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1. 14 Erwischt

Das erste Mal seit Langem hatte Viktoria tief geschlafen. Ihre Sorgen und Ängste waren keineswegs kleiner geworden, doch sie war wenigstens dazu in der Lage gewesen, diese in der Folterkammer ihres Hinterstübchens weiter zurückzudrängen. Endlich konnte sie einmal schlafen. Nun riss sie ein unüberhörbares Scheppern und Krachen aus ihrem doch so ersehnten Schlummer. Duselig zwang sie sich aus ihrer Matratze und taumelte augenreibend in Richtung Türe. Wer machte denn um solche eine Uhrzeit so einen Radau?

Im Raum war es dunkel, aber das Mondlicht, das durch das winzige Fenster einen Weg hereinfand, erleichterte die Orientierung ungemein. Als das Mädchen dann den Türgriff in die Hand nahm, um hinunterzugehen und zu schauen, was denn los war, hörte sie plötzlich Stimmen von unten. Sie waren ihr unbekannt. Das ließ sie sofort alarmiert aufschrecken. Selbstbewusst wie sie war, startete sie sogleich auf den Gang hinaus und dann die Treppe hinunter. An deren unterem Ende angekommen, bot sich ihr eine Szene, die sie wohl nicht so schnell vergessen würde. Unzählige Männer, aber auch ein paar wenige Frauen waren in ihr Elternhaus eingedrungen. Drei von ihnen hatten Fackeln in den Händen, viele andere hatten einfache Bauernwerkzeuge wie Messer, Sensen oder Mistgabeln mitgebracht.

Unverzüglich verstand Viktoria, was dies war: Ein Lynchmob! Als der erste der Eindringlinge sie erblickte, rief er sogleich: „Da ist die Hexe! Auf sie!“ Etwas überfordert und immer noch ein wenig schwummrig, da sie erst aufgestanden war, versuchte Viktoria mit Vernunft an die Situation heranzugehen. Sie sprach die Meute an: „Was wollt ihr denn von mir? Ich will niemandem etwas tun. Geht einfach und wir vergessen die Sache!“ Ihr Appell an die Vernunft verhallte. Der nächstbeste Kerl sprang sie an, wobei sie ihn mit ihrer Telekinese einfach niederwarf und auf den Boden drückte. Die Magierin berührte ihn kurz und blickte in seine Gedanken. Dies verriet ihr, dass die Leute hier der Überzeugung waren, dass sie diejenige war, die die Mühle in Zieslingen in Brand gesteckt hatte, wodurch der Müller und seine Familie verendet waren. Nicht einmal sie selbst wusste, ob dies tatsächlich stimmte.

Mit einer Druckwelle stieß sie den Mob vor sich weg, um etwas Abstand zu schaffen. Erst jetzt kam ihr in den immer noch schlaftrunkenen Sinn, woran sie eigentlich gleich hätte denken müssen: „Wo sind meine Eltern?“ Besorgt schwebe sie über die Köpfe der Einbrecher hinweg. Jegliche Versuche dieser, sie mit ihren Werkzeugen anzugreifen wurden von ihr problemlos abgewehrt, doch konnte sie Gertrude und Hans nirgendwo ausmachen. Als Nächstes flog sie in die Küche. Hier fand sie die beiden. Ihre Mutter lag erschlagen am Boden, während deren Ehemann noch ächzend und in eine Ecke gedrängt mit den Eindringlingen rang. In ihrem momentanen Schock vermochte die Zaubrerin nichts zu tun. Hans kämpfte derweil, bereits vom Leibe blutend, um sein Leben.

Schnell überwand sie aber ihren Stupor und kam ihrem Elternteil zu Hilfe, indem sie die Angreifer brutal wegschleuderte. Die Meute hielt daraufhin eingeschüchtert inne. „Wie geht es dir, Papa? Bist du verletzt?“, stellte sie die überflüssige Frage. Einer von dem Pack hinter ihr versuchte nochmal an sie heranzukommen, doch wurde augenblicklich von Viktorias Kräften gegen die Wand katapultiert, was ihm ein Stöhnen auskommen ließ. Dann erst entgegnete ihr Hans: „Nein, ich bin am Ausbluten!“ Das Kind zeigte nun vollkommene Bestürzung. „Hör mir gut zu, Viktoria!“, sprach er dann mit schwächelnder Stimme. „Wir haben dich immer geliebt. Auch das hier wird das nicht ändern.“ – „Warte, ich kann dir sicher irgendwie helfen!“, äußerte die Jugendliche in ihrer Panik. Natürlich wusste sie, dass sie das nicht konnte. Zwar hatte ihr ihr Adoptivvater das Heilungsritual beigebracht, doch sie hatte keine der Zutaten parat.

In ihrer Verzweiflung zog sie dem Mann das Obergewand hoch und legte ihre Hand auf die tiefe, klaffende Fleischwunde, die sich in seinem Abdomen befand. Sie hoffte, dass sie ihm vielleicht irgendwie seine Verletzung durch ein Wunder heilen können würde. Im Testament waren einige der Wunder, die der erste Erkorene gewirkt hatte, beschrieben. Es waren oft Dinge, von denen er selbst nicht einmal wusste, dass er dazu in der Lage war, bis sie Gott geschehen ließ. So zumindest stand es in der Heiligen Schrift. Viktoria glaubte nicht daran, doch versuchte es trotzdem. Eine Weile verging, doch nichts geschah. Ihr leiblicher Vater wurde immer und immer schwächer und schien nun langsam das Bewusstsein zu verlieren.

