Kapitel 6: Ein schrecklich kompliziertes Leben
(Ich = Nika)
"Prinzessin, steht auf!", ruft eine Stimme. Unsanftes Schütteln will mich in die Gegenwart zerren. Irgendwelche unverständlichen Laute verlassen meine Lippen. Eigentlich wollte ich noch nicht zurück in die Realität. Mein Traum war heute ein besonders schöner.
Er handelte von einer Frau, die sich für mich interessierte, die mit mir gespielt hat. Sie war mir recht ähnlich. Die lilafarbenen Flügel, die spitzen Hörner und die Krallenfüße. All das, was mich von Vater trennt stellt diese Frau da.
Sie erscheint immer mal wieder in meinen Träumen, wenn ich besonders unglücklich eingeschlafen bin. Und heute konnte ich sogar zum ersten Mal ihr Gesicht sehen. Sie kommt mir so bekannt und vertraut vor und doch habe ich sie noch nie gesehen.
Bei ihr fühle ich mich geborgen, doch nun zerrt die Realität an mir. Ich werde der für mich Fremden entrissen. So vertraut und doch so fern, als ob sie immer da war und aber nie ein Teil meines Lebens war.
"Prinzessin, steht jetzt auf! Ihr werdet erwartet. Euer Vater will euch sehen.", sagt die Stimme erneut barsch. Nun schlage ich die Augen auf.
Zwei Dienstbotinnen wirbeln in meinem Zimmer umher und gehen ihrer Arbeit nach. Schmerz, geblendet wende ich mich ab und muss blinzeln, da eine Dienstbotin die Vorhänge von den Fenstern zur Seite schiebt. Die andere steht am Kleiderschrank und stellt mein heutiges Outfit zusammen.
"Bitte, Prinzessin, kommt hierüber.", meint nun die Dienstbotin etwas freundlicher als die andere, die bis eben noch an den Fenstern stand und deutet auf einen kleinen Hocker. Ich schlage die Decken zurück und krabbele aus dem viel zu großem Bett. Dann begebe ich mich zum Hocker und stellt mich darauf.
Die Dienstbotinnen fangen an und beginnen damit mich zuerst aus meiner Kleidung von gestern zu schälen. Dann holt die eine Wasser und Seife, während die andere die dreckige Wäsche in einen Schacht in der Wand wirft.
Ich kenne die Namen dieser beiden nicht. Eigentlich kenne ich gar keine Namen. Fast das gesamte Schlosspersonal wirft mir angeekelte Blicke zu. Ich dürfte ja gar nicht existieren. Gesetzlich bin ich eine Außenseiterin und müsste verbannt werden. Nur weil meine Eltern nicht derselben Spezies angehören.
Darum tragen alle, die mit mir arbeiten immer Handschuhe. Auch jene, die mir vielleicht wohlgesonnen sind. Jene die darauf hoffen, dass ich und Vater die neuen Gesetze durchsetzen. Doch um nicht unter den radikal Konservativen aufzufallen und dann ein schlechtes Leben als Außenseiter zu führen, halten sie den Mund und zeigen nur ihren Respekt, wenn diese unter sich sind.
Also wollten viele mir nicht ihre Namen verraten. Anfangs versuchte ich ihnen Namen zu geben, doch das brachte nur noch mehr Probleme mit sich. Also gab ich es auf.
Wenn Namen nicht helfen, dann werden sie eben zu Zahlen. Nummer 1 beginnt mich zu waschen und Nummer 2 trocknet sofort ab. Diese beiden wollen so wenig Zeit wie möglich bei mir verbringen, darum arbeiten sie schnell und achten nicht wirklich darauf, ob sie eventuell zu grob mit mir umgehen.
Ich bin das gewöhnt und muss diese Behandlung akzeptieren. So wie ich den gesamten Umstand meines Lebens akzeptieren muss, da ich eben nichts ändern kann. Erst habe ich versucht mit den Bediensteten zu sprechen und versucht sie zu überzeugen gemeinsam gut zusammen zu arbeiten, doch das bewirkte nichts.
Dann hatte ich mich bei Vater beschwert. Der König verteilte Rügen und entließ die eine oder den anderen. Doch das änderte ebenso wenig.
