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Kapitel 21 • Aufbruch

Nach allzu kurzer Zeit wurde Dorran von seinem Pferdeknecht sanft wachgerüttelt. Dieser hatte ihn wie immer mit untrüglicher Sicherheit in seinem Versteck aufgespürt.

Verschlafen rieb sich Dorran die Augen und blinzelte geblendet zu seinem Begleiter auf. »Was willst du denn schon?« Er stöhnte gequält.

»Zeit zum Aufbruch!«, rief Tom fröhlich mit durchdringender Tenorstimme. Er sah dem Abenteuer einer neuerlichen Reise durch die berüchtigten Donnerberge gespannt entgegen.

»Nicht so laut! Ich musste gestern mit jedem einzelnen verdammten Meister der Händlergilde auf mein Wohl anstoßen.« Dorran hielt sich den schmerzenden Kopf.

»Ich stelle schon mal den Tross zusammen.« Tom schmunzelte und drückte Dorran eine Tasse frisch aufgebrühten Kaffees in die Hand. »Trinkt das. Es wird eure Lebensgeister wieder erwecken!«

Dankbar schlürfte Dorran das heiße Gebräu, hergestellt nach einer Geheimrezeptur seines Gefährten. Nach den ersten Schlucken war er sogar in der Lage, aufzustehen und hinüber zu den baufälligen Lagerhallen des Hauses Goldberg zu schlurfen. Die Bewegung tat zusammen mit dem Kaffee das ihre für das Wohlbefinden Dorrans. Er sah sich immerhin in der Lage, die Packlisten zu überprüfen, wenn auch nur der Form halber, da die Buchstaben vor seinen verquollenen Augen auf und ab tanzten und er die einzelnen Positionen kaum entziffern konnte.

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Damit zog er allerdings den Unmut Toms auf sich, der dies als persönliche Beleidigung oder zumindest als mangelndes Vertrauen in seine Fähigkeiten empfand. Also legte Dorran die Listen zur Seite und überließ es Tom, die Packtiere zu beladen .

Nach einer halben Stunde war die Karawane fertig zusammengestellt. Sie umfasste gerade einmal zehn Maultiere, beladen mit Papierpacken, und zwei ältliche Esel für den kargen Proviant. Tom und Dorran würden zu Fuß gehen, denn sämtliche Reitpferde waren von Dorrans Bruder Douglas verspielt worden.

Mittlerweile war es früher Vormittag und der Tag versprach frühsommerlich heiß zu werden. Dorran nahm die Zügel des Leittieres und setzte sich mit steifen Beinen in Richtung der Stadttore in Bewegung. Tom bildete mit den beiden Packeseln die Nachhut.

Unterwegs trafen sie auch noch auf eine Gruppe Zugbegleiter von einem der großen Handelshäuser, die eine Weile johlend nebenher liefen und sich hämische Witze über die Größe der Karawane zuriefen — nicht ganz zu Unrecht, da viele von ihnen schon mit mehr Tieren als Reserve unterwegs gewesen waren, als Dorran überhaupt sein Eigen nennen konnte. Dann waren endlich die Stadttore erreicht und das Spießruten laufen hatte ein Ende.

Die Straße wandte sich in einem lang gezogenen Rechtsbogen erst nach Osten der Sonne entgegen, dann nach Norden und überquerte auf einer mächtigen Steinbrücke den Fluss Tabor, der in einer weiten Schleife die Stadt auf drei Seiten umschloss. Wenig später erreichten sie die Kreuzung mit der Straße, die von den Hafenstädten im Westen heraufkam und nach Osten zu den Donnerbergen führte.

Dorran genoss die Weite der Landschaft, die nach Norden und Osten in langen Wellen den Bergen entgegen rollte, zunächst als Kulturland, das dann in die alten Wälder zu Füßen des Gebirges überging. Frohen Mutes schritt er aus, und mit den Stadtmauern am anderen Flussufer ließ er auch einen Großteil seiner Sorgen hinter sich.