Novels2Search

Leseprobe LSE-1 • Kapitel 2 • Die Galaxy

Constance setzte ob der rüden Behandlung ein breites Lächeln auf, das aber nicht ihre kalt blitzenden eisgrauen Augen erreichte. »Seid gegrüßt, werter Lademeister. Mein Name ist Stan Escher. Ihr seid sicher über mein Kommen unterrichtet worden. Hier sind meine Papiere.« Constance griff in eine Innentasche ihres Mantels und brachte ein umfangreiches Bündel von sehr offiziell wirkenden Dokumenten zum Vorschein.

Der Lademeister nahm es mit einem knappen Nicken in Empfang. Er begnügte sich damit, die eindrucksvollen Siegel und Stempel auf den einzelnen Umschlägen kurz zu überfliegen, und gab das Paket mit einem unfreundlichen Grunzlaut zurück. »Ich gehe davon aus, dass Ihr Euch zurechtfindet. Kabine 5C.« Ohne ein weiteres Wort zu verlieren vertiefte sich der Lademeister wieder in seine Listen.

Constance setzte zu einer bissigen Entgegnung an, bückte sich dann mit einem müden Schulterzucken nach dem Reisesack. Sie schlug den Mantel enger um sich und marschierte die breite Rampe hinauf ins Innere der Galaxy. Die kalte Ablehnung oder gar der glühende Hass, mit denen sie empfangen wurde, waren keine neue Erfahrung. Sie tauchte oftmals unerwartet auf einem Dock auf und wies sich mit von höchster Stelle ausgefertigten Papieren als außerplanmäßiger und selten willkommener Passagier aus. Auch hatte der Lademeister richtig vermutet, dass Constance den Weg zu ihrer Kabine finden würde, da sie mit allen gängigen und etlichen weniger gängigen Schiffstypen bestens vertraut war.

Constance verstaute Reisesack sowie Mantel in ihrer Kabine und suchte den Kapitän der Galaxy auf. Dies war ein Besuch, den Constance nur zu gern vermieden hätte. Sie klopfte kurz an der Tür zum Empfangsraum des Kapitäns und trat rasch ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Als Constance den Kapitän der Galaxy erkannte, versteifte sie sich unmerklich. Jason O‘Connor war ein alter Bekannter, verbunden mit finsteren und unangenehmen Erinnerungen.

O‘Connor blickte kurz auf und deutete vage auf die beiden schweren Sessel vor seinem ausladenden Schreibtisch. »Nehmt doch bitte Platz, werter Herr! Ich muss noch einige Papiere unterzeichnen, aber in einer Minute habe ich Zeit für Euch — wenn auch nicht lange.«

Constance verkniff sich ein humorloses Auflachen und setzte sich schweigend in den rechten Sessel, der weiter von der einzigen helleren Lichtquelle im Raum entfernt stand, einer riesigen, geschmacklos grellbunten Schreibtischlampe zur Linken des Kapitäns.

Nach etwa zehn Minuten, als O‘Connor nicht länger vorgeben konnte, mit wichtigeren Dingen befasst zu sein, legte er den Stapel Papiere zur Seite und blickte forschend zu seinem im Halbschatten harrenden Gast. »Nun, werter Herr, was führt Euch auf mein einfaches Frachtschiff, kaum ein angemessenes Transportmittel für eine derart hochgestellte Persönlichkeit?«, verlangte er mit unverhohlener Geringschätzung zu wissen.

Stolen content warning: this tale belongs on Royal Road. Report any occurrences elsewhere.

»Guter Kapitän O‘Connor, Ihr kennt mich und wahrscheinlich auch die Art meines Auftrags, wenn mir auch scheinen mag, dass Ihr mich nicht wiedererkannt habt. Aber bildet Euch selbst ein Urteil, hier sind meine Dokumente.« Constance warf mit einer lässigen Handbewegung einige sorgsam ausgewählte Umschläge in die Mitte des Schreibtischs und direkt vor die ineinander verschlungenen Hände des Kapitäns, was keine leichte Übung unter der geringen Schwerkraft war.

O‘Connor stutzte ein wenig, sobald er die samtweiche Stimme seines Gastes vernahm, als lauere eine Erinnerung am Rande seines Bewusstseins, gerade außer Reichweite, aber ihn mit dunkler Vorahnung erfüllend. Er studierte eine Weile angestrengt das Gesicht seines Gegenübers, das einen weichen, fast femininen Mund und eine kleine Stupsnase zeigte, dessen Züge aber beherrscht waren von den gefühllosen, allzu vertrauten eisgrauen Augen über stark ausgeprägten Wangenknochen, überschattet von kurzem braunen Haar mit einem ersten Grauschleier an den Schläfen. Mit zitternden Fingern öffnete er schließlich den Umschlag, der die persönlichen Daten Constances enthielt.

Beim Anblick des Namens auf dem Personalbogen entfuhr O‘Connor ein dumpfes Stöhnen. »Ich dachte doch, dass mir Eure Stimme bekannt vorkam.« Er lächelte gequält. »Wie nennt Ihr Euch derzeit? Conny Escher? Charlie? Sicherlich nicht Constance!«

Die Angesprochene, mit vollem Namen Constance Charlotte Escher, warf dem Kapitän einen unergründlichen Blick zu und wartete mit ihrer Antwort, bis O‘Connor unruhig in seinem Sessel hin und her rutschte. »Ich gebe zu, dass es schon ein paar Jahre her ist, seit wir zuletzt das zweifelhafte Vergnügen hatten, miteinander zu reisen. Auch habe ich mein Aussehen seither nicht unbeträchtlich verändert.« Sie gestattete sich ein freudloses Lächeln. »Der Lademeister hat freundlicherweise davon abgesehen, meine Papiere zu prüfen, also seid Ihr der Einzige an Bord, der meine Identität kennt. Ich wünsche — nein, ich befehle, dass es so bleibt.« Ihre Stimme hatte plötzlich alle Weichheit verloren und war stattdessen durchdrungen von einer eiskalten Schärfe, die den Kapitän erschaudern ließ. »Ihr wisst, dass ich de facto die Befehlsgewalt über die Galaxy innehabe. Zwingt mich nicht, von meinen Befugnissen Gebrauch zu machen!«

O‘Connor tupfte sich den kalten Schweiß von der Stirn und stammelte seine Zustimmung. »Gewiss, teure Dame. Kein Wort wird über meine Lippen kommen.«

»Gut so. Ich heiße für alle an Bord Stan Escher und bin Sonderbeauftragter des Schatzamts. Mehr braucht niemand zu wissen — auch Ihr nicht!« Mit diesen Worten erhob sich Constance, raffte ihre Papiere vom Tisch des immer noch um seine Selbstbeherrschung ringenden Kapitäns und stolzierte aus dem Empfangsraum.

O‘Connor bedachte die geschlossene Tür mit einem langen hasserfüllten Blick.