"Hebt den linken Fuß", sagt eins. Seufzend hebe ich den linken Fuß und die Dienstboten beginnen mich anzuziehen. Eine sehr anstrengende Angelegenheit.
Erst Strümpfe und Unterwäsche, dann kommt auch schon das Kleid. Hier und da folgen noch einige Anweisungen, damit die Dienstboten ihre Arbeit schnell und unkompliziert beenden können.
Da haben die Dienstboten mir aber etwas rausgesucht. Normalerweise trage ich gern kürzere Kleider und Hosen in dunklen Farben, damit ich mich schnell bewegen kann und dank der dunklen Farben nicht sonderlich im Schloss auffällt.
Doch heute werde ich in ein großes und langes farbiges Kleid gezwängt. Ab der Hüfte aufwärts sehr eng. Unterhalb der Hüfte liegen viele Schichten Stoff um meine Beine, was ihr das Laufen erschwert. Zum Glück ist das meiste in dunklem Lila gefärbt. Einige helle Rot und Rosa Töne setzen Akzente und betonen die Eleganz des Kleides.
Eine der Dienstboten bietet mir ein paar Schuhe an, die an meine Füße angepasst wurden, aber ich lehne bestimmend ab. Ich gehe immer Barfuß meine Krallen passen nicht sonderlich gut in Schuhe. Es ist unbequem und wieder spricht meiner Gangart.
Damit haben die Dienstboten ihre Aufgabe beendet und verlassen den Raum durch den Seiteneingang. Später würde ein anderer kommen, um den Raum zu säubern, doch da würde ich schon weit weg sein.
Ich steige nun vom Hocker herab und gehe zur großen Haupttür. Vorsichtig klopfe ich zweimal an die Tür. Schon öffnet sich diese und Ich schreite hindurch. Die Wachen, die an der Tür stehen, schaue heute mich aber ziemlich doof an. Ganz so, als wäre ich mal nicht die Ausgestoßene. Ich schmunzle über meinen Witz. Als ob sich das jemals ändern würde.
Hinter der Tür beginnt der Flur, ein ewig langes Netzwerk, dass sich durch das gesamte Schloss zieht. Dank meiner ganzen Ausflüge in dieses Labyrinth finde ich schnell den Weg und eile die immer gleichen Wege entlang. Bald auch schon erreiche die Tür, hinter der mein Ziel ist. Ich öffne sie und erblicke den großen Saal. Eine Halle so groß wie ein kleines Stadium. Die Mitte hell erleuchtet durch ein Fenster in der Decke, wo die Sonne durchscheinen kann. Die hohe Decke wird durch massive dekorativ geschmückte Säulen gehalten. Die Säulen bilden einen Kreis um die beleuchtete Mitte. Ein Balkon wurde nachträglich eingebaut, um auch für die wachsende Bevölkerung genügend Platzt zu bieten.
Die Halle wird für alle wichtigen Feste und Ankündigungen benutzt. Vor 600 Jahren begann hier der Krieg gegen die Wesenheit. Doch heute steht hier lediglich ein Tisch in der Mitte. Ein Tisch mit zwei prunkvollen Stühlen.
Vater sitzt bereits auf einem der Stühle und wartet. Heute trägt er seine königlichen Gewänder, nicht so wie gestern seine Militäruniform von Früher.
Mit einem Lächeln im Gesicht bedeutet er mir neben ihm platzt zu nehmen. Ich laufe daher etwas schneller durch den Raum, als es für Personen meines Ranges würdig ist. Das ist mir aber egal, denn mein Vater ist nun mal der Einzige, der auf mich aufpasst und nicht verurteilt. Bei ihm fühle ich mich immer sicher und geborgen. Ganz so wie bei der Fremden in meinem Traum. Das ist aber jetzt egal, den mit einem letzten Satz springe ich auf Vater zu, umarme ihn kurz und nehme dann auf meinem Stuhl Platz.
Der Tisch zwischen uns ist gedeckt mit den verschiedensten Köstlichkeiten aus allen Ecken unseres Reiches. Obst, Gemüse und Gebäck aus den Teilen der Tierdämonen, gefüllte Insekten aus dem Land der Vampire, Speck vom Rotkappenstier aus der Zucht der Werwölfe und und und. Viel zu viel für nur uns Zwei, aber alles, was wir nicht essen wird wieder gekühlt und für morgen verarbeitet. Wir geben uns sehr mühe nichts zu verschwenden.