„Papa! Bitte, bleib bei mir Papa! Sieh mich an!“ Die Tränen begannen seiner Tochter über die Wangen zu laufen. Er reagierte auf ihr Flehen und starrte ihr in die Augen. Mit keuchender Stimme sprach er: „Geh zurück in den Kaiserpalast. Dorthin haben wir dich geschickt, damit du ein besseres Leben hast. Geh! Geh, und leb dein Leben!“ Danach sackte er auf den Boden und gab nichts mehr von sich.

Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Viktorias rasender Herzschlag dröhnte in ihren Ohren. Sie konnte nicht mehr klar denken. Alles, was sie nun beherrschte, war Hoffnungslosigkeit und Zorn, ja glühender Zorn! Sie drehte sich um zu denjenigen, die dies zu verschulden hatten. Keiner von ihnen würde dieses Haus mehr lebend verlassen!

Nach getaner Sache flog sie davon, ihre alte Heimat hinter sich lassend. „Zurück in den Kaiserpalast“, ging es ihr durch den Kopf. Unmöglich war das jetzt. Vollkommen unmöglich! In bitteren Tränen aufgelöst, zog sie davon. Die schreckliche Pein würde wohl niemals aufhören. Ganz im Gegenteil, war sie noch viel schlimmer geworden! Sie wusste keinen Ausweg. Für sie gab es keine Zukunft!

Hohe Stirne, dunkle, gelockte Haare, schwarz-graue Kleidung. Das Haupt des Freiherrn war auf seine gefalteten Hände gestützt, während er am Tisch sitzend seine Optionen abwog. Die anderen waren natürlich auch da. Petra, Lucius und Etzel saßen bei ihm am Tisch. Der Raum war wieder einmal erfüllt vom Zigarrenrauch Etzels, welcher wiederum von der gewölbten Decke über ihnen hier drin eingeschlossen wurde. Der camenische Adelige war sich nicht sicher, was er tun sollte, nachdem er nun einen vollumfänglichen Lagebericht erhalten hatte. Schließlich äußerte er sich:

„Mir ist schon bewusst, dass die Lanzknechte alleine nicht in der Lage sind, das Regime zu stürzen. Ich bin aber wirklich nicht einer Zusammenarbeit mit den Kascharen zugeneigt.“ – „Das sind diese auch nicht“, argumentierte Etzel da. „Es ist davon auszugehen, dass die Horden uns gegenüber eine ähnliche Ablehnung haben, wie den Melgaristen. Für sie wäre es dieselbe Begründung wie für uns: Je mehr Kräfte sich gegen das Heilige Reich vereinen, desto höher sind die Chancen auf Erfolg.“ Der Herr entgegnete darauf: „Das verstehe ich schon, aber wir müssen auch daran denken, was denn nach einer erfolgreichen Erhebung folgen würde. Wollen wir wirklich Heiden die Kontrolle über einen so großen Teil von Kaphkos überlassen?“ Der Ex-Militär holte da gleich Luft, um zur Gegenrede anzusetzen, doch sein Gegenüber fuhr unmittelbar fort. „Und bevor sie etwas sagen, ja, ich weiß, dass deren abergläubige Praktiken in Kascharovar auch immer mehr im Abnehmen begriffen sind. Trotzdem weiß ich nicht, ob die Rechnung so aufgehen wird, wie Sie sich das einbilden.“

Diese Behauptung schien den einstigen Feldmarschall zu empören. Er antwortete aber nicht gleich. Somit machte dann Lucius einen Einwurf: „Ich stimme dem durchlauchtesten Freiherrn da zu. Wir müssen an die Zeit nach einem Sieg denken, falls wir einen solchen, so unwahrscheinlich dieser auch sein mag, errängen. Was würden die Folgen sein? Wer würde über Ordanien herrschen? Und was würde aus den anderen Königreichen von Kaphkos werden?“ – „Alles gute Fragen“, erwiderte der Edelmann und fügte dann hinzu, „Ich schätze mal, dass sie da schon bestimmte Vorstellungen haben. Wie mir gestern noch von einem meiner Vertrauten mitgeteilt wurde, ist der Kaiser aber am Leben. Sollten wir uns damit nicht lieber zuerst beschäftigen? Immerhin ist er ein Hexer! Und außerdem ist der Aufenthaltsort seiner Thronerbin ebenso unbekannt. Sie ist ein wesentlicher Unsicherheitsfaktor, weil sie so unberechenbar ist. Sich einfach darauf zu verlassen, dass sie ihn schon irgendwie eliminieren wird, kommt fast schon einem Hasardspiel gleich, meinen Sie nicht?“

Dem erwiderte Lucius: „Was wissen Sie schon! Der Dämon wird ganz sicher nach seiner Tochter suchen und somit ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie zusammentreffen. Das Mädchen können wir um unsern Finger wickeln. Möge es vielleicht ein Hasardspiel sein, ja, aber ein solches, bei dem wir uns unsere Chancen ausgerechnet haben und die strategisch klugen Schritte setzen. Im Endeffekt ist unser ganzes Unterfangen hier nur ein reines Spiel mit dem Gück, wenn Sie sich unsere Position anschauen! Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Es ist notwendig, dass wir etwas wagen.“ Von Alduino stellte das Gesagte nicht in Abrede. Aber er stellte noch eine weiterführende Frage:

