Norulan beobachtete jede Bewegung seines jüngeren Bruders Dilan. Naja, es war etwas übertrieben ihn jünger zu nenne, da nur einige Minuten zwischen den beiden Zwillingen standen. Doch Norulan war schon immer etwas kleiner gewesen als Dilan und er genoss es ihn wenigstens kleinen Bruder zu nennen. In Kampfstilen hätte die Beiden nicht unterschiedlicher sein können.
Während Dilan einen schweren Kampfstab nutzte und es vorzog seine Gegner systematisch zu Brei zu prügeln, war Norulan mit seinen beiden Kurzschwertern ein Assassine, der unter die Deckung seiner Feinde tauchte und ihnen kurze, tödliche Stiche zufügte. Doch im Gegensatz zu Schwertern war ein Kampfstab eine Waffe die sich durch ihre große Reichweite auszeichnete. Es fiel Norulan schwer an seinen Bruder heranzukommen.
Wieder und wieder raubten ihm kurze Stöße und Schläge die Distanz die er näher gekommen war. Es war wie immer Frustrierend. Gerade als er dazu ansetzte eine Finte vorzutäuschen um sich unter den folgenden Schlag zu seinem Bruder abrollen zu können, spürte er von seiner Seite eine starke und tödliche Aura. Dilan positionierte sich ebenfalls defensive in diese Richtung.
Als er sich umwandte, verstand er. “Heh. Immer noch nicht in der Lage dein kleines Brüderchen zu schlagen?”, rief Thasun spöttisch. “Hat sich ja nicht viel verändert bei euch.” Dilan runzelte die Stirn. “Ich bin stärker geworden. Das ist alles.” Thasun grinste. “Hmm. Das entscheide ich.” Dann stieß er sich mit einem schnellen Tritt vom Boden ab und überbrückte die Distanz zu dem Stabkämpfer.
Sofort stieß die schwere Waffe nach unten. Thasun wich zu seiner rechten Seite aus. Sofort folgte ihm das Stabende wie eine Schlange, doch Thasun brachte die stumpfe Seite seines Durakstahl Katanas nach oben und blockte. Dann versuchte er die restliche Distanz zu überbrücken. Doch Dilan sprang ebenfalls in erstaunlichem Tempo nach hinten und zog im gleichen Zug seine Waffe nach. Schnell war das angreifende Ende wieder vor Thasun und stach nach ihm.
Diesmal war die Bewegung minimal, als hätte Dilan das Ausweichmanöver geahnt. Noch im Ausweichen riss Thasun seine Waffe hoch und trieb den Stab nach oben. Sein Gegner wich erneut zurück um sich neu zu positionieren. Diesmal war er jedoch zu langsam. Thasun hatte den Moment genutzt um unter der schweren Waffe hindurch zu tauchen. Kalt legte sich das Katana des Schwertmeisters gegen seine Kehle. “Du bist schneller geworden. Sehr gut.”
Norulan griff seine Trainingsschwerter härter und attackierte Thasun. Dieser sprang zurück und verstaute sein Katana. Dann griff er an. Jedem Hieb der Kurzschwerter ausweichend, bewegte er sich wie ein Blatt im Wind, bevor er dazu überging mit kurzen Faustschlägen auf den Unterarm von Norulan einzuschlagen. Zweimal musste Thasun zwar den ersten Stil des Iordai Clans anwenden, doch er schaffte es kurz darauf dass der Soldat beide Schwerter fallen ließ.
“Hehe. Du bist auch schneller geworden. Aber nicht schnell genug.” Thasun grinste übermütig. Es tat gut seine alten Schüler wieder zu sehen. Die beiden hatten seine persönliche Ausbildung genossen und waren halbwegs passabel geworden. “Bring mir auch ein paar dieser Kurzschwerter. Dazu noch ein paar deiner Truppe die zu kämpfen wissen. Ich möchte mich verausgaben.”
Während Thasun sich eine kleine Schlacht mit einigen Soldaten bot und ihnen mehr zusetzte als sie ihm, beobachtete ihn Xun interessiert. Der Händler war froh, dass sein Vorschlag offenbar so gut angekommen war. Es hätte auch viel schlechter laufen können, was Lord Enguràll zu einer Handlung gezwungen hätte. Und der Herrscher war nicht geduldig mit Territorien, die sich seinem Willen nicht beugten.
