Ein paar Stunden später stolperte Chrysalis missmutig durch den stockfinsteren Wald. Sie sah die sprichwörtliche Hand vor Augen nicht.
Dunkle Wolken jagten über den nachtblauen Himmel hinweg und verdeckten die silberne Scheibe des fast vollen Mondes die meiste Zeit, das restliche Licht schluckte das dichte Blätterdach.
Was war das nur für eine Schnapsidee! Sie hätte sich nicht darauf einlassen sollen, so überstürzt aufzubrechen, nur um ausgerechnet an Beltane nach einem Stück Holz zu suchen.
Schließlich kam Chrysalis der Gedanke, einen magischen Leuchtglobus zu erschaffen und damit ihren Weg zu erhellen. Mit einer gewissen Genugtuung malte sie sich aus, dass dies sicherlich nicht Cedriks Billigung fände. Aber so stieß sie sich nicht mehr an jeder einzelnen Baumwurzel die Zehen.
Zu allem Überfluss fing es auch noch an zu regnen. Die ersten dicken Tropfen fing das Blätterdach auf, aber schon bald prasselte eine wahre Sturzflut herunter und durchnässte alles.
Zum Glück hatte Chrysalis endlich ihr Ziel erreicht, einen alten Pavillon, dessen löchriges Dach einen Großteil des unsäglichen Regens abhielt. Sie suchte eine halbwegs trockene Stelle und richtete sich für eine lange und ungemütliche Nacht ein.
Chrysalis wollte sich nicht vorwerfen lassen, sie hätte nicht alles in ihrer Macht stehende unternommen. Sie baute aus Holzspänen eine Pyramide und versuchte, mithilfe des verbotenerweise mitgebrachten Zunders, Feuerstein und Flint ein Feuer in Gang zu bringen.
Ohne Erfolg. Ihre Anzündhilfe war genau wie das im Pavillon gelagerte Holz ein Opfer des Wolkenbruchs geworden und durch und durch feucht.
Nach etlichen vergeblichen Versuchen gab Chrysalis ihre Bemühungen auf und lutschte frustriert an ihren zerschundenen Fingerkuppen. Sie war von sich selbst enttäuscht, üblicherweise konnte sie im Nu und trotz noch so widriger Umstände ein munteres Feuer in Gang setzen.
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Fluchend richtete sie sich auf und rieb sich den schmerzenden Rücken. In diesem feuchtkalten Wetter spürte sie wie immer ihr wahres Alter. Sie hatte so langsam die Nase gründlich voll von dieser unsinnigen Unternehmung. In der Vergangenheit hatte Chrysalis oft genug im Wald Zuflucht suchen müssen vor den Übergriffen einer aufgebrachten Meute. Stets hatte sie sich in ihr Schicksal gefügt und war auch gut mit dem Wenigen ausgekommen, was die Natur ihr zu bieten hatte.
Aber diese vermaledeite Suche nach einem ›passenden‹ Stab zur vermeintlichen Verbesserung ihrer ach so dürftigen magischen Fähigkeiten ging ihr gewaltig gegen den Strich, insbesondere weil sie sich ohne Not den Gefahren eines schweren Unwetters ausgesetzt hatte. Sie erwartete auch nicht, dass ein Stück Holz — und stammte es auch aus diesem altehrwürdigen Hain — in dieser Hinsicht viel bewirken würde.
Chrysalis sammelte kurzerhand ihre arkanen Energien und schleuderte wutentbrannt einen magischen Funken in die Feuerstelle. In ihrer Erregung war dieser weitaus mächtiger ausgefallen als beabsichtigt und das morsche Holz ging lichterloh in Flammen auf. Überrascht wich sie einige Schritte zurück.
Dabei verfing sich ihr Fuß in den herumliegenden Trümmern und Chrysalis geriet ins Straucheln. Sie stolperte, fiel mit wild rudernden Armen hinten über und hätte sich womöglich ernstlich verletzt, wäre da nicht ein rettendes Paar Hände aus den tanzenden Schatten gefahren und hätte ihren Sturz im letzten Augenblick abgefangen.