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Kapitel 21: Mütter Streit.

Die Nacht hatte sich über den Zirkus gelegt, als Elowen, Thalors Mutter, den schweren, ohnmächtigen Körper ihres Sohnes durch die Zirkuswege trug. Der Mond leuchtete schwach am Himmel, und die Stille um sie herum war beunruhigend. Jede Bewegung fühlte sich für Elowen an, als ob die Last der Vergangenheit sie zurückhielt. Thalor war in ihrem Armen, sein Körper schlaff und erschöpft nach der schmerzhaften, aber notwendigen Befreiung von seinen Albträumen.

Als sie näher zum Stall kam, sah sie plötzlich eine Gestalt aus der Dunkelheit auftauchen. Es war Elara, die Zirkusleiterin und jene Frau, die Thalor großgezogen hatte, nachdem sie ihn verstoßen hatte. In ihren Augen lag eine Mischung aus Sorge und Wut.

„Was hast du ihm angetan?" rief Elara, ihre Stimme klang scharf und voller Anspannung, als sie auf Elowen zuging. Ihre Augen blitzten, während sie den schlaffen Körper von Thalor in den Armen seiner Mutter sah. „Warum ist er bewusstlos?"

Elowen hielt inne, spürte das Gewicht ihres Sohnes in ihren Armen, doch sie hob das Kinn und erwiderte ruhig, „Ich habe ihm geholfen. Er hat lange genug gelitten unter diesen Albträumen. Es war meine Pflicht als seine Mutter, ihn davon zu befreien."

Elara ließ diese Worte nicht auf sich sitzen. Ihre Augen verengten sich, und sie trat bedrohlich näher. „Deine Pflicht als seine Mutter? Du hast ihn verlassen! Du hast ihn verstoßen, weil du ihn schwach fandest. Ich war es, die sich all die Jahre um ihn gekümmert hat. Ich habe ihn großgezogen, ihn geliebt, als du nicht da warst! Du hattest kein Recht, so etwas mit ihm zu machen, ohne mich zu fragen!"

Elowen fühlte die Hitze der Anklage, aber sie senkte den Blick nicht. Sie legte Thalor vorsichtig in seinem Stall auf das große, weiche Bett, das Elara ihm eingerichtet hatte, und strich sanft über seine Schuppen. „Er ist mein Sohn, Elara," sagte sie kühl. „Und es liegt in meiner Verantwortung, ihm zu helfen, wenn er leidet. Du magst ihm in meiner Abwesenheit geholfen haben, aber das ändert nichts daran, dass ich seine Mutter bin. Du kannst mir nicht vorwerfen, meine Pflicht jetzt wahrzunehmen."

Elara schnaubte vor Wut. „Deine Pflicht? Wo war deine Pflicht, als er dich am meisten gebraucht hat? Als du ihn verstoßen hast? Du hast ihn aus Schwäche verurteilt! Ich habe ihn stark gemacht, Elowen. Du hast kein Recht, hierherzukommen und einfach so über ihn zu bestimmen, als ob die letzten Jahre nichts gewesen wären."

Elowen richtete sich auf, ihre Augen funkelten in der schwachen Mondbeleuchtung. „Ich war nicht da, weil ich dachte, ich hätte versagt. Aber ich bin hier, um das wieder gutzumachen. Das Blut, das in seinen Adern fließt, ist mein Blut. Ich habe ihn geboren. Er gehört zu mir."

„Er gehört zu niemandem!" fauchte Elara, ihre Stimme voller Emotionen. „Thalor ist frei, und er ist kein Besitz! Du kannst nicht einfach hier auftauchen und ihn als deinen Sohn beanspruchen, wenn du nicht einmal weißt, wer er jetzt ist. Er gehört zum Zirkus, zu uns – und zu mir."

Elowen trat einen Schritt näher, ihr Atem wurde schneller. „Du denkst, weil du ihn aufgenommen hast, kannst du einfach entscheiden, was für ihn das Beste ist? Du kennst seinen wahren Kern nicht, Elara. Er ist ein Drache, ein Wesen der Magie und der Natur, kein einfacher Zirkustier. Er gehört zur Welt der Drachen, und nur ich kann ihm helfen, diese Seite von ihm zu verstehen."

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„Das hast du doch selbst nicht verstanden!" Elara schrie fast, ihre Fäuste geballt. „Du hast ihn verstoßen, weil du ihn für schwach gehalten hast! Was gibt dir jetzt das Recht, zu behaupten, du wüsstest, was für ihn das Beste ist? Ich war diejenige, die an ihn geglaubt hat, als du es nicht getan hast."