„Und welche Richtung denken Sie, dass wir einschlagen sollten, was die längerfristige Zukunft Ordaniens betrifft?“ Diese Nachfrage brachte Lucius ein hämisches Lächeln über die Lippen. Infolge deklarierte er: „Als der rechtmäßige Erbe des Throns des Königreichs Ordanien und des Ordanischen Bundes, möchte ich das Mir-Zustehende zurückhaben! Ich verlange keine großen Machtbefugnisse. Die Kompetenzen, die dem Thronrat einst zugesprochen wurden, darf dieser behalten. Alles andere wäre eine Legitimierung der Veränderungen, die der Melgaristische Umsturz gebracht hat.“ Sein Publikum war daraufhin erst einmal verblüfft. Keiner hatte so etwas von Lucius erwartet. Allesamt hatten sie seine Herkunft bereits geistig verdrängt. Der Freiherr räusperte sich kurz und sagte schlicht: „Es wäre wohl angebracht, über dies eingehender zu diskutieren, wenn wir eine größere Position der Macht haben. Ansonsten bauen wir nur Luftschlösser.“

Das passte dem Herrn Cornel in den Kram. Für ihn persönlich war nur seine Rache von Bedeutung. Dies beinhaltete auch, dass er die Tyrannei der Magie beendete und dies auf Dauer sicherstellte. In seinen Vorstellungen konnte natürlich nur er selbst das tun, da es sonst niemanden gab, dem er vertraute. Er hasste diese Leute hier alle! Für ihn waren sie nur Bauern, die er in seinem großen Schachspiel opfern konnte, wenn es denn notwendig werden würde. Plötzlich fing er wegen dem immer dichter werdenden Rauch hier unten zu husten an. „Entschuldigt mich mal eine Minute. Ich muss ein wenig frische Luft schnappen“, teilte er den anderen mit und verließ den Kellerraum. Er schloss die Türe hinter sich, stieg die Stufen hinauf, schob das Brett, welches die schmale Abwärtstreppe verdeckte zur Seite und kam aus der kleinen Luke hervor, die hinter ein paar Fässern verborgen war. Danach überprüfte er schnell, ob ihn auch niemand gesehen hatte und verdeckte die Öffnung im Boden wieder. Dann begab er sich hinaus ins Freie vor der Alten Teichstube.

Der Mäzen der Lanzknechte, der sich soeben mit Lucius ausgetauscht hatte, ließ sich einstweilen auch einige der besprochenen Dinge durch den Kopf gehen. Er war einer ganz anderen Meinung als dieser. „Dieser ungehobelte Penner hat nicht das geringste bisschen Anstand und Haltung! Wenn er sich der Fantasie hingeben will, dass irgendwer von uns, geschweige denn jemand anderer, ihm zu seinem Ziel verhelfen wird, dann ist er ein Narr! Aber lassen wir ihn mal in dem Glauben, dass wir ihm hierbei zur Seite stehen. Soll er sich sicher gewogen fühlen. Beziehungen und Einfluss hat er sowieso keine, welche er nutzen könnte, um seinen Traum in die Realität umzusetzen.“ Das war, was der Freiherr sich wirklich über ihn dachte. Er war klug genug, es nicht zu verbalisieren.

Bald darauf bemerkten sie ein Rumpeln und Schmettern, das von oben zu kommen schien. Etzel war es schon zuvor aufgefallen, er hatte aber angenommen, dass es die üblichen Geräusche des Etablissements waren, die beim Betrieb nun mal gemacht wurden. Das war nun aber deutlich zu laut gewesen, um herkömmlich zu sein. Es brachte die ganze Gruppe in Verlegenheit.

Es war finster. Gelegentlich stärkere, dann wieder schwächere Windböen trugen die mittlerweile kühle, spätabendliche Luft heran, welche einen schon beinah frösteln ließ. Eine vollständig verhüllte Gestalt stapfte heran. Im Lampenschein vor einem Gasthof, dessen Mauern aus runden Steinen gebaut waren, blieb diese kurz stehen. Die Fahnen, welche man hier beflaggt hatte, schienen einen Augenblick die Aufmerksamkeit der Figur auf sich zu ziehen. Dabei handelte es einerseits um die Landesfahne Camenias, aber auch jene des Heiligen Reiches. Zweitere war bis auf den Boden herunterhängend, ein schwerer Fauxpas, wenn es denn versehentlich passiert war. Dies war aber unwahrscheinlich….

Prompt drehte sich der Ankömmling um und kehrte in die Stube ein. Beim Eintritt kam einem bereits Gelächter und der allgegenwärtige Lärm von zahlreichen Unterhaltungen entgegen. Mit entschiedenem Schritt drängte der neue Gast nach vorne Richtung Bartresen. Dessen feste Stiefel stampften über die quietschenden Bodendielen, bis sie neben einem der kastanienfarbenen Barhocker zum Stehen kamen. Erwartungsgemäß war es warm und dunstig hier drin. Er blickte sich kurz hier drin um, scheinbar nach etwas suchend. Schon kam ein festerer Mann mit braunem Haar und gezwirbeltem Schnurrbart daher. „Wie kann ich helfen?“, stellte er der Kundschaft die Frage. Die Person zeigte ihr Gesicht nicht, sondern verbarg dieses tunlichst unter ihrer Kapuze. Sie antwortete: „Vagant, der ich bin, suche ich eine Stätte zum Einkehren für die heutige Nacht. Danach bin ich wieder meines Weges. Könnten Sie mir eine solche Unterkunft anbieten?“ Es war eine männliche Stimme.