Hungrig mache ich mich über die Leckereien her und auch Vater beginnt zu Essen. Nach ein paar Minuten ist mein Bauch auch schon voll. Ich wische mir meine Finger ab. Vater schaut mir stirnrunzelnd zu. Erst jetzt bemerke ich, dass ich keine Servierte benutzte, sondern sie an meinem Kleid abgewischt habe. Schnell schnappe ich mir eine Servierte, doch dafür ist es schon eigentlich zu spät.
Auf einem Wink meines Vater, eilen zwei Diener herbei und stellen den Tisch auf ein Rollbrett. Schnell schieben sie ihn hinaus. So kann man auch den Tisch abräumen, einfach aus den Augen und vergessen.
Nun wendet Vater sich an mich. "Willkommen mein Kind.", verkündet Dämonenkönig Angel, "Du wirst bald 12. Das heißt, du wirst dann als meine Tochter dich vorstellen und ein Bankett geben. Dann wirst du in die Akademie gehen und alles Praktische lernen, um deinen Weg als zukünftige Königin gehen zu können." Ich starre Vater an. Ich soll auf eine Akademie gehen? Mich seinem Volk vorstellen? Einen Weg finden? Das sind mehr Fragen und angsteinjagende Vorstellungen als jemals zu vorhatte. Furcht erfüllt mich und mein Mana rebelliert. Die magische Energie spürt den Verlust an Kontrolle. Ich kann es gerade so noch zurückhalten. Frustriert zieht sich das Mana zurück.
"Mach dir keine Sorgen Nika. Ab heute werden wir gemeinsam diesen Schritt vorbereiten. Heute wirst du deinen Schild erwählen."
"Meinen Schild?", frage ich. Das beantwortet immer noch keine meiner Fragen. Diese plötzliche Unterbrechung aber, bringt Vater aus dem Konzept. Diese Worte, die er gerade spricht, liest er von einem kleinen Zettel ab, den er an seinem Ärmel versteckt. Vater hat mir mal erklärt, dass Großvater diesen Trick erfunden habe. So hat er nie wieder bei einer Rede sich versprochen. Und scheinbar stammt dieser Zettel auch von ihm, den es ist nicht Vater Handschrift. Also kommen diese Worte von Großvater.
"Mit dem Schild ist ein Dämon gemeint, der sich an deine Seite stellt und dich in allen Phasen deines Lebens schützt", erklärt Vater weiter und versucht seinen Redefluss wieder zu bekommen, "Vor etwa zwei Wochen wurde im ganzen Reich verkündet, dass die Prinzessin einen Schild sucht. Die Kandidaten wurden von Prüfern der Palastwachen getestet. Nur welche, die reinen Herzens, mächtiger Kraft und absoluter Treue sind, haben diese Tests bestanden."
Vater lässt eine bedeutsame Pause. "Es liegt nun an dir. Wähle weise."
Mit diesen Worten endet die Ansprache und es kehrt Stille ein. Ich warte und schaue zu Vater. Er wiederum deutet auf das große Tor. Ein Tor, durch welches die Gäste in den Audienzsaal geladen werden. Reichverziert und mit den größten Erfolgen getränkt, die das Dämonenreich erlebt hatte. Ich folge seiner Hand und starre nun auf das Tor. Es passiert nichts. Mehrere Minuten passiert nichts. Ich schaue mich im Raum um. Was ist schief gegangen?
"Ich sagte!", beginnt Vater von neuen nun etwas gereizt, "Es liegt nun an dir! Wähle weise!"
Da ruft eine Stimme: "Öffnet nun das Tor!" Sänger stimmen eine feierliche Musik an. Nun geht auch das Tor auf. Hundert Dämonen schreiten in die Halle. In einer Reihe geordnet, in voller Rüstung, jeder, wie es am besten zu ihm passt, und mit spiegelnden Waffen marschieren die Kandidaten auf die Mitte zu.
Bevor der erste den Lichtkreis betritt, hält er an und geht auf die Knie. Die nächsten folgen und knien sich jeweils links und rechts dazu, bis es zehn Dämonen in einer Reihe sind. Dann folgt die zweite Reihe, dann die dritte und so weiter. Am Ende knien die Einhundert Wesen in einem Block mit zehn Reihen. Die Sänger lassen den letzten Ton verklingen und ziehen sich dann zurück, um nicht die Auswahl zu stören.
