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Kapitel 10 • Gemeinsames Frühstück

Am nächsten Morgen stand Moreen zeitig auf, sah kurz nach ihrer Feòrag und machte anschließend einen ausgedehnten Spaziergang durch den kleinen Schlosspark. Nachdem sie an jedem einzelnen Rosenstrauch mindestens dreimal geschnuppert und jeden Weg hin und zurück und im Kreis begangen hatte, sehnte sie sich zurück auf ihre bescheidene elterliche Burg und nach den weitläufigen Ländereien ringsum. Sie zog sich rasch um, machte sich ein wenig frisch und hastete zum Speisesaal, wo sich alle diesjährigen Kandidaten zum gemeinsamen Frühstück versammelt hatten.

Moreen betrat den Saal als eine der Letzten. Sie blieb am Eingang stehen und sah sich um, ob sie irgendwo ein bekanntes Gesicht sähe.

Sie musste ernüchtert feststellen, dass sich bereits Cliquen gebildet hatten. Die jungen Männer und Frauen hatten die Gruppierungen vom Vortag beibehalten, alle Anwärter der jeweiligen magischen Disziplinen hatten sich zusammen an einen Tisch gesetzt und unterhielten sich angeregt.

Dies wurde offenbar von den Tutoren unterstützt, die das Frühstück gemeinsam mit ihren Zöglingen einnahmen und sogar eine kleine Version der Banner mit dem Symbol für ihre Disziplin in der Mitte ihres Tisches gestellt hatten.

Endlich entdeckte sie den abgelegenen kleinen Tisch mit dem weißen Banner, an dem einsam Prinz Arlyn saß und lustlos etwas Obst auf seinem Teller hin und her schob. Von einem Tutor war weit und breit nichts zu sehen.

Moreen seufzte. Es wurde sicherlich von ihr erwartet, dass sie sich an ‚ihren‘ Tisch setzte und mit dem Thronfolger ins Gespräch käme. Schweren Herzens ging sie zum reichhaltigen Büfett und lud sich einen Teller voll mit Pasteten, Käse und etwas Brot. Das Brot duftete verführerisch und war noch ofenwarm. Nach einem raschen Blick zu Arlyn, der immer noch mit seinem Obst spielte, suchte sich Moreen bedächtig noch ein paar exotische Früchte heraus. Dann ging sie langsam auf Arlyn zu.

»Darf ich mich zu Euch setzen, Hoheit?«, erkundigte sie sich zaghaft.

Arlyn blickte überrascht auf. Dann nickte er kurz und deutete mit seiner Gabel vage auf die Plätze ringsum. Wortlos wandte er sich wieder seinen Früchten zu.

Wie einladend, dachte Moreen und blieb verunsichert stehen. Sie wunderte sich aber kaum über die Missachtung, die Arlyn ihr schenkte. Sein fast schon intimer Umgang mit ihr am Vortag und seine Ausgelassenheit waren wohl doch nur gespielt gewesen. Ihr war nur völlig schleierhaft, was er damit hatte bezwecken wollen. Aber schließlich war sie nur ein unbedeutendes Mädchen vom Lande und hatte nichts anderes erwartet — außer vielleicht etwas mehr Höflichkeit, auch von einem Kronprinzen.

Arlyn hob den Kopf und sah ihr tief in die Augen.

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Moreen wand sich unbehaglich, zwang sich aber, nicht den Blick zu senken.

»So dürft Ihr keinesfalls von Euch denken«, sagte Arlyn mit gedämpfter Stimme. »Sonst werdet Ihr auch dementsprechend behandelt.«

»Was meint Ihr?« fragte Moreen verunsichert. Konnte der Prinz Gedanken lesen?

Arlyn musterte sie kritisch. »Ihr seid hübsch und sicher auch nicht auf den Kopf gefallen. Ihr müsst Euch vorstellen, Ihr seid — ich weiß nicht, eine mächtige Magierin vielleicht, die alle diese hochnäsigen Gören hier mit einem Fingerschnippen in grässliche Kröten verwandeln könnte — was nicht von Schaden wäre, ganz im Gegenteil!« Er lachte humorlos und machte eine einladende Handbewegung. »Bitte setzt Euch.«

Moreen starrte Arlyn fassungslos an. Er sprach schon wieder so verächtlich über die anderen Kandidaten! Dann fasste sie sich ein Herz, setzte sich Arlyn direkt gegenüber und überlegte, welche der Köstlichkeiten sie zuerst probieren sollte. Dabei beobachtete sie unter ihren langen Wimpern hervor Arlyn, wie er weiter auf seinem Teller herumstocherte. Schließlich entschied sie sich für ein Stück Pastete und schob es in den Mund. Herrlich! Sie kaute genüsslich und nahm einen Schluck Wasser.

»Was erwartet uns hier während der nächsten Tage?«, erkundigte sie sich beiläufig.

»Meister Cedrik wird uns ein paar Übungen unterziehen, um unser magisches Potential auszuloten. Dazu werden wir eine Reihe Fragen zu unseren Erfahrungen mit Magie beantworten müssen.«

»Und die Prüfungen?«

»Sind nur eine Formsache. Unsere Einordnung in die magischen Disziplinen ist schon vor langer Zeit erfolgt, weitgehend aufgrund der Fähigkeiten unserer Eltern, da die Begabung für eine bestimmte Disziplin erblich ist. Einzig die Stärke unserer Begabung wird noch beurteilt werden.«

Moreen stutzte. »Warum sind wir dann in derselben Gruppe? Ihr seid doch sicherlich viel…« Sie brach ab.

Arlyn schmunzelte. »Wir sind die schwierigen Fälle, um die sich Cedrik persönlich kümmern möchte. Mit unserer eigenen Macht oder Stärke hat das nichts zu tun.«

Moreen sah ihn zweifelnd an. Dann wurde ihr wieder bewusst, mit wem sie da so unbeschwert plauderte. Sie ließ den Blick durch den Saal schweifen und bemerkte, dass viele Augenpaare auf sie gerichtet waren und sich eine ganze Reihe der Kandidaten offensichtlich über sie unterhielten. Entnervt senkte sie den Kopf.

Sie beendete das Mahl schweigend und wurde aus ihren trüben Gedanken gerissen, als sich Meister Cedrik hinter ihr räusperte. »Baronesse Moreen, Prinz Arlyn. Ich wünsche Euch einen guten Morgen. Bitte kommt mit in die Akademie, ich möchte Euch ein paar Fragen stellen — aber nicht gerade hier, mit so vielen neugierigen Ohren ringsum.«