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Kapitel 67: Zweibeiner

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Die Kolonie existiert schon seit vielen großen Zyklen an diesem Ort. Eine Entscheidung, für welche die erste Königin bis heute gepriesen wird. Hier finden wir genug Nahrung und zu trinken, das Erdreich lässt sich gut bearbeiten und bietet gleichzeitig die wichtige Wärme, welche für die Aufzucht der nächsten Generation von Nöten ist. Es ist der Ort, den wir stolz unser Zuhause nennen. Allerdings lassen unsere Feinde nichts unversucht, um uns diesen Platz wegzunehmen. Die Kämpfe im Schein der hell leuchtenden Kugel sind erbittert, die Schlachten im Untergrund schier endlos.

Unsere größte Errungenschaft ist der Bau des großen Archivs. Ein Ort, an dem die Fehlschläge und Erfolge unserer Vorfahren lagern. Ohne ihr Wissen könnten wir nicht gegen die unzähligen, kleinen Achtbeinigen, die unbeugsamen großen Achtbeinigen oder die vielseitigen Zweibeinigen bestehen. Viele Schlachten haben wir bisher gewonnen und jede weitere Generation bringt uns einen Schritt näher daran, unsere Feinde endgültig zu vernichten. Doch dann geschah vor etwa einem halben großen Zyklus etwas, mit dem keine meiner Schwestern gerechnet hat. Unsere Königin wurde von einer Krankheit heimgesucht!

Am Anfang fühlte sie sich nur ein wenig schlapp. Als jedoch aus den neuen Eiern immer weniger Larven schlüpften, begann sich langsam Panik unter meinen Schwestern auszubreiten. Die Bruthelferinnen haben die Königin tagelang massiert und ihr in wärmere oder kältere Kammern geholfen. Arbeiter haben jedes Blatt dreimal unter die Lupe genommen, bevor es an die Königin weitergereicht wurde. Jedes Ei erfuhr eine spezielle Behandlung, um dem nächsten Mitglied unserer Familie die bestmöglichen Chancen zu geben. Nichts hat geholfen. Von vielen neuen Larven aller drei kleinen Zyklen sind wir inzwischen bei vier mal fünf Jungameisen angelangt.

Viele Bruthelferinnen haben dem Druck nicht standhalten können und sind von uns gegangen. Von unserer über alles geliebte Königin ist nur noch ein Schatten ihrer selbst übrig. Ihre Pheromone sind schwach, ihr Appetit gering und die meiste Zeit verbringt sie im Torpor.

Gegenüber unseren Feinden haben wir uns dennoch bemüht, weiterhin Stärke zu demonstrieren. Vor allem die kleinen Achtbeinigen würden jedes Anzeichen von Schwäche sofort ausnutzen. Als jemand, welche die seltene Gabe des blauen Lichtes erhalten hat, sind meine Auswirkungen auf den Schlachtfeldern groß. Selbst die großen Achtbeinigen, sowie die Zweibeinigen müssen im Anblick meiner Fähigkeiten Vorsicht walten lassen. Allerdings können meine Schwestern des blauen und braunen Lichts nicht überall gleichzeitig sein. Viele geben täglich ihr Leben für den Fortbestand der Kolonie. Ohne einen ausreichend großen Nachschub an neuen Truppen werden wir jedoch unsere Stellungen bald nicht mehr halten können. Die daraus resultierende Erkenntnis war selbst für die hartnäckigste meiner Schwestern nicht von der Antenne zu weisen: Wenn wir die Gesundheit der Königin nicht über den Verlauf des großen Zyklus wiederherstellen können, wird die Kolonie untergehen.

Über das weitere Vorgehen herrschte jedoch selbst unter den Klügsten meiner Schwestern große Ratlosigkeit. Selbst das große Archiv wusste keine Antwort auf diese noch nie dagewesene Notlage. In unserer Verzweiflung versuchten wir schließlich, mit den Zweibeinern in Kontakt zu treten.