Es sind alle dämonischen Spezien vertreten. Unterschiedlichste Persönlichkeiten knien hier vor dem Dämonenkönig und erwarten seine Befehle. Bei vielen ist der Kampfstiel erkennbar, bei anderen sind die Waffen versteckt.
Ein Offizier der Palastwache tritt vor die Kandidaten. Er verneigt sich vor seinem König. Dann dreht er sich um und richtet er seine Letzten Worte an die Kandidaten: "Kandidaten erhebt eure Blicke und schaut auf die Prinzessin.“ Er zögert leicht bei dem letzten Wort. Warum kann mich den keiner akzeptieren. Dann beendet es wenigsten. „Alle die ihr dienen und ihr Leben für sie opfern wolle bleiben, der Rest geht jetzt. Das ist eure letzte Gelegenheit die Freiheit zu wählen. Sobald ihr geschworen habt, seid ihr ihr Eigentum. Nehmt das nicht auf die leichte Schulter. Es geht nicht um Ruhm, oder gar Reichtum. Der Dämon, der heute ausgewählt wird, wird heute hier sterben und ein neues Leben betreten."
Den letzten Satz untermalt er besonders. Es geht hier um alles oder nichts. Auch das ist mir nun auch klar. Ich werde hier jemanden zwar zu meiner Vertrauten machen, aber dieser Dienst endet nicht irgendwann, sondern ausschließlich mit dem Tod. Es ist ein Vertrag auf Lebenszeit.
Vater stupst mich an. "Geh nach vorn und stelle dich mit deinem vollen Namen vor, wer dann noch geht ist deiner nicht Wert.", flüstert Angel zu mir ins Ohr. Dazu lächelt er mich aufmunternd an.
Langsam und unsicher stehe ich auf und steigt auf ein Podium, welches zuvor von den Bediensteten hereingetragen wurde. Nun ist mein Moment gekommen.
If you encounter this story on Amazon, note that it's taken without permission from the author. Report it.
Ich stelle mich zu meiner vollen Größe auf. Dann stelle ich mich vor. Zum ersten Mal in meinem Leben muss ich mich dem Volk präsentieren. „Herzlich Willkommen auf Schloss Dreamond Ich bin Prinzessin Nika Freya Drea, die Prinzessin der Dämonen und all ihrer Verbündeten, erbe des Dämonenkönigs Angel Caspian Morth Drea.“
Ich weiß ganz genau, wie die Anwesenden sich bei meinem Anblick verhalten. Die Adligen oder hohen Würdenträger, denen ich bisher begegnete, weisen mich zurück, beachten mich gar nicht oder leugnen meine Existenz. Auch wenn ich dem Volk noch nie begegnet bin, werden sie sicher dasselbe tun. Mich beleidigen und sofern es ihnen möglich ist, mich zu verletzen.
Hier geht es um meine Zukunft und mein Schild. Ich will jemanden wählen, der mich mit allen Facetten akzeptiert und mein Diener sein will. Jeder dieser Kandidaten will zwar für meinen Namen und den Titel kämpfen, aber garantiert nicht für mich, die Person, die dahintersteht.
Nur weil ich kein reiner Dämon bin. Es muss doch Leute geben, denen es scheißegal ist, ob man Rein ist oder nicht. Es kommt doch ganz darauf an, dass man einander braucht, um gemeinsam großes zu erreichen und das Beste für alle zu machen.
Ich hoffe, bete darum, das zumindest einer mich nicht wegen meiner Abstammung verurteilt. Also falte ich meine Flügel aus. Nun ist erkennbar, dass ich nicht nur aus einer Spezies entstamme. Ein entsetztes Aufatmen und Raunen geht durch die Menge. Natürlich, das habe ich erwartet. Darf ich überhaupt noch hoffen? Vater fordert die Kandidaten mit einem erzürnten Blick auf zu schweigen.
Doch einer der Adeligen, der von Hochmut nur so strotzt, meldet sich zu Wort: "Euer Majestät, ich hätte da noch eine Frage für mein Verständnis?"
