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Kapitel 3

Ollowyn’s Verletzungen waren über die letzten Wochen ausgeheilt. Doch während seinen physischen Wunden Heilung zu teil wurde, hatte Thasun ihn emotional verletzt. Der Rudelführer, den er so respektiert hatte, hatte ihn einfach zurückgelassen! Zuerst hatte er den Worten “Ich komme wieder, warte hier auf mich.” Glauben geschenkt, doch die vergangenen Wochen und das Verhalten der Menschen hier hatte klar gemacht, dass das für lange Zeit nicht der Fall sein würde.

Als er nach Tagen endlich begriffen hatte, dass er zurückgelassen wurde, hatte Ollowyn die warme und weiche Bettstätte geplündert und war in einen hölzernen Schuppen am Rande des Anwesens eingezogen. Zwar versuchten ihn die Menschen von Zeit zu Zeit dazu zu bewegen zurück ins Haus zu kommen, doch Ollowyn genoss es wie früher unter freiem Himmel zu schlafen und den Wind in seinen Haaren zu spüren, selbst wenn er schlief.

Das Rudel, dass in diesem großen Haus lebte war seltsam. Täglich herrschte ein reger Zugang. Teenager und junge Erwachsene standen früh auf, verließen das Anwesen um zu Laufen oder mit allerlei Dingen zurückzukommen. Manche betätigten sich Handwerklich, flickten Löcher in Dächern oder den gepflasterten Wegen, die durch den großen Garten führten. Sechs große Gebäude waren von einer drei Meter hohen Steinmauer umschlossen, die der einer Festung glich.

Jeden Abend baute das Rudel erneut an dieser Verteidigungsstruktur. Ollowyn jedoch verließ das Anwesen meist früh am Morgen vor Sonnenaufgang um zu jagen. Fing er zu viel, so legte er einen Teil seiner Beute vor die Tür des Anführers. Hauptsächlich um sich mit ihm gut zu stellen und um seinen bevorzugten Schlafplatz zu behalten. Täglich wiederholte er die Lektionen die Thasun ihn gelehrt hatte. Die Sprache, alle Worte die er kannte und auch die Schwertübungen an die er sich erinnern konnte.

Zumindest alle außer die Stile des Meisters Iordai. Diese waren gefährlich und er würde sie nicht einfach ausprobieren und sich erneut selbst schädigen. Im Wald benutzte er schwertähnliche Stöcke, die in Gewicht und Größe etwa einer Klinge glichen. Zuerst stellte er fest, dass es mehr als Kraft brauchte um eine Waffe über längere Zeit zu führen. Seine Hände bekamen Schwielen, obwohl er bereits robuste Hände hatte seit er denken konnte. Natürlich dauerte es wesentlich länger als bei gewöhnlichen Kinder, doch trotzdem blieb Ollowyn dieser Umstand nicht erspart.

Als er von stundenlangen Schwertübungen schließlich dazu übergang auf etwas solides einzuschlagen, stellte er fest, dass dies wesentlich mehr Geschick erforderte als bloße Luftübungen durchzuführen. Der Aufprall jagte ihm wieder und wieder einen harten Stich durch den Arm, doch der Junge hörte nicht auf. Er schlug auf einen jungen Eichenstamm ein, der etwa einen Meter breit war. Nach vielen Tagen und hunderten zerbrochenen Ästen, die er an dem Baum zerschmettert hatte, fiel der Baum schließlich um.

Zufrieden und mit dem Gefühl stärker geworden zu sein beschloss Ollowyn das Rudel, bei dem er lebte, herauszufordern. Er wollte den Aufenthaltsort seines Rudelführers wissen um ihn selbst aufzuspüren. Vielleicht könnten ihm diese Menschen helfen? Wie üblich kletterte er leichtfüßig über die hohe Mauer, Risse und größere Steine die aus dem Mörtel hervorstachen machten den Wall zu keinem Hindernis.

Auf der Mauer angekommen überblickter er erneut das Anwesen. Fünf der Gebäude wirkten ruhig und verlassen während aus dem zentralen und größten Gebäude gedämpfte Geräusche drangen. Ollowyn hatte bisher nur das eine Haus betreten, in dem man ihn gesund gepflegt hatte. Es war das erste Mal, dass er eines der anderen betrat und er fragte sich was das Rudel dort wohl tat?

