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Kapitel 76: Teufelsfalter

Die Tür des unscheinbaren Ladens explodiert in einem Schauer von Holzsplittern. Meine Kollegen würden so eine Darbietung vermutlich als ein wenig zu dramatisch erachten. Hochrangige Magier haben es immerhin selten nötig, sich Aufmerksamkeit durch die Zerstörung von Eigentum zu verschaffen. Allerdings setzt das Wirken eines Zaubers den unmissverständlichen Grundton meines Besuches: “Verzeihen sie die Störung, aber ich habe ein wirklich dringendes Gespräch mit Herrn Kossak zu führen.” Die anwesenden Kunden nehmen unverzüglich die Beine in die Hand.

“Mir ist zu Ohren gekommen, dass sie ein neues Produkt namens Schwarzer Schmetterling vertreiben. Entspricht das der Wahrheit?”, frage ich in einem ruhigen Tonfall. Mein Auftreten hat Herrn Kossak sichtlich erschreckt. Allerdings scheint der Mann noch nicht so ganz den Ernst der Lage begriffen zu haben: “I-In der Tat Herr Pilkowski. Bisher hat jeder meiner Kunden das Produkt als sehr entspannend empfunden. Der Hersteller hat mir versichert, dass alle Inhaltsstoffe einhundertprozentig legal sind. Gleichzeitig ist die Einnahme mit praktisch keinen Nebenwirkungen verbunden. Zusätzlich sind-” “Herr Kossack!", fahre ich ihn an. “Ihre Naivität hat sehr wahrscheinlich das Leben dutzender Leute gekostet! In wenigen Minuten wird das Ermittlungsteam des Barons hier eintreffen. Man könnte sie möglicherweise bereits schon morgen öffentlich hinrichten.” Der Händler wird schlagartig bleich wie ein Geist. “Alleine ihretwillen sollten sie also unverzüglich jeden Tropfen dieses Gebräus zusammensuchen und anschließend vollumfänglich mit den Behörden kooperieren. Andernfalls sieht ihre Zukunft nicht besonders rosig aus.”

Zehn Minuten später trifft Carlos mit seinem Gefolge ein. Im Gegensatz zu unserem letzten Treffen ist der Vertreter des Barons bereits nach wenigen Sätzen sehr interessiert an meinen Entdeckungen. Auch Herr Kossak zeigt sich äußerst gesprächsbereit. Dank ihm gelingt es den Wachen, in den nächsten Stunden vier weitere Händler aufzuspüren, welche die neue Droge ebenfalls in ihrem Sortiment haben. Für die offiziellen Stellen stehen nun erst einmal ein paar Verhöre, sowie etliche Hausbesuche bei den Käufern an. Ich selbst bringe in der Zwischenzeit eine Probe der Mixtur zu einem Experten und lasse sie analysieren.

Zwei Tage später bestätigt mir der Rang 3 Alchemist schließlich meine Theorie. Während verschiedene andere Substanzen für einen euphorischen Rausch verantwortlich sind, erdet der Anteil an Schmetterlingsstaub des Teufelsfalters den Konsumenten gewissermaßen. Somit kann der Hersteller die Wirkung von harten Drogen erreichen, ohne sich gleichzeitig Gedanken über physische oder psychische Schäden seiner Kunden während des Rausches machen zu müssen. Was jedoch mit den Konsumenten sieben Tage nach der Einnahme passiert, scheint den Produzenten entweder nicht zu interessieren, es ihm egal, oder er nimmt es billigend in Kauf. Alle drei Optionen rücken den immer noch unbekannten Strippenzieher in ein verdammt schlechtes Licht.

Was ich ebenfalls noch nicht verstehe ist, wie Person X überhaupt an so eine Menge von Schmetterlingsstaub der Tiere kommt. Teufelsfalter sind nicht heimisch in Usenia. Ihre Nahrungsgrundlage ist der Nektar des Nachthimmelklees, welcher ausschließlich in Elementarfeldern der Finsternis wächst. Solche Felder lassen sich auch künstlich erzeugen. Der Prozess an sich ist tatsächlich recht simpel. Selbst ein Rang 2 könnte so etwas theoretisch bewerkstelligen. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, das Feld am Laufen zu halten. Ein kleiner Fehler kann bei so einer komplexen Angelegenheit bereits ausreichen und man verwandelt sich und seine unmittelbare Umgebung in ein Häufchen Asche. Alleine die Kosten für so ein Unterfangen sind enorm. Je größer das elementare Feld, desto teurer und instabiler wird das Ganze. Für eine handvoll Teufelsfalter wird man mindestens die Größe eines durchschnittlichen Wohnzimmers bereitstellen müssen. Selbst wenn jeder zweite Bürger von Turbingen diese Droge gekauft hätte, würde der Erlös nicht mal ansatzweise die Kosten decken. Wieso man sich also so viel Arbeit für so wenig Ertrag macht, erschließt sich mir noch nicht.