"Ihr seid nicht in der Position Fragen zu stellen, Prüfling!", antwortet der Dämonenkönig barsch.
Doch dieser Adelige will noch nicht aufgeben und hackt seiner vorherigen Frage nach: "Wann lernen wir die Prinzessin kennen. Ich habe viele Prüfungen über mich ergehen lassen. Ich bin der Meinung mich bewiesen zu haben, doch wenn ihr meint eine Prüfung stehe noch offen, dann will ich sie bestehen. Was muss ich tun, um endlich die glanzvolle Prinzessin kennen zu lernen?"
Und es geht wieder los, der nächste, der sich über mich lustig macht. In mir brodelt es, doch ich verstecke es, schlucke es herunter, so wie immer. Ich kann nicht einfach Leute töten, nur weil mir ihre Meinungen gefallen.
Ich kann es dennoch nicht verstehen. Seit mehr als elf Jahren gelten die neuen Gesetze, die es erlauben mit egal wem eine Familie zu gründen, solange es im Einverständnis geschieht. Auch wenn die große Verkündung der Gesetze durch den Verlust der Königin kaum war genommen wurde, so sind sie dennoch in Kraft und erlauben meine Existenz. Und vor allem der Adel und möge dieser noch so weit Weg in den hintersten Ecken dieser Welt leben, hätte schon davon wissen sollte.
Ich höre, wie Holz splittert. Schnell werfe ich ein Blick über meine Schulter und sehe, wie Vater seine Klauen tief in das Holz seiner Stuhllehnen gräbt. Dieser Kampf um meine Position ist Vater bestimmt schon so langsamen Leid. Wann wird auch er mich abstoßen, um im Wohle aller zu handeln. Ich würde es sogar verstehen.
"Sollen wir erraten welche Prüfung, wir bestehen sollen?", fragt der Adelige weiter, "Ich glaube wir müssen über dieses Ding dort richten."
Er deutet mit seinem Finder auf mich und diesmal kann ich mein Entsetzen nicht verbergen. So offen vor Vater hat es bisher noch keiner gewagt mich anzugreifen. Wie kann man nur so dumm sein. Wie wäre es ihn für immer zum Schweigen zu bringen. Würde es mich befreien? Bestimmt, doch das ist ein Weg ohne Wiederkehr. Ich kann nicht. Aber ich könnte, wenn ich wollte. Nein! Das will ich nicht.
Doch bevor ich auch nur irgendwie reagieren kann, fragt der Adelige weiter und steht auf: "Sollen wir die Eltern finden und sie dafür Richten, weil sie Unzucht betrieben haben? Sollen wir dieses Mädchen dafür quälen, um zu zeigen, dass wir über Leichen für die Prinzessin gehen? Sollen wir ... keuch."
Er kann nicht mehr weiterreden. Wir starren ihn alle an. In seiner Brust klafft ein Faust großes Loch. Das Herz, welches sich dort befinden sollte, liegt mehrere Meter hinter ihm. Ich bemerke meine erhobene Hand. Mein Zeigefinger deutet auf dieses Loch. Mein Atem wiegt schwer in meiner Brust. Ich zittere am ganzen Körper, obwohl mir nicht mal kalt ist. Ein Stück Knochen fliegt zurück in mein Hand und bettet sich wieder an seinen Platz.
Meine Magie, die immer wieder versucht, wenn ich die Kontrolle verliere, aus mir zu quillen und alles zu zerstören, fließt still und friedlich durch mich hindurch.
Ich muss irgendetwas sagen, können wir ihn eventuell noch heilen oder retten. Was muss ich tun, ich wollte es nicht. Also irgendwie schon, aber doch nicht in Wirklichkeit. Jetzt habe ich einen Pfad beschritten, von dem ich nicht mehr weichen kann. Ich habe gemordet. Also muss ich das Beste daraus machen.
"Mir ist es egal wie ihr über mich sprecht, doch sollte einer von euch noch einmal meinen Vater, den Dämonenkönig beleidigen, dann werde ich über ihn richten, egal wer er ist oder woher er kommt!", lasse ich meine Wut aus mir heraus sprechen.
