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Leseprobe LSE-2 • Kapitel 3 • Knoten im Netz

»Sind all diese Nachrichten aktuell?« erkundigte sich Constance. Dann vergewisserte sie sich. »Das sind keine Aufzeichnungen?«

»Keine Aufzeichnungen. Börsenkurse, Rohstoffpreise, die politischen Geschehnisse, alles ist live«, antwortete die KI mit Nachdruck.

»Und wir haben heute den 13. März des Jahres 2342?«, vergewisserte Constance sich.

»Korrekt. Warum?«

Constance verschlug es die Sprache. Die KI hatte noch nie Eigeninitiative gezeigt und irgendwelche neugierigen Fragen gestellt. Allenfalls hatte sie nachgefragt, wenn ein Befehl missverständlich ausgedrückt gewesen war oder hatte eine Bestätigung verlangt. »Mir ist nicht klar, wie die Nachrichtensendungen live sein könnten. Wir sind zigtausend Lichtjahre von den nächsten menschlichen Ansiedlungen entfernt und praktisch abgeschnitten von jeglicher Kommunikation.«

»Falsch. Wir sind online.«

»Online? Was heißt da ‚online‘! Wie soll das gehen?«

»Wir haben unseren eigenen Knoten des neuen Komm-Netzes an Bord«, stellte die KI lapidar fest.

»Heißt das, wir sind in Echtzeit mit dem interstellaren Datennetz verbunden, obwohl wir hier in M53 am Arsch des Universums festsitzen?«, fragte Constance hoffnungsvoll.

»Korrekt.«

Constance glaubte in der knappen Antwort eine gewisse Missbilligung ob ihrer Wortwahl zu hören. Aber das bildete sie sich wohl nur ein, die KI war schließlich nicht zu Gefühlen fähig. Andererseits hatte sie sich bereits zuvor seltsam verhalten und Constance nach ihren Beweggründen gefragt.

Sie dachte eine Weile über die Implikationen nach. Das würde bedeuten, dass sie nicht wochenlang warten müsste auf eine Reaktion zu ihren Berichten über die Erkundung der Sternsysteme von M53.

Dann dämmerte ihr, wie ein solcher Komm-Knoten aufgebaut war. Eine Arbeiterin der Krikri wurde mit diversen Implantaten zur Datenübertragung ausgestattet. Über ihr unergründliches Schwarm-Bewusstsein konnten dann Daten ohne Verzögerung an andere, gleichermaßen ausgestattete Arbeiterinnen übermittelt werden. »Heißt das auch, dass wir eine Krikri-Arbeiterin an Bord haben?«

»Korrekt.«

»Wo ist sie? Warum habe ich diese Krikri noch nicht gesehen? Sie müsste doch sicherlich hier auf der Brücke sein, oder?«

»Das darf ich dir nicht sagen.«

Constance stutzte. »Was soll das denn heißen? Ich bin die Kommandantin dieses Raumschiffes!«, ereiferte sie sich. »Wie kannst du mir Fakten vorenthalten? Du bist darauf programmiert, meine Anweisungen zu befolgen, soweit dies nicht die Sicherheit der Silver Eagle gefährdet!«

»Das ist genau der Grund, warum ich dir das nicht sagen darf«, antwortete die KI gemessen. »Wenn diese Informationen in die falschen Hände geraten würden, wäre unser aller Leben gefährdet. Außerdem ist die konkrete Implementierung ein Betriebsgeheimnis des Komm-Netzes. Diese Details dürfen keinesfalls an die Menschheit weitergegeben werden.«

Stolen from its rightful place, this narrative is not meant to be on Amazon; report any sightings.

Constance wurde ganz mulmig. Ihr Magen verkrampfte sich und sie schob ihr Müsli angewidert von sich. Ihr war jeglicher Appetit vergangen.

Die KI ihres eigenen Raumschiffes hatte Geheimnisse vor ihr? Wie sollte sie da jemals ihre Mission erfüllen können? Sie schlug die Hände vor das Gesicht und stöhnte verzweifelt.

»Ich habe soeben die Freigabe von unserer Königin erhalten, dich in ein paar der Details einzuweihen. Schließlich gehörst du zu uns«, verkündete die KI unvermittelt. »Allerdings darfst du diese Informationen unter gar keinen Umständen weitergeben. Verstanden?«

Constance fuhr hoch und starrte blicklos den Monitor vor sich an. Konnte sie auf diese Bedingung eingehen? Oder würde dies ihre Autonomie, ihre Handlungsfähigkeit einschränken? Aber letztlich war sie dieser seltsamen KI sowieso ausgeliefert, diese konnte ihre Anweisungen offenbar jederzeit missachten und letztendlich auch die Kontrolle über die Silver Eagle an sich reißen. Sie seufzte resigniert. »Einverstanden. Ich werde nichts verraten.«

Die KI zögerte einen Moment, bevor sie mit gedämpfter Stimme antwortete. »Ich bin kein eigenständiges Lebewesen mehr. Ich wurde in dieses Raumschiff integriert.«

Constance fehlten die Worte. Mit wem sprach sie da? »Integriert in die Silver Eagle?«

Wie konnte ein Lebewesen in ein Raumschiff integriert werden? Wie konnte sich ein denkendes Lebewesen mit auch nur einer Spur von Selbstempfinden, von Selbstbewusstsein in ein Raumschiff integrieren lassen? Aber die Krikri maßen einem einzelnen Individuum einen anderen Stellenwert bei, einen weitaus Geringeren als die Menschheit. Für die Krikri zählte nur das Wohlergehen und der Fortbestand ihres Schwarms.

Auf dem Monitor vor ihr wurde unaufgefordert eine schematische Zeichnung des zentralen Bereichs der Silver Eagle eingeblendet, in dem die ursprüngliche KI installiert worden war. Farblich hervorgehoben waren diverse Modifikationen.

»Hier sind die Lebenserhaltungssysteme für den neuen, organischen Teil der KI. Das hier bin sozusagen ich, vormals eine Krikri-Arbeiterin. Ich habe große Teile meines Körpers aufgegeben, damit ich tiefergehend mit den bestehenden Systemen dieses Schiffes integriert werden konnte.«

Constance überlegte kurz. »Sind die übrigen Knoten ähnlich aufgebaut? Mit ähnlich weitreichenden — äh — Modifikationen an den beteiligten Arbeiterinnen?«

»Nein, für die anderen Knoten haben meine Schwestern lediglich ein Interface eingesetzt bekommen, ähnlich deinem DataPort. Dieser wurde übrigens auch modernisiert.«

Constance blickte an sich hinunter. Sie fuhr mit der bloßen Hand über den matt glänzenden schwarzen Panzer, der sie vom Hals abwärts umschloss und außer ihrem Kopf nur noch ihre Handflächen und Finger frei ließ. »So wie fast mein gesamter Körper?«, fragte sie verunsichert.