Die ganze Nacht über fand ich keinen Schlaf. Auf der einen Seite tobte der Sturm, auf der anderen wühlten meine Gedanken. In wenigen Stunden wird das gesamte Königreich die Prinzessin Vespera kennenlernen. Doch wird das wirklich der letzte Tag sein, an dem ich hinter verschlossenen Türen lebe? Werde ich mich nach dieser Feier endlich frei bewegen dürfen? Haben der König und die Königin mich tatsächlich nur deshalb all die Jahre eingesperrt? Nein, das kann nicht alles sein. Die Augen meines Vaters sind stets von Hass erfüllt, wenn sie auf meine treffen.
Bevor ich meine Gedanken sortieren kann, begrüßen mich die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages. Keine Spur vom gestrigen Gewitter ist mehr zu sehen, nur der erdige Duft von Petrichor liegt in der Luft. Dieser unerwartet friedliche Morgen erscheint mir seltsam, doch ich verdränge das Gefühl. Ich muss mich auf die Vorbereitungen für den heutigen Tag konzentrieren.
Vater hatte erwähnt, dass wichtige Gäste aus fernen Ländern erwartet werden. Vielleicht sind unter den Söhnen dieser Lords interessante Persönlichkeiten—vielleicht finde ich heute sogar meine erste große Liebe? Vor Aufregung unterdrücke ich ein freudiges Quietschen und presse mein Gesicht ins Kissen. Die Vögel zwitschern draußen, und der Himmel ist strahlend blau. Doch kaum öffnet sich meine Zimmertür, verblasst das Glücksgefühl, das mich eben noch erfüllt hatte.
Königin Mayyira betritt den Raum. Ihr Gesicht zeigt keine Spur von Emotionen, kalt und unnahbar wie immer. Hinter ihr stehen die Diener mit gesenkten Köpfen, demütig darauf wartend, dass sie ihnen Befehle erteilt.
Mein Blick fällt auf die Puppen, die die männlichen Diener hereintragen und in einem Kreis in der Raummitte aufstellen. Jede dieser Puppen trägt ein atemberaubendes Kleid in einer anderen Farbe. Sie sind Meisterwerke, jedes davon ein Unikat. Wann habe ich zuletzt so prächtige Kleider gesehen? Es muss eine Ewigkeit her sein. Seit mein Vater mir alle farbenfrohen Gewänder genommen und durch schlichte, unauffällige Stoffe ersetzt hat, sehe ich aus wie eine der Dienerinnen. Die Königin hatte es so angeordnet—sie sagte, es sei zu meiner Sicherheit. Angeblich wollte sie verhindern, dass ein weiteres Attentat auf mich verübt wird, so wie vor vier Jahren, als ein Unbekannter versucht hatte, mich zu ermorden. Damals hatte sich eine der Dienerinnen im letzten Moment geopfert und mein Leben gerettet. Vielleicht erklärt dieses Ereignis das verängstigte Verhalten der Dienerschaft.
Während die Puppen in ihren bunten Kleidern vor mir stehen, spüre ich die kalte Atmosphäre im Raum. Die Augen der Königin ruhen ruhig auf mir. Sie wartet darauf, dass ich etwas sage – aber nicht das, was sie hören will. Sie sucht einen Grund, mich zu erniedrigen. Auch wenn mein Vater behauptet, die Feier sei für mich, weiß ich, dass die Königin alles tun wird, um im Mittelpunkt zu stehen. Sie will mich erneut daran erinnern, dass ich seit ihrer Ankunft nichts mehr zähle. Mein eigener Vater unterstützt sie, obwohl sie mir schaden will.
Warum freue ich mich eigentlich auf diese Feier? Die Menschen, die meine Familie sein sollten, behandeln mich wie eine Fremde. Wieso versuche ich krampfhaft, glücklich zu sein? Wäre es nicht klüger, auf die geheimnisvolle Stimme zu hören und einfach zu verschwinden? Niemand würde es bemerken, wenn ich weg wäre.