Nachdem er von der Mauer gesprungen war und den Garten durchquert hatte, sah er jedoch etwas, dass sein Herz höher schlagen ließ. Zwei Jugendliche betraten das Gebäude mit schwert ähnlichen Stöcken. Hatte Thasun ihnen auch beigebracht zu kämpfen? Vielleicht würden sie ihm helfen, ihm etwas beibringen? Ollowyn wollte lernen um selbst so kämpfen zu können wie sein Rudelführer es getan hatte.

Doch dann kam ihm ein anderer Gedanke. Warum lernen? Er konnte genauso gegen sie kämpfen und auf diese Weise lernen? In seinem ersten Rudel, seiner Familie hatte er auch ständig gekämpft. Um essen, Rang oder einen günstigen und warmen Schlafplatz. Ja, das würde er tun. Er schritt dem Eingang entgegen, nur um festzustellen, dass eine dünne Wand aus Holz und Papier den Weg versperrte.

Ollowyn hatte nicht den geringsten Schimmer, wie er in das Gebäude kommen konnte. Doch da es nicht die robusteste Barriere war, beschloss er sich einfach durch das Papier zu zwängen. Die Öffnung würde ihn mit Leichtigkeit durchlassen, also quetschte er sich zufrieden durch das Hindernis. Nur um von dutzenden, verwirrten Gesichtern angestarrt zu werden. Die große Halle, gänzlich aus Holz geschaffen, war voll mit Jugendlichen, jungen Erwachsenen und älteren Schwertkämpfer. Sie alle trugen Bambusschwerter.

Ollowyn’s Instinkte sagten ihm, dass er weglaufen sollte, doch er wollte kämpfen. Kämpfen wie sein Rudelführer es getan hatte. Schnell war einer der

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älteren Männer neben ihm und schrie ihn an. “Warum zerstörst du die Schiebetür? Hm? Was fällt dir ein?” Ollowyn fiel viel ein, jedoch verstand er den Sinn der Frage nicht und was eine Schiebetür war, wusste er erst recht nicht. Da es schwerer war die Sprache zu sprechen als sie zu verstehen, beschloss er sich kurz zu fassen: “Kämpfen.” Er hob sein “Holzschwert” das mehr ein krummer Ast war etwas anderes.

Der Mann, dem jegliches Fell am Kopf fehlte, musterte ihn mit skeptischer Miene. “So nicht. Komm.” Ollowyn war erfreut, dass er den Sinn seines Besuches vermitteln konnte und folgte ihm. In einem separaten Raum wurde ihm sein Leinenhemd abgenommen. Ollowyn hoffte, dass er es wieder bekommen würde. Es war sein Eigentum und Thasun hatte es ihm geschenkt. “Huh. Könnte schwören dass du mal dreckiger warst. Warst du baden?”

Ollowyn knurrte den Mann an, in der Hoffnung er würde das Thema schnellstens vom Baden zu etwas mehr kämpferischen wechseln. Der Junge hatte festgestellt, dass er nur jeden Tag eine Runde im Bach schwimmen musste und man würde nie versuchen ihn zu baden. “Schon gut, schon gut. Hier.” Er reichte ihm eine weiße Robe, wie sie die anderen Schüler getragen hatten und musterte ihn genau bevor er ihm ein Bambusschwert reichte.

Ollowyn gab ihm sein eigenes “Schwert” und zog die Kleidung an. Es fühlte sich komisch an und obwohl es ihn einengte, war die Robe nicht unangenehm. Natürlich zog er es vor ohne eine solche herumzulaufen, doch das Rudel hier war diesem Umstand gegenüber wenig tolerant. Und Ollowyn wollte nicht mehr gebadet werden. Oder schlimmeres.

Stumm folgte er dem Glatzkopf zurück in die Halle, in der alle Schüler meditieren. “Setz dich. Da es dein erster Tag ist, bringe ich dir bei zu meditieren.” Ollowyn legte seinen Kopf schief. Was auch immer mediti- medit-... das war, es sah nacht aus als würde es hilfreich sein. “Kämpfen.”, sagte er deutlich, sein Bambusschwert erhoben. Einige andere Schüler musterten ihn interessiert. Offenbar hatte er mit seinem vorherigen Eintreten einen Eindruck hinterlassen.