Er sah das Tal von Ending ohnehin als eine seiner Provinzen an. Nun lag es an Xun das Bestmögliche daraus zu machen und diese Ressource, die frühere Könige und Herrscher nie genutzt hatten, zu bändigen. Doch was war dieser Gefallen, den sich der Schwertmeister erbeten hatte? Gold? Handwerker für das Tal? Nein, das klang zu einfach. Es ging um etwas wesentlich wichtigeres.
Grübelnd beobachtete er wie Thasun gegen sieben Krieger antrat. Zwei mit Speer und Schild, Dilan mit seinen zwei Kurzschwertern, Norulan mit seinem Stab und drei weitere mit einem Katana. Unglaublicherweise nutzte Thasun die Präsenz der Krieger dazu ihre Formation durcheinander zu bringen. Er bestrafte jede Lücke und Schwäche gnadenlos. Nach einigen Minuten waren nur noch die beiden Zwillinge übrig.
Doch auch sie fielen binnen Minuten durch die beiden Trainingsschwerter die Thasun führte. Xun musterte den Mann interessiert. Er spielte nur mit ihnen. Welchen Gefallen könnte ein Mann wie er erbitten? Mit solch einer Stärke könnte er jedem Herrscher dienen, in jeder Armee eine hohe Stelle bekleiden und Gold und Reichtum würde ihm zu Füßen gelegt werden. Vielleicht sogar Land und Macht.
Ging es darum? Er wollte mehr sein als nur ein Diener des großen Meisters Iordai? Plötzlich trat ein dünner Mann neben ihn. Straff anliegende schwarze Robe und wertvolle Stickereien aus Silber zeichneten ihn als Lord des Hauses Irtó aus. Xun deutete eine Verbeugung an. “Mein Lord. Sind die Gespräche zu unseren Gunsten verlaufen?” Enguràll sah ihn aus leuchtend grauen Augen an.
Sein Haar war bereits leicht gräulich, doch der Herrscher war keineswegs ein alter Mann. Er strahlte Stärke und Gelassenheit aus. Sein Blick war intelligent und kalt. “Valuan wird eine weitere Unterstützungslieferung bekommen. Und wir werden weiter Flüchtlinge aufnehmen. Dafür bekommen wir zehn Prozent Nachlass im Einkauf von Eisenerz. Ich nehme an die Ernten verlaufen gut?”
This story originates from Royal Road. Ensure the author gets the support they deserve by reading it there.
Xun nickte sofort. “Wir haben eine Steigerung im Vergleich zu den letzten Jahren. Die zusätzlichen Mäuler können wir versorgen. Doch nicht für immer. Wir benötigen eine Lösung. Abseits der Bevölkerung. Es gibt bereits Unruhen weil sich mehr und mehr Räuber in den Wäldern vieler Städte aufhalten. Die meisten Fürsten sind unruhig.”
Lord Enguràll nickte. “Ich sehe Meister Torreí beehrt uns wieder. Auf deine Einladung hin?” Der Händler schüttelte den Kopf. “Nein. Ich habe nicht die geringste Ahnung was er will. Doch ich habe bereits mit ihm über unsere Ideen gesprochen. Er scheint mehr oder weniger einverstanden.” Der Fürst blickte ihn scharf an. “Mehr oder weniger?” Xun seufzte. “Er ist gekommen um seine Münze einzufordern. Mir hat er jedoch nicht anvertraut um was es geht.”
Der Fürst überlegte einen Moment. “Iordai wird uns ohnehin nichts ausschlagen. Wir sind seine einzigen Verbündeten und ich denke nicht, dass ihm viel daran liegt unabhängig zu bleiben. Notfalls könnten wir es verschmerzen seine gut ausgebildeten Kämpfer in unseren Adelshäusern zu wissen.” Der Händler räusperte sich. “Es wäre nicht weise-” Lord Enguràll nickte. “Aber notwendig. Wir leben in zunehmen unruhigen Zeiten.”