„Was ist?“, zischt die Königin und holt mich aus meinen Gedanken. „Gefallen dir die Kleider nicht? Sind sie nicht gut genug für eine Prinzessin?”
Ich schüttle schnell den Kopf, ohne die richtigen Worte zu finden. Ich hasse diese Frau, aber ich schaffe es nicht, mich zu wehren. Früher habe ich es oft versucht, doch jedes Mal hat mein Vater mich bestraft. Er hat mir den Garten verboten, mich in meinem Zimmer eingesperrt oder mir wichtige Dinge weggenommen. Ich erinnere mich, wie er mir im Alter von sechs Jahren den Kopf meiner Lieblingspuppe abgerissen hat.
Irgendwann habe ich aufgehört, mich zu wehren. Es brachte nichts außer Strafe. Und seitdem habe ich auch die Stimme, die mir früher auf eine seltsame Weise Gesellschaft geleistet hat, nicht mehr gehört.
Die Vorbereitungen laufen still und methodisch ab. Jeder Diener kennt seine Rolle, bewegt sich geschmeidig und effizient, als wären sie gut geölte Zahnräder in einer Maschine. Währenddessen sitze ich schweigend da, das Herz schwer und die Gedanken wirr.
Das weinrote Kleid, auf das ich deute, wirkt wie ein Symbol der Macht, die Königin Mayyira über mich ausübt. Jedes Detail meines Lebens wird von ihr überwacht, bis hin zur Kleidung, die ich trage. Dieses Kleid, so schön es auch ist, fühlt sich wie eine Fessel an – eine weitere Schicht des goldenen Käfigs, in dem ich gefangen bin.
Als die Diener beginnen, mich für die Feier herzurichten, lasse ich den Blick über die schimmernden Stoffe und funkelnden Verzierungen schweifen. Alles ist so prunkvoll, so extravagant – und doch fühle ich mich wie eine Puppe in einem Schaukasten, auf Hochglanz poliert und zur Schau gestellt, ohne eigene Kontrolle über mein Leben.
Meine Gedanken wandern wieder zu meinen Eltern. Die Frage nach ihrer Beziehung, nach dem, was sie einst verband, nagt unaufhörlich an mir. Was, wenn auch meine Mutter einst so lebte wie ich – festgehalten in einem Leben, das sie sich nicht selbst ausgesucht hat? Die Vorstellung schmerzt, doch sie scheint mir nur allzu wahrscheinlich.
Während mir die Haare gewaschen werden und die kalten Hände der Dienerinnen an meinem Kopf arbeiten, blicke ich erneut auf das Kleid. Die Farbe des Weins – tief, fast blutig – erinnert mich an Opfer, an Hingabe, an etwas Dunkles und Unausweichliches. Es ist mehr als nur ein Kleid; es ist ein Symbol für die Machtverhältnisse in diesem Schloss.
Und doch, trotz allem, zwinge ich mich dazu, die Fassade aufrechtzuerhalten. Das Lächeln bleibt auf meinem Gesicht, auch wenn mein Herz anders spricht. Es ist das Lächeln einer Prinzessin, die gelernt hat, ihre eigenen Gefühle zu verbergen, weil es niemanden gibt, der sie wirklich sieht.
Ich stehe vor dem Spiegel und betrachte mich in dem weinroten Kleid, das mich wie eine Fremde aussehen lässt. Jeder Stofffaltenwurf, jede Locke in meinem Haar scheint perfekt arrangiert, und doch fühle ich mich innerlich zerrissen. Heute soll der wichtigste Tag in meinem Leben sein – ein Tag, der darüber entscheidet, ob ich endlich etwas mehr Freiheit zurückerlangen werde. Die Hoffnung, die sich daran knüpft, kämpft gegen die erdrückende Furcht, die mich nicht loslässt. Ein kleiner Fehler, und alles könnte vergebens sein.
