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Das Heilige Reich [German]
1. 17 Tag der Verheißung

1. 17 Tag der Verheißung

Wenzels Körper sank schlaff auf die Almwiese hernieder. Er hatte keine Ahnung, wie er all das verarbeiten sollte. Was hatte sein Adoptivkind an diesem Ort hier zu suchen gehabt? Wie hatte sie mit Petra zusammengefunden? Und warum hatte sie diese dann ausgeschaltet? Fragen über Fragen. „Nein!“ Seine Majestät schüttelte den ruckartig den Kopf und riss sich aus seiner Benommenheit. „Ich kann mich jetzt nicht mit Belanglosigkeiten beschäftigen! Petra ist tot, alles, was zählt ist jetzt Viktoria“, versuchte er seine Prioritäten zu setzen.

„Sie wird versuchen die Kaiserstadt in Schutt und Asche zu legen. Ich habe das starke Gefühl, dass dies das Wahrwerden meiner einst so gefürchteten Prophezeiung sein wird. Ja, ich bin mir vollkommen sicher, dass es so ist.“ Die Erinnerung, dass er in der Vision einst ein alter Mann zu sein schien, wurde einfach verdrängt. Der Souverän war im intensiven Selbstgespräch. Er sinnierte, was er nun tun konnte. Aber er hatte nicht viel Spielraum, denn die Zeit drängte. Er musste so rasch wie möglich wieder nach Meglarsbruck zurückkehren. Doch er wusste, dass er mit Viktoria nicht gesittet reden können würde. Sie würde ihn angreifen, und er keine Chance haben. Bei ihrem letzten Treffen war unleugbar hervorgegangen, wie groß der Unterschied zwischen der Menge an magischer Kraft war, die sie hatten. Wenzel war hoffnungslos unterlegen.

Und um mit ihr reden zu können, würde er erst einmal dazu in der Lage sein müssen, seine Tochter in ihre Schranken zu verweisen. Oh, wie schwer ihn doch diese Entwicklungen belasteten, wie sehr sie ihn schmerzten! Doch er musste standhaft bleiben. Wer, wenn nicht er? Immer noch hatte er das Szepter in der Hand, welches ihm nicht den Weg zu Viktoria leuchtete, da sie dessen Effekt irgendwie umgehen konnte. Als er kurz auf das blaue Juwel darin starrte, kam ihm schließlich eine Idee. Wie immer ließ er sich diese etwas durch den Kopf gehen, hielt sich diesmal aber kürzer, da er keine Zeit zu verlieren hatte. „Also, gut. Machen wir es so“, kommentierte er, während er alle Heiligen Artefakte, inklusive des Klunkers aus dem Labyrinth in Galadea, vor sich aus seinem Rucksack ausleerte.

Er legte sie der Reihe nach im Gras auf und holte sich einen größeren Steinbrocken, um damit die bunten Kristalle zu zerbrechen. Ja, das war in der Tat, was er entschieden hatte. Er würde die Heiligen Artefakte zerstören, um die Magie, welche darin schlummerte in sich aufzunehmen, und hoffentlich stark genug zu werden, um Viktoria die Stirn bieten zu können. Das war alles, wozu er im Moment imstande war. Das Kind würde nicht auf ihn hören, außer wenn man ihm physisch Einhalt gebot. Nur der Erkorene war zu so etwas fähig. Es gab sonst niemanden. Außerdem war dies immer noch eine bessere Nutzbarmachung dieser Objekte, als sie sonst in diesem Kontext an Utilität gehabt hätten. Die meisten der Artefakte waren ohnehin nur von recht beschränkter Zweckmäßigkeit – mit Ausnahme des Szepters. Schade war es trotzdem um diese.

Nach rascher Überlegung entschloss er sich aber dann zumindest das Schwert zu behalten. Fliegende Schwerthiebe konnten ihm, als Schwertkämpfer doch von Nutzen sein. Somit hob er dann den Steinklumpen über seinen Kopf und ließ ihn mit voller Stärke zuerst auf das Szepter herniederfahren. „Krach!“ Es zerbrach. Ein gleißendes Licht fuhr aus. Wenzel lief es einen Augenblick glühend heiß auf, dann fiel er um. Gleich darauf erwachte er wieder. Er wusste, dass kaum Zeit vergangen war, da die Sonne immer noch an derselben Stelle am Himmel war. Ihm war schwummrig. Er fühlte sich seltsam, derart seltsam, dass er schon beinah meinen wollte, ihm verfloss und entglitt sein inneres Bewusstsein. Der Magier durfte aber nicht warten, sondern musste gleich weitermachen. Erneut griff er nach dem Brocken und schmetterte ihn auf das nächste Artefakt.