All der Groll, der Zorn und die Wut. Letztendlich war es doch zu viel und ich muss nun den Preis dafür Zahlen. Es kam einfach heraus. So schoss ich einen Teil von mir auf das Ziels meines Zorns. Der Körper des Kandidaten fällt nach vorn, erst auf die Knie, dann mit dem Gesicht voran auf den Boden.
Vater bitte hilf mir. Noch hat keiner die Situation erfasst. Mit seinen folgenden Worten muss er den Tod dieses Arschloches rechtfertigen und mich, seine Tochter schützen. Wenn nicht, bin ich verloren. So oder so wird hier und heute ein Exempel statuiert.
Ich drehe mich zu Vater um und warte auf seine Reaktion. Auch er scheint Gefühle zu unterdrücken. Welche, das weiß ich nicht, aber es ist wohl auch besser so.
"Ihr habt die Prinzessin erzürnt“, beginnt Vater und erhebt sich. Langsam schreitet er nach vorn und geht durch die Reihen der Anwesenden. Er bleibt vor dem Körper des Toten stehen. Dann wendet er sich an alle: „Seine Ungeduld und seine Gier, sowie das veraltete Bild eines Herrschers, was er offensichtlich alles besaß, all das hat ihn sein Leben gekostet. Ihr hattet die Wahl in Freiheit zu gehen, wenn ihr nicht als Schild meiner Tochter dienen wollt. Nun aber verlässt einer als Schild diesen Raum und der Rest als Soldaten, für ein Sonderkommando. Also wer geht freiwillig in die Armee an die vorderste Front oder wer bietet sich der Prinzessin als Schild an? Wer sich jetzt nicht entscheidet wird ebenso sein Leben lassen. Wenn wir es mal realistisch betrachten wird also nur einer von euch lange Leben könne. Entweder sterbt ihr heute oder morgen an der Front."
3/4 aller Dämonen erheben sich und verlassen den Raum. Sie lieber gehen zur Armee. Versuchen ihr Können dort zu beweisen, um zu überleben. Ihr schließen sich fünfzehn weitere zögerlich an. So bleiben noch zehn zurück. Sie knien weiter, während sie respektvoll den Kopf gesenkt halten. Einer dieser wird mein Schild werden. Ich muss ihn nun erwählen.
Mein Zorn ist mit dem Tod des Adeligen verraucht. Noch nie zuvor habe ich einem anderen etwas getan und nun habe ich ein Leben genommen. Aber ich habe keine Zeit darüber nachzudenken, denn nun steht Vater vor mir. Er streichelt mir über den Kopf und umarmt mich. Ich habe gerade jemanden getötet und er kommt zu mir und tröstet mich. Warum nur? Ich bin den Tränen nahe, doch ich muss noch stark bleiben. Noch muss ich durchhalten.
Vater flüstert leise: "Trauere nicht um deinen Gegner, er ist nun der Gnade der Sieben unterstellt. Du hast nichts falsch gemacht. Ich hätte dasselbe getan. Man selbst kann viel einstecken, aber meine Familie beschütze ich ebenso so wie du.“ Ich schiefe und einige wenige Tränen verlassen doch meine Augen und benetzen Vaters Kleidung.
„Nun wähle deinen Schild und Teile mit ihm deinen Schmerz.“
Er beugt sich zu mir runter und wisch die Tränen aus meinem Gesicht. Dabei lächelt er mir aufmunternd zu. Dann steht er wieder auf und kehrt zu seinem Stuhl zurück. Nun stehe ich wieder allein hier vorn.
Endlich aber kenne ich zumindest einen kleinen Teil meines Weges und weiß welchen Schild ich will. Ich brauche jemanden, der mit und für mich kämpft. Jemanden mit dem ich Schmerz teilen kann und der auch mir vertraut. Damit wird meine Wahl einfacher.
Alle die mir nicht treu wären sind nun gegangen. Zehn bleiben zurück: zwei Vampire, ein Werwolf, vier Dunkle Tierdämonen, ein Sukkubus und zwei Dämonen. Unterschiedlicher hätten die Kandidaten nicht sein können. Doch ich weiß eigentlich nichts über sie.
Das Einzige, was mir noch fehlt, um zu entscheiden, ist ein Kampf, ein letztes Turnier. Der Preis, ein Platzt ein meiner Seite. Das wird es dann wohl sein. Nun muss ich das Ganze nur noch in die Tat umsetzen.