Die Erinnerung an die schwebende Gestalt, die ich gestern gesehen habe, taucht plötzlich wieder in meinen Gedanken auf. Zunächst hatte ich sie für einen flüchtigen Schatten gehalten, etwas Unwichtiges inmitten all des Chaos. Doch je länger ich darüber nachdenke, desto mehr wächst in mir das Gefühl, dass sie nicht zufällig erschienen ist. Wer auch immer sie war, es scheint, als hätte diese mysteriöse Person eine Verbindung zu dem Unwetter – und zu mir. Die seltsame Stimme, die ich hörte, muss zu ihr gehören.
Obwohl der heutige Tag so entscheidend für mein Schicksal sein könnte, liegt eine unsichtbare Schwere über mir. Auf der einen Seite ist Königin Mayyira, die darauf lauert, mich in irgendeiner Weise zu Fall zu bringen. Ich weiß, dass sie jede Gelegenheit nutzen wird, um mich zu demütigen und meine Position im Palast zu schwächen. Auf der anderen Seite lauert die Ungewissheit dieser schwebenden Gestalt – eine unbekannte Bedrohung oder vielleicht sogar Hilfe, ich weiß es nicht.
Ich höre die Stimme einer Dienerin und schrecke aus meinen Gedanken auf. Sie teilt mir mit, dass ich nun bereit sei. Als ich ihr durch den Spiegel in die Augen sehe, bin ich für einen Moment überrascht. Es ist lange her, dass eine von ihnen so direkt mit mir gesprochen hat. Früher hätte ich das Schweigen nicht einmal bemerkt, doch heute spüre ich die Einsamkeit dieses stillen Lebens umso mehr. Und als ich das Lächeln, so winzig es auch sein mag, auf ihren Lippen sehe, wird mir warm ums Herz.
„Ihr habt wunderbare Arbeit geleistet”, sage ich aufrichtig und freue mich über den flüchtigen Ausdruck von Zufriedenheit auf ihren Gesichtern.
Für einen Moment vergesse ich die Last, die auf meinen Schultern liegt. Doch als die Dienerinnen sich verbeugen und den Raum verlassen, um mich zum Ballsaal zu begleiten, kehrt die Schwere zurück. Die Zeit drängt, und der Ball rückt näher.
Heute wird sich entscheiden, ob ich den Garten meiner Kindheit jemals wieder betreten darf – oder ob ich für immer in diesem goldenen Käfig verbleiben muss.
Als ich den Ballsaal betrete, umfängt mich sofort eine Atmosphäre aus Glanz und Eleganz. Der Raum ist erfüllt von Menschen, die alle in prächtigen Gewändern erscheinen und miteinander plaudern, lachen oder tanzen. Sie alle gehören dem Adel an, einflussreiche Persönlichkeiten, die meinem Vater und dem Königreich dienen. Doch keiner von ihnen nimmt wirklich Notiz von mir. Ich bin für sie unsichtbar, ein Schatten inmitten dieses glänzenden Schauspiels. Es ist seltsam, hier zu sein, an einem Ort, von dem ich bisher nur aus der Ferne träumen konnte.
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Meine Augen wandern über den Saal, der von prunkvollen Kronleuchtern beleuchtet wird und in warmes, goldenes Licht getaucht ist. Jedes Detail scheint durchdacht: die kunstvollen Dekorationen, die reich gedeckten Tische, die delikaten Häppchen und exotischen Früchte. Es ist, als wäre jeder Winkel dieses Raums gestaltet worden, um zu beeindrucken, um zu zeigen, wie groß die Macht und der Reichtum meines Vaters sind.
Doch was mich am meisten fasziniert, ist die Bühne am Ende des Saales. Zwei Tische stehen auf einem hohen Podest, jeweils mit zwei Sesseln bestückt. Es ist klar, dass diese für die Königin und meinen Vater bestimmt sind. Und in mir steigt das unbestimmte Gefühl auf, dass auch ich bald dort oben Platz nehmen könnte – oder zumindest könnte, wenn alles heute nach Plan verläuft.
