Endlich war der große Tag gekommen, an dem sie das erste Mal selbst am berühmt-berüchtigten Mittsommerball auf dem königlichen Schloss teilnehmen würde. Moreen betrachtete sich prüfend im Spiegel.
Eine Zofe des königlichen Hofstaats hatte ihr die langen Haare ausgekämmt und steckte sie gerade zu einer kunstvollen Frisur auf, entsprechend der aktuellen Mode, wie sie immer wieder versicherte. Eine weitere Zofe trug Moreen inzwischen Puder, Lippenstift, Rouge sowie Lidschatten auf, von allem wesentlich mehr und auffälliger, als Moreen lieb war. Sie fügte sich murrend in ihr Schicksal und konnte nur hoffen, dass die Mädchen wussten, was sie so alles mit ihr anstellten.
In den vergangenen Jahren hatte sie zwar ihre älteren Brüder und Schwestern begleitet, war aber zu einem Schattendasein am elterlichen Tisch verdammt gewesen, wo sie den ganzen Abend lang in der Obhut ihrer Amme hatte sitzen müssen. Die einzige Abwechslung waren die Besuche alter Bekannter ihres Vaters gewesen. Dann hatte sie aufmerksam gelauscht und hatte das ein oder andere pikante Detail über einen anderen Adeligen aufgeschnappt, war selbst aber kaum eines Blickes gewürdigt worden. Bis auf letztes Jahr, als sie unerwartet von Prinz Arlyn zum Tanz aufgefordert worden war, entgegen jeder Gepflogenheit und Tradition.
Zumindest das würde heute anders sein. Nervös strich Moreen sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn und wurde dafür prompt von beiden Zofen zurechtgewiesen.
»Das gehört so, all diese Strähnen sollen sich verspielt um Euer Gesicht ranken.«
»Finger weg, Ihr verschmiert den Puder auf Eurer Stirn!« Die Zofe entschuldigte sich umgehend für den barschen Tonfall, meinte aber dennoch bestimmt: »Ihr müsst Euch heute Abend beherrschen. Unter gar keinen Umständen dürft Ihr mit den Fingern Gesicht oder Frisur berühren, sonst ruiniert Ihr alles!«
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Moreen versprach, sich gebührend zu benehmen, und ließ die Zofen gewähren. Sie befürchtete aber insgeheim, dass sie ihre Finger nicht von der ungewohnten Frisur würde lassen können, zu unterschiedlich waren die Aufmachungen hier in der Stadt. Sie würde schon dadurch in kürzester Zeit als Mädchen vom Lande auffallen.
Endlich waren die Zofen mit ihrem Werk zufrieden und baten Moreen vor den großen Spiegel. Beide Mädchen hielten kleinere Spiegel hinter Moreen, so dass sie sich ringsum bewundern konnte.
Moreen war von ihrem eigenen Anblick überwältigt, tatsächlich sie erkannte sich kaum wieder. Mit all der Schminke und der kunstvoll aufgebauten Frisur sah sie Jahre älter aus, weniger wie ein junges Mädchen und mehr wie eine erwachsene Frau. Aber mit den vielen Schichten an Kleidung und dem eng geschnürten Mieder fühlte sie sich eingeengt und steif. Sie bezweifelte, dass sie beim Tanzen und in der Hitze des Ballsaals genug Luft bekommen würde und fürchtete, sich unsäglich zu blamieren.
Sie war keinen Augenblick zu früh fertig geworden. Schon kamen ihre Eltern herein, um sie für den Ball abzuholen.
Ihr Vater nickte anerkennend. »Hinreißend siehst du aus, Moreen, sehr gut.«
Ihre Mutter hingegen brachte kein Wort hervor. Mit vor ihrem Gesicht zusammengefasstem Händen umrundete sie Moreen ein ums andere Mal, sprachlos in ihrer Verzückung. »Du wirst uns alle Ehre machen, Kind!«, hauchte sie schließlich atemlos.
Moreen verdrehte nur die Augen und ließ sich von ihrem Vater unterhaken. Gemessenen Schrittes machte sich die Familie zusammen mit Collyn auf den Weg zum Ballsaal.