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Kapitel 9 • Atemluft

Constance war drauf und dran, das Schott zur Brücke der Squirrel zu entriegeln. Gerade noch rechtzeitig fiel ihr Blick auf das Barometer, das den Luftdruck im Inneren der Brücke anzeigte. Auch hier herrschte wie schon im Maschinenraum etwa eine Atmosphäre, die Außenhülle rund um die Brücke war also unversehrt geblieben.

Aber wie sollte sie ohne Energieversorgung die Atemluft absaugen? Wenn sie einfach das Schott öffnete, würde diese sich ungehindert im gesamten Raumschiff verteilen und letztendlich durch die beschädigte Hülle in den Weltraum entweichen.

Zunächst aber musste Constance sicherstellen, dass Sarah einen Raumanzug an hatte und dieser auch vollständig versiegelt war, sonst würde das Ablassen der Atemluft ihren sicheren Tod bedeuten. Constance richtete den Strahl ihrer Lampe auf Sarah und versuchte zu erkennen, ob ihr Raumanzug am Hals versiegelt war. Von hinten war dies aber nur schwer zu erkennen. Fieberhaft überlegte sie, wie sie dies herausfinden könnte, ohne das Schott komplett zu öffnen und sich zu ihr auf die Brücke zu begeben.

Constance sah sich suchend um. »Seki, gibt es eine Möglichkeit, einen Teil der Luft kontrolliert abzulassen und so den Druck im Inneren der Brücke ein wenig zu senken?«

Seki antwortete sofort über ihr gemeinsames Schwarmbewusstsein. ›Ich habe mir die Pläne dieses Schiffstyps angesehen. Links neben dem Schott müsste ein Ventil für den manuellen Druckausgleich sein.‹

»Gefunden!«, frohlockte Constance und drehte das Ventil vorsichtig ein wenig auf. Die Atemluft entwich in einer kaum wahrnehmbaren Wolke aus Eiskristallen. Ein Zischen war natürlich im luftleeren Korridor nicht zu hören. Nach wenigen Augenblicken schloss Constance das Ventil wieder und spähte erneut zu Sarah hinein.

Sie konnte keine Veränderung ausmachen, kontrollierte kurz das Barometer und ließ dann noch mehr Luft ab. Der Innendruck auf der Brücke war jetzt um gut 30% gesunken, was auf der guten alten Erde einer Höhe von etwa 3.000 Metern über Normalnull entsprach und somit völlig ungefährlich für Sarah war.

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Endlich hatte sich auch der erhoffte Effekt eingestellt: Sarahs Raumanzug hatte sich deutlich aufgebläht, er war also ordnungsgemäß angelegt und versiegelt worden.

Constance ließ auch noch die restliche Luft ab und konnte dann endlich gefahrlos das Schott entriegeln. Sie hangelte sich zu Sarah nach vorne, die weiterhin leblos in den Gurten des Pilotensitzes hing, ihr Raumanzug immer noch prall gefüllt.

War sie nur erschöpft eingeschlafen? Constance versuchte, Sarahs Puls am Handgelenk zu ertasten, aber dies gelang ihr durch den dicken Raumanzug hindurch nicht.

Constance leuchtete mit ihrer Lampe in das Visier des Helms und versuchte zu erkennen, ob Sarah noch atmete, aber das Visier war von innen beschlagen. Waren etwa die Druckluftflaschen leer und Sarah war qualvoll erstickt? Aber warum hatte sie mit dem Versiegeln des Anzugs nicht gewartet, bis die Luft in der Brücke zur Neige ging? Andererseits hatte sie vielleicht nicht das Risiko eingehen wollen, dass sie bei einer weiteren Kollision der Squirrel plötzlich dem Vakuum des Weltraums ausgesetzt wäre.

Constance sah auf die Druckanzeigen der beiden Flaschen. Sie waren nur noch zu weniger als einem Zehntel gefüllt, gerade noch genug, um Sarah für ein paar Minuten mit Frischluft zu versorgen. Daran konnte es also nicht liegen, dass Sarah bewusstlos geworden war. Aber Constance war gerade noch rechtzeitig an Bord der Squirrel gekommen, um Schlimmeres zu vermeiden.

Sie überprüfte, ob die Ventile vollständig geöffnet waren, und stutzte. Diese waren fast ganz geschlossen! Sarah hatte wohl in ihrer Verzweiflung die Luftzufuhr so weit gedrosselt, dass sie davon das Bewusstsein verloren hatte, aber dies hatte ihr wohl letztendlich das Leben gerettet.

Constance überlegte kurz, ob sie Sarah zurück auf die Silver Eagle bringen sollte, oder ob ihre Versorgung mit Atemluft dringlicher wäre. Wenn sie die Ventile ganz öffnen würde, wäre die restliche Atemluft in den Druckluftflaschen innerhalb weniger Minuten verbraucht und Sarahs Leben in ernstlicher Gefahr.

Rasch schnallte Constance ihre eigenen Flaschen ab, verschloss eines der Ventile und löste die entsprechende Flasche aus dem Tragesystem. Dann öffnete sie das Ventil der einen Flasche an Sarahs Rücken und trennte die andere ganz ab. An deren Stelle schloss sie ihre eigene, fast volle Flasche an und öffnete dann deren Ventil bis zum Anschlag. Jetzt hatten sie beide eine gute halbe Stunde Zeit, um zurück an Bord der Silver Eagle zu gelangen. Dort würde sie sich dann auch um Sarahs medizinische Versorgung kümmern.