Während ich an den anderen Gästen vorbeigehe, lausche ich den Gesprächen, die sich um Reichtum, Besitz und Machtdemonstrationen drehen. Ein Mann erzählt lachend von seiner Frau, die hinter seinem Rücken teure Goldketten gekauft hat, obwohl sie bereits ein Dutzend besitzt. Sein Gesprächspartner lacht darüber, und obwohl ich die Szene ein wenig absurd finde, zaubert es auch mir ein kleines Lächeln ins Gesicht. Diese Gespräche sind oberflächlich, doch sie zeigen mir, wie leicht diese Menschen mit ihrem Luxus und ihrer Macht umgehen. Für sie ist alles ein Spiel – eins, bei dem ich nur allzu gut weiß, dass es viele Verlierer gibt.
Der Duft von Wein und frischen Früchten erfüllt die Luft, und die klassische Musik des Orchesters, das nur für besondere Anlässe und bloß in Auftrag des Königs spielt, trägt dazu bei, die festliche Stimmung zu unterstreichen. All das erinnert mich daran, wie isoliert ich bisher gelebt habe. Nie zuvor durfte ich an diesen Feierlichkeiten teilnehmen, nie war ich Teil dieses illustren Kreises. Bis heute war ich immer nur die Prinzessin, die aus der Ferne lauschen durfte, den Kopf weit aus dem Fenster gestreckt, um wenigstens ein Stück der ausgelassenen Stimmung zu erhaschen.
Doch heute ist anders. Heute bin ich hier, mitten in diesem prachtvollen Saal, umgeben von den einflussreichsten Personen des Königreichs. Und sie sind alle wegen mir hier. Ein Teil von mir fühlt sich stolz, aber gleichzeitig liegt eine schwere Last auf meinen Schultern. Ich weiß, dass dieser Abend darüber entscheiden wird, ob ich jemals wieder die Freiheit verspüren darf, die ich in den Gärten meiner Kindheit gefunden habe. Alles hängt von diesem Moment ab – von meiner Fähigkeit, die Erwartungen zu erfüllen, die mein Vater und die Königin an mich stellen.
„Atemberaubend,” höre ich eine tiefe, männliche Stimme hinter mir, was mich dazu bringt, mich abrupt umzudrehen. Vor mir steht ein gutaussehender junger Mann, dessen Erscheinung darauf schließen lässt, dass er ein paar Jahre älter ist als ich. Seine schulterlangen, blonden Haare fallen locker über seine Schultern, und seine neugierig funkelnden, braunen Augen mustern mich aufmerksam.
Er hebt beschwichtigend die Hände, ein Lächeln auf den Lippen. „Verzeih, ich wollte dich nicht erschrecken. Es ist nur... dein Kleid sticht wirklich ins Auge.”
Verwirrt blicke ich mich um und bemerke, dass ich tatsächlich die Einzige bin, die ein rotes Kleid trägt.
„Und noch etwas”, fährt er fort, seine Stimme nun bewundernd, „Du bist die erste Person, die ich jemals mit weißen Haaren gesehen habe. Zu welcher Familie gehörst du?”
Zu welcher... Familie? Er hat keine Ahnung, dass er gerade mit der Prinzessin des Königreiches spricht! Wie auch? Bis vor kurzem dachten alle, ich wäre tot. Außerdem habe ich keines der auffälligen Merkmale meines Vaters geerbt – er hat dunkelbraunes Haar, während meine Haare so hell sind wie Schnee.
„Wir sind eine eher unbekannte Familie,” lüge ich und hoffe, dass er meine Unsicherheit nicht bemerkt. „Mein Vater wurde erst kürzlich zum Lord ernannt. Es wird sicher noch einige Tage dauern, bis es sich herumgesprochen hat.”
„Ah, das erklärt, warum mir dein Gesicht unbekannt ist,” folgert er schnell. „Ich heiße übrigens Sylas, Sohn von Lord Velqorin.”