Kerzen erhellten die ansonsten düsteren Kellerräume. Es war wirklich staubig hier, aber zur Verteidigung der Dienerschaft muss hierzu gesagt werden, dass diese normalerweise nur dem Lagern von überholten oder nicht mehr benötigten Möbeln oder anderen Gütern dienten. Keiner hatte damit gerechnet, dass man hier die Obrigkeiten unterbringen würde. Und doch passierte genau das nun. Auf engem Raum zusammengepfercht, waren die Hohen Herren jetzt alle hier versammelt. Die fensterlose Kammer ließ kaum Geräusche von außen hereindringen. Keiner wusste, was dort draußen vor sich ging. Nun ja, so stimmt das auch nicht. Man hatte sich sagen lassen, dass ein Magier mit roten Haaren auf einmal in der Stadt auftauchte und begann die Brücken über den Duhn abzureißen. Als dann die ersten Häuser in Brand gesteckt wurden, hatten sie sich entschieden im Keller des Reichstagsgebäudes Schutz zu suchen. Hier, so vermuteten sie, würden sie sicher sein. So Gott wollte.

Dennoch, die Furcht war den meisten hier klar ins Gesicht geschrieben. Sie verstanden nicht, was vor sich ging. Die Abgeordneten mit ihren grellgelben Gewändern, ihrer edlen Tracht mitsamt teuren Schuhen und Hüten, sie alle kauerten hier im beengenden Untergrund, ungewiss was passieren würde. Herein trat jetzt ein Soldat, seine Rüstung immer noch in makellosem Zustand. „Durchlauchteste Herrschaften, ich bin hier, Sie zu informieren, dass der Reichstag immer noch unbeschädigt ist. Das kann man aber wohl kaum über die übrige Stadt sagen. Es scheint fast schon so, als würde die Vandalin hier gezielt manche Gebäude verschonen. Ich kann aber noch kein echtes System dahinter erkennen.“ Er pausierte kurz, dann fiel ihm aber noch etwas ein. „Die Täterin ist wohl eindeutig ihre Hoheit, die Prinzessin. Wir wissen nicht, warum sie dies tut, aber um Ihrer aller Sicherheit willen, sollten Sie hier unten bleiben, bis die Sache vorbei ist.“

Die Adeligen gaben ihm hierbei selbstverständlich recht. Doch trat dann noch Eugen von Rauttenstein, der Sprecher des Reichsrates, an den Überlieferer der Kunde heran und hatte noch eine Frage: „Seine Exzellenz Elias II., ist er außer Gefahr gebracht worden?“ – „Ich fürchte, diese Frage kann ich nicht mit vollkommener Gewissheit beantworten, mein Durchlauchtester Herr. Als die Verwüstung begann, hielt der Patriarch gerade die Messe in der Verkündigungskathedrale ab. Diese ist jetzt bereits zum Einsturz gebracht worden. Deshalb wage ich es nicht zu spekulieren, wie es um Seine Exzellenz bestellt ist. Es wäre wohl klüger, einfach abzuwarten.“

Eugen gab ihm da recht. Unter diesen Umständen, einen Suchtrupp nach dem Kirchenoberhaupt auszuschicken, wahr wohl eher aussichtslos und auch unverantwortlich gegenüber den Soldaten, die dies tun müssten. Nein, so ernüchternd dies auch war, alles, was sie im Moment tun konnten, war abwarten und stillhalten. Nur war es eben schade um Elias II., welcher schon sehr hohen Alters war. Zwar war er immer noch überaus energetisch, und man hätte meinen können, dass er erheblich weniger betagt war, als es tatsächlich der Fall war, dennoch war er nun schon fast fünfzig Jahre der Patriarch der Teleiotischen Kommune gewesen! Ob er es in sich hatte, eine solche Katastrophe zu überstehen, war fraglich.

Nach Abschluss der Auskunft salutierte der Militär und trat ab. Raschen Schrittes stieg er dann wieder die gewundene Treppe zu seiner Rechten hinauf, die er auch heruntergekommen war. Die zahlreichen Korridore wurden von ihm im Laufschritt durchquert, und schließlich verließ er durch einen der Seitenausgänge den großen Gebäudekomplex. Als erstes fiel sein Augenschein gleich einmal hinauf zum Himmel. Gleich dem Tag des Jüngsten Gerichts bot einem dieser ein albtraumhaftes Bild dar. Die dicken Wolken, welche das gesamte Firmament verdeckten, waren so pechschwarz, dass wohl niemand, der am Leben war, jemals etwas Vergleichbares gesehen hatte. Von diesem herab zuckten unaufhörlich und in unvorstellbarer Frequenz Blitze. Überall, wo das Auge hinreichte, blitzte es, und das Donnergrollen, war zu einem allgegenwärtigen Hintergrundgeräusch geworden. Jedoch Regen fiel keiner. Nicht ein einziger Tropfen Wasser kam herab.

Eine winzige Anzahl an Menschen war trotz all dem immer noch auf den Straßen. Einige blieben in Ehrfurcht stehen, warfen die Hände über den Kopf und riefen zum Himmel hinauf ihren Herrn an: „Oh, allmächtiger Gott! Erbarme dich unser! Erkorener, erscheine und errette uns vor dem Bösen!“ Im Jaulen des Windes folgten Stoßgebete, im Grunde diejenigen, die jeder schon von Kindheitsbeinen an lernte. Hoch oben am Reichstag wehte immer noch die Sonnenfahne. Wild von Sturmböen hin- und hergerissen, klammerte sie sich fest, als ob ihr Leben davon abhinge. Selbst der Kommandant kam beim Anblick dessen nicht umhin, in den Glauben zu verfallen, dass er hier die Apokalypse miterlebte.

