Elyon war nicht mehr im Bett, als Finan am nächsten Morgen aufwachte. Er nahm sich die Zeit, sich in Ruhe zu waschen und fand sie später in der Küche. Sie starrte mit gefurchten Augenbrauen auf eine dampfende Schale, die vor ihr auf dem Tisch stand. Dem Geruch nach zu urteilen, handelte es sich um Haferbrei.
»Guten Morgen, Vera«, sagte Finan zu dem Mädchen, das vor dem Herd stand und mit fünf großen kupferfarbenen große Töpfe hantierte. Das brodelnde Essen verströmte einen süßlich-sauren Geruch.
Vera drehte sich kurz um und strahlte ihn mit ihren blauen Augen an. »Guten Morgen! Du hast gerade die ganze Bande verpasst, sie sind bereits losgezogen, um sich um die Tiere und die Gewächshäuser zu kümmern.«
Finan hatte keinen blassen Schimmer, wer mit der Bande gemeint oder was ein Gewächshaus war, und es war ihm egal, denn Finan hatte immer noch nicht die Müdigkeit vom Vortag abgeschüttelt. Er setzte sich Elyon gegenüber hin und verkniff sich ein amüsiertes Grinsen, da sie den Brei immer noch finster anstarrte.
»Wir haben noch trockenes Fleisch übrig, du kannst mir deinen Brei geben und ich esse ihn auf«, sagte Finan in der Kaisersprache.
Elyon schob ihm schweigend die Schüssel hin.
Vera drehte sich gerade zu ihnen um, als Finan die Schüssel an sich nahm und sie begutachtete. Er konnte nicht anders, als das glatte weiße Material zu bewundern, aus dem sie gemacht war und die filigranen roten und gelben Blüten, die an vier Stellen wie ein Kompass gemalt worden waren.
»Oh, will Elyon nichts frühstücken?«, fragte sie besorgt.
»Nein, sie ist ... nun ... sie hat ganz bestimmte Essgewohnheiten. Ich gebe ihr später etwas.«
Vera legte den Kopf beiseite und beobachtete Elyon fragend, doch am Ende sagte das blonde Mädchen nichts, sondern wandte sich Finan zu.
»Was kann ich dir sonst bringen? Möchtest du etwas eingelegtes Obst zu deinem Brei haben? Eine Tasse Kräutertee oder Kaffee?«
»Ich nehme gerne etwas Tee.« Janne hatte ihnen in der letzten Stadt, die sie besucht hatten, eine Tasse Kaffee gekauft. Finan mochte den Geruch, doch der Trunk schmeckte leider nicht, wie er roch. Elyon hatte einmal daran gerochen und hatte sich angewidert abgewandt. Sie war sehr stur, wenn es um Essen geht, aber nur, wenn es auch Auswahl gab. Draußen in der Wildnis legte sie ihre seltsamen Vorlieben ab und aß protestlos das, was man ihr gab.
Als Finan gerade sein Frühstück beendete, ging die Tür auf die nur wenige Schritte von dem Herd entfernt war und ein kalter Windzug blies durch den Raum. Normalerweise hasste Finan jegliche Kälte, die seine Wärme unterbrach, doch die Luft war so stickig und warm in der Küche, dass der frische Luftzug eine angenehme Abwechslung war. Janne klopfte sich den Schnee von den Stiefeln ab und trat in die Küche ein.
»Woah, hier ist es angenehm warm. Guten Morgen, allerseits, seid ihr bereit für euer Treffen mit den obersten Wächtern?«Finan bemerkte, wie Vera leise seine Begrüßung erwiderte und ihre Wangen sich rot färbten. Doch Janne schenkte ihr im Gegenzug kaum Beachtung. Finan stand auf und brachte seine Schüssel und Tasse zur Spüle. Er war kein Freund von Liebestuereien, da er selbst kein Interesse hatte, jemals mit irgendjemanden so eine Beziehung einzugehen.