Der Herr warf einen skeptischen Blick auf den geheimnisvollen Mann, der ihm hier erschienen war. Dann entgegnete er aber: „Wir sind zwar kein Hospiz, aber theoretisch hätten wir noch ein Zimmer frei, das wir ihnen anbieten könnten.“ Die Gestalt konnte dem Inhaber seinen Wankelmut ansehen und sagte somit: „Ich habe mehr als genug Geld, wenn das ihre Besorgnis ist.“ Dann überreichte er ihm sogleich zehn Sesterze, eine deutlich zu hohe Summe für eine einzige Nächtigung. Den Host schien dies auf der Stelle umzustimmen und er gewährte ihm somit den Aufenthalt hier. „Ich werde Sie erst später, wenn Ladenschluss ist, in ihr Zimmer führen, wenn das für Sie so in Ordnung ist.“ – „Ja, das geht so in Ordnung“, gab der Gast kurzerhand zurück.

Dann bestellte er ein Seidel Bier. Nachdem er schon an der Schank stand, zapfte ihm der Chef auch gleich sein Bier ab. Während die goldbraune Flüssigkeit in das Glas hineinlief, begann der Verhüllte aber ein weiteres Gespräch: „Ich hätte da eine Frage. Haben sie hier kürzlich eine Dame mit schulterlangen schwarzen Haaren gesehen? Sie ist relativ klein und sollte mittlerweile schon ein älteres Baujahr sein.“ Der Adressierte ließ noch die letzten Tropfen des Biers herab und stellte dieses auf den Tresen. Erst dann schaute er ihn etwas verunsichert an. „Möglicherweise. Wir haben hier viele Gäste und ich kann mich meistens nur an meine Stammgäste erinnern. Warum wollen Sie das wissen?“ – „Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich ein Geschäft mit ihr und die Dame schuldet mir noch Geld.“ Man sah es ihm nicht an, doch der Mann an der Schank schenkte ihm keinen Glauben. Er erwiderte einfach: „Solch eine Frau ist mir nicht bekannt. Vielleicht hat sie dieses Gasthaus besucht und ich habe es einfach nicht mitbekommen oder es ist mir nicht hängengeblieben. Wie gesagt, viele Leute gehen hier jeden Tag ein und aus.“ – „Verstehe. Trotzdem danke!“, äußerte das mysteriöse Individuum da einfach, nahm sich sein Getränk und begab sich woandershin, hinüber zu einem der Tische für die Gäste.

Er suchte sich einen aus, auf dem bereits eine andere Person saß. Dieser schien ein relativ angenehmer Zeitgenosse zu sein, und erlaubte den Kerl bei Nachfrage sich zu ihm zu gesellen. Der Typ, dem der Besucher hier nun gegenübersaß, trank auch Bier, aber gleich ein ganzes Maß. Sein trainierter Körper gab einem den Eindruck, dass dieser ein Krieger war. Er hatte aber kein Schwert mit, eine Waffe, die Soldaten vorbehalten war, was leider ein Loch in die Theorie bezüglich dessen Berufes schlug. „Verdingst du dich beim Heer?“, erkundigte sich die Kapuzengestalt dann in ordanischer Sprache. „Nein, ich habe mal gedient, arbeite aber jetzt als Holzfäller“, kam es von dem Mann ebenso in Ordanisch zurück.

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Dieses Vorkommnis veranlasste jetzt aber eine weitere Frage: „Woher kannst du denn Ordanisch.“ Der Angesprochene kam kurz ins Stocken. Dann erwiderte er: „Mein Cousin lebt auf der anderen Seite der Grenze. Das ist ja nicht weit von hier. Wir sind ab und an noch in Kontakt und ich kann die Sprache deshalb recht gut.“ – „Macht Sinn“, gab sein wissbegieriges Gegenüber da zurück und fügte dann noch hinzu, „In den letzten Jahren soll es ja einige Auswanderer aus Ordanien hierher verschlagen haben. Das stimmt doch, oder?“ – „Ja, tut es“, antwortete ihm sein Tischnachbar ein wenig verlegen. Er machte den Anschein, dass ihn irgendetwas beunruhigte. Natürlich waren es die neugierigen Fragen dieses Fremden, der hier anscheinend etwas in Erfahrung bringen wollte.

Der Genannte schaute sich jetzt nochmal genauer in der Gaststube um. Es war reges Treiben und ein Haufen Gäste, welche hauptsächlich Männer waren, unterhielten sich in ausgelassener Atmosphäre. Nichts Außergewöhnliches. Naja, unter Umständen vielleicht doch. Langsam fiel ihm auf, dass die meisten Leute hier fast identische Kleidung trugen. Zudem wirkten sie alle recht, wie soll man sagen, kampferprobt. Gehörten sie vielleicht alle zusammen? Das würde Sinn ergeben.