Es war ja auch riesige Zerstörung in der Gesamtheit der Goldenen Stadt. Die Flammen hatten auf große Teile der Stadt übergegriffen, eine Feuersbrunst, die alles verschlang. Gleichzeitig waren aber auch viele Bauwerke - er hatte keine Ahnung wie viele oder welche genau – von der Zaubrerin zum Einsturz gebracht worden. Viele der Säulen, die die Reichstraße säumten, waren umgeworfen worden, und zwar deshalb, um gezielt die Straßen unpassierbar zu machen. Ebenso waren neben der Hauptkathedrale auch die Gildenhäuser demoliert worden. Alles, was mit Wirtschaft, Handel und Transport zu tun hatte, aber auch das Symbol jener Institution, die den Kaiser verherrlichte und legitimierte, war Opfer des Angriffs geworden. Jene, die dem Herrscher eher noch ein Hindernis waren, also der Reichsrat, waren bewusst verschont geblieben. Dieser Zusammenhang erschloss sich dem Kommandanten allerdings nicht und die scheinbar unlogische Auswahl an zerstörten Objekten verblieb für ihn ein Mysterium.

Schnell wie ein Falke segelte er durch die Lüfte. Aus der Ferne konnte er bereits die Verwüstung, die in der Metropole angerichtet worden war, erspähen. Er musste sich sputen. Der Erkorene passierte die Stadtmauer und begab sich hinein in das Inferno. Oder, naja, er wurde Zeuge dessen, was das Inferno bereits angerichtet hatte. Links und rechts, vorne und hinten, überall waren kleinere und größere Brandherde zu sehen. Die meisten Bauten, die Feuer gefangen hatten, waren aber bereits abgebrannt. Der Magier würde sie nicht löschen. Als erstes musste er die Quelle dieses Unheils aufsuchen. Unbewusst war ihm hierbei, dass im nordöstlichen Teil Meglarsbrucks gerade hektische Löscharbeiten im Gange waren, welche das Heer auf Befehl Ferencs durchführte.

Zwischen den ruinierten Gebäuden hindurch und über Schutthaufen schritt er, wodurch er viele der Krähen, die sich hier eingefunden hatten, aufschreckte. Viele Körper lagen verstreut, doch er schaute an diesen vorbei. Versehentlich trat der Mann in eine Pfütze und blickte daraufhin hinein. Seine Reflexion zeigte nur noch eine einzige rote Haarsträhne. Das Schwert war immer noch in der Scheide an seiner Hüfte. Es war das letzte der Artefakte. Er ging weiter und erreichte schließlich die umgefallenen Säulen auf der Hauptstraße. Der Erkorene blickte hinüber auf die entfernte Kulisse der eingefallenen Verkündigungskathedrale. Beim Anblick dieser kam ihm ein Seufzer aus. Dann geschah es. Die Stimme ertönte in seinem Kopf:

„Du bist also hier, alter Mann. Gefällt dir mein Werk?“

Obwohl er diese Szene in seiner Vision vorausgesehen hatte, obwohl er wusste, dass dies hier so passieren würde, ließ er die Dinge ihren Lauf nehmen. Er hatte das Schicksal akzeptiert. Erst jetzt flog er weiter. Auf dem Platz vor der Kirche im Zentrum der Stadt landete er dann. Hier stand eine gewaltige Statue Melgars des Großen. Sie war an jenem Ort platziert worden, wo einst eine identische gestanden hatte, bevor die alethischen Usurpatoren sie durch ein anderes Monument ersetzt hatten. Der Erkorene war kurz vom Aussehen der Skulptur eingenommen und harrte einen Moment lang aus, um diese zu betrachten. Die Gesichtszüge sanft und doch eine Strenge ausdrückend waren von wahren Meistersteinmetzen gestaltet worden, auch wenn die Nase, wie es diese Darstellungen immer machten, kleiner als beim Original war. Eigentlich hatte er etwas SEHR Wichtiges, um das er sich kümmern musste, aber für fast eine Minute war er vollständig entrückt. Schließlich kam dann das Mädchen, welches seine Ankunft schon zuvor wahrgenommen hatte aus dem Sakralbau heraus. Sie hielt, gleich nachdem sie das riesige Eingangsportal verlassen hatte. Die Aura, die sie ausstrahlte, war überwältigend und einschüchternd.