Im direkten Vergleich zu den Achtbeinigen wissen wir nur wenig über sie. Ein Fakt, welcher vor allem an ihrer außergewöhnlichen Diversität liegt. Jedes Individuum trägt zwar ebenfalls einen Panzer, aber die Größe, Form und Farbe variieren enorm. Aufzeichnungen zufolge wurden sogar dieselben Zweibeiner mit verschiedenen Panzern gesichtet. Ein Mysterium, das zahlreiche meiner Schwestern irritiert.

Die bevorzugte Waffe der Zweibeiner sind glänzende Stöcke, welche sie wahlweise mit einer oder beiden ihrer versetzten Vorderbeinen halten. Die Auswahl an verschiedenen Stockformen ist ebenfalls zahlreich und alle sind entgegen ihres Erscheinungsbildes sehr gefährlich. Hin und wieder bemerken wir auch Zweibeiner, die ebenfalls die Gabe der Lichter erhalten haben. Jede von diesen Kreaturen ist mindestens so gefährlich wie zehn große Achtbeinige zusammen. Alleine eine von ihnen auszulöschen wäre bereits ein enormer Sieg für die Kolonie. Ein Erfolg, welcher bis jetzt nur wenige Male dokumentiert worden ist.

Über die Zeit haben wir feststellen müssen, dass die Zweibeiner der gefährlichste unserer Feinde ist. Kein Angriff auf ihr Nest war bisher erfolgreich und selbst kleinere Erfolge können nur auf dem Rücken vieler Toter errungen werden.

Wir haben aber auch gelernt, dass ihr Ziel nicht die Zerstörung unseres Zuhauses ist. Es sind zwei schwere Niederlagen dokumentiert, welche es den Zweibeinern locker ermöglicht hätten, uns ein für alle Mal auszulöschen. Doch das haben sie nicht getan. Stattdessen sind mehrere Fälle bekannt, in denen sie uns im Kampf gegen die Achtbeinigen sogar geholfen haben. Die letzten großen Zyklen haben des Weiteren bewiesen, dass zumindest eine vorübergehende Form der weitestgehenden, friedlichen Koexistenz möglich ist.

Jedoch liefen unsere Versuche der Kontaktaufnahme ins Leere. Wir versuchten, uns ihnen so neutral wie nur möglich zu nähern, machten jedoch jedes Mal Bekanntschaft mit ihren glänzenden Stöcken. Es war ein schwerer Schlag für meine Schwestern und mich. Niemand in der Kolonie kann sagen, ob die Zweibeiner uns überhaupt helfen könnten. Selbst wenn das der Fall wäre, könnten wir sie kaum zu einer Zusammenarbeit zwingen. Wir wären ihrem Willen zu helfen vollständig ausgeliefert. Doch der was-wäre-wenn-Gedanke lastet schwer auf unseren Panzern.

Mit der Ankunft eines merkwürdigen Zweibeiners an den Grenzen unseres Zuhauses kommt plötzlich neues Leben in die Kolonie. Zunächst ist die Kreatur nur eine Randnotiz in den Berichten der Patrouillen. Ein ungewöhnliches, wenn auch recht belangloses Ereignis.

Mehrere kleine Zyklen später wird plötzlich ein möglicher Angriff von Seiten der Zweibeiner gemeldet. Der Konflikt ist zwar nur kurz, konnte aber ohne Verluste abgewehrt werden. Jedoch lässt der Bericht mehrere Antennen irritiert in die Luft schnellen. Der Eindringling war zuvor mit einem großen Stock in den Vorderbeinen gesichtet worden. Ein Anzeichen dafür, dass dieses Wesen die Gabe eines Lichtes erhalten hat. Diese furchteinflößenden Kreaturen nur in Begleitung von zwei weiteren seiner Art zu beobachten, ist höchst ungewöhnlich. Nach Angaben meiner Schwestern vor Ort, hatte die Gestalt bei ihrem Angriff jedoch keine Waffe dabei. Die beiden anderen Zweibeiner sind ihm schließlich zu Hilfe gekommen, haben jedoch den Soldatinnen nicht mal eine Schramme zugefügt. Wir entschieden uns infolgedessen, die Grenze stärker im Blick zu behalten.