Nach einer Weile des stillen Konsums ihrer Getränke und nur beiläufigem Plaudern über das Wetter, wollte der immer noch Verhüllte aber noch etwas in Erfahrung bringen. „Kennst du eine Frau namens Petra? Sie hat mittellange schwarze Haare und ist eher klein gewachsen.“ Der Befragte schüttelte den Kopf. Erneut keine brauchbare Information. Sollte er einfach so weitermachen? Wie groß waren die Erfolgschancen, wenn er so bei einem nach dem anderen durchfragte? Wohl eher gering.

„Was ist denn das?“, ertönte es dann hinter diesem. Der Mann, der seine Identität verbarg, drehte sich um und sah, wie einer der Gäste einen goldenen Stab in der Hand hielt. Er hatte diesen aus seinem Mantel gestohlen, als er nicht aufgepasst hatte. „Gib das sofort her!“, fuhr er ihn an und entriss ihm den Gegenstand sogleich. Es war aber schon zu spät. Diese Aktion hatte die Aufmerksamkeit einiger anderer hier auf sich gezogen. Mehrere Leute starrten nun auf ihn herüber, als er das Ding wieder in seinem Mantel verschwinden ließ. Dann aber schlussfolgerte er, dass damit wohl schon wieder das Ende der Fahnenstange erreicht war. Er ließ einen kurzen Seufzer aus. Dann warf er seine Kapuze vor den Augen der Anwesenden zurück.

Wenzel präsentierte sich dem Gasthaus. Innerhalb kürzester Zeit wurde es leise und alle Augen waren auf ihn gerichtet. Es war eindeutig eine große Spannung bei den Leuten hier zu spüren. Der Kaiser erhob seine Stimme: „Ich suche nach einer Frau namens Petra Vogt. Ich weiß, dass sie hier ist. Bringt mich zu ihr und ihr habt meine Garantie, dass euch nichts passieren wird! Unterlasst es, und ihr werdet die Konsequenzen dafür tragen!“ Sogleich ging ein Ruck durch die Menge. Ein wilder Aufruhr schlug los, und die ersten begannen sich dem Magier entgegenzuwerfen. Er schmetterte diese mit seiner Zauberkunst ab. Dann verschloss er die Türen. Keiner würde entkommen.

Was folgte war ein gewaltiges Massaker. Unter großem Getöse versuchten die Widerständler seine Majestät zu attackieren, doch sie waren machtlos gegen ihn. Die meisten von ihnen zogen krude Messer hervor und langten damit nach ihm, doch im gesamten Zirkel um den Zauberer, auf dessen Vorder- wie Rückseite, katapultierte er diese einfach mit einer Druckwelle hinfort. Er war erbarmungslos und die seine uneingeschränkte arkane Kraft zermalmte seine Feinde. Weder das weichere Körpergewebe, noch die Knochen von diesen konnten der verheerenden Hexenkunst standhalten!

Letztlich stand nur noch einer und das war Wenzel. Die Wände des ganzen Raumes hatten nun einen neuen Anstrich in Rot bekommen. Es war ein makabrer Farbstoff, der hier benutzt worden war. Vor seiner Hoheit lag der letzte Am-Leben-Gelassene zu dessen Füßen. „Und, wirst du mir sagen, wo sie ist?“, erklang es mit erboster Stimme. „Die Vogt ist im…“ – „Sprich weiter!“, beorderte der Kaiser ungeduldig, bis er dann bemerkte, warum der Mann gestutzt hatte. Hinter ihm war aus dem gut versteckten Kellerabgang eine Person hochgekommen. Es war ein groß gewachsener Militär, dessen Vorname Etzel war. Obwohl er mit allen Wassern gewaschen war, konnte selbst dieser nicht seinen Schock über das, was er hier vor sich sah, verbergen. Das Spiel war aus.

Gefesselt und geknebelt sperrte er den bezwungenen Etzel, sowie einen Mann mit Pluderhosen, der offenbar sein Verbündeter war, im Abstellkämmerchen ein. Hiernach führte er die Frau, nach der er gesucht hatte, in eines der hinteren Zimmer des Gasthofs. Der Erkorene löste die Fesseln, mit denen er ihre Hände gebunden hatte und wies sie an, auf einem Sessel, der hier stand, Platz zu nehmen. Sie befanden sich hier in der Küche. Allerlei schmutzige Gläser und Teller türmten sich hier noch überall, da die Mitarbeiter alle schleunigst das Weite gesucht hatten. Das war natürlich nachvollziehbar. Wenzel schnappte sich schnell einen Stuhl, in dessen Lehne ironischerweise ein paar Herzchen hineingeschnitzt waren, positionierte ihn gegenüber von Petra und setzte sich wie diese hin.