Viktoria hatte sich ein breites Grinsen aufgesetzt. Es wirkte befremdend und umnachtet. Als sie Wenzel die Stufen heraufsteigen sah, fielen ihr seine fast zur Gänze in Weiß erstrahlenden Haare sofort auf. „Bist du in einen Farbtopf gefallen, Herr Vater?“, fragte sie in verächtlichem Ton. Ihn immer noch höflich mit „Herr Vater“ zu adressieren war hierbei Teil des beabsichtigten Spotts. Als Wenzel etwa zwölf Ellen von ihr entfernt das obere Ende der Stiege erreicht hatte, blickte er ihr direkt in die Augen. Das Mädchen erschrak darauf und wich sogleich ein ganzes Stück zurück. Aus seinen Augen leuchteten ihr zwei große Sterne entgegen, einer pro Augapfel. Keine Pupille war mehr zu finden, da war nur noch ein großer Stern, der das gesamte Sichtfeld einnahm.

Erst jetzt nahm sie wahr, dass etwas nicht stimmte. Die Aura, die von dem Mann, der ihr gegenüberstand, ausging erzeugte einen ganz anderen Druck, war ganz anderer Natur als die, die sie von ihrem Adoptivvater kannte. Sie war viel stärker. „Was geht hier vor sich?“, fragte Viktoria in einem Ton, den sie versuchte, selbstsicher zu halten, dessen Intonation und Klang ihr allerdings ungewollt entglitten und ihre Verunsicherung preisgaben. Der Mann antwortete nicht, sondern starrte sie nur mit seinen großen Sternen an. Es war unmöglich zu sagen, was er empfand, oder ob er sie überhaupt sehen konnte. Der Schwund seiner Pupillen hatte ihm einen Teil seiner Nahbarkeit genommen. Beide standen sie nur da und starrten sich nieder. Viktoria würde ihren Blick nicht abwenden und damit Angst signalisieren, weil sie sozusagen zuerst nachgegeben hatte.

Schließlich wurde es der Ungeduldigen zu lang und sie begann zu sprechen: „Und du hast mir nichts zu sagen? Willst du mich nur anstarren, alter Mann? Sieh doch nur, was ich angerichtet habe! Ich habe deine geliebte Stadt zerstört, deinen schönen Wohlstand zunichtegemacht! Berührt dich das denn nicht?“ Es kam keine Antwort. Jetzt wurde das Mädchen nur noch wütender und sie brüllte ihn wild an: „Das hast du davon! Du bist schuld….“ Sie zögerte kurz, als ihr in ihrer Wirre kurz einschoss, dass Wenzel Achaz eigentlich nicht getötet hatte, fuhr dann aber fort: „Ja, auch du bist schuld an dem, was mit Achaz geschehen ist. Wenn es dich nicht gegeben hätte, wenn du dich nicht eingemischt hättest, wäre das alles nicht passiert!“ Immer noch Schweigen vonseiten Wenzels. Viktoria wurde unsicher, doch nun brachte sie diese Unsicherheit erstmals dazu nachzudenken. Sie richtete ihre Magie auf ihr Gegenüber und blickte in seine Gedanken.

Nachdem dies geschehen war, starrte sie ihn blank an. Endlich war der Groschen gefallen. „Du bist……Melgar!“ Der Zauberer blickte sie immer noch ernst und ohne jede Gefühlsregung an, fast schon so, als ob er Theodor imitieren wollte. Endlich aber öffnete er seinen Mund. Aus diesem ertönte nun eine andere Stimme. Ein für Wenzels Körper unnatürlich wirkender, archaischer Bariton drang aus dessen Innerem hervor: „Es ist nicht deine Schuld.“ Viktorias Augen sausten verwirrt hin und her, ihre Atmung flach. „Wa….“ Der Magier unterbrach sie: „Und auch ist es nicht Wenzels Schuld. Er hätte nicht wissen können, wie er mit dir umzugehen hat. Ebenso hätte er nicht wissen können, dass die Tatsache als Magier geboren worden zu sein, mit einer starken Neigung zum Wahn einhergeht. Dieses Wissen ward selbst der Inquisition verloren gegangen. Bedauernswerterweise.“ – „Du bist es wirklich!“, war alles, was Viktoria hervorbrachte. Ihr Gesicht war hochrot, ihre Pupillen geweitet.

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„Sieh dich doch nur an, Kind. Welch Tragödie! Wir hätten es niemals so weit kommen lassen dürfen. Eben dies war der Grund, warum ich die Inquisition erschaffen hatte. Es kann nur einen geben.“ Er pausierte kurz und fügte dann hinzu: „Ich bin dieser eine!“ Viktoria knirschte zornig mit den Zähnen, doch Melgar führte weiter aus: „Dein Vater, Wenzel, liebt dich wirklich. Er hat alles versucht, um dir zu helfen. Leider Gottes, gibt es nur eine richtige Sache, die man hier tun kann.“ Melgar wusste, dass man Dämonen vernichten musste. Durch seine Worte hatte er bei Viktoria aber jetzt das Limit endgültig überschritten! Der Strahlenkranz ihrer Magie fing an wie ein Sonnwendfeuer aufzuflammen.