Lord Velqorin? Der Lord Velqorin? Der Mann, der angeblich allein eine Armee bezwungen und meinem Vater den Kopf ihres Anführers gebracht hat? Dass dieser berüchtigte Krieger heute hier ist, sollte mich nicht überraschen. Er gehört jetzt zu den engsten Vertrauten meines Vaters.
Sylas reicht mir die Hand, und ich ergreife sie zögernd. „Ves”, sage ich. „Tochter von Lord Varus.”
„Lord Varus?” Er runzelt die Stirn, als wäre ihm der Name fremd. „Es würde mich wirklich interessieren, warum dein Vater zum Lord ernannt wurde.”
„Das weiß ich leider nicht”, antworte ich mit unschuldiger Miene. „Mein Vater will mich von all diesen grausamen Geschichten fernhalten.”
Verständnisvoll nickt Sylas. „Er muss ein ehrenhafter Mann sein. Ich würde ihn sehr gerne einmal treffen.”
Treffen? Du kennst mich gerade einmal seit ein paar Minuten, und schon willst du meinen erfundenen Vater kennenlernen? Wie kommt er nur auf diese Idee?
„Wo sind deine Eltern?” fragt er dann und schaut sich im Ballsaal um.
Es ist natürlich unmöglich, dass er in dieser Menge meine nicht existierenden Eltern finden wird, aber ich muss mir schnell eine weitere Lüge einfallen lassen.
„Meine Mutter ist leider verstorben”, sage ich und spüre den echten Schmerz in meinen Worten, den ich nicht einmal verbergen muss.
„Das tut mir leid!“, entschuldigt sich Sylas schnell, sichtlich peinlich berührt. „Ich hätte nicht so unüberlegt fragen sollen. Vor allem nicht, wenn du hier allein stehst. Alle anderen Töchter sind doch bei ihren Müttern. Verzeih.”
Ich winke ab, schenke ihm ein Lächeln und versuche, die aufkommende Beklommenheit zu vertreiben. „Es ist schon ein paar Jahre her. Inzwischen kann ich mit dem Schmerz besser umgehen. Was meinen Vater betrifft, er ist sicher hier irgendwo. Er musste ein wichtiges Gespräch führen und hat mich gebeten, hier zu warten.”
Sylas legt nachdenklich die Hand hinter sein Ohr, während er der Musik lauscht, die durch den Saal schwebt. Dann blickt er mich mit einem Lächeln an und deutet in Richtung Tanzfläche. „Darf ich dich um einen Tanz bitten?”
Mein Herz beginnt schneller zu schlagen, und eine seltsame Hitze breitet sich in meinem Körper aus. Er reicht mir erneut die Hand, doch dieses Mal ist seine Haltung geradezu vornehm, sein Lächeln einladend und charmant. Unsere Blicke treffen sich, und es fühlt sich an, als hätte die Zeit aufgehört zu existieren. Ist das dieses Gefühl, von dem alle sprechen? Verliebt zu sein?
Ohne ein Wort zu verlieren, lege ich meine Hand in seine, und er führt mich sanft zur Mitte des Saals, wo bereits zahlreiche Paare im Takt der Musik tanzen. Doch während wir uns in den Reigen einreihen, kann ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass alle Augen auf mir ruhen. Trotz der Blicke gelingt es mir nicht, den Blick von Sylas abzuwenden. Meine Knie fühlen sich plötzlich weich an, und in meinem Bauch beginnt ein aufregendes Kribbeln. Es ist, als würde die ganze Welt um uns herum verblassen.
„Du bist ziemlich gut darin”, sagt Sylas plötzlich, seine Stimme weich und voller Überraschung. Mein Herz macht einen kleinen Sprung. „Normalerweise führt der Junge, aber gerade lasse ich mich von dir führen.”
„Ich genieße einfach die Musik und meine Füße machen den Rest”, gebe ich zu und lächle nervös.
Er sieht mich an, offensichtlich beeindruckt, aber ich weiß, dass Männer es oft nicht mögen, wenn eine Frau die Kontrolle übernimmt.