»Wir sind gleich so weit. Ich muss Elyon nur beim Anziehen helfen.«Finan dachte leicht verbittert an die schäbige Kleidung, die er anhatte. Zumindest war sie sehr schäbig, verglichen mit den feinen Jacken und Mäntel, welche er an Janne und die anderen Wächter gesehen hatte. Sie sahen fast samtig aus und die Farben leuchteten fast in dem unendlich weißen Hintergrund, wenn sie draußen unterwegs waren.
Finan schüttelte die Gedanken ab und half Elyon mit ihren Jacken und Stiefeln, ehe er sich selbst gegen die Kälte wappnete. Als sie mit Janne hinaus in den Hof traten, wartete Jesko bereits auf sie. Sobald sie in Sicht kamen, tapste sein Ziehonkel mit tänzelnden Schritten auf sie zu und holte sich von Elyon Liebkosungen ab.
»Danke, dass du mich völlig ignorierst, Jesko. Du hast mich zwar nur großgezogen, aber gut.« Finan drehte dem Drachen den Rücken zu und folgte Janne. Der Drache winselte hinter ihm, doch statt Jesko Aufmerksamkeit zu schenken, betrachtete Finan den Hof.
Links und rechts standen sporadisch ein paar kleine Nadelbäume und Lampen, die fast so weiß waren wie der riesige Palast hinter ihnen. Wieder sah man kaum Verzierungen, doch jemand hatte sich viel Mühe gegeben, den einfachen Straßenlaternen eine vollendete Form zu geben. Glatt und spitz wie Eis. Allgemein schien dies die Hauptidee hinter der Gestaltung von der ganzen Architektur zu sein. Als hätte die Natur selbst alles aus Eis und Schnee gebaut. Nichts schrie nach Aufmerksamkeit, jeder Baum, jede Lampe, jeder Zaun, jede Mauer spielten zusammen, um der ganzen Umgebung ihre elegante Ausstrahlung zu geben. Finan entdeckte noch nicht einmal eine Statue oder ein Brunnen. Als wäre alles, was nach durch Menschenhand gemacht aussah, nicht willkommen.
Es war nicht Finans Geschmack, doch er gab zu, dass die Umgebung eine eigenartige, unabhängige Schönheit besaß.
Der Sandweg traf auf Pflasterstein und sie kehrten zurück zum Eingangshof, den sie gestern betreten hatten. Und genau wie gestern begrüßte sie die Gruppe von älteren Herren und Damen.
»Guten Morgen! Ihr seht heute schon viel ausgeschlafener aus!«, rief eine muntere ältere Dame, die zwei Köpfe kleiner war als Finan und einen wunderschönen, dicken, samtenen Mantel in einem so tiefleuchtenden Blau trug, dass es aussah, als hätten sie den Stoff aus dem Himmel gewebt.
»Wir sind die Achterwächter, eine achtköpfige Gruppe aus sehr alten, aber noch recht munteren Wächtern, die es irgendwie geschafft haben, genug Weisheit zusammenzusammeln, um unsere geliebte Stadt zu hüten und anzuweisen. Mein Name ist Ida.«
Nach und nach stellten sich alle vor, doch aus irgendeinem Grund blieb Finan nur der Name der ersten kleinen Dame im Kopf hängen. Vielleicht weil sie leuchtend rote Roben trug, die genauso feurig wirkten wie der Funke in ihren Augen. Hinter der Gruppe stand eine weitere Frau, um einige Jahre jünger, doch eindeutig älter als Finan. Ihr bodenlanger schwarzer Umhang betonte die dunkeln Ringe um ihre Augen. Sie hatte eine riesige schwarze Bommelmütze auf dem Kopf und rieb mit zusammengepressten Lippen die in schwarzen Fäustlingen gekleideten Händen ineinander. Ihre Augen waren dabei die ganze Zeit auf Jesko gerichtet und sie murmelte leise etwas in sich hinein.