Xun stimmte zu. “Ja. Der Krieg im Süden ist nach wie vor ungewiss. Valuan lässt auch keine Information darüber verlauten was wirklich Sache ist. Ein Zeichen, dass sie Boden verlieren. Der Osten ist ebenfalls unruhig. Handel ist beinahe nicht mehr möglich. Die Reiterfürsten sind jedem gegenüber misstrauisch und viele plündern einfach die Karawanen anstatt zu handeln. Ich denke es wird wieder Wahlen geben.”
Enguràll blickte finster. “Wahlen wären das schlechteste das uns passieren könnte. Sieh zu, dass du einige Banditen bezahlst Informationen zu beschaffen. Unsere Kassen sind noch immer gut gefüllt und es löst zumindest das Banditenproblem bis wir die Flüchtlinge umsiedeln können.” Xun nickte. “Jawohl.” - “Du kannst gehen, ich bespreche das weitere mit Meister Torreí.” Quen’Arak Xun verneigte sich ein letztes Mal und verließ den Balkon.
In der Zwischenzeit wurde Thasun an seine Grenzen gebracht. Er hatte in einem anstrengenden Kampf gegen sieben Soldaten gewonnen, doch diese zwölf stellten sich als zu viel heraus. Die beiden Brüder hatten Speerkämpfer ihrer Truppe abgezogen und Thasun eingekreist. Von allen Seiten griffen die Speere an, denen er jeweils nur sehr knapp entging. Er würde ohne Zweifel verlieren, wenn er nicht wirklich ernst werden würde. Sie zwangen ihn dazu mehr als den ersten Iordai Stil zu verwenden.
Der erste Stil war darauf ausgelegt auszuweichen und zu kontern, während der zweite Stil Angriff auf größere Reichweite ausführte. Die restlichen Lektionen seines Meisters waren Kampfkünste, die über die Grenzen eines normal Menschen hinausgingen. Er griff die kurzen Trainingsschwerter aus Holz fester. “Achter Iordai Stil. 128 Mondblüten.” Blitzschnell bewegte er sich auf einen der Krieger zu, die Speere verfehlten ihn. “Eins.” Der Speer brach unter der Wucht von Thasuns Hieb. Seine Bewegung kaum sichtbar.
“Zwei.” Der Schild aus Metall beulte an zwei Stellen schwer ein, der Soldat wurde zurückgeworfen und fiel auf seinen Rücken. Thasun verschwand von seiner Position und befand sich plötzlich zwischen drei Kriegern. “Vier.” Zwei Speere brachen, zwei Schilde schwer eingedrückt. Die Träger wurden über den flachen Boden zurückgeschoben. Thasun holte tief luft. “Acht.” Die drei Krieger gingen zu Boden, fünf Schläge hatten die Schilde weiter deformiert während sie nach hinten geschleudert wurden.
“Sechzehn.” Thasun brach weitere Speere, und im Anschluss schleuderte es fünf Soldaten über den Trainingsplatz. Thasun schwankte. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Müde Augen sahen die noch stehenden Zwillinge an. Der Soldat der neben ihnen stand, blickte aus furchtsamen Augen zurück. “Zweiunddreißig.” Sofort tauchte Thasun zwischen ihnen auf, seine Bewegung kaum erkennbar. Speer und Kampfstab splitterten in dutzende Teile, die beiden Trainingsschwerter von Norulan flogen in hohem Bogen durch die Luft.
Thasun konnte sich gerade noch bremsen, bevor er den Rest der zweiunddreißig Schläge ausführte. Er hätte die drei Männer mit Sicherheit schwer verletzt. Erschöpft, schwer atmend und schwitzend, als wäre er in einen Fluss gestiegen, fiel Thasun nach hinten. Breit ausgestreckt lag er auf dem Boden, starrte in die Wolken und begann damit sich zu erholen. Rund um ihn herum lagen zersplitterte Speere, eingedrückte Schilde und ungläubig dreinblickende Soldaten.