Doch bevor ich den Gedanken weiter verfolgen kann, erwidert er gelassen: „Das ist schon in Ordnung. Wenn du besser tanzen kannst, solltest du auch führen.” Ein leises Lachen begleitet seine Worte. „Du bist ein sehr interessantes Mädchen, Ves.”
Es sind nicht nur seine Worte, die mein Herz schneller schlagen lassen, sondern dieses charmante Lächeln, das so mühelos seinen ganzen Ausdruck erhellt. Alles an ihm – seine Stimme, seine Präsenz – fühlt sich vertraut an, obwohl wir uns erst heute begegnet sind. Ist das... Liebe?
„Ihr scheint Euch gut zu amüsieren”, durchbricht plötzlich eine allzu vertraute Stimme den Moment. Ich blicke auf und sehe direkt in das Gesicht von Königin Mayyira. „Prinzessin Vespera, Ihr habt wohl eine amüsante Gesellschaft gefunden.”
„Prinzessin?” Sylas wiederholt das Wort leise, seine Augen weiten sich, als die Erkenntnis in ihm einsinkt.
Sofort lässt er meine Hand los und kniet sich nieder. Die Menschen um uns herum haben innegehalten, und ich spüre die neugierigen Blicke auf uns.
Die Königin verschränkt die Arme vor der Brust und spricht mit kühler Autorität: „Euer Vater erwartet Euch, Lord Velqorin.”
Er erhebt sich schnell, verneigt sich vor der Königin und wirft mir einen letzten, bedauernden Blick zu, bevor er in der Menge verschwindet. Die Wärme, die mich bis eben noch umhüllt hatte, weicht mit seinem Abschied, als wäre sie nie da gewesen.
Die Königin schnipst mit den Fingern, und ein kleiner Mann tritt an ihre Seite. In seinem schwarzen Anzug und den weißen Handschuhen wirkt er wie ein Diener, doch er gehört nicht zu unserem Gefolge. Wer ist das?
„Diener, bringe die Prinzessin zu Lord Louweris, unserem wichtigen Gast”, befiehlt Königin Mayyira mit autoritärer Stimme.
Lord Louweris? Wer könnte das sein? Ein weiterer Lord, wie Sylas? Hat sie meinen Tanzpartner weggeschickt, um mich mit jemand anderem zusammenzubringen? Wer ist dieser Lord Louweris?
Der Diener verbeugt sich und geleitet mich durch die Menge. Meine Augen suchen verzweifelt nach Lord Velqorin, der meinen Abend so besonders gemacht hat und mir immer in Erinnerung bleiben wird. Doch ich kann ihn nicht finden und gebe schließlich auf.
Der Diener bleibt vor einer Tür stehen, die in einer dunklen Ecke des Saales verborgen ist, und öffnet sie mir. Als ich eintrete, fällt die Tür hinter mir ins Schloss und lässt ein leises Geräusch ertönen, das mich erschreckt.
„Prinzessin Vespera”, spricht ein Mann am anderen Ende des Raumes und erhebt sich. „Ich habe bereits auf Euch gewartet.”
„Lord Louweris?“, frage ich verwirrt, denn ich hatte einen Jungen in meinem Alter erwartet. „Königin Mayyira sagte, dass Ihr mich sprechen wollt?”
„In der Tat”, antwortet der Mann, der im Alter meines Vaters sein muss. „Ich wollte Euch vorher persönlich kennenlernen.”
„Vorher?“, wiederhole ich, während ich versuche, seine Absicht zu erfassen. „Wie meint Ihr das, Lord Louweris?”
Der Mann tritt näher, und da hinter mir die Tür ist, kann ich nicht zurückweichen. Seine Präsenz ist bedrohlich, und ein Zittern ergreift meine Knie. Er streicht mir durch das Haar und legt seine Hand sanft an meine Wange.
„Unsere Eheschließung, Prinzessin Vespera”, enthüllt er mit einem zufriedenen Lächeln. „Ab heute werdet Ihr Lady Louweris sein.”