»Dies ist Heidrun«, erklärte Ida und hielt die Hand in Richtung der nervösen Frau hin. »Liebes, alles in Ordnung? Wir können auch jemand anderen rufen.«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Passt schon. Er ist nicht aggressiv, sein Blick ist nicht leer. Nicht leer, nicht wie die anderen. Er ist fein. Ganz freundlich. Aber es ist furchtbar, ja wirklich furchtbar. Gefangen in Schatten, ich hoffe, er wird nicht völlig eingenommen, aber wer weiß, kaum jemand kann jemals den Schatten widerstehen«, murmelte Heidrun.
Zum Glück hatte Finan bereits einige seltsame Adlige in seinem Leben getroffen, oder er hätte seinen Gesichtsausdruck verloren. Elyon starrte sie neugierig an, zeigte jedoch keine Abscheu oder Nervosität.
»Heidrun ist eine unserer besten Gelehrten, wenn es um Schattenkorruption geht, sowie korrupten Gaben.«
Da die anderen keine Abscheu oder Zweifel in ihren Blick zeigten und ihre Gesichter eher vor Bewunderung leuchteten, ahnte Finan, dass diese ulkige Frau wahrscheinlich so etwas wie ein Genie war.
Heidrun trat näher an Jesko heran, der neugierig seinen Kopf zu ihr beugte. Vorsichtig streckte sie ihre zitternde Hand aus und der Drache schnupperte daran.
Sie stieß ein heiseres, leises Lachen. »Unglaublich. Ich kann es kaum fassen. Ich fasse zum ersten Mal eine Schattenkorruption an. Was für ein seltsames Gefühl«, murmelte sie, während ihre Fingerspitzen Jeskos Kinn berührten. Dann riss sie die Augen auf und drehte sich abrupt zu Elyon um. »Du.« Sie zeigte mit dem Finger auf die Prinzessin. »Ihr seid verbunden. Faszinierend. Aber die Korruption riecht so alt, hat sie was mit deinen Vorfahren zu tun?«
Die Frau wandte sich von Jesko ab und stellte sich direkt vor Elyon hin und beobachtete sie von Kopf bis Fuß, als wäre sie ein ausgestorbenes, ausgestopftes Tier.
Elyon nickte nur auf ihre Antwort und starrte ihr finster entgegen.
»Hm«, machte die ulkige Frau nur und rieb sich mit dem Daumen das Kinn.
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»Heidrun, kannst du ihm helfen?«, fragte einer der älteren Herren, der einen dunkelgrünen Mantel trug.
»Ich brauche mehr Zeit, um ihn zu untersuchen. Darf ich?«, fragte die Dame mit leuchtenden Augen.
Finan tauschte einen Blick mit Elyon aus. Ihr Gesichtsausdruck sah genauso misstrauisch aus, wie Finan sich fühlte. Doch sie hatte eigentlich keine andere Wahl, als den Wächtern hier in Gerwenen zu vertrauen und Jesko ihrer Obhut zu übergeben.
»Einverstanden«, sagte Finan schließlich. »Benimm dich, Onkel.«
Jesko schnaufte spielerisch, dann begleitete er die Frau vom Hof.
»Lasst uns hineingehen. Wir werden als Nächstes eure Gaben untersuchen lassen, falls ihr damit einverstanden seid«, erklärte Ida.
Elyon und Finan nickten nur und folgten den Herrschaften und Janne zum Haupteingang, eine metallene Tür, die bläulich in der Wintersonne schimmerte. Hier entdeckte Finan wieder die wellenartige Muster des Landes. Diese waren jedoch nur in der Mitte der zwei Flügeltüren konzentriert, als würden sie versuchen, den restlichen Weißraum in sich hinein zu saugen. Zwei Wachmänner, einer in roten und der andere in blauer Uniform gekleidet, öffnete ihnen die Türen. Anders als die alten Wächter trugen sie keine langen Umhänge oder Mäntel, die fast bis zum Boden reichten, sondern dicke Jacken, die bis zu den Knien reichten. Ihre Stiefel waren von innen mit Fell belegt, das oben an der Krempe heraussah. Finan fragte sich, was die vielen Farben bedeuteten, doch er vermutete stark, dass es vielleicht etwas mit diesen Gaben zu tun hatte.