Einige Minuten verstrichen, in denen die Krieger über ihn diskutierten. Dann tauchte ein bekanntes Gesicht vor Thasuns Blickfeld auf. “Eure Lordschaft. Es tut mir leid, aber ich fürchte in bin nicht in der Lage in den nächsten Minuten aufzustehen. Sonst würde ich euch gebührend begrüßen. Leicht überanstrengt, fürchte ich.” Lord Enguràll hob eine Braue. “Es ist beeindruckend, dass ihr nach diesem Kampf noch vorhabt wieder aufzustehen. Ich habe von meinen Soldaten gehört, dass es überaus körperlich anspruchsvoll ist überhaupt einen einzelnen Schlag dieses Stils durchzuführen.”
Thasun grinste. “Ich schaffe es auch nicht über 32 hinaus. Der große Meister schafft immerhin 128.” Lord Enguràll hab zweifelnd eine Braue. “Wie dem auch sei. Ihr habt euch bereits mit meinem Berater über unser Projekt unterhalten? Was sagt ihr dazu?” Thasuns Gesicht wurde ernst. “Wir sind geneigt dem zuzustimmen. Natürlich tun wir wie immer alles, um eine gute Beziehung mit Zenshin beizubehalten, eure Lordschaft.”
Thasun setzte sich ächzend auf. “Es gibt da jedoch etwas, um das ich euch bitten muss. Es ist kein kleiner Gefallen.” Der Herrscher hob eine Braue. “Sprich.” Thasun raffte sich auf die Knie und verbeugte sich tief, sodass seine Stirn den Boden berührte. “Ich bitte um Erlaubnis, mit dem Kriegsportal nach Sandrei reisen zu dürfen. Bitte genehmigt mir diesen Wunsch. Mein Dank soll dafür Ewig sein.”
Lord Enguràll nahm die goldene Münze entgegen, die er dem Krieger einst selbst überreicht hatte. Es war eine große Bitte. Das Kriegsportal war ein uraltes und magisches Portal das vor hunderten Jahren erbaut worden war. Der Großmagier Erelliehk Saradin hatte es auf Wunsch des früheren Königs von Zenshin geschaffen um den Krieg im Osten schneller zu beenden.
Das Tor verschlag jedoch eine große Menge an Energie wann immer es benutzt wurde und es war nicht sicher wie oft man es wohl noch nutzen könnte. “Ihr verlangt viel, Meister Torreí. Warum steht eine Reise auf normalem Wege außer Frage?” Thasun erhob sich etwas. “Mit Verlaub, Lord Thalor Mey aus Sandrei besitzt ein altes Artefakt, dass es vermag schwere Vergiftungen zu heilen. Jedoch müssen wir es innerhalb von fünf Tagen im Tal von Ending haben. Ein unmögliches Unterfangen. Es sei denn…”
Der Lord seufzte. “Es sei denn ihr benutzt das Portal. Ich verstehe. Ich bin einverstanden. Unter Bedingungen.” Thasun erhob sich, das Gefühl in seinen Beinen war zurückgekehrt. Er verneigte sich erneut, diesmal stehend. “Natürlich.” Lord Enguràll lächelte verschlagen. “Die Bedingungen die ihr mit Quen’Arak Xun besprochen habt werden von euch persönlich mit eurer Rückkehr organisiert. Ihr werdet die Flüchtlinge ausbilden und euch um sie kümmern. Sollten Ressourcen benötigt werden wendet ihr euch an ihn.”
Thasun nickte. Das hörte sich gut an. Doch wo war der Haken? Nun lächelte der Herrscher dämonisch. Als würde er Thasun etwas antun wollen. “Zweitens.” Flüsterte er süßlich, diesmal so, dass es nur Thasun selbst hören konnte. “Wird Meister Iordai einen Nachfolger bestimmen, den er persönlich an meinem Hof vorstellt. Ich vermute das werdet ihr selbst sein, mit euren Kampfkünsten? Wie dem auch sei, dieser Nachfolger wird eine meiner Nichten heiraten. Es wird Zeit, dass das Tal von Ending sich tiefer an Zenshin bindet.”
Thasun musste schlucken. Das hatte er nun wirklich nicht erwartet. Er und heiraten? Nein. Er musste dringend einen Weg finden sich aus diesem Schlamassel heraus zu winden. Mit gebrochener Stimme flüsterte er: “Natürlich, eure Lordschaft.”