Von einem Augenblick auf den anderen riss sie ihren rechten Arm nach vorne und ließ eine immense Druckwelle auf ihn los! Melgar erschrak, konnte aber gerade noch rechtzeitig seine Telekinese aktivieren, um nicht direkt von ihrem Angriff erwischt zu werden. Dennoch drückte ihn der entgegenkommende Schub zurück und der Mann sauste mehr als zwanzig Ellen nach hinten. Einen ordentlichen Abstand über dem Boden schwebend, kam er dann zum Stillstand. Eine Böe ließ seinen roten Umhang im Wind flattern, so als ob sie das darauf abgebildete Kaiserwappen zur Schau stellen wollte. Die bittenden Hände mit darüber prangenden Seelenstein waren auf diesem zu sehen. Der Stein, mehr als nur ein Symbol, das nun Wenzel und Melgar auf vielerlei Weisen verband.

Die großen Pflastersteine zu Füßen Viktorias waren durch sie nun zerschmettert worden. „Du lässt mir ja ohnehin keine andere Wahl, Kind!“, rief der Erkorene zu ihr hinüber. Zornentbrannt schrie die junge Dame auf. Sie stieß sich vom Boden ab und flog in Richtung ihres Herausforderers, um sich auf diesen zu stürzen. Der Kampf hatte begonnen, der Kampf zwischen zwei Zauberern! Und welch ein sinnloses Duell dies war! Wer auch immer triumphierte, im Endeffekt würde niemand gewinnen. Doch der Lauf der Dinge war nicht mehr aufzuhalten, und Melgar wusste das. Als die Außer-Kontrolle-Geratene wie eine Löwin auf der Jagd auf ihn zuschoss, ging auch der Kaiser zur Offensive über. Seine Handflächen produzierten Flammen, die er nach vorne hin abfeuerte. Das Mädchen mit dem karmesinroten Haar trafen diese zwei riesigen Feuerbälle völlig unerwartet. Sie war gezwungen, diese mit ihrer Telekinese abzuwehren, wodurch sie allerdings ihr gesamtes Moment verlor und zum Halten kam.

Unterdessen nahm der Erkorene mehr Abstand zu ihr, ein Fehler wie sich herausstellen sollte. Sie hob nun nämlich einen ungeheuer großen Trümmerbrocken der kollabierten Kathedrale hoch. Auf diesem waren viele der immer noch nicht restaurierten Heiligenstatuen, alle von ihnen Nachfahren Melgars des Großen. Gesagte Person konnte nicht umhin, beim Anblick dessen ein Signum zu machen. All die Enkel, Urenkel und Ururenkel, die er nie kennengelernt hatte, von denen er nichts wusste, ihre Erinnerung würde hier wieder einmal geschändet werden. Für ihn lag keine Bedeutung, keine „Heiligkeit“ in dem Stein, aus dem dieses Andenken gehauen war, aber trotzdem war es falsch Dinge, die für andere eine Bedeutung mit sich trugen, so herablassend zu behandeln.

Das Mädchen wandte all ihre Kraft auf. Ihr Gesicht lief hochrot an, als sie den Felsen ausrichtete und vor sich schwebend, anfing zum Rotieren zu bringen. Mehr und mehr nahm die Rotation an Fahrt auf, währenddessen ihr Gegner aus der Entfernung zuschaute, seine Kräfte sammelte und einfach nur ihren nächsten Schritt abwartete. Dieser kam recht rasch. Als der Brocken dann eine gewaltige Menge an kinetischer Energie durch das heftige Drehen aufgebaut hatte, katapultierte ihn schließlich Viktoria mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, auf ihr Gegenüber. Gelassenen Gemütes nahm Melgar den Koloss entgegen. Er zog sein Schwert und verstärkte dessen fliegenden Hieb mit so viel Mana, wie er zustande brachte. Vom Schwertstreich erklang ein schrilles Pfeifen, gefolgt von einem lauten Knall. Kurz bevor dieser mit dem Magier in Berührung gekommen wäre, wich der feste Sandstein plötzlich. Zu seiner Rechten und Linken toste er vorbei, vom Hieb in der Mitte gespalten! Die zwei Hälften krachten in die dahinterliegenden Gebäude, was große Staubwolken aufwirbelte.

Das verschlug der kleinen Zaubrerin absolut die Sprache und einen Moment stand sie nur mit offenem Mund da. Ihr Erstaunen schlug aber sogleich wieder in rasende Tobsucht um, als ihr Kontrahent ein paar Schwertstreiche auf sie hetzte. Mit zuchtloser Versessenheit hievte sie das nächste Trümmerteil herbei – diesmal war es nicht so groß – und schoss es auf ihn. Er wich zur Seite aus, musste sich aber gleich auch dem nächsten Geschoss entziehen, das von dieser kam. Dieses hielt er dann aber mit seiner Magie bei sich, duckte sich unter dem nächsten Projektil, das seines Weges kam, durch, und erwiderte schließlich das Feuer. Es war ein wildes Spektakel. In allen umliegenden Gebäuden fuhren stetig riesige Felsen ein, die gigantischen Schaden anrichteten. Doch eines wurde hier bald klar: Das Gör feuerte mit einer weitaus höheren Rate, als Melgar es tat.