Elyon klammerte sich an seinem Arm fest. Ihr Griff war fester als sonst. Doch als er ihr Gesicht betrachtete, sah es genau so ernst und düster aus wie eh und je. Trotzdem hatte Finan das Gefühl, dass sie nervös war. Er sah sich um, sie wurden von Dienern in weißen Roben begrüßt, die ihnen ihre Mäntel abnahmen. Die Eingangshalle setzte den Einrichtungsstil fort, den auch das Gebäude ausstrahlte. Alles Nötige war da und geschmackvoll platziert, doch statt die Wände mit Gemälden, Tapeten und anderen Verzierungen voll zu stopfen, waren alte Schriften aufgehängt, hier und da sah man einen Teppich auf dem Boden, wieder mit den Wellenmustern und fast alle in Grau und Blautönen gehalten, was der Eingangshalle eine ruhige Atmosphäre verlieh. Er suchte nach irgendwelchen Gefahren, die Elyon vielleicht aufgespürt hatte, doch er konnte nichts feststellen.
Man führte sie eine Wendeltreppe hinauf, die aus weißem Marmor bestand. Finan stahl immer wieder kurze Blicke auf das Gestein, während er gleichzeitig auf Elyon achtete. Er schaffte es gerade noch daran zu denken, ihr die letzten Stufenzahl vorzusagen, damit sie nicht stolperte, weil der Marmor so schön aussah.
Am Ende gingen sie nach links, durch eine hohe offene Tür. Dahinter lag ein riesiges Arbeitszimmer. Statt weiße Wände, war dieses mit hellem Holz gekleidet. Links von ihnen fiel durch eine breite Fensterfront viel Licht in den Raum, der die vielen breiten Schreibtische und Bücherregale beleuchtete.
Ein paar der Tische wurden von Männern und Frauen benutzt, die eifrig über verschiedene Dokumente gebeugt saßen. Einer von ihnen sah von einem Buch auf und rückte seine Brille auf der Nase zurecht.
»Meine Obrigkeiten! Willkommen! Sind das die Besucher aus dem Verbotenem Osten?«, fragte der hellblonde Mann.
Ein Raunen ging durch den Raum, als alle Sitzenden ihre Aufmerksamkeit auf Elyon und Finan richteten.
Er schluckte und wich mit seinen Augen den Gaffenden aus. Stattdessen achtete er auf die Prinzessin, die ungestört zu sein schien. Doch der Schein trug. Sie konnte die Blicke nicht sehen, doch ihr festerer Griff um seinen Arm verriet ihm, dass Elyon diese sehr wohl spüren konnte. Der blonde Mann stand auf und winkte eine jüngere blonde Frau zu sich. Alle beide waren in grauen, langen Roben gekleidet, mit einem ringförmigen Abzeichen auf der Brust. Und alle beide hatten die gleichen roten Wangen und hellblauen Augen wie gefühlt Dreiviertel der Bevölkerung.
»Es freut uns, euch kennenlernen zu dürfen, mein Name ist Edan.« Er drehte sich zu der jungen Frau um, die leicht ihren Kopf verneigte.
»Und ich bin Dagmar, sein Lehrling.«
Finan stellte sich und Elyon vor und Janne fügte noch ein paar weitere Erklärungen hinzu, da ihnen das Vokabular fehlte, um den anderen mehr über Herkunft zu erzählen. Als Janne erwähnte, dass Elyon wahrscheinlich eine Gestaltwandlerin war, leuchteten beide Gesichter auf.