„Ich habe einen Fehler gemacht," gab Elowen zu, ihre Stimme jetzt leiser, doch immer noch bestimmt. „Aber ich bin seine Mutter. Und das bleibt für immer."

„Und ich?" Elara trat näher an Elowen heran, ihre Augen flammten vor Wut. „Ich habe ihn wie meinen eigenen Sohn großgezogen. Jeden Tag habe ich ihm gezeigt, dass er stark ist, dass er wertvoll ist. Ich habe ihm das Vertrauen gegeben, das du ihm verweigert hast. Du kannst nicht einfach auftauchen und das alles auslöschen!"

Der Tumult war mittlerweile so laut geworden, dass einige der Crewmitglieder aus ihren Wagen traten und in der Nähe der Szene standen, ihre Blicke verwundert und besorgt. Sie beobachteten, wie sich die beiden Frauen gegenüberstanden, jede fest in ihrer Überzeugung.

Mara, die Tierpflegerin, trat an die Seite der anderen Crewmitglieder und flüsterte: „Was ist hier los?"

„Es scheint, dass es um Thalor geht," murmelte ein anderer, seine Stimme von Sorge geprägt.

Die Crew beobachtete den hitzigen Schlagabtausch weiter, während die Spannung zwischen Elara und Elowen ihren Höhepunkt erreichte.

Elowen knurrte leicht, ihre Klauen gruben sich in den Boden. „Ich habe Thalor vielleicht einmal verlassen, aber das bedeutet nicht, dass du ihn jetzt als dein Eigentum betrachten kannst! Du hast ihn großgezogen, das respektiere ich. Aber du bist nicht seine wahre Mutter. Diese Rolle kannst du nicht übernehmen."

Elara, vor Wut bebend, trat noch einen Schritt näher, ihre Stimme drohend leise. „Ich habe ihn vielleicht nicht geboren, aber ich habe ihm alles gegeben, was er brauchte, um zu überleben und zu wachsen. Das macht mich in meinen Augen genauso zu seiner Mutter wie dich."

In diesem Moment trat Joran, der Flugtrainer von Thalor, in die Mitte der Szene, seine Stimme ruhig, aber fest. „Hört auf," sagte er, seine Augen zwischen den beiden Frauen hin und her wandernd. „Dieser Streit hilft niemandem, am wenigsten Thalor. Ihr beide liebt ihn, das ist offensichtlich. Aber wenn ihr weiterkämpft, werdet ihr ihm nur schaden."

Elowen und Elara hielten inne, beide keuchten leicht von dem intensiven Wortgefecht. Elowens Brust hob und senkte sich schnell, und Elara sah aus, als würde sie jeden Moment explodieren. Doch Jorans Worte ließen die beiden Frauen kurz zur Besinnung kommen.

„Das ist keine Frage, wer von euch seine Mutter ist," fuhr Joran fort. „Es ist eine Frage, was das Beste für Thalor ist. Und das Beste ist nicht, dass ihr beide hier miteinander streitet, während er erschöpft in seinem Stall liegt."

Elowen wandte sich von Elara ab und sah auf ihren ohnmächtigen Sohn hinab. „Ich will nur, dass er frei von Schmerz ist," sagte sie leise. „Ich wollte nur, dass er endlich Frieden findet."

Elara atmete tief durch, ihre Wut wich langsam einer tieferen, schmerzlicheren Emotion. „Das wollen wir beide. Aber ich kann nicht akzeptieren, dass du ihn ohne meine Zustimmung in solche Gefahren bringst. Er gehört vielleicht zu dir, aber ich... ich liebe ihn wie meinen eigenen Sohn."

Es war das erste Mal, dass Elara ihre Stimme brüchig wurde, und Elowen erkannte, wie tief die Verbindung zwischen Elara und Thalor wirklich war.

„Vielleicht," begann Elowen nach einer langen Pause, „müssen wir lernen, gemeinsam für ihn da zu sein."

Elara nickte zögernd, ihre Augen auf den schlafenden Drachen gerichtet. „Vielleicht hast du recht," flüsterte sie. „Aber das bedeutet, dass wir reden müssen. Und keine Entscheidungen über seinen Kopf hinweg treffen – weder du noch ich."

In diesem Moment schien die Spannung zwischen den beiden Frauen nachzulassen, und die Crew, die das Drama aus der Ferne verfolgt hatte, entspannte sich allmählich. Doch die offenen Wunden blieben, und es würde Zeit brauchen, bis sie wirklich heilen würden.

Aber eines war sicher: Thalor würde beide an seiner Seite brauchen, um weiter zu wachsen – sowohl seine Drachenmutter Elowen als auch seine menschliche Beschützerin Elara.