Constance lümmelte lethargisch in ihrem Pilotensessel. Sie konnte sich nicht einmal dazu aufraffen, nach hinten in den Salon zu gehen und sich eine weitere Tasse Cappuccino zu holen.
Sie blickte sich um. Immerhin hatten die Krikri das fremdartige Aussehen der Silver Eagle weitgehend zurückgebaut. Das Innere der Sternenyacht erstrahlte wieder in dezenten Weiß- und Fliedertönen anstatt in düsteren Braun- und Grünschattierungen. Auch die organisch anmutenden Rundungen waren wieder den klaren Linien des ursprünglichen Designs gewichen.
Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Jetzt fühlte sie sich nicht mehr gar so Fehl am Platz, nicht mehr als Außenseiterin auf ihrem eigenen Schiff. Sie war und blieb natürlich eine Außenseiterin für die Menschheit, schließlich schleppte sie immer noch das seltsame Exoskelett mit sich herum, mit dem sie nach ihren schweren Verletzungen und der Heilung durch die Krikri aufgewacht war.
Constance wurde zudem von der Konföderation immer noch wie eine Aussätzige behandelt, war abgeschoben worden in den Sternhaufen M53 im Halo der Milchstraße, einen der entlegensten Winkel des bekannten Universums. Mittlerweile vielleicht nicht ganz zu Unrecht, schließlich hatte sie auf ihrer letzten Reise mit der Silver Eagle einer jungen Krikri-Königin Unterschlupf gewährt und damit beinahe einen intergalaktischen Krieg heraufbeschworen. Aber dies wusste in den erlauchten Kreisen der Konföderation niemand außer Nero ‚Nepomuk‘ Portmann, dem zwielichtigen Schmugglerkapitän und Firmenboss — und der würde sicherlich den Mund halten, um nicht noch mehr Schwierigkeiten mit der Führungsriege ‚seines‘ Konzerns zu bekommen.
Dass sich die Krikri-Königin und ihr ganzer Schwarm auf der Silver Eagle als blinde Passagiere eingeschlichen hatten, interessierte selbstverständlich niemanden. Auch nicht, dass sie das Leben des dedizierten Präsidenten eines Großkonzerns gerettet hatte. Verbittert drosch sie mit den Fäusten auf die Armlehnen ihres Sessels ein. Warum wurde immer ihr die Schuld an allem in die Schuhe geschoben? Warum wurde ihr nicht einmal die Anerkennung zuteil, die sie verdient hatte?
Constance schlug die Hände vors Gesicht, holte tief Luft und versuchte, sich zu beruhigen. Derartige Ausbrüche brachten sie schließlich nicht weiter, im Gegenteil. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. Was war nur los mit ihr?
›Dir fehlt der Umgang mit Deinesgleichen‹, stellte Seki, die Zwitter-KI der Silver Eagle lakonisch fest.
»Wahrscheinlich hast du Recht«, murmelte Constance kaum hörbar. Seki würde sie auch so verstehen, schließlich war Constance mit dem Schwarmbewusstsein ‚ihres‘ Krikri-Schwarms verbunden und konnte mit dessen Mitgliedern mental kommunizieren, so auch mit Seki. »Ich kann aber nicht schon wieder den ehemaligen Raumpiraten auf ihrer Basis einen Besuch abstatten. Ich habe nicht einmal neue Vorräte, deren Lieferung ich als Vorwand nutzen könnte.«
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›Du schottest dich viel zu sehr ab von deinen Mitmenschen. Dieser Steve Dunnett ist doch ganz nett. Schau doch einfach auf einen Kaffee bei ihm vorbei!‹
»Der ist nicht mein Typ«, wehrte Constance verdrossen ab. »Außerdem hat es seine Funkerin auf ihn abgesehen, das weiß er nur nicht. Und mit der möchte ich mich nicht anlegen.«
›Schmachtest du etwa immer noch deinem Nepomuk nach, Zuckerpüppchen?‹, stichelte Seki.
Constance zuckte zusammen. ‚Zuckerpüppchen‘ hatte Nepomuk sie immer neckisch genannt, und bei ihrer letzten Begegnung vor acht Wochen war sie ihm zum Abschied für einen kurzen, aber innigen Kuss um den Hals gefallen. Sie hatte damals nicht einmal seine Reaktion abgewartet, sondern war verlegen ins Innere der Silver Eagle geflüchtet. Sie schüttelte den Kopf über sich selbst.
Dann kam ihr eine Idee. »Wie viel von den aufbereiteten Erzen haben wir im Moment an Bord? Könnte ich diese zum Vorwand nehmen, der Piratenbasis einen Besuch abzustatten?« Sie schielte auf ihre SmartWatch und las das Datum ab. Heute war der 10. Mai 2342, ihr letzter Besuch war also erst gut eine Woche her.
›Ein paar Hundert Kilogramm Metallbarren sind schon wieder vorrätig‹, verkündete Seki. ›Das klingt nicht nach besonders viel, aber du könntest einen Abstecher zur Basis durchaus damit rechtfertigen, dass du deine Bestände verkaufen willst. Und wie du weißt, kannst du ja schlecht auf einer der üblichen Handelsstationen auftauchen…‹
»Könnte ich wohl!«, maulte Constance aufsässig. »Die Silver Eagle kann schließlich ihre ID ändern und den Portalen eine andere Registrierung vorgaukeln.«
›Mag sein. Aber dieser Schiffstyp ist nicht so gängig, und irgendwer auf einen Raumhafen könnte Verdacht schöpfen und uns verpfeifen.‹
Constance seufzte niedergeschlagen. An ihrer Verbannung hatte sich nichts geändert, auch wenn immerhin kein Kopfgeld mehr auf sie ausgesetzt war. Würde sie bis an ihr Lebensende hier festsitzen? Sie war erst Anfang dreißig!
Und das einzige offiziell bekannte Wurmloch zurück in den Hauptast der Milchstraße war weiterhin vermint. Nur gut, dass sie etliche der Schlupflöcher kannten, die die Raumpiraten für ihre ‚Ausflüge‘ nutzten.
Constance wurde vom Klingelton der Kommunikationsanlage aus ihren Grübeleien gerissen. »Wer ist das denn?« Sie runzelte verwundert die Stirn. »Das kann doch nur jemand von der Basis sein, oder?«
Sie nahm das Gespräch an. Auf dem Bildschirm vor ihr tauchte das Konterfei von Steve Dunnett auf, seines Zeichens Kommandant der Piratenbasis. Sein Gesicht war von tiefen Sorgenfalten gezeichnet, seine Lippen zusammengepresst. Er meldete sich unverzüglich zu Wort.
»Verehrteste Kommandantin, es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen, Sie zu sprechen. Leider ist mein Anliegen wenig erfreulich und auch äußerst dringlich.«