»Sie hat die gleiche Nase der Oberger-Sippe! Ich hatte mich schon gefragt, ob sie vielleicht eine sein könnte«, sagte die jüngere Gelehrte.
»Wir würden gerne eure Gaben untersuchen, falls es euch nichts ausmacht«, sagte Edan.
»Ich denke nicht, dass es bei mir nötig ist«, sagte Finan. »Außer es ist eine Gabe, guten Geschmack zu haben, habe ich eigentlich keine.«
Die beiden Gelehrten tauschten einen überraschten Blick aus, als wüssten sie etwas, dass er nicht wusste, dann wandte sich Edan mit einem verschmitzten Lächeln zu ihm.
»Ich würde dich trotzdem gerne kurz untersuchen. Es tut auch nicht weh, ich müsste nur deine Hände berühren. Vielleicht entdecken wir ja doch noch eine weitere Gabe.«
Finan zuckte mit den Schultern.
»Darf ich deine Hand berühren?«, fragte die junge Dagmar und streckte ihre Hand in Richtung Elyon aus.
Diese streckte ihre in die Leere aus, ungefähr in die Richtung von Dagmar, doch zu weit unten, um sie zu berühren, was zu einem etwas peinlichen Moment für die junge Gelehrte führte.
Finan winkte kurz, um Dagmars Aufmerksamkeit zu gewinnen, als ihre blauen Augen sich auf ihn richteten, deutete er auf seine Augen. Dagmar betrachtete Elyons Gesicht genauer durch die Stirnhaare, dann nickte sie zu sich selbst.
»Oh entschuldige, hier meine Hand«, sagte Dagmar und legte vorsichtig ihre Finger auf Elyons Handfläche. Sobald diese sie berührte, zitterte ihre Elyons Hand und Dagmar zog erschrocken ihre eigene zurück.
»Dagmar, alles in Ordnung?«, fragte Edan besorgt und berührte ihre Schulter.
Sie schüttelte ihre Hand und lachte leise. »Entschuldigt bitte, ich habe noch nie so eine starke Gabe gespürt, ich war einfach nur überrascht.«
»Konntest du feststellen, was es ist?«, fragte Janne.
Dagmar nickte. »Eindeutig Gestaltwandlerin, aber etwas war nicht ganz in Ordnung. Elyon, darf ich deine Hand noch einmal berühren?«
Elyon nickte und legte ihre Stirn in Falten. Dagmar berührte sie dieses mal für längere Zeit. Sie schloss sogar ihre Augen und zog ihre Augenbrauen zusammen, während sie etwas spürte, von dem alle anderen keine Ahnung hatten. Dann ließ sie Elyons Hand los und sah sie besorgt an.
»Elyon, deine Gabe ist sehr stark und auch erstaunlich ausgeprägt. Hast du dich jemals in ein Tier verwandelt?«
Elyon schüttelte den Kopf. »Nicht ganz. Aber einmal einzelne Körperteile.«
Dagmar nickte. Die anderen murmelten unter sich.
»Ich hab nur eine schwache Korruption in deiner Gabe festgestellt. Ob diese sich zeigen würde, wenn du deine Gabe in größerem Ausmaß benutzen würdest, kann ich nicht sagen. Dazu müsstest du sie wahrscheinlich trainieren.«
»Nun, das kann nur die Oberger-Sippe tun«, erwähnte die ältere Ida. »Kind, wärst du bereit, mit Janne zu seiner Familie zu reisen? Sie sind die einzigen im ganzen Land, die Gestaltwandler unter ihrer Obhut aufnehmen und diese Gabe trainieren können.«
Elyon nickte eifrig.
»Gut, dann schauen wir mal, was sich in Finan verbirgt«, sagte Edan.
Er gab dem älteren Mann seine Hand und sobald er diese berührte, grinste er fröhlich.