„Ich muss meine Kräfte aufsparen. Womöglich kann ich sie, wenn ich mich richtig anstelle, dazu nötigen sich zu überverausgaben“, spekulierte er gedanklich. Vielleicht war dies aber auch nur die Rechtfertigung vor sich selbst, da die Teenagerin IMMER NOCH mit mehr aufwarten konnte als er. Was auch immer hier die Wahrheit war, die Schlacht tobte weiter. Ein Trümmer kam mit Drall von links – der Erkorene wich nach oben aus. Einer kam von rechts, er lenkte dessen Flugbahn etwas zur Seite ab. Da erreichte ihn aber auch schon der nächste, und dieser würde ihn zielgenau treffen! Mit beiden Handflächen nach vorne gerichtet, stellte er sich diesem entgegen. „RAahh!“, ließ er einen Brüller von sich. Ein lautes Krachen schallte über den ganzen Platz und der Steinblock zerbarst in mehrere kleinere Stücke.

Melgar keuchte. Ihm tropfte der Schweiß von der Stirne. Diesmal hatte er nicht einmal mehr die Möglichkeit gehabt, zu einem Konter überzugehen. Er spürte, wie er immer müder wurde. Dieser Kampf war extrem kräftezehrend. Als er auf Viktoria hinüberblickte, sah er zwar, dass diese auch ordentlich am Schnaufen war, jedoch keine Anstalten machte langsamer zu werden oder irgendwie anders nachzugeben. Der Körper des Mannes war nun schon über sein bestes Alter hinaus, vor allem aber war er solche irren Anstrengungen nicht mehr gewohnt, wo Wenzel doch zumeist Schreibtischarbeit verrichtete. Ebenso war es aber auch offensichtlich, dass sich die Wut des Teufelskindes nicht besänftigte. Sie war noch immer fuchsteufelswild und fuhr fort damit, Steine auf ihn abzufeuern.

Bumm, Bumm, Bumm! Dreimal zerbröselte er die Überreste der Bauten hier, die ihm entgegensegelten. Dann machte er urplötzlich einen seitlichen Ausfall. Die Zaubrerin nahm sofort die Verfolgung auf. Melgar erzeugte einen starken Windstoß, der die Schmutz-und Staubpartikel ringsum emporschleuderte und eine Wand an desorientierendem Grau generierte. Natürlich durchdrang Viktoria diese einfach ungehindert, fand sich dann aber unmittelbar vor den eingefallenen Ruinen der großen Gilden wieder. Zerbrochene Dachziegel, kollabierte Giebel und Türmchen, kaputte Fenster und allerlei zuschanden Mobiliar präsentierten sich da wie in einem Suchbild vor ihr. Aber von Melgar keine Spur! Sie versuchte ihn zu erspüren, doch sie konnte nichts wahrnehmen. Seine Aura war vollständig verschwunden. Sie hörte ihn aber auch nicht, was bedeutete, dass er sich wohl hier irgendwo schnell versteckt hatte. Langsam ließ sie sich hinunter in das Skelett des einstigen Gildenhauptquartiers schweben und setzte sich auf dem mit Schutt übersäten Boden ab.

„Ist das etwa der große Messias, von dem jeder so viel spricht! Komm und zeigt dich, Feigling! Kämpf mit mir! Schlag mich doch!“, schrie sie mit kochendem Zorn. Keine Antwort. Es war wirklich eine Qual für sie. Der Alte konnte, um Gegensatz zu ihr, seine Emotionen kontrollieren und somit das Ausdringen seiner magischen Energie gänzlich unterbinden. Wenn sie ihn nicht mit ihren fünf „herkömmlichen“ Sinnen wahrnehmen konnte, war es so, als ob er für sie gar nicht existierte. Aber sie wusste, dass er hier war. Er musste es sein!

Einen Fuß setzte sie vor den anderen und durchschritt das Gemäuer. Im Geiste wusste sie zwar, dass sie sanft auftreten sollte, und dies versuchte sie auch zu tun, doch ihre wahnsinnige Anspannung, ihre Erbostheit, ihr Hass, einen Tribut von ihr fordernd, verunmöglichten dies. Die zahllosen Bruchstücke und Steine knirschten unter ihren Sohlen, während sie entschieden überhastet die Schuttberge hier durchquerte und damit ihre Anwesenheit preisgab. Ein dünner Schleier an feinem Staub hing in der Luft, überall war nur pure Verwüstung. Außer dem fernen Klang des kontinuierlichen Donnergrollens und der tosenden Brände, war hier drin nichts zu vernehmen. Melgar war totenstill. Um eine Ecke erspähte sie dann aber, wie sich überraschend etwas bewegte. Die Hexe produzierte eine Flamme aus ihrer Hand und feuerte unmittelbar auf das ab, was sie gesehen hatte. Als die dann die die Ecke rundete, um einen maroden Raum zu betreten, stellte sich heraus, dass es nur ein zerrissener Vorhang gewesen war, den der Wind ein wenig umhergewedelt hatte.

