungen sein. Doch nun zur Sache.
Ich bin hier an Bord der Silver Eagle und damit im Hoheitsgebiet der menschlichen Konföderation, um den Aufbau des neuen Komm-Netzes zu überwachen und zu unterstützen. Ich möchte dabei allerdings aus verschiedenen Gründen weitestgehend im Hintergrund bleiben. Dafür ist dieses abgelegene Gebiet gerade recht.‹
Constance wurde den Eindruck nicht los, dass die Königin — ihre Königin — zwar die Wahrheit sagte, ihr aber wichtige Details vorenthielt.
Die Königin fuhr unbeirrt fort. ›Unser Raumschiff ist — so wie dein Körper — noch nicht vollständig modifiziert. Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Schon lange bevor dies abgeschlossen werden kann, solltest du mit der Erforschung dieses Sternhaufens beginnen, auch damit du termingerecht die ersten Befunde liefern kannst. Dafür ist dann aber noch reichlich Zeit. Jetzt erhole dich erst einmal von den Strapazen der überstürzten Anreise.‹
Damit war die Audienz offensichtlich beendet. Immerhin nur noch vier der Krieger eskortierten Constance hinaus auf den Korridor und schlossen die Türe zur Suite hinter ihr mit übertriebenem Nachdruck. Dann bauten sie sich vor der Türe auf und beachteten Constance nicht weiter.
Constance stand wie benommen im Korridor. Die Silver Eagle war also gar nicht mehr ‚ihr‘ Raumschiff, sondern die Königin hatte es für sich vereinnahmt. Auch wenn sie immer von ‚uns‘ sprach und ‚unserem Schwarm‘ — Constance wurde den Verdacht nicht los, dass sie nicht so richtig willkommen war in ihrem neuen Schwarm.
Sie sah sich verstohlen um. Von den Arbeiterinnen hatte sie bisher auch noch keine zu Gesicht bekommen. Hoffentlich verhielten sich diese nicht auch so misstrauisch und abweisend.
Schließlich machte Constance sich auf die Suche nach ihrer eigenen Kabine. Welche Überraschungen dort wohl auf sie warten mochten?