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Im Rahmen des nächsten kleinen Zykluses wurde schließlich eine wohlriechende Substanz an derselben Stelle des vorherigen Angriffs ausgemacht. Eine Arbeiterin hat diese Anomalie entdeckt und konnte einer Kostprobe nicht widerstehen. Was normalerweise einen Tadel des Kollektivs nach sich ziehen würde, erwies sich als großer Segen. Die Substanz war äußerst schmackhaft und rief keine Nebenwirkungen hervor.

Im Laufe der nächsten kleinen Zyklen stellten wir fest, dass ein Zweibeiner mit einem großen Stock verantwortlich für den Fund war. Zu diesem Zeitpunkt hörte auch ich das erste Mal von der Existenz dieses merkwürdigen Zweibeiners. Die neue Nahrungsquelle steigerte die Moral meiner Familie enorm. Mit wiedererlangten Tatendrang gingen wir unseren Aufgaben nach. Erneut stand die Möglichkeit im Raum, mit den Zweibeinern in Verbindung zu treten. Jedoch konnte keiner meiner Schwestern vor Ort mit Sicherheit sagen, ob es sich bei dem Zweibeiner immer um dasselbe Individuum handelte. Eine Unsicherheit, welche dazu führte, dass viele von uns zunächst gegen die Aufnahme von Verhandlungen stimmten.

Die befürwortende Bewegung hatte jedoch schnell eine Lösung parat. Man präsentierte einen Stein, welcher mit der Nachricht “Freund?” gekennzeichnet war. Wenn also am darauffolgenden kleinen Zyklus ein Zweibeiner mit einem großen Stock und dem Stein zurückkehren würde, müsste es die gleiche Kreatur sein.

Die folgenden Zyklen bestätigten nicht nur die Identität des Zweibeiners, sondern stellten auch seine friedlichen Absichten sowie seine Bemühungen zur Kommunikation unter Beweis. Der fehlende Nachschub der süßen Substanz löste dennoch einige Unruhen aus. Es bedurfte der Ansprache einer unserer ältesten Mitglieder, um den Fokus wieder auf das Wesentliche zu lenken. Ein Zweibeiner ist zu uns gekommen mit einem Anliegen, welches er oder sie sehr wahrscheinlich in friedlicher Absicht erreichen möchte. Aufgrund mangelnder Alternativen wurde entschieden, diese Chance mit beiden Mandibeln zu ergreifen. Aufgrund meiner Gabe, sowie meines kühlen Kopfes wurde mir die Verantwortung der Operation “Rettet die Königin” anvertraut. Ohne übertreiben zu wollen, ist es die wahrscheinlich wichtigste Mission in der Geschichte der Kolonie. Es ist eine schwere Bürde, doch ich werde meine Schwestern nicht im Stich lassen!

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“Hey Torben.” “Ja Kurt?” “Es tut mir leid, dass ich dich in den letzten Tagen ausgelacht habe.” “Vergeben und vergessen”, erwidere ich. “Wolltest du nicht extra mit uns kommen, weil die Mission mal etwas anders ist?”, fragt Paul mit einer gespielten Verwunderung in der Stimme. “Nun ja, ich hatte dabei nur nicht…das erwartet”, wobei der Krieger in Richtung der Insekten zeigt.

Mir selbst geht es nicht viel anders. Immerhin bekommt man so einen Anblick nicht jeden Tag zu sehen. Obwohl die Biester uns relativ zuversichtlich in Stücke reißen könnten, kann man die hier versammelte Truppe bestenfalls als Vorhut bezeichnen. Ein richtiger Angriff würde einem wahren Teppich aus Chitin-Panzern gleichen.