»Hm, so wie ich es gedacht hatte, als du den Raum betreten hast, du hast die Gabe des Feuers.«
»Gabe des Feuers?«, hakte Finan nach.
»Du kannst buchstäblich Feuer aus deinen Händen schießen, wenn du es lernst«, erklärte Janne lächelnd.
Finan schnappte nach Luft und starrte alle Gesichter an, als würde er erwarten, dass sie gleich laut loslachen und ihm erzählen, dass dies nur ein Witz war.
»Ehrlich? Seid ihr euch ganz sicher?«
Beide Gelehrte nickten eifrig.
»Wirklich?« Er legte eine Hand auf Elyons Schulter und schüttelte sie aufgeregt. »Hast du das gehört?«, rief er in der Kaisersprache. »Ich kann Feuer aus meinen Händen schießen!«
Elyon knurrte leise. »Bin blind, nicht taub«, zischte sie.
Finan erstarrte kurz. Das hätte er nicht von Elyon erwartet. Eher Stillschweigen und lautes Knurren. Er lachte, dann starrte er seine Handflächen an.
»Wenn ich selbst Feuer machen und steuern könnte ...« Ein breites, grausames Grinsen breitete sich in seinem Gesicht aus, dass er nicht unterdrücken konnte, als er vorstellte, wie er seinem Vater und Idris ein blaues Wunder verpasste.
»Kann ich es hier lernen? Wie man mit dieser Gabe umgeht?«, fragte er.
Alle nickten.
»Wir sehen es als unsere Pflicht, allen, die uns um Hilfe wegen ihren Gaben bitten, zu unterweisen. Wir haben ein paar ziemlich gute Feuergabenlehrer hier in der Stadt«, erklärte Ida.
»Wundervoll! Dann fange ich gleich an, sobald Elyon und ich zurückgekehrt sind.«
Janne sah ihn fragend an. »Woher wirst du zurückkehren?«
»Wir reisen doch zu deiner Sippe, oder?« Finan wunderte sich, dass er dies noch gesondert erklären musste.
Janne presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, Freund. Elyon und ich werden alleine reisen. Man braucht eine gesonderte Einladung, um das Gebiet meiner Sippe betreten zu dürfen. Meine Familie ist sehr eigen in diesem Punkt. Elyon werden sie auch nur willkommen heißen, weil sie erstens eine Gestaltwandlerin ist und zweitens, eindeutig von unserer Familie abstammt.«
Neben ihm schluckte Elyon schwer und obwohl es Finan leidtat, dass sie sich verunsichert fühlte, spürte er doch eine leichte Wärme in der Brust, als er feststellte, dass sie ihm anscheinend doch nicht so gleichgültig war, wie er es dachte. Aber dann musste er doch schwer schlucken, wenn er sich vorstellte, alleine hier zurechtzukommen.
»Ich bin kein Freund von dieser Idee. Wir stammen beide aus dem gleichen Land. Ich hab ganz ehrlich keine Lust, alleine hier zurückzubleiben«, wandte Finan ein. »Was, wenn ich als Elyons Blindenführer komme, könnte deine Familie keine Ausnahme machen?«
Janne seufzte und schüttelte den Kopf. »Glaub mir, die sind dickköpfiger als ein alter Flughund. Ich werde so gut ich kann Elyon zu meiner Sippe führen. Ich garantiere dir ihre Sicherheit und dass man sich dort gut um sie kümmern wird.«
Finan machte ein brummendes Geräusch. Es ging nicht nur darum, dass er Elyon nicht allein lassen wollte, sondern auch darum, dass er nicht alleine unter Fremden sein wollte. Doch er war kein kleiner Junge mehr. Er war hier für eine wichtige Aufgabe, Elyon dabei zu unterstützen, eine Lösung für den Drachenfluch zu finden. Wenn dies bedeutete, dass sie sich kurzzeitig trennen mussten, dann war es so.