Ihre Augen spähten mit widerspenstigem Blick auf ihn hinüber. Sie sagte nichts. Kein Wort verließ ihren Mund, während sie auf das Ziel ihrer Rachegelüste blickte. Dessen schnöder, schwarzer Mantel war mit Blutflecken übersät. Es war nicht sein eigenes Blut. Schließlich entschied sie sich dann doch diejenige zu sein, die die Unterhaltung begann: „Wie hast du mich gefunden?“

„Wie habt IHR mich gefunden!“, korrigierte sie Wenzel. Sie verzog ihr Gesicht. Als sie dann aber bemerkte, dass er ihr bewusst nicht antwortete, solange sie ihn nicht richtig adressierte, gab sie dann schließlich nach und stellte ihre Frage so wie er es wollte. An seinem Ausdruck war keinerlei Gefühlsänderung, welche ihr Einknicken verursacht haben könnte, zu erkennen. Er entgegnete ihr schlicht: „Mit einer Wünschelrute.“ Diese Auskunft half hier kein bisschen weiter. Als sie nachfragen wollte, was er damit gemeint hatte, gab er nur dies zurück: „Ist nicht so wichtig. Du brauchst das schon mal gar nicht zu wissen.“ Somit ließ sie die Sache sein und ging lieber zum nächsten Thema über.

„Und, bist du jetzt zufrieden, dass du mich erwischt hast?“, erkundigte sie sich. Dem Zauberer schien diese Äußerung zu missfallen und er erwiderte grimmig: „Erst wenn ich Viktoria wiedergefunden habe, werde ich zufrieden sein. Dann kann ich nämlich den Schaden, den ihr angerichtet habt, wieder anfangen zu reparieren.“ Daraufhin stellte sich Petra dumm und sprach: „Viktoria? Ich vermute mal, dass das deine Schwiegermutter oder deine Tochter ist. Was hat das denn mit mir zu tun?“ Selbstverständlich versuchte sie ihre Lüge auch mit entsprechendem Gepose herüberzubringen. Einen Versuch war es wert, obgleich es unklar war, ob er es ihr tatsächlich abkaufte.

In Reaktion darauf wischte sich seine Majestät über die Stirn. „Hast du keine Ahnung, wo sie ist?“ Die Befragte schüttelte den Kopf. Er stellte infolge fest: „Wenn du es wirklich nicht weißt, dann werde ich dir erzählen, was passiert ist.“ Somit fuhr er fort damit, ihr nicht nur die Vorfälle jener Schicksalsnacht nachzuerzählen, sondern er schilderte ihr auch die vorangegangenen Geschehnisse in den Karantischen Wäldern. Nachdem er seine Ausführungen abgeschlossen hatte, war die Dame durchaus überrascht, und das aus mehreren Gründen. Erstens hatte sie sich vollstens überzeugt, dass sie hier ein gewaltsames, schmerzhaftes „Verhör“ erwarten würde. Dass Wenzel sie hier in der Tat nur befragte, und sich relativ ruhigen Gemütes mit ihr unterhielt, kam natürlich als eine riesige Erleichterung für sie. Dieser Umstand war aber auch insofern erstaunlich, da der fahle Blick, den er machte, auf großen Stress bei diesem schließen ließ. Es wäre eigentlich davon auszugehen, dass er volatiler als sonst war.

Der zweite Grund, der sie überrascht hatte, fing nun an eine Verunsicherung titanischen Ausmaßes in ihr hochquellen zu lassen. Laut Wenzel war seine Adoptivtochter zutiefst verstört und manisch auf ihn losgegangen, und zwar ohne ersichtlichen Auslöser. Allerdings hatte sie ihm zuvor noch mit einem Ring, der das Siegel Melgars abbildete, konfrontiert. Der Mann hatte dieses Objekt bedauerlicherweise nicht einzuordnen vermocht. Die Frau Vogt, als sie nun davon hörte, konnte es jedoch mit jemandem in Verbindung bringen! Sie erinnerte sich daran, dass Lucius gelegentlich mit einem solchen Ring in seiner Hand herumgespielt hatte! Somit schlussfolgerte sie, dass ihr Komplize hier eine List angewandt hatte, von der er ihr nichts erzählt hatte. Er hatte sie also zuallermindest in Teilen darüber angelogen, was die Vorfälle im Kaiserpalast betraf!

Ihr konkreter Plan wäre eigentlich gewesen, Viktoria dazu zu bringen, ihren Vater im Schlaf zu ermorden. Das Letztgenannte konnte sie ihrem Gegenüber definitiv nicht sagen, alles andere, worüber sie sinniert hatte, teilte sie ihm aber nun mit. Warum? Sie war verstört und bekam nun Angst, da Lucius die Wahrheit vor ihr verborgen hatte. „Glaubt mir, bitte, wenn ich Euch sage, dass ich gar nichts von dem Ring wusste. Es war ganz sicher der, den Lucius immer mit sich hatte. Er hat diese Sache eingefädelt. Ich weiß gar nichts von all dem! Achaz hat sich öfters mit Lucius auf „Jagdausflüge“, wie sie es nannten, die die ganze Nacht dauerten, begeben. Das ist mein tatsächlicher Informationsstand.“

Wenzel hörte all dem zu und strich sich dabei fortwährend über den Bart. Sich intensiv mit dem vorliegenden Gewirr an widersprüchlichen Behauptungen befassend, starrte er eine Zeit lang ins Leere. Für ihn war auch zu bedenken, dass Petra ihn mit Falschinformationen in die Irre führen wollen könnte. Was davon stimmte und was nicht? „Der Junge…“, konnte man ihn an einem Punkt einmal nuscheln hören. Schließlich sprach er sie aber wieder an: „Wo ist dein Sohn jetzt?“ – „Ich weiß es nicht. Er ist an jenem Tag, an dem sich die großen Ereignisse im Palast abgespielt haben, verschwunden.“ Der Magier schien auf diese Aussage schon fast erfreut zu reagieren. Gleich darauf schoss es auch der Mutter ein, dass hier etwas ganz gewaltig stank an der Sache.