Viktoria wurde nur noch ungeduldiger und suchte weiter. Einstweilen wartete der Erkorene mit versiegelten Lippen hinter einer von Rissen durchzogenen Mauer ganz in ihrer Nähe. Schwert gezogen, Hand fest am Heft stand er unter maximaler Anspannung da. Um zuzuschlagen, würde er den genau richtigen Moment abpassen. Macht allein war nicht das „Wundermittel“ zum Sieg, das war sie niemals gewesen. Nein, Gewitztheit, Anpassungsfähigkeit und Kreativität waren mindestens genauso wichtig, wenn nicht sogar von noch größerer Wichtigkeit. Er hörte, wie sich die Schritte des Mädchens annäherten. Seine Konzentration war nun auf höchstem Niveau. Er durfte sich keinen Fehler erlauben. Dies war seine große Chance hier zu gewinnen. Er hatte nicht ewig Zeit. Der Mann stand neben einem Türrahmen, genau auf dessen anderer Seite nun die Magierin anlangte. Nur noch eine dünne Wand trennte die beiden.

Die Spannung war förmlich greifbar. Durch den friedlichen, von Staubpartikeln erfüllten Äther zischte dann eine Klinge. Sie traf auf die junge Magd! Doch sogleich folgte ein ohrenbetäubendes Peng-Geräusch und das Schwert kullerte davon. Aus Melgars Hand gerissen, hörte man ein Stückchen entfernt das Scheppern seines Aufschlags am Boden. Ebenso wurde aber auch der Kaiser etwas zurückgeworfen. Viktoria hatte in allerletzter Sekunde noch reagieren können und seinen Hieb mit einer Druckwelle abprallen lassen. Oder so halbwegs. Ihre Hand hatte einen Schnitt abbekommen, der nun blutete, aber es war keine recht schlimme Wunde.

„Da bist du also!“, kreischte sie und attackierte ihn sogleich wieder. Der Am-Falschen-Fuß-Erwischte flog davon und wieder hinaus unter den freien Himmel. Sein Hinterhalt war gescheitert. Der Zweikampf ging weiter. Unter dem Baldachin bedrohlich dunkler Wolken flogen die zwei „Von-Gott-Gesegneten“ über der Stadt und bekämpften sich bis aufs Letzte, während um sie herum stetig Blitze herniederfuhren. Es war ein schauriges Schauspiel. Doch wie viele Feuerbälle oder Druckwellen sie auch aufeinander loshetzten, wie viel zusätzlichen Schaden sie an der Stadt noch anrichteten, es gelang keinem der beiden einen entscheidenden Treffer beim anderen zu landen. Melgar war absolut erschöpft. Geschwind versuchte er wieder davonzufliegen, doch seine Adoptivtochter blieb ihm dicht auf den Fersen. Immer wieder wich er ihren Attacken aus, doch plötzlich bemerkte er, wie diese aufgehört hatten.

Er hielt an und drehte sich um. Da sah er Viktoria auf einem der unzähligen Kirchtürme stehen. Sie schien sich zu konzentrieren und er konnte fühlen wie sich magische Kraft in ihr und um sie akkumulierte. Er begriff rasch, was hier vor sich ging. Die Kleine hielt ihre Hand mit einer ganz spezifischen Fingerhaltung und richtete sie nun vorwärts gegen ihn. Der Blitz fuhr aus, der Donner grollte. Nur ganz knapp verfehlte er sein Ziel. Der Erkorene war dann zwar zur Seite ausgewichten, jedoch hätte er dies zu spät getan. Wenn der Blitzschlag der Jugendlichen präziser gewesen wäre, wäre es mit ihm vorbei gewesen! Das konnte er nicht so auf sich sitzen lassen. Über der ruinösen Stadtkulisse schwebend tat er es er nun gleich und sammelte auch sein Mana für einen Gegenschlag in Blitzform. Das Mädchen brauchte etwas, um zu begreifen, was er hier machte. Sie hatte offenbar eine lange Leitung.

Als es dann endlich zu ihr durchsickerte, preschte sie voran, um ihn noch vorher anzugreifen. Melgar blieb ruhigen Gemütes. Er fokussierte sich intensiv auf seinen großen Angriff. Wieder war es wichtig, den rechten Moment zu wählen. Schon fast war die Magierin bei ihm, da ließ er ihn endlich los. „BUMMM!“ Der Blitz dröhnte unbeschreiblich laut in den Ohren der beiden, sein Licht erstrahlte so hell, dass jegliche Sicht verschwand. ….

