GEGENWART
Schmerz war das Erste, was ich wahrnahm - scharf, hartnäckig und an den Rändern meines Bewusstseins kratzend. Mein Kopf schmerzte mit einem stetigen, brutalen Pochen, und jeder Pulsschlag hinter meinen Augen war wie ein Trommelschlag, der den Beginn eines Marsches ins Nirgendwo ankündigte. Ich blinzelte in die Dunkelheit, die Schwärze war dick und erdrückend und schloss mich von allen Seiten ein. Wo bin ich? Die Frage flammte in meinem Kopf auf, ein verzweifelter, nagender Gedanke. Was ist passiert?
Bruchstückhafte Erinnerungen durchdringen den Nebel: wütende Stimmen, der Gestank von Schweiß, das Schaben einer Klinge auf Stein. Ein Schrei, ein Kampf, ein blitzartiger Schmerz an der Schädelbasis - und dann nichts als Leere. Ich stöhnte und zwang meinen Körper, sich zu bewegen. Die raue Kälte des Steins biss in meine Handflächen, als ich mich aufrichtete. Ein Gefängnis, wurde mir klar, und mein Magen sackte zusammen. Ich war in einer Zelle. Die Wände schienen sich zu schließen, als ich mich über den Boden tastete, dessen Oberfläche unter meinen Fingern feucht und kalt war.
Meine Hände tasteten die Grenzen meines Gefängnisses ab - sechs mal vier Schritte, kaum genug Platz, um sich hinzulegen. Uralte Steine bildeten die Wände, ihre Oberfläche war pockennarbig und uneben, glitschig von Generationen von Kondenswasser und Dreck. In der Ecke, wo die Wände aufeinandertreffen, krabbelt etwas vor meiner Berührung davon. An der Decke, weit oberhalb meiner Reichweite, ließ ein schmales Gitter schwaches Licht durch, das kaum ausreichte, um Schatten zu werfen. Die Metallstäbe waren dick verrostet, ihre ursprüngliche Farbe war längst durch Zeit und Verfall verloren gegangen. Die Zellentür war aus massivem Holz, mit Ausnahme eines kleinen Fensters in Augenhöhe, das jetzt gegen die Dunkelheit dahinter versiegelt ist. In der Nähe des Bodens befand sich eine leichte Vertiefung, in die unzählige Gefangene vor mir eine Furche in den Stein gegraben hatten, als sie wie Tiere in Käfigen in der Zelle herumliefen. Die muffige Luft erinnerte an ihre Verzweiflung, ihre Geschichten waren für immer in diesen Mauern gefangen.
Die Luft war verdorben, dick mit Fäulnis und Verwesung. Jeder Atemzug, den ich tat, war ein Kampf gegen den würgenden Gestank. Panik stieg wie Galle in meiner Kehle auf, und ich spürte, wie sich die Wände näherten und gegen meine Brust drückten, bis es schien, als könnte ich nicht mehr atmen. In der Dunkelheit war ein schwaches, aber beständiges Geräusch zu hören - das langsame, bedächtige Tropfen von Wasser, wobei jeder Tropfen wie ein Hammerschlag in der Stille widerhallte. Es drang in meinen Schädel ein, kratzte an meinen Nerven und zermürbte sie Stück für Stück.
Ich versuchte, etwas zu summen - etwas, um die Stille zu durchbrechen, um mich gegen das Gewicht der Dunkelheit zu wehren. Meine Stimme war schwach, zittrig, eine schlechte Imitation der alten Rockballaden, die ich auf der Erde gespielt hatte. “Knockin' on Heaven's Door”. Meine Finger zuckten und sehnten sich nach dem Gefühl meiner Gitarre, nach den Saiten unter meinen Händen. Die Gitarre war mehr als nur ein Instrument; sie war meine Zuflucht, meine Stimme, wenn mir die Worte fehlten. Jetzt fanden meine Finger nur noch den Stein, und ich schreckte vor seiner kalten und unnachgiebigen Berührung zurück.
Ein Quietschen durchbrach die Stille und mein Herz schlug schneller. Ratten. Natürlich gab es Ratten. Ich zog meine Knie an die Brust, rollte mich zusammen und versuchte, mich so klein wie möglich zu machen. Die Angst krallte sich in meine Brust und mein Atem kam in flachen, röchelnden Atemzügen. “Atme, Brendan”, flüsterte ich, meine Stimme war in der Dunkelheit kaum zu hören.
Ich summte wieder, dieses Mal eine andere Melodie - “Wonderwall” von Oasis. Ein Lied, das ich schon tausendmal gespielt hatte und das mir immer Trost spendete. Meine Stimme schwankte in der abgestandenen Luft, aber ich machte weiter und ließ zu, dass die Melodie die Leere füllte. Einen Moment lang konnte ich fast so tun, als wäre ich wieder in meinem Zimmer, mit Postern an den Wänden und meiner Gitarre auf dem Schoß.
“Halt die Klappe, Fremdling!”, rief eine Stimme tief und spöttisch von irgendwoher aus dem Korridor. “Dein Lärm ist schlimmer als die Ratten!”
Der Bann brach und die Realität kam zurück wie eine Flut, die das Ufer verschluckt. Ich war immer noch hier, immer noch in dieser Zelle gefangen, immer noch verloren in dieser seltsamen Welt, in der meine Musik irgendwie etwas in mir geweckt hatte - etwas, das sie Magie nannten. Meine Hände zitterten, und ich ballte sie zu Fäusten, spürte, wie sich meine Fingernägel in meine Handflächen bohrten, bis der Schmerz mich auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Meine Finger berührten ein kleines Stück Metall, das ich gerade in der Wand gefunden hatte. Ich löste es aus der Wand und versteckte es. Es war nicht viel, aber es war etwas. Eine Chance.