Seine Hoheit vermerkte nun: „Ich hätte da eine Theorie. Sie lautet folgendermaßen: Viktoria war in einem Zustand, der dermaßen aufgebracht war, dass ich noch nie etwas Vergleichbares von ihr gesehen habe. Ihr Hass war spezifisch auf mich gerichtet und ich hatte keine Vorstellung, warum das der Fall war. Sie war verliebt in Achaz. Und sie kam mit einem Ring zu mir, von dem sie glaubte, dass er mir gehört.“ Während seiner Ausführungen begannen sich nun Petras Augen vor Entsetzung zu weiten. Langsam setzte sie die Puzzlestücke selbst zusammen. „Das Einzige, was ich mir vorstellen könnte, das mein Kind in eine solche Fassung bringen hätte können, wäre wohl etwas furchtbar Schockierendes, das sich mit ihrem ‚Schwarm‘ zugetragen haben könnte. Wäre es vielleicht möglich, dass sie ihren Freund tot aufgefunden hat und jemand, der ihn immer auf seinen ‚Ausflügen‘ begleitet hat, den Verdacht auf mich lenken wollte, indem er am Tatort einen Gegenstand hinterließ, der mit dem Kaisertum zu tun hatte? Er könnte auf diese Art und Weise versucht haben den ultimativen Zwist zwischen dem Herrscher und seiner Thronerbin zu erzeugen. Könnte das sein?“

Seine Zuhörerin lugte schockiert in die kleinen Sterne, die jetzt in Wenzels Pupillen aufleuchteten. Mit aller Kraft versuchte sie ihre Gefühle zu unterdrücken, aber allein der Akt dessen, machte es für den Kaiser recht einfach zu erkennen, wie innerlich aufgewühlt sie von dem, was er hier spekuliert hatte, war. „Wenzel hat wahrscheinlich recht mit seinen Vermutungen!“, ging es ihr durch den Sinn. In dem Moment als Wenzel gerade ansetzen wollte, sie zu fragen, wo denn Lucius war, begann plötzlich und unverhofft ihre harte Schale aufzubrechen. Sie legte ihr rot angelaufenes Gesicht in ihre Hände. Wenzel hielt inne und wartete stillschweigend ab. Die äußere Fassade bröckelte nur minimal herab und sie konnte sich davon abhalten zu weinen.

Dennoch jammerte die Frau nun: „Wie konnte ich nur so dumm sein! Ich habe ihm einfach geglaubt, dass er ihn aus den Augen verloren hat. Einfach geglaubt habe ich so eine blöde Ausrede! Und nichts habe ich hinterfragt.“ Unterdessen war der Erkorene von ihrem Gefühlsausbruch kalt erwischt worden. Dieser brachte ihn dazu ihre früheren Worte jetzt neu zu bewerten und diese als vermutlich größtenteils wahr anzusehen. Er dachte sich: „Anscheinend war das alles Lucius Schuld. Dass Petra von Viktoria überhaupt nichts wusste, halte ich für unwahrscheinlich, aber es sieht wohl so aus, als ob sie selbst Opfer einer Intrige geworden ist. Oder, naja….vielleicht war sie wirklich völlig im Dunkeln über das wofür ihr Sohn da instrumentalisiert wurde. Vielleicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass genau der Bursche, dessen Mutter mit uns in Fehde liegt, hinter deren Rücken eine Beziehung mit meiner Tochter beginnt, noch dazu eine Beziehung, die eingefädelt wurde, und deren Absicht die Vergeltung an uns ist, ist wohl verschwindend gering. Hmmm.“

Nachdem sie mit ihrem lauten Denken zum Ende gekommen war, sprach sie der Souverän schließlich an: „Wenn dieser Lucius so eine große Rolle in all dem gespielt hat, würdest du mir verraten, wo er ist?“ Die Angesprochene blickte zögerlich zur Seite, entgegnete ihm dann jedoch: „Ich habe keine Ahnung, wo er ist. Zuletzt habe ich ihn in Ordanien gesehen. Aber er ist auch mit den beiden Herren, die du hier festgenommen hast, vertraut. Möglicherweise ist er auch auf dem Weg hierher, aber wissen tu ich das nicht.“ – „Bist du dir da ganz sicher? Weißt du sonst nichts von ihm?“, fragte er da nach. Sie jedoch beharrte auf dieser Unwahrheit und fügte noch hinzu: „Es besteht eine gute Wahrscheinlichkeit, dass er irgendwann genau in diese Gegend kommen wird, wenn man hier auf ihn wartet.“

Wenzel war sich nicht sicher, ob er ihr das abkaufen sollte. Petra, Etzel und die dritte Person, welche dem Anschein nach ein Adeliger war, diese waren die Einzigen, die er aus dem geheimen Kellerstübchen extrahiert hatte. Es bestünde natürlich die Möglichkeit, dass sich der In-Frage-Kommende unter den anderen Gästen hier befand, wodurch er ihn versehentlich ins Jenseits befördert haben könnte. Dann wäre die ganze Sache sowieso hinfällig. Fürs erste würde er aber einmal versuchen, diesen Mann ausfindig zu machen. „Und was wirst du mit mir machen?“, wollte die Frau Vogt nun wissen. Seine Majestät antwortete ihr schlicht: „Das überleg ich mir noch. Still zu sein und mich nicht zu provozieren, wird dir hier sicher helfen!“ Sie nahm sich seinen Rat zu Herzen.

