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Kapitel 13 • Gespräch mit Sheridan

Moreen hatte sich nach der Untersuchung rasch wieder angezogen und hetzte durch die verwinkelten Gänge zu ihrem Gesprächstermin mit Heiler Sheridan. Sie fühlte sich ein wenig unwohl, wahrscheinlich fehlte ihr ein herzhaftes Frühstück.

Atemlos kam sie vor der dunklen Türe zum stehen und zupfte ihre graue Robe zurecht. Sie holte tief Luft und klopfte dann zaghaft an Meister Sheridans Türe.

Von drinnen drang ein gedämpftes ‚Herein!‘ durch die eisenbeschlagene Türe.

Moreen drückte die gusseiserne Klinke herunter und musste sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen die schwere Türe stemmen, bevor diese mit einem lauten Knarzen aufsprang. Moreen stolperte in Meister Sheridans Zimmer.

Meister Sheridan war ihr wohl entgegen gekommen, er fing ihren drohenden Sturz mit einem herablassenden Blick auf und half Moreen dann übertrieben freundlich, sich zu setzen.

Moreen überkam ein seltsames Schwindelgefühl, der ganze Raum schien sich um sie herum zu drehen und sie ließ sich gerne zu ihrem Platz führen. Sie nahm eingeschüchtert auf dem weich gepolsterten Sessel vor Meister Sheridans riesigem und penibel aufgeräumten Schreibtisch Platz und musterte ihr Gegenüber verstohlen. Die Aura des Magiers schillerte immer noch verwirrend in allen Farben. In einer Ecke des Schreibtischs qualmte ein Räucherbecken vor sich hin und verströmte einen aufdringlichen Duft nach Kräutern und exotischen Ölen. Moreen rümpfte unwillkürlich angewidert die Nase, bevor sie sich ihrer guten Manieren besann und sich zusammenriss.

Sheridan erwiderte ihren Blick ungerührt und zog spöttisch einen Mundwinkel nach oben. »Nun, meine Liebe, was hat dich bewogen, dich all diesen unangenehmen Untersuchungen und Prüfungen zu unterziehen? Bist du nicht zufrieden mit deinem Los als zukünftige Gemahlin eines alternden Grafen?«

Moreen starrte ihn sprachlos an. »Woher wisst Ihr…«, stammelte sie schließlich.

Meister Sheridan lehnte sich breit grinsend in seinem weich gepolsterten Sessel zurück und faltete seine schlanken Hände unter seinem Kinn. »Diesen Ausweg suchen die meisten Mädchen in dieser Situation, daher liegt die Vermutung nahe, dass du dich ebenfalls in dieser überaus misslichen Lage befindest.«

»Nun ja…«, setzte Moreen zu einer Antwort an. Dieses Gespräch nahm nicht ganz die Wendung, die sie erwartet hatte. Außerdem bereiteten ihr die seltsamen Dämpfe aus der Räucherschale zunehmend Kopfschmerzen.

»Wie steht denn deine Familie zu deinem Entschluss, ihre Pläne für dich in den Wind zu schlagen?«, erkundigte sich Sheridan.

»Meine Eltern wissen davon noch gar nichts«, gestand Moreen. Sie war von ihrer eigenen Offenheit überrascht, da sie sich diese Entscheidung bisher selbst nicht eingestanden hatte. Vor ihren Augen tanzten bunte Sterne, und Moreen rieb sich stöhnend die schmerzenden Schläfen.

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Meister Sheridan schmunzelte wissend. »Nun, wir werden dir keine Steine in den Weg legen. Im Gegenzug erwarten wir natürlich, dass du dich entsprechend erkenntlich zeigst.« Er musterte sie abschätzend, und sein Blick blieb auf den Wölbungen hängen, die sich unter ihrer Robe abzeichneten.

Moreen sah ihn fragend an. Worauf wollte der Magier hinaus? Doch nicht etwa… Sie erbleichte, dann schoss ihr das Blut in die Wangen. Sie hob abwehrend die Hände.

»Welches Verhältnis hast du zu deinen Eltern?«, wechselte Sheridan abrupt das Thema.

Moreen zögerte mit ihrer Antwort. Worauf wollte dieser unheimliche Mann hinaus? »Ich denke, ein etwas angespanntes Verhältnis. Sie gewähren mir einige wenige Freiheiten, erwarten aber leider, dass ich besagten alterten Grafen eheliche.«

»Hast du dir überlegt, welche Auswirkungen deine Weigerung auf deine Familie haben wird?«, bohrte Sheridan nach.

Moreen räusperte sich umständlich, um ein wenig Zeit zu gewinnen. »Nun ja, ich werde Graf Gerling wahrscheinlich als Pfand des Friedens versprochen. Ihr müsst wissen, dass die finanzielle Situation meiner Familie etwas prekär ist, seit mein Vater nicht mehr hier in Taboron als Berater für den König tätig ist. Graf Gerling wird versuchen, die daraus resultierende militärische Schwäche ausnutzen und die Grafschaft meiner Eltern versuchen zu erobern.«

»Und? Diese Ausführungen beantworten nicht meine Frage!«, raunzte Sheridan sie an.

»Ich… ich weiß nicht, ob Gerling wirklich angreifen wird, oder ob mein Vater sich mit ihm gütlich einigen kann«, stammelte Moreen.

»Schlimmstenfalls wird also deine elterliche Grafschaft überrannt und deine Familie ausgelöscht«, konstatierte Sheridan unbarmherzig und lächelte kalt. »Kannst du das mit deinem Gewissen vereinbaren?

Aber vielleicht stecken in dir ja unentdeckte magische Fähigkeiten und du kannst deiner Familie — nach entsprechender langwieriger Ausbildung — im letzten Moment zu Hilfe eilen! Die ersten Tests hier lassen allerdings im Gegenteil vermuten«, Sheridan studierte mit gespieltem Interesse seine Notizen, »dass du völlig unbegabt bist.«

Moreen schlug die Hände vor‘s Gesicht. Sie war den Tränen nahe. Wie sollte sie unter diesen Bedingungen etwas lernen, geschweige denn eine Prüfung bestehen?

Meister Sheridan grinste boshaft und erhob sich. »Nachdem wir das nun geklärt haben, kannst du auf dein Zimmer gehen und dich ausheulen.« Er schob Moreen unsanft zur Tür hinaus und schlug diese hinter ihr zu.

Schallendes Gelächter schien Moreen zu verfolgen, als sie halb blind vor Tränen zurück zu ihrem Zimmer rannte.