Teufelsfalter zählen zu den wenigen friedlichen Kreaturen, welche die unnatürliche Dunkelheit ihr Zuhause nennen. Wenn man also mit den Möglichkeiten von Elementarfeldern der Finsternis experimentieren möchte, sind sie keine schlechte Wahl. Trotzdem sind die Tiere alles andere als wehrlos. Ihre Flügel sind mit einer Glitterschicht überzogen. Sollte man damit in Berührung kommen hat man schlechte Karten. Der Schmetterlingsstaub dringt in die Haut ein, verteilt sich rasch im Körper und absorbiert dunkles Mana aus der Umgebung. Ohne eine vierstellige Anzahl an Punkten in Wahrnehmung oder spezifischen Fertigkeiten gegen solch ein Phänomen bekommt man davon erst etwas mit, wenn es bereits zu spät ist.

Die gebündelte Energie findet sich schließlich nach sieben Tagen im Oberkörper des Lebewesens zusammen und gibt diese im Bruchteil eines Wimpernschlags frei. Die dunkle Strahlung würde selbst die Innereien eines Rang 4 Frontkämpfers mühelos in Stücke reißen. Zurück bleiben nur noch einzelne, sichtbare Markierungen, welche die entweichende Strahlung in die Haut gebrannt hat. So gesehen ist es “glücklicherweise” ein schneller, schmerzloser Tod. Ein bestenfalls schwacher Trost für alle Hinterbliebenen. Das die Muster nun so deutlich und strukturiert auftreten, ist vermutlich ein ungewollter Nebeneffekt der Droge. Den Angehörigen muss es das Herz brechen, wenn sie ihre geliebten Menschen plötzlich so entstellt vorfinden. Solch ein Wahnsinn darf nicht ungestraft bleiben.

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An die Aussagen der beschuldigten Händler zu kommen erweist sich mithilfe von Teleportation als Kinderspiel. Alle fünf Personen geben an, dass eines Tages ein gewisser Herr Köhler auf sie zugekommen sei. Offenbar ist der Mann ebenfalls Händler und man hat in der Vergangenheit gute Geschäfte miteinander gemacht. Dieser hat ihnen dann von der Goldgrube erzählt, die der Schwarze Schmetterling seiner Meinung nach ist. Da Händler schlecht Nein zu Profiten sagen können, bedurfte es vermutlich keiner großen Überzeugungsarbeit. Ein paar Wochen später wurde die Ware in handlichen, unauffälligen Kisten geliefert und eifrig unter die Leute gebracht. Den Angaben der Händler zufolge lebt Herr Köhler in Torfbergen. Wenn ich es wirklich darauf anlege, dann kann ich den Wohnsitz des Barons Lester in etwas mehr als zwei Tagen erreichen.

Zurück an der Akademie packe ich umgehend meine Reisetasche, informiere im Anschluss die entscheidenden Leute über meine Abreise und breche unverzüglich auf.

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Über den Verlauf der letzten Tage hat sich die Stimmung in Torfbergen weiter zugespitzt. Das Auffinden von ein Dutzend weiteren Toten mit den seltsamen Markierungen auf dem Oberkörper lässt die Leute langsam nervös werden. Gleichzeitig brodelt es unter der Oberfläche zwischen den größeren Gilden gewaltig. Der Stellvertreter der Gilde des blauen Schildes hat sich für einen klaren Schnitt entschieden. Sämtliches Eigentum der Organisation soll veräußert werden. Konkret geht es dabei um das Gildenhaus, sowie eine kleine Schmiede für Waffen und eine größere Rüstungsschmiede. Vor allem Letztere ist ein Immobilie, die scheinbar niemand freiwillig der Konkurrenz überlassen möchte.

