Constance lief es kalt den Rücken hinunter. Diese Verhörzelle passte nicht so recht zum Unterschlupf einer kleinen Schmugglerbande, sondern eher zum Hauptquartier einer mächtigen Organisation. Wie genau es deren Anführer wohl mit den Gesetzen nahmen und wie viel oder wenig ihnen ein Menschenleben wert war? Immerhin hätte sie es wahrscheinlich mit den Drahtziehern zu tun, die hinter dem Handel mit den Artefakten steckten.
Sicher war nur, dass der Schweinehund O‘Connor sie doch verraten hatte, wohl in dem Glauben, dass sie nie mehr aus den Klauen dieser Schmuggler würde entrinnen können. Verdammt! Wie hatte sie nur so leichtsinnig sein können und sich von dem erstbesten Halunken brav hierher führen lassen!
Constance sah sich in der Zelle um. An den verspiegelten Wänden war nichts Auffälliges zu erkennen, selbst die Türe war nicht mehr auszumachen. Der Boden war mit dezent gemustertem Laminat ausgelegt, das noch wie neu glänzte. Der Tisch war am Boden festgeschraubt, die drei Stühle waren einfach und ungepolstert, aber aus solidem Plastik gefertigt. Sie hatten aber keinerlei scharfe Kanten und waren auch insgesamt zu leicht, um effektiv als Waffe eingesetzt werden zu können.
Die Decke war mit gelochten Paneelen verkleidet, hinter denen sich alles Mögliche verbergen konnte. Constance ging davon aus, dass etliche Mikrofone und Kameras auf sie gerichtet waren und jede ihrer Bewegungen und Äußerungen aufgezeichnet und analysiert wurde. Wahrscheinlich war die Zelle auch mit Waffensystemen oder anderen unschönen Einrichtungen ausgestattet. Insgesamt wirkte alles sehr professionell.
Schweren Herzens nahm Constance auf einem der Stühle Platz und versuchte, sich zu entspannen. Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, dass sie dieser seltsame Empfang zu sehr verunsicherte. Sie fröstelte immer noch von der Kälte draußen und rieb sich mit den Händen über die Arme, um wieder warm zu werden.
Die Minuten verstrichen quälend langsam. Constance wollte auf ihre Uhr sehen und hob den Arm, dann fiel ihr wieder ein, dass sie ihre Smartwatch zusammen mit allen anderen persönlichen Gegenständen am Eingang hatte zurücklassen müssen.
Nach einer geschätzten halben Stunde bereute sie innig, dass sie in der Kneipe ihr Bier ausgetrunken hatte, denn ihre Blase machte sich unangenehm bemerkbar. Die Zelle wies natürlich keinerlei sanitäre Einrichtungen auf. Sicherlich war auch dies beabsichtigt und sollte zu ihrem Unbehagen beitragen.
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Auf dem harten Stuhl wurde Constance mittlerweile ziemlich unbequem. Daher erhob sich sie wieder und streckte sich ausgiebig.
Sie überlegte, wie sie sich die Zeit vertreiben könnte, und wollte gerade mit ein paar Dehnübungen anfangen. Dann fiel ihr ein, dass sie besser keine Figuren aus ihrem Repertoire des unbewaffneten Kampfes ausführen sollte, da dies Rückschlüsse auf ihre besondere Ausbildung zuließe. So begnügte sie sich mit einfachen Übungen, wie man sie in jedem Fitnessstudio gezeigt bekommen konnte.
Nach geschätzten zehn Minuten war Constance angenehm warm, aber nun vermisste sie für weitere Übungen eine Bodenmatte, ohne die es auf dem blanken Laminatboden doch etwas hart wäre. Also stützte sie sich mit den Händen am Tisch ab und machte weitere Dehnübungen. Dabei musterte sie verstohlen die Spiegelung der Decke auf dem blankpolierten Fußboden. Es war zwar schwierig, zwischen dem gedruckten Muster etwas zu erkennen, aber ihre Vermutungen über versteckte Kameras und Mikrofone hinter den Deckenpaneelen bestätigten sich.
Schließlich hatte Constance sich ausgetobt und ließ sich schwer atmend auf ihren Stuhl fallen. Missmutig versuchte sie, ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen. Ihre Kondition war auch schon einmal besser gewesen. Sie hatte während der letzten Monate zu viel Zeit im interstellaren Transit unter verringerter Schwerkraft oder mit Sedativen vollgepumpt im Krankenbett verbracht und dabei notgedrungen ihre Übungen vernachlässigt.
Constance wurde durch ein leises Klicken aus ihren trübsinnigen Gedanken gerissen. Sie blickte auf und sah, dass sich lautlos eine — weitere? — Türe auftat. Constance war sich nicht mehr sicher, auf welcher Seite sie den Raum betreten hatte.
Sie starrte unverhohlen durch die sich öffnende Türe. Sie erkannte einen schwach beleuchteten Korridor und war sich sicher, dass dies nicht der Korridor war, durch den sie vorher gekommen war.
Vor dem dunklen Hintergrund zeichnete sich schemenhaft eine hochgewachsene Figur ab, die sich in den Schatten verbarg und sie noch einmal musterte, bevor sie endlich die Zelle betrat.