Constance fühlte sich, als wäre sie zwischen Hammer und Amboss geraten. Benommen rieb sie sich die schmerzende Stirn, dann strich sie eine widerspenstige Strähne ihres kurzen blonden Haars hinter das Ohr. Vor ihren Augen tanzten schwarze Punkte. Selbst das Atmen fiel ihr schwer. Ein stechender Schmerz fuhr durch ihre linke Seite, als hätte sie sich die Rippen geprellt.
Sobald sich ihr Blick etwas geklärt hatte, sah Constance sich um. Sie war auf dem Pilotensitz eines Raumschiffes angeschnallt, der Platz des Navigators neben ihr war leer. Mühsam richtete sich Constance auf und studierte die Anzeigen vor sich. Offenbar hatte das Schiff vor kurzem einen Hyperraumsprung absolviert und driftete gegenwärtig mit beträchtlicher Geschwindigkeit durch ein unbewohntes Sternsystem im Kugelsternhaufen M53 im galaktischen Halo der Milchstraße, am Ende der Welt und noch ein paar zigtausend Lichtjahre weiter.
Constance versuchte angestrengt, sich an die Geschehnisse vor dem Sprung zu erinnern. Ihr Blick fiel auf ein zerknülltes Blatt Papier, das zwischen den Konsolen vor ihr eingeklemmt war.
Das musste ihr Marschbefehl sein, den sie kurz vor ihrer überstürzten Abreise aus dem Antares-System erhalten hatte. Sie hatte das Schreiben auf Geheiß der Militärs erst an Bord der Silver Eagle öffnen dürfen.
Die Silver Eagle? Ach ja, die ehemals schnittige und luxuriöse Sternenyacht, umgebaut und erweitert von den Aliens, den Krikri.
M53? Bis zu diesem Sternhaufen war eine ganze Reihe von Sprüngen nötig gewesen, nicht nur ein einziger! Und die KI der Silver Eagle hatte alle diese Sprünge und die dazugehörigen Manöver zwischen den Hyperraumportalen selbsttätig durchgeführt? Und sie selbst hatte nichts davon mitbekommen?
Constance fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und stöhnte. Sie erinnerte sich dunkel, die Koordinaten für das allererste Sprungziel eingegeben zu haben. Aber warum hatte sie nach der ersten, übertrieben rasanten Beschleunigung nicht wieder das Bewusstsein erlangt? Ihr Körper hatte sich wohl noch nicht von den schweren Verletzungen während der Havarie der Silver Eagle erholt. Hoffentlich hatte sie ihre Genesungsfortschritte durch das unbedachte Manöver nicht zunichte gemacht.
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Sie blickte an sich hinunter. Ihr ganzer Körper war immer noch von dem seltsamen schwarzen Panzer umhüllt, mit dem sie nach ihrer Rettung durch die Krikri aufgewacht war. Sie konnte nur vermuten, dass dieser ihre gebrochenen Knochen bei der Heilung unterstützte. Sie fuhr sich zögernd über die Beine, spürte aber kaum die Berührung durch ihre Hände. Offenbar stand sie immer noch unter starken Schmerzmitteln.
Leider war außer ihr niemand an Bord der Silver Eagle, den sie nach ihrer Krankenakte hätte fragen können. Und ihr gegenwärtiger Aufenthaltsort im Halo der Milchstraße machte eine Kommunikation mit dem Rest der Menschheit faktisch unmöglich, außer mittels der langwierigen Verwendung von Nachrichtendrohnen. Sie war komplett auf sich allein gestellt.
Constance beugte sich ächzend vor und griff nach dem Schreiben. Sie strich das Blatt auf ihrem Oberschenkel glatt.
Oben auf der Seite prangte das Logo der militärischen Aufklärungsdienste MAD. Sie überflog die wenigen Zeilen ihres Auftrags:
Untersuchen Sie die Sternsysteme in M53 nach Asteroiden mit abbauwürdigen Bodenschätzen. Kehren Sie erst zurück, wenn Sie auch reiche Vorkommen an Seltenen Erden gefunden haben.
Dies kam einem Todesurteil gleich! Sie sollte ein paar Tausend Sternsysteme nach interessanten Himmelskörpern durchforsten? Für eine derartige Aufgabe wurden sonst autonome Sonden eingesetzt. Und das war der Dank dafür, dass sie die Menschheit vor dem sicheren Untergang — oder zumindest der Unterwerfung durch die Krikri — bewahrt hatte!
Und während sie, vormals Xenobiologin ohne Aussicht auf eine gute Karriere und jetzt offiziell die Botschafterin der Aliens, hierhin an den äußersten Rand der menschlichen Zivilisation abgeschoben worden war, würden die Militärs alles daransetzen, um hinter die technologischen Geheimnisse der Krikri zu kommen, entgegen der ausdrücklichen Vereinbarungen. Constance war sich nicht sicher, wie lange die Geduld der übermächtigen Aliens strapaziert werden konnte, bevor sie die Menschheit unterwarfen und versklavten — oder schlimmer noch, die Menschen wie Nutztiere hielten.
Aber erst einmal musste sie herausfinden, welche Modifikationen die Krikri an der Silver Eagle vorgenommen hatten und wie viel von der Sternenyacht überhaupt noch aus den Werften der menschlichen Konföderation stammte. Sie betastete geistesabwesend die Front ihres schwarzen Panzers und suchte nach einem Knopf oder einer Schnalle, um ihn zu öffnen. Sie musste endlich ergründen, was es mit dieser Rüstung auf sich hatte und in welchem Zustand sich ihr Körper nach den schweren Verletzungen befand. Welche medizinischen Verfahren die Krikri wohl eingesetzt hatten, um ihre zerquetschten Beine zu heilen? Sie war jedenfalls heilfroh, dass sie nicht schon mit Anfang 30 an den Rollstuhl gefesselt war.