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Kapitel 22: Thalors Erwachen

Die ersten Sonnenstrahlen des Morgens fielen durch die halb geöffneten Fenster des Stalls, tauchten den Raum in ein sanftes, goldenes Licht. Thalor lag immer noch schlafend auf seinem weichen, moosbedeckten Bett, seine Flügel leicht ausgebreitet, als ob er in seinem Traum weiterflog. Sein Atem ging ruhig, und zum ersten Mal seit vielen Nächten hatte er friedlich geschlafen.

In der Ecke des Stalls standen Elara und Elowen, die beiden Mütter, die in der vergangenen Nacht einen hitzigen Streit geführt hatten. Jetzt jedoch waren ihre Gesichter entspannt, ihre Augen auf Thalor gerichtet. Elara hielt eine Schüssel mit frischem Obst in der Hand, während Elowen vorsichtig einen Krug Wasser aus der nahegelegenen Quelle in eine flache Schale goss. Es war ein stiller Moment, der nur von dem leisen Zwitschern der Vögel draußen begleitet wurde.

Elowen sah auf ihren Sohn hinunter und atmete tief ein. „Er sieht so friedlich aus," murmelte sie, als ob sie es kaum glauben konnte, dass der junge Drache, den sie einst als zu schwach verurteilt hatte, nun so stark und groß vor ihr lag.

Elara, die gerade eine saftige Orange für das Frühstück in Scheiben schnitt, nickte und lächelte. „Ja, er hat in letzter Zeit viel durchgemacht, aber er wird immer stärker." Sie hielt inne, sah Elowen kurz an und fügte leiser hinzu: „Dank deiner Hilfe ist er nun auch endlich frei von diesen Albträumen."

Elowen senkte leicht den Kopf. Es war ein Moment der Besinnung für sie beide, eine kurze Stille, die das Gewicht ihrer vergangenen Auseinandersetzung noch spürbar machte. Aber für Thalors Wohl waren sie bereit, diese Differenzen zu überwinden.

„Es war schmerzhaft," sagte Elowen leise und legte eine Hand auf ihre Brust, als sie sich an den Moment erinnerte, als sie in Thalors Geist eingedrungen war, um die Quelle seiner Albträume zu vertreiben. „Aber es war nötig. Und ich würde es wieder tun, wenn es ihm hilft."

Elara nickte ernst. „Das war mutig von dir, Elowen. Ich... hätte es wahrscheinlich nie zugelassen, wenn du es mir vorher gesagt hättest. Aber ich sehe jetzt, dass es richtig war."

Gerade als die beiden Frauen sich wieder dem Frühstück widmen wollten, hörte man ein leises Seufzen. Thalor bewegte sich langsam, seine Augenlider flatterten, bevor sie sich ganz öffneten. Zuerst schien er etwas verwirrt, als ob er nicht genau wüsste, wo er war, aber dann erkannte er den vertrauten Duft seines Stalls und die beiden Figuren, die ihm am meisten bedeuteten.

„Mutter? Elara?" Seine tiefe, brummende Stimme war noch vom Schlaf heiser. Langsam richtete er sich auf, streckte seine großen Flügel aus und gähnte laut, während seine schimmernden Augen neugierig zwischen den beiden Frauen hin- und herwanderten.

Elara trat sofort näher, ein warmes Lächeln auf den Lippen. „Guten Morgen, Thalor. Wie fühlst du dich?"

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Thalor blinzelte, schüttelte leicht den Kopf, als ob er versuchte, die letzten Reste des Schlafs loszuwerden. „Ich... fühle mich... leichter. Als ob ein schwerer Nebel von mir genommen wurde." Seine Stimme klang nachdenklich, während er in sich hineinhorchte.

Elowen trat nun ebenfalls näher, legte sanft eine Hand auf Thalors Schulter. „Das ist gut. Es wird Zeit brauchen, bis du dich vollständig erholst, aber die Quelle deiner Albträume ist fort." Sie sah ihm tief in die Augen. „Du bist frei von diesem Schmerz."