Während die Frau sich noch einmal alle von den Toten anschaute, um für den, der sie gefangen genommen hatte, zu attestieren, dass Lucius tatsächlich nicht unter diesen war, ging Wenzel vor die Türe. Er blickte die staubige Straße hinunter und klopfte ungeduldig mit seinem Fuß auf den Boden. „Wo bleibt dieser Nichtsnutz!“, äußerte er. Neben ihm sah er, dass zwei der Fenster des Gasthofs zerbrochen waren. Einige Wenige hatten es offenbar geschafft in dem Gewirr zu entfliehen. Die Person, von der Petra gesprochen hatte, konnte womöglich einer davon sein. Weit über ihm strahlte ein kaltes, bläuliches Licht auf die Umgebung herab, das von einem Orb aus reiner Energie stammte. Der Zauberer hatte diesen als Leuchtfeuer für die Truppen positioniert.

Er begab sich wieder hinein. Als ihm die Vogt bestätigte, dass der Gesuchte nicht unter den Gefallenen war, holte Wenzel die letzten zwei Männer, die hier noch am Leben waren aus dem Kämmerchen hervor. Doch noch bevor der Kaiser auch nur irgendetwas sagen konnte, spuckte ihm der Heerführer des alten Regimes mitten ins Gesicht. Daraufhin vermerkte dieser trocken: „Bist du so sauer, dass ich dich nur mit meinem Schwert besiegt habe und noch nicht einmal meine Magie benutzen musste?“ Was folgte, war ein längeres Verhör, bei dem vor allem Etzel vollkommen unkooperativ war. All das ließ Wenzel unberührt. Ruhig und gesammelt befragte er die Herren, obwohl sich beide Seiten hier abgrundtief hassten. Dies war der erste Moment, in dem Petra zu verstehen begann, wie sehr sich der Kaiser eigentlich zurückhielt. Seine innere Stärke und Selbstbeherrschung beeindruckten sie, und sie begriff endlich, wie erwachsen er geworden war.

Letztlich bekam er auch aus diesen Leuten heraus, wo das Lager ihrer sogenannten Widerstandskämpfer situiert war. Der Freiherr hätte wahrscheinlich irgendwann nachgegeben, doch war es die Dame, die es Wenzel als Erste verriet. Ihre Verbündeten waren infolge außer sich, doch seiner Hoheit war dies einerlei. Ganz am Schluss versuchte er dann noch ihre Gedanken zu lesen. Er legte seine Hand auf Etzels Scheitel und konzentrierte sich. Schon eine Minute später gab er auf und probierte es nochmals, diesmal aber bei Petra. Er erhielt dasselbe Ergebnis und schmiss schließlich das Handtuch. Wie erwartet, ergab sich für ihn das Resultat, dass er nicht in das Bewusstsein und die Erinnerungen anderer eindringen konnte, wenn diese sich ihm widersetzten. Es war ja nicht so, als ob er das nicht bereits gewusst hätte, aber einen Versuch war es trotzdem wert.

Nach viel zu langer Wartezeit kam dann endlich die Kavallerie. Kurz vor Anbruch des Morgens ritt ein ganzes Regiment daher, mit einem viel zu jungen Mann an der Spitze, der sie anführte. Alexander schwang sich enthusiastisch aus dem Sattel und eilte schnell zu seiner Heiligkeit hinüber. Dieser brachte ihm einen missmutigen Gesichtsausdruck entgegen und sprach: „Ihr seid spät. Sehr spät sogar!“ – „Verzeiht, Eure Hoheit!“, entschuldigte sich der Bursche sogleich. „Wir haben Euer Leuchtsignal nicht gleich gesehen und die Wege und Straßen in diesem gebirgigen Land sind mir auch nicht bekannt.“ Wenzel schien das wenig zu scheren. Er erwiderte ihm einfach: „Wie dem auch sei. Ihr habt sowieso gleich einen Auftrag. Nicht weit von hier ist ein Lager von Aufständischen. Der Durchlauchteste Herr Alduino hier wird euch zu diesem führen und ihr werdet dieses ausradieren. Hast du verstanden?“ – „Ja, mein Herr!“, gab der junge Kuhn ohne Wenn und Aber zurück.

Dann ging’s schon los. Die riesige Reitertruppe, die angekommen war, schnappte sich sogleich den Adeligen und ließ sich von ihm den Weg zu den Möchtegernrebellen zeigen, die er selbst aufbauen hatte lassen. Welch Ironie. Der Freiherr hatte allerdings keine Wahl. Es war entweder dies, oder die Anklage des Hochverrats, auf welche er nachvollziehbarerweise nicht gerade erpicht war. Einer solchen würde Etzel nicht entkommen. Der Kaiser ließ ihn am selben Abend noch nach Meglarsbruck überstellen, um dort öffentlich hingerichtet zu werden. Und was würde nun mit Petra geschehen? Nun ja…..