"Ihr seid gekommen und habt gekämpft.", beginne ich zögerlich, "Ihr habt alles gegeben und meinem Titel Loyalität bewiesen. Ihr solltet alle einen großartigen Job bekommen. Doch ich kann nur einen an meiner Seiter haben."
Ich unterbreche mich noch einmal. Langsam sammele ich Mut und erwecke mein „Redetalent“. Gebannt starren die Kandidaten mich an. Ich spüre Vater Lächeln in meinem Rücken. Es gibt mir Kraft. Schnell vergewissere ich mich, ob es wirklich sein Lächeln ist. Dabei kann ich es sehen; Sein Stolz im Gesicht ist nicht zu übersehen.
Während ich noch etwas zögere, meinen Plan umzusetzen, hallen plötzlich seine Worte durch meinen Kopf, Telepathie: "Das ist dein Weg. Folge ihm und du wirst uns alle in die Freiheit führen."
Das bestärkt mich und gibt mir den letzten Schub, sodass ich nun die letzte Prüfung erklären kann: "Ihr sollt nun für mich kämpfen. Ich will sehen, was ihr für mich opfern werdet. Ein letzter Kampf alle gegen alle." Ein kurzer Moment von Stille beherrscht den Raum.
Dann erheben sich die Kandidaten. Völlig Synchron, als ob sie noch nie etwas anderes gemacht haben, beugen sie ihr Köpfe und rufen: "Jawohl, Prinzessin und Herrin!" Sie machen auf dem Absatz kehrt und marschieren in einer Reihe aus dem Raum.
Vater, ist wieder an meiner Seite, nimmt mich an die Hand und führt uns zu einem anderen Gang. Wir folgen diesem bis am Ende ein helles Licht erscheint, durchschreiten es und stehen nun in einer Loge mit Sicht auf einen großen Platz vor dem Schloss.
In der Ferne ist der Dornengarten zu erkennen, in dem ich gerne spielte. Doch hier war ich noch nie zuvor. Neugierig schaue ich mich um. Das Gelände vor mir ist eine ordentlich gehakte Sandfläche. Umrahmt vom Palast ist dies ein geschützter Ort. Hier und da sind Bete eingearbeitet, da dieser leere Platz sonst zu einsam wäre.
Viele Leute haben sich an den Fenstern und den anderen Balkonen versammelt. Sie alle warten auf das große Spektakel. Unterhalb der Loge höre ich nun das Geräusch einer Tür, dann schritte. Die Kandidaten marschieren auf dem Platz, der heute als Arena gebraucht wird. Sie stellen sich nun gegen über der Loge in einer Reihe auf.
"Es geht um eure Ehre, um eure Kraft, um euren Mut und um euren Willen.", erklärt der Dämonenkönig mit all der Macht und Würde eines Herrschers in seiner Stimme. Diese ist es welche einen epischen und erhabenen Herrscher wie ihn ausmacht. Er beherrscht es die Truppen, das Volk und seine Gegner zu beeindrucken.
"Eure letzte Chance ist jetzt auszusteigen. Ihr werden mit all euren Waffen antreten und all eure Fähigkeiten einsetzen. Wir versuchen euch zwar euch im Falle einer Verletzung zu heilen, doch versprechen können wir nichts. Seit euch dessen bewusst. Die Kämpfe gehen so lang, bis alle, bis auf einen, von euch Kampfunfähig sind, oder aufgeben."
Er lässt eine dramatische Pause.
"Sucht euch einen Startpunkt aus. Sobald wir bereit sind geht es los. Die Prinzessin wird das Signal geben.", endet der Dämonenkönig mit seiner Ausführung. Damit hat er seine Rolle erfüllt. Nun ist seine Tochter dran. Ich bin dran.
Während er den Platz am Rand der Loge für mich frei macht, ermuntert er mich mit folgenden einfachen, aber schönen Worten: "Du schaffst das, Nika!" Dann setzt er sich in eine Ecke der Loge. Nun stehe ich dort oben. Das erste Mal, dass ich eigenständig Handeln muss. Auf meinem Befehl hin werden sie sich bekämpfen. Ich hole tief Luft und rufe dann: "Los!" Und ein Trompeter unterstreicht den Befehlt mit einer Fanfare.