Trotzdem ist es eigenartig, dass die Ameisen noch nicht mit einem Feuerball Bekanntschaft gemacht haben. Die Langstreckenwaffen des Camps sollten locker bis hierhin reichen. Entweder haben die Tiere also einen Weg gefunden der Ortung zu entgehen oder aber Camp 1 sieht eine fünf dutzend starke Gruppe nicht als ausreichende Bedrohung an. Ein Punkt, über den man später meiner Meinung nach dringend noch einmal reden sollte.

Mit meinem Zauberstab bewaffnet übertrete ich die Grenze. Statt Angst verspüre ich hauptsächlich eine gewisse Neugierde. Die Ameisen haben sich offensichtlich auf diesen Moment vorbereitet. Was genau erwarten die Waldbewohner wohl von mir, dass sogar ein Mitglied der Magierkaste zu diesem Treffen erscheint?

Während die restlichen Tiere wie Statuen verharren, kommt mir das spezielle Geschöpf zielstrebig näher und bleibt schließlich reichlich zehn Meter von mir entfernt stehen. Die Ameise beginnt einen Zauber zu wirken. Zwischen ihrer kurzen Antennen formt sich eine bläulich leuchtende Kugel. Was ich zuerst für einen ameisengerechten Manabolzen halte, entpuppt sich nach Abfeuern des Projektils als eine Art Strahlenzauber. Mit einem langen Schweif und der Geschwindigkeit eines Pfeils trifft die Fertigkeit einen Baum zu meiner Linken. Arkane Magie? Ich mustere kurz verwundert den kleinen Kerl und begebe mich danach seelenruhig zur Einschlagstelle.

Jop, wenn mich das trifft, bin ich aber sowas von Tod. Das etwa zwei faustgroße Loch hat glatt vier Bäume durchschlagen. Ich schaue zurück zum Übeltäter und schätze die Distanz auf etwa fünfzig Meter. Auch wenn die Wirkzeit von etwa elf Sekunden ziemlich lang ist, war das für eine Ameise mehr als nur ein wenig beeindruckend. Die Reputation der Magierameisen kommt offenbar nicht von ungefähr.

Zurück an meiner vorherigen Position demonstriert der kleine Racker zwei weitere Zauber. Der Erste beschwört drei Projektile von der Größe eines Kieselsteins, welche zu explodieren scheinen, wenn sie ein Ziel treffen. Die Fertigkeit kann zwar weder in Sachen Reichweite und Zerstörungskraft mit seinem Vorgänger mithalten, sorgt aber gewiss dennoch für hässliche Wunden.

Als nächstes erschafft die Ameise vor sich einen quadratischen Schild. Der Zauber ist gerade groß genug, sodass sich das Tier dahinter verstecken kann. Aus menschlicher Sicht für eine Rang 2 Kreatur nicht gerade berauschend. Aber wer weiß schon, wie diese Demonstration aus der Perspektive einer Ameise mit magischem Talent aussieht? Des Weiteren sollte man vermutlich nicht unbedingt mit Steinen werfen, wenn man selbst im Glashaus sitzt. Die Magierameise versucht eindeutig mich mit ihrem Können zu beeindrucken und das ist ihr bis hierhin auch durchaus gelungen.

Das Tier versucht nun, mir sein Schild entgegen zu strecken. Nachdem ich zunächst nicht reagiere, kommt sie ein paar Schritte näher und wiederholt die Geste. Möchte das Geschöpf wirklich herausfinden, ob es einem Angriff von mir standhalten kann? Eine Magierameise auf dem Gewissen zu haben, wäre für weitere Kommunikationsversuche nicht gerade von Vorteil. Jedoch scheint der Waldbewohner sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein. Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn ich nicht mit einer Entscheidung innerhalb der ersten zehn Minuten unseres Treffens bereits potenziell Alles aufs Spiel setzen müsste.