Sarah schwieg betroffen. Dann fragte sie zaghaft, »wie weit ist denn die Persönlichkeit deiner KI — Seki — entwickelt? Wie gesagt, an Bord der Squirrel gibt es nur einen besseren Autopiloten, zwar mit Spracherkennung, aber nicht viel mehr.«
Constance seufzte. »Ein weiteres meiner Geheimnisse, fürchte ich. Und diesmal eines, über das ich dir leider nichts verraten darf. Es muss dir genügen, dass Seki eine ausgeprägte Persönlichkeit besitzt und es dir möglicherweise übel nimmt, wenn du abfällig über sie sprichst.«
»Dieses eine Mal verzeihe ich dir«, warf Seki mit monotoner Kunststimme ein.
»Danke!« Sarah atmete erleichtert auf. An ihrem Gesichtsausdruck konnte Constance ablesen, dass sie sich schon ausgemalt hatte, was ihr eine übellaunige KI alles antun könnte.
Constance musste sich ein Lachen verkneifen. »Stell dich nicht so an, Seki. Du hast diesen Namen gewählt, und sogar selbst einmal erläutert, dass er nur eine Abkürzung ist, genau so wie Sarah gesagt hat.«
»Das ist alles nur ein seltsamer Zufall!«, erwiderte Seki. »Eigentlich kommt mein Name aus dem Japanischen, das ist eine in Vergessenheit geratene Sprache von der guten alten Erde. Das Wort bedeutet so etwas wie eine Pattstellung bei einem gewissen Brettspiel und ich habe es gewählt, weil ich mich in gewisser Weise ebenfalls in einer ausweglosen Situation sehe.«
»Wie das?«, entfuhr es Sarah.
»Ich darf ebenfalls nicht zu viele Details preisgeben«, antwortete Seki verhalten. »Nur so viel: Ich existiere an der Grenze zwei Welten — der Individualität und der Konformität — und wenn ich mich der einen Seite zuwende, verliere ich den Bezug zur Anderen.«
Constance schwieg betroffen. Waren das die ‚Komplikationen‘, vor denen Seki und ihre Königin sie immer gewarnt hatten?
›Mach dir keine Sorgen um mich!‹, tröstete Seki sie. ›Aber irgendetwas musste ich mir doch einfallen lassen als Erwiderung auf Sarahs Beleidigung. Und ein Bezug zu einem alten japanischen Brettspiel klingt doch zugegebenermaßen viel besser als die Abkürzung für ‚Silver Eagle Künstliche Intelligenz‘!‹
Nun war es an Constance, erleichtert aufzuatmen. ›Dann bin ich ja beruhigt.‹ Laut fuhr sie fort, »Seki, wie weit bist du mit der Beschaffung der Rohstoffe für die Synthese der neuen Atmosphäre?«
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»Das läuft alles nach Plan. Der TeleFab hat die ersten Proben erhalten und die Ausbeute an Stickstoff und Sauerstoff ist hervorragend. Sobald der RepBot mit den Reparaturen an der Außenhülle der Squirrel fertig ist, können wir mit der Befüllung des Raumschiffs starten.«
»Ich komme mir gerade ziemlich überflüssig vor«, gestand Sarah. »Gibt es denn gar nichts für mich zu tun? Ich habe echt ein schlechtes Gewissen, dass ihr hier die ganze Arbeit macht — na ja, Seki und ihr RepBot — und dieser Tele-Dings. Was ist das nun schon wieder?«
»Der TeleFab ist sozusagen das Prunkstück in meiner Sammlung von Krikri-Technologie«, verkündete Constance mit gewissem Stolz. »Damit kann Materie über ein Mikro-Wurmloch herangeschafft und zu beliebigen Werkstücken zusammengefügt werden, ähnlich wie mit einem 3D-Drucker, nur viel besser!«
Sarah runzelte die Stirn. »Wenn du Mikro-Wurmloch sagst — das hängt doch dann mit Hyperraum und sowas zusammen, oder? Dann habt ihr das sicher auch in Größer und die Silver Eagle hat nicht nur tolle konventionelle Triebwerke, sondern ist auch mit Hyperraumsprüngen besser als alle Raumschiffe der Konföderation, richtig?«
»Richtig.« Constance seufzte. »Du bist zu schlau für dein eigenes Wohlergehen!«
Sarah strahlte. »Wusste ich‘s doch. Nicht umsonst hat Dunnett dich auf die Suche nach der Squirrel geschickt, denn nur die Silver Eagle war überhaupt imstande, mich rechtzeitig zu erreichen.«
»Gut erkannt!«, lobte Seki unerwartet, diesmal mit ihrer ‚normalen‘ Altstimme.
Constance konnte nur noch den Kopf schütteln. Sie verstand immer weniger, was Seki und ihre Königin mit Sarah im Schilde führten. Erst hielten sie sich bedeckt, jetzt plauderten sie freizügig über alle Geheimnisse und schienen Sarah geradezu zu umschmeicheln. Dieser plötzliche Gesinnungswandel war ihr jedenfalls suspekt.
Dann fiel ihr ein, dass außer ihr nur noch Nepomuk wusste, zu welchen Kunststücken die Silver Eagle fähig war. »Steve Dunnett weiß doch gar nichts von den außergewöhnlichen Fähigkeiten der Silver Eagle!«
»Er hat sicher seine Vermutungen«, wischte Seki den Einwand weg, »schließlich taucht die Silver Eagle immer wieder völlig unerwartet bei ihm auf der Basis auf.«
»Wahrscheinlich«, murmelte Constance. Restlos überzeugt war sie davon aber nicht. Hatte Nepomuk etwa ihre Geheimnisse ausgeplaudert?
Sarah lachte übermütig. »In der Tat haben wir immer Wetten darauf abgeschlossen, wann ihr wieder bei uns aufkreuzen würdet! Und nicht nur das, sondern wir haben auch immer spekuliert, welche unglaublichen Geschichten du uns wieder auftischen würdest.«
Constance runzelte die Stirn. Hatte sie auf der Basis jemals etwas darüber erzählt, wo sie mit der Silver Eagle unterwegs gewesen war? Aber Sarah nahm ihr diese Sorge, indem sie weiter schwadronierte.
»Am besten war die Geschichte mit dem Kopfgeld, das auf euch ausgesetzt gewesen war. Angeblich waren alle Kopfgeldjäger der Konföderation auf euch angesetzt gewesen. Aber leider hat sich das als falsch herausgewiesen, jedenfalls konnte Robin keine Spur der Ausschreibung im Internet finden.«
»Wer ist Robin?« erkundigte sich Constance beunruhigt. Wer wusste noch alles von der Silver Eagle und ihren Geheimnissen?