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Kapitel 6 • Ausritt

Schlecht gelaunt stapfte Kronprinz Arlyn über den Innenhof von Burg Greifenhorst. Die Berater seines gebrechlichen Vaters hatten ihn während der soeben beendeten Ratssitzung wieder einmal mit ihren schier endlosen Erläuterungen geplagt, angeblich mit dem Ziel, ihn tiefer in die königlichen Regierungsgeschäfte einzuführen. Endlich war er den ewigen Litaneien entkommen und konnte den Rest des Nachmittags einer angenehmeren Beschäftigung nachgehen.

Manchmal erschien es ihm fast, als könnte es den Ratsherren nicht schnell genug damit gehen, dass sein Vater endlich der schleichenden Krankheit erlag und Arlyn zum König gekrönt würde. Er wunderte sich immer wieder, welchen Vorteil die Herren hieraus zu ziehen hofften. Schließlich war er vor zwei Monaten anlässlich seines achtzehnten Geburtstages für volljährig erklärt worden, war seither sein eigener Herr und konnte nach Belieben auf seine Berater hören oder aber sie vom Hofe weisen. Wäre da nicht seine Mutter, diese intrigante Schlange…

Er stürmte ungehalten in den königlichen Reitstall. Im Halbdunkel rannte er geradenwegs in den Stallburschen Chad, der mit dem Aufpolieren diverser Zaumzeuge beschäftigt war.

Die beiden kannten sich, seit sie gemeinsam von Chads Mutter gestillt worden waren, was bis heute aber nur die wenigsten wussten. Arlyn schlug seinem besten Freund kameradschaftlich auf die Schulter und murmelte verschwörerisch. »Eine weitere Runde dieser absurden Scharade steht an.«

Dann trat er einen Schritt zurück und straffte seine Schultern. »Warum ist mein Pferd noch nicht gesattelt? Ich will ausreiten!«, herrschte Arlyn den armen Burschen an.

Im Hof blieben einige Bedienstete stehen und blickten neugierig in den Stall.

Chad hatte zwar nichts von den Plänen des Prinzen wissen können, hütete sich jedoch tunlichst, vor den Anderen auch nur den leisesten Muckser von sich zu geben. Statt dessen zwinkerte er Arlyn heimlich zu, dann sauste er in die Sattelkammer und klaubte den Lieblingssattel des Königssohns nebst Zubehör zusammen. In Windeseile sattelte er den schwarzen Hengst, der ob der ungebührlichen Hast mit den Augen rollte und unruhig mit den Hufen stampfte.

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Arlyn entriss dem Stallburschen theatralisch die Zügel und schwang sich in den Sattel. Ungestüm gab er dem Pferd die Sporen und schnalzte kräftig mit den Zügeln. Der Schwarze bäumte sich wiehernd auf und preschte Augenblicke später aus dem Burghof hinaus.

Der Prinz lenkte seinen Hengst rücksichtslos durch das Gedränge zwischen den eng stehenden Gebäuden. In der Nähe der Stadttore wurden die Straßen weitläufiger und Arlyn gab seinem Pferd erneut die Sporen. In gestrecktem Galopp jagten sie durch die weit geöffneten Tore und verließen die Straße in Richtung des weitläufigen Weidelandes im Süden der Stadt. Arlyn lenkte seinen Hengst geradenwegs zwischen den dort grasenden Tieren hindurch, die aufgeschreckt auseinander sprangen, und hielt auf den Waldrand zu. Er suchte Ablenkung in einem halsbrecherischen Ritt durch schwieriges Gelände.

Arlyn ließ sich den Wind um die Ohren wehen und trieb sein Pferd zu immer größeren Sätzen über Büsche und Gräben.

Bei einem besonders gewagten Sprung über einen umgestürzten Baum verrutschte der Sattel zur Seite. Der Prinz konnte sich noch einige Sekunden lang halten, kam aber immer weiter aus dem Gleichgewicht. Schließlich warf sein Hengst mit einem bockigen Sprung die hinderliche Last ab, und Arlyn flog in hohem Bogen in ein dichtes Gestrüpp.

Fluchend und seine rechte Hüfte reibend rappelte Arlyn sich wieder hoch. Er zog sich ein paar Dornen aus der rechten Hand, mit der er sich beim Aufprall abgefangen hatte, und blickte sich nach seinem Hengst um. Schließlich entdeckte er ihn in einiger Entfernung friedlich über eine nahe Lichtung streifend und an den saftigen Kräutern dort knabbernd. Arlyn zupfte etliche Dornenzweige aus seinen Haaren und humpelte zur Lichtung. Er schnappte sich die Zügel und trottete mit seinem Pferd im Schlepptau zurück zum Reitstall. Nach Reiten war ihm nach dem Sturz nicht mehr zumute, er kochte jedoch vor Wut über das verdientermaßen erlittene Missgeschick.