Noch während Constance durch den kurzen Hauptkorridor der Silver Eagle zur Brücke eilte, leitete Seki die Startsequenz ein. Kaum hatte sich Constance in ihren Pilotensessel geworfen, legte die Silver Eagle auch schon sanft ab.
In unmittelbarer Nähe der Dockanlagen konnte die Sternenyacht ihre mächtigen Haupttriebwerke noch nicht zünden, und so hatte Constance mehr als genug Zeit, um sich ordnungsgemäß anzuschnallen.
»Seki, hast du schon einen Flugplan für mich?«, keuchte Constance atemlos.
›Verschwende nicht deinen wertvollen Atem mit derartigen Anfragen und sieh über deinen DataPort selbst nach!‹, tadelte Seki. ›Das geht auch schneller.‹
Constance rollte mit den Augen. Seki konnte immer noch nicht von ihrem eigensinnigen Beharren darauf lassen, dass sie die effiziente Steuerung der Silver Eagle über ihre erweiterte mentale Schnittstelle üben müsste. Also versuchte sie gehorsam, sich zu konzentrieren und rief die gewünschten Informationen mittels eines gedachten Befehls ab. Augenblicklich erschien vor ihrem ‚inneren Auge‘ die geplante Flugroute.
»Sieben Mikrosprünge in etwas mehr als zwanzig Minuten? Nicht schlecht!«, staunte sie. Einmal mehr konnte sie die überlegene Technologie der Krikri nutzen, mit der die Silver Eagle ihre eigenen Wurmlöcher generieren und damit willkürlich kurze Hyperraumsprünge ausführen konnte. Ein ‚gewöhnliches‘ Raumschiff der menschlichen Konföderation war hierfür auf die bekannten, kartierten Wurmlöcher angewiesen und musste zwischen den einzelnen Hyperraumsprüngen oft tagelang durch den Normalraum reisen. »Ich fürchte allerdings, dass am Ende dieses Katzensprungs die eigentliche Reise erst anfängt.«
Constance wollte es sich gerade in ihrem Sessel bequem machen, als ihr einfiel, dass Steve Dunnett ihr in der Eile den versprochenen Kaffee schuldig geblieben war. »Ich habe zum Glück noch Zeit, um mir einen wohlverdienten Cappuccino zu holen«, murmelte sie, schnallte sich wieder los und machte sich auf den Weg nach hinten in den Salon.
›Wenn du dich bitte damit beeilen könntest‹, maulte Seki. Dann fuhr sie ungewöhnlich sarkastisch fort. ›Ich komme ja auch sehr gut alleine zurecht. Dir zuliebe weise ich den RoboChef schon einmal an, deinen geliebten Cappuccino vorzubereiten.‹
»Du bist ein Schatz!«, säuselte Constance süffisant und grinste breit. Seki brauchte sich gar nicht so anzustellen. Schließlich war die ehemalige KI der Silver Eagle mit einer Krikri-Arbeiterin fusioniert worden und dieses einmalige Zwitterwesen konnte das Raumschiff spielend leicht alleine steuern. Constance wurde den Verdacht nicht los, dass sie für Seki eher ein Klotz am Bein war und diese tatsächlich alleine besser zurecht kommen würde.
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Außerdem würde Constance nur unruhig in ihrem Pilotensessel herumrutschen, sie kannte sich zu gut. Nichts war schlimmer, als untätig herumzusitzen, und während des Fluges zur anderen Seite des Asteroidengürtels konnte sie nichts ausrichten außer sich Gedanken zu machen, wie sie das winzige Raumschiff finden sollten. Das konnte sie genauso gut bei einer Tasse Cappuccino erledigen.
Sobald sie im Salon angekommen war, ließ Constance sich in einen der opulent gepolsterten Sessel sinken. Sie ließ ihren Blick über die luxuriöse Ausstattung schweifen, zu der auch der exzellente RoboChef und dessen Vorräte an frischen Lebensmitteln gehörten. Offensichtlich hatte Nepomuk, dem die Sternenyacht früher gehört hatte, auf seinen Reisen quer durch die Galaxie hin und wieder erlauchte Gäste an Bord der Sternenyacht verwöhnt.
Augenblicke später öffnete sich in der Wand neben ihr ein Paneel, ein Roboterarm streckte sich daraus hervor und stellte den gewünschten Cappuccino auf dem Tisch vor ihr ab. Constance ergriff die Tasse, stützte die Ellbogen auf dem Tisch ab und nahm bedächtig einen ersten Schluck. Wie immer hatte sie einen Anflug von schlechtem Gewissen bei dem Gedanken daran, dass sie an Bord der Silver Eagle solchen Luxus genießen durfte, während die Leute auf der Basis nur mit dem Allernötigsten versorgt wurden — und auch darauf manchmal lange warten mussten.
Immerhin hatte sie Nepomuk und der Mining Corp das Zugeständnis abringen können, dass bei den regelmäßigen Lieferungen immer auch ein ‚Überraschungspaket‘ dabei sein würde, das dann Annehmlichkeiten wie eine neue Kaffeemaschine nebst einem entsprechenden Vorrat an Bohnen enthalten konnte. Die ehemaligen Piraten lieferten im Gegenzug wertvolle Informationen über abbauwürdige Erzvorkommen in ‚ihrem‘ Asteroidengürtel. Allerdings gestaltete sich deren Erschließung schwierig, seit die Militärs die einzige offiziell bekannte Route zwischen dem Sternhaufen M53 und dem Hauptast der Milchstraße vermint hatten. Zum Glück kannten die Piraten etliche inoffizielle Wurmlöcher und damit Schleichwege zurück in zivilisiertere Gegenden. Eine dieser Routen hatten sie der Mining Corp preisgegeben, die diese jetzt für die Versorgungsflüge nutzte. Aber der Erzabbau würde weitaus mehr Verkehr auf dieser Route bedeuten und damit würde auch das Risiko einer Entdeckung durch die Militärs zunehmen. So musste sich die Mining Corp wohl oder übel gedulden, bis eine neue, offizielle Route nach M53 bekannt gegeben wurde.
Constance trank genüsslich ihren Cappuccino leer und machte sich dann gemächlich auf den Weg zur Brücke. Der letzte Hyperraumsprung stand kurz bevor, und dann würde sich zeigen, wie gut die Sensoren und Kameras der Silver Eagle dazu geeignet waren, ein kleines, havariertes Erkundungsschiff zu orten.