Das Höchstgebot für so eine voll ausgestattete Einrichtung in guter Lage und ausgezeichnetem Ruf hat die Lehmann-Gilde unterbreitet. Allerdings ist nicht jeder mit diesem Ergebnis zufrieden. Man droht nun den Verbündeten der Sira-Gilde unterschwellig mit verschiedenen Sabotageaktionen, falls der Kauf zustande kommt. Noch verhandeln die Parteien zwar miteinander, aber ob man eine für alle Seiten zufriedenstellende Einigung findet, bleibt fraglich.

Seine Konflikte innerhalb der Stadtmauern auszutragen, ist offensichtlich eine dumme Idee. Sowie der Baron davon Wind bekommt, wird er solche Reibereien schlagartig beenden und harte Strafen verteilen. Wenn danach immer noch nicht Ruhe ist, wird er die verantwortlichen Parteien zu einem Gildenkrieg auffordern. Eine Auseinandersetzung, welche entweder nur zwischen den Anführern einer Gilde oder allen Mitgliedern und Verbündeten dieser Gruppierungen ausgetragen wird. Woher ich das alles weiß? Weil ich bei allen offiziellen Treffen mit von der Partie war. Als Demonstration von Stärke, wie Marco es so schön formuliert hat. Persönlich empfinde ich die sich ständig im Kreis drehenden Diskussionen einfach nur noch ermüdend.

Eine halbe Stunde später endet auch das nächste Treffen ohne ein nennenswertes Ergebnis. Wie sich irgendjemand ernsthaft mit Politik beschäftigen kann, ist mir nach wie vor schleierhaft. Wenn das die restliche Woche so weitergeht, drehe ich langsam aber sicher durch.

Marco, Maria und ich verabschieden uns und treten den Rückweg zur Gilde an. Je näher wir jedoch unserem Zuhause kommen, desto finsterer wird die Miene des Bogenschützen: “Sieht so aus, als hätten wir einen ungebetenen Gast.” Auf unseren fragenden Blick schweigt er allerdings nur und legt einen Zahn zu.

“Warum hast du ihn reingelassen Kurt?”, fragt Marco leicht gereizt. Der Krieger hebt abwehrend die Hände: “Was hätte ich denn deiner Meinung nach machen sollen? Ihm mit meinem rostigen Keule drohen? Er hat sich nach Torben erkundigt. Ich habe ihm gesagt, dass ihr bei einer Versammlung seid. Er bestand darauf, im Hauptgebäude auf seine Rückkehr zu warten.”

Ich bin völlig perplex. Wer zur Hölle könnte denn etwas speziell von mir wollen? Marco seufzt laut: “Als hätten wir nicht schon genug Probleme.”

Wir treten ein und finden auffallend viele leere Bänke vor. Gleich neben dem Tresen sitzt ein Herr mit kurzem, ergrauten Haar und Vollbart. Seine dunkelblaue Robe ist reich verziert. Eine kurze Anwendung von Identifizieren bestätigt mir ebenfalls, dass die Person mindestens den dritten Rang innehat. Was mir jedoch wirklich zu denken gibt ist, dass sein Anblick mich buchstäblich blendet. Da die anderen nicht so aussehen, als würden sie gerade in einen besonders grellen Manabolzen schauen, hat es wahrscheinlich mit meinen besonderen Augen zu tun.

Viel Zeit darüber nachzudenken bleibt mir jedoch nicht. Der Herr hat uns bemerkt und schaut mit einem zufriedenen Lächeln von seiner Lektüre auf: “Das ging ja schneller als gedacht.” Statt der folgenden Konversation zu lauschen, bin ich voll und ganz damit beschäftigt, mich irgendwie an die neuen Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Mit einem Mal ist das Leuchten plötzlich weg. “Tut mir leid, ich hatte nicht damit gerechnet, auf jemanden zu treffen der Mana sehen kann .”

Ich erblicke einen hochgewachsenen offenkundigen Magier, welcher mich mit einem neugierigen Blick mustert: “Obwohl wir bereits einmal schriftlichen Kontakt hatten, möchte ich mich Ihnen noch einmal offiziell vorstellen. Mein Name ist Roman Pilkowski, gegenwärtiger Vizepräsident der Magierakademie von Turbingen. Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen, Herr Lang.”