Sie war immer noch da, er hatte verfehlt! Unmittelbar darauf, aber traf ihn irgendetwas, wie ein Faustschlag ins Gesicht. Er wurde rückwärts wegkatapultiert und ehe er sich versah, fand er sich auf dem Dach irgendeines Gebäudes wieder. Sein Verstand wies eine Lücke bezüglich dessen auf, was in den letzten paar Sekunden geschehen war. Melgar sah auf sich hinunter und stellte fest, dass er am Oberkörper blutete, und gar nicht so wenig! Anscheinend war er in den Schornstein hier gekracht, welcher eindeutig auch die Spuren eines Aufpralls aufwies. Diesmal schien er eine tiefere Wunde zugefügt bekommen zu haben. Das Mädchen hatte ihn wohl mit ihrer Telekinese direkt nach seinem Angriff getroffen. Da sah er aber auch schon, wie sich Viktoria wieder zu ihm begab. Erst jetzt wurde ihm bewusst wie schmerzhaft seine Wunde war. Der Mann riss sich augenblicklich am Riemen und brauste davon. Er musste fliehen. Melgar der Große war zu schwer verletzt und sah keinen anderen Weg diesen Kampf noch zu gewinnen! Freilich jagte ihm die Zaubrerin auf der Stelle wieder hinterher, doch senkte er sich näher zum Boden herab und manövrierte zwischen und durch allerlei kaputte, intakte und teilweise brennende Häuser. Der Rauch qualmte, die Sicht war schlecht und von einem Moment auf den andern war er fort. Wieder hatte das Mädchen ihn verloren, wieder hatte er sich vor ihr verstecken können.

In einem kohlrabenschwarz verbrannten Zimmer, bei dessen Fenster er hereingeflogen war, saß nun Wenzel. Hastig wischte er den Ruß und Schmutz beiseite, um den darunterliegenden weißen Fliesenboden freizulegen. Dann verwendete er kurzerhand einfach sein eigenes Blut zum Schreiben und begann den äußeren Kreis aufzuzeichnen. Mittlerweile konnte er ja den Zauberzirkel schon in- und auswendig. Während Viktoria auf der Suche nach ihm, ganze Häuser einfach zum Einsturz brachte, entfernte sie sich jedoch immer weiter von dem Ort, an dem der Gesuchte tatsächlich war. Als er mit dem Kreis fertig war, holte er die Phiole mit dem Knochenmark und schwarzen Sand hervor. Seine Majestät war unfassbar nervös. Er wusste, dass in dem Moment, in dem er das Heilungsritual durchführte, seine Tochter die Magie davon spüren würde und ihn somit lokalisieren können würde. Er hatte keine Wahl, die Wunde musste geheilt werden. Aber was dann? Die Schlacht würde erneut fortgesetzt werden, obwohl er schon am Ende seiner Kräfte war. Trotz all der Dinge, die er geopfert hatte, konnte er nicht mehr obsiegen und das wusste er! Der Erkorene Gottes war zu schwach, um die Dämonen, die er gewissermaßen selbst gerufen hatte, wieder loszuwerden.

Doch es half nichts. Somit nahm er die Materialien in die Hand und rezitierte die Zauberformel: „Osto me osto, haima me haima. (…)“ Das arkane Blau erhellte den Raum und seine Wunde heilte zur Gänze. Gleich darauf vernahm Viktoria dies und ließ von dem Gebäude ab, das sie soeben „bearbeitete“. „Hab dich!“, stieß sie besessen hervor und machte sich auf dem Weg zu ihrem Feind. Wenzel wusste nun nicht, was er tun sollte. Er verharrte einfach, wo er war. Nicht einmal, wenn er es wollte, konnte er das Mädchen aufhalten. War dies wirklich schon sein Ende? Das wollte er nicht. Das durfte nicht sein! In seiner Verzweiflung ließ er sich auf die Knie fallen und machte etwas, das er schon viele Jahre nicht mehr getan hatte. Er betete zu Gott.

„Oh, Herr, beschütze mich! Errette mich! Dein Königreich ist nicht das hier und jetzt, sondern das künftige.“ Unterdessen kam Viktoria immer und immer näher. An einem bestimmten Punkt fing sie auf einmal an, die Aura des Erkorenen wahrzunehmen. Scheinbar hatte dieser es aufgegeben sich verborgen zu halten. Daraufhin beschleunigte sie ihren Flug zu diesem noch mehr. Er war im unteren Geschoß eines Wohnhauses. „Ich krieg dich!“, ging es ihr durch den Kopf. Dann aber geschah etwas überaus Seltsames. Die Beschaffenheit, die Konsistenz der Magie, die der Mann ausstrahlte, hatte sich irgendwie verändert. Urplötzlich stieg diese drastisch an. Wenzel begann ohne Vorwarnung zu zittern. Es überkam ihn und dann…………………nichts!

Jetzt betrat die Hexe die Räumlichkeit, in der er sich befand. „Hä?!“, äußerte sie vollkommen verwirrt. Wo war er? Am Boden konnte man einen mit Blut gezeichneten Zauberkreis sehen, der schon wieder verwischt worden war. Aber keine Spur von Melgar. Keine Aura, kein Geräusch, kein gar nichts, und das, obwohl sie gerade eben noch seine Anwesenheit gespürt hatte. Es war, als ob er vom Erdboden verschluckt worden wäre! Was war hier los? Vor Wut schäumend, riss sie die Mauern ein und fuhr fort damit, das ganze Bauwerk dem Erdboden gleichzumachen. Es enthüllte aber keinen Magier, der sich irgendwo darin noch versborgen gehalten hatte. Der Mann würde nicht mehr auftauchen.

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