Thalor schaute seine Mutter lange an. Es war noch ungewohnt für ihn, Elowens Anwesenheit zu akzeptieren, nach all den Jahren, in denen er sich verstoßen und allein gefühlt hatte. Aber er konnte die Wahrheit in ihren Worten spüren. Sie hatte ihm wirklich geholfen, und das fühlte sich an, als ob eine Barriere zwischen ihnen langsam verschwand.

„Danke, Mutter," sagte Thalor schließlich und senkte leicht den Kopf. Es war ein einfaches Dankeschön, aber es war voller Bedeutung. Er hatte die schmerzvollen Erinnerungen noch nicht vollständig losgelassen, doch er war bereit, sich dieser neuen Beziehung zu öffnen.

Elara, die all das beobachtete, trat nun mit der Schale voller Obst an Thalor heran. „Frühstück?" Sie lächelte und hielt ihm die Schale hin. „Du musst deine Kräfte wiedergewinnen, und das hier sollte helfen."

Thalor schnupperte leicht an den Früchten und leckte sich die Lippen. „Das riecht gut," murmelte er, bevor er vorsichtig einige Stücke in seine Pranken nahm und sie genüsslich verschlang. Die süßen Aromen explodierten in seinem Mund, und er fühlte, wie neue Energie durch seinen Körper strömte.

Während Thalor das Frühstück genoss, beobachteten Elara und Elowen ihn schweigend, jede in ihren eigenen Gedanken versunken. Es war ein friedlicher Moment, einer, der nach all den Konflikten und Schmerzen der letzten Wochen dringend gebraucht wurde.

Als Thalor die letzten Reste seines Frühstücks verspeist hatte, lehnte er sich zurück und ließ den Blick zwischen seinen beiden Müttern hin- und herwandern. Er konnte die Anspannung, die immer noch zwischen ihnen schwebte, spüren, auch wenn sie sich bemühten, sie zu verbergen.

„Ich bin froh, dass ihr beide hier seid," sagte Thalor plötzlich und durchbrach die Stille. Seine tiefe Stimme war fest, aber gleichzeitig sanft. „Ich weiß, dass es nicht leicht für euch beide ist. Aber ich..." Er hielt kurz inne und suchte nach den richtigen Worten. „Ich bin froh, dass ich euch beide in meinem Leben habe."

Elara lächelte sanft und legte eine Hand auf Thalors Pranke. „Wir sind auch froh, Thalor. Du bist ein Teil von uns, egal was passiert."

Elowen nickte zustimmend, ihre Augen weich und voller Wärme. „Du bist mein Sohn, Thalor. Und egal, wie schwer es in der Vergangenheit war, ich werde immer für dich da sein."

Thalor ließ die Worte seiner beiden Mütter auf sich wirken, und für einen Moment fühlte er sich vollständig. Es war ein Gefühl der Zugehörigkeit, das er lange Zeit vermisst hatte. Ein Gefühl, das er nun dank dieser beiden starken Frauen in seinem Leben zurückerlangt hatte.

Nach dem Frühstück halfen Elara und Elowen Thalor, sich zu dehnen und seine Flügel zu bewegen. Es war eine stille, gemeinsame Anstrengung, die mehr über ihre Beziehung zueinander aussagte als jedes gesprochene Wort. Sie arbeiteten zusammen, jede auf ihre Weise, um Thalor wieder zu stärken und ihn auf die nächsten Herausforderungen vorzubereiten.

Als der Morgen weiter voranschritt, fühlte sich Thalor zunehmend lebendiger. Seine Energie kehrte zurück, und er wusste, dass er dank der Fürsorge seiner Mütter bereit war, das nächste Kapitel in seinem Leben zu beginnen.

Während die Sonne höher stieg und der Zirkus langsam zum Leben erwachte, wusste Thalor, dass er nicht mehr alleine war.