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Schwere und bedächtige Schritte hallten im Korridor wider, und ich erstarrte. Schlüssel klirrten, Metall klapperte und ein gelbes Licht durchdrang die Dunkelheit, als ein Fenster in der Zellentür aufgeschoben wurde. Das Licht brannte in meinen Augen und ich blinzelte dagegen an.
“Essenszeit, Fremdling”, knurrte eine Stimme. Ein Tablett klapperte durch die Öffnung und die Hälfte seines Inhalts verteilte sich auf dem Boden. Das Gesicht des Wächters erschien im Fenster, sein Grinsen war selbst im schwachen Licht sichtbar. “Guten Appetit.”
Ich kroch zu dem Tablett, mein Körper war steif und schmerzte, jede Bewegung war ein Kampf. Die “Mahlzeit” war kaum mehr als ein grauer Schlamm, aus dem der Geruch von Schimmel emporwehte. Mein Magen drehte sich um, Hunger und Abscheu vermengten sich zu etwas fast Unerträglichem.
“Warte”, rief ich, als sich der Wachmann abwandte. “Bitte, können Sie mir sagen, wie lange ich schon hier bin? Oder wann ich vielleicht einen Prozess bekomme?”
Er hielt inne, dann lachte er, der Klang war kalt und leer. “Die Zeit läuft hier anders, Junge. Es können Tage sein, es können Jahre sein. Und was den Prozess angeht...” Er schüttelte den Kopf, immer noch kichernd. “Spione werden nicht vor Gericht gestellt. Sie werden vergessen.”
“Aber ich bin kein Spion!” Meine Stimme brach, Verzweiflung machte sich breit. “Das ist ein Irrtum...”
Das Fenster schlug zu und schnitt meine Bitten ab. Ich sackte mit dem Rücken gegen die Wand und vergaß das Tablett mit dem Brei. Ein Fehler. Es musste ein Fehler sein. Ich sollte nicht hier sein.
“Ein Fehler, sagt er.” Die Stimme war rau und leise und kam aus der Zelle neben der meinen. “Wir sind alle aus Versehen hier, nicht wahr?”
Meine Kehle war trocken, jedes Wort klebte wie Sandpapier. “Wirklich... wirklich, ich bin unschuldig”, kam die gestammelte Antwort.
“Halt die Klappe.” Die Stimme war jetzt näher, direkt an der Wand zwischen uns. “Unschuld bedeutet an diesem Ort nichts. Die Hälfte der Dinge, die wir angeblich getan haben, sind Lügen. Aber du kommst hier rein mit deiner seltsamen Magie, stiftest Ärger und machst Versprechungen, die du nicht halten kannst...”
Seine Stimme wurde zu einem bedrohlichen Flüstern. “Hör gut zu, Junge. Wenn ich jemals die Chance bekomme, werde ich meine Hände um deinen dünnen Hals legen und zudrücken, bis deine goldene Stimme für immer verstummt. Du und deinesgleichen haben hier nichts zu suchen.”
“Drei Monate”, flüstere ich, kaum hörbar wegen des endlosen Tropfens und des rasenden Atems meiner Zellengenossen. “Vor drei Monaten war meine größte Angst, während einer Schulbesprechung eine Panikattacke zu bekommen. Ein Lachen entweicht meiner Kehle, hart und hohl, das von den Steinwänden wie zerbrochenes Glas widerhallt. “Jetzt bin ich in einer Zelle auf einer anderen Welt eingesperrt, mit Magie in meinen Adern und einer Morddrohung von meinem Nachbarn.”
Das Metallstück beißt sich in meine Handfläche, sein Schmerz hält mich in der Realität fest. Es ist nicht viel - nur ein Funken Hoffnung in einem Meer von Hoffnungslosigkeit - aber es ist etwas Reales, etwas, das sie mir nicht genommen haben. Wie meine Musik. Wie meine Stimme.
Ich summe wieder, leiser als zuvor, und webe eine Melodie, die ich begonnen hatte, als ich entdeckte, was meine Lieder in dieser seltsamen Welt bewirken können. Die Töne driften wie Lichtfragmente durch die Dunkelheit, jeder einzelne erinnert mich daran, dass ich immer noch ich bin. Immer noch Brendan. Immer noch am Leben.
Die beklemmende Schwärze drückt immer noch auf mich ein, aber während die Musik durch mich hindurchfließt, regt sich etwas anderes. Ein Funke des Trotzes, der leise, aber beständig brennt, wie eine Glut, die sich weigert zu sterben. Meine Finger bewegen sich gegen den Metallsplitter, im Takt der Melodie, und für einen Moment - nur einen Moment - kann ich fast einen Weg nach vorne sehen. Einen Ausweg.
Als die letzten Töne im Schatten verschwinden, schließe ich meine Augen. Die Frage taucht unaufgefordert auf, unausweichlich wie die Flut: Wie ist ein Kind mit einer Gitarre und einem Traum in einer Gefängniszelle auf einer anderen Welt gelandet? Die Antwort liegt drei Monate in der Vergangenheit, in den Erinnerungen an sommerlichen Sonnenschein und die einfache Freude, mit meinen Freunden zu musizieren. Bevor sich alles änderte. Bevor ich erfuhr, was meine Musik wirklich bewirken kann.
Bevor alles so furchtbar und schrecklich schief ging.