Ollowyn starrte in die Runde um zu sehen ob jemand mit ihm kämpfen würde. Der Mann seufzte. “Ach. Nun gut. Mephian, komm her!” Ein Junge, etwa dreizehn Jahre alt stand auf und trat neben Ollowyn. Er hatte dunkles, schwarzes Haar und neben Ollowyn sahen sie aus wie Licht und Schatten. “Ja, Meister Zartha?” Der glatzköpfige Mann sah den Jungen streng an. “Ihr werdet einen Testkampf austragen. Prüfe seine Fähigkeiten damit wir wissen wie gut er schon ist. Vernichte ihn nicht sofort in einer Angriffsfolge wie du sonst kämpfen würdest. Er ist ein Beginner.” - “Ja, Meister.”

Ollowyn hatte das meiste der Unterhaltung nicht verstanden. Er wusste lediglich, dass er kämpfen durfte. Der Junge wandte sich ihm mit einem überlegenen Grinsen zu, wie es Thasun stets getan hatte. Ollowyn nickte ihm höflich zu, dann entfernte er sich einige Schritte von ihm bevor es sein Bambusschwert hob. Es war leichter als all seine Übungsschwerter mit denen er im Wald trainiert hatte.

Doch zweifelsohne würde es schmerzen, auch von solch einer Waffe getroffen zu werden. Sein Gegner nickte ebenfalls bevor er seine Bereitschaft gab. Ollowyn tat, was sein Rudelführer immer getan hatte. Er griff ohne zu zögern an. Mit einem schnellen Schritt vorwärts brachte er seine Klinge von unten gegen den Körper seines Gegners. Der die Richtung des Schlages beinahe spielerisch ablenkte. Verdutzt versuchte es Ollowyn erneut. Warum landete sein Hieb nicht?

Ein drittes Mal ging er in Ausgangsposition und brachte seine ganze Kraft in den Schlag. Erneut spielerisch abgelenkt sah der Junge endlich das Problem. Mephian hatte einen Stil der dem seinen sehr ähnelte. Da die Klinge ebenfalls von unten geführt wurde, war es für ihn wesentlich einfacher Ollowyn’s Angriff auf die Seite hin abzuleiten. “Haha. Gut gut.” Rief der Junge begeistert. Er lernte etwas neues. Genau wie er es sich erhofft hatte.

Er wechselte seine Stellung und brachte seine Waffe in Stichposition. Thasun’s schnelle Vorwärtsbewegung war tief in seinen Kopf eingebrannt und er führte sie mit Leichtigkeit aus. Sein Gegner jedoch brachte sein eigenes Schwert zu einem Konter nach vorne und hieb ihm schmerzhaft mitten ins Gesicht. Die Wucht des Aufpralls ließ Ollowyn nach hinten taumeln. Ein weiterer Schlag folgte gegen sein rechtes Schienbein und er fiel zu Boden.

Zwar rollte er sich instinktiv ab und hob sein Schwert um einen Hieb von oben gegen seinen Körper abzuwehren. Doch dieser kam nie. Dafür prallte das Bambusschwert seines Gegners in einer Stichbewegung gegen seinen Brustkorb. Wütend über seine eigene Unfähigkeit, hieb er das Schwert zur Seite und wollte erneut angreifen. Eine Vielzahl an Schlägen prasselte von allen Richtungen auf ihn ein.

Sein Gesicht schwoll an, er konnte sich nicht mehr orientieren. Einen Zustand den Mephian erbarmungslos ausnutzte. Ollowyn begriff, dass seine eigenen Bewegungen nach dem Schlägen ständig neue Öffnungen schufen. Geduldig blieb er ruhig stehen, seine Waffe über seinen Kopf gehoben, wie es Thasun’s Gegner getan hatten. Sein Rudelführer hatte ihm stets nur offensive Bewegungen gezeigt, Ollowyn wusste von keiner anderen Bewegung die er kopieren hätte können.

Als das Schwert seines Gegners zuschlug und seinen Körper traf, wusste Ollowyn wo sich Mephian befand. Zwar traf das Bambusschwert seinen Kopf hart, doch sein eigenes fuhr mit erbarmungsloser Härte herab. Das geblockt wurde. Mephian war schnell. Doch er hatte bei weitem nicht die Stärke die sich Ollowyn durch sein hartes Training angeeignet hatte. “Urhg.” Ächzte sein Gegner bevor Ollowyn in mit seinem Schlag auf die Knie zwang und ihn das Bambusschwert ebenfalls hart im Gesicht traf.

Dann wurde Ollowyn schwarz vor Augen, er hatte viel zu viele Treffer eingesteckt. Er bemerkte nicht mehr wie Meister Zartha den Jungen auffing.

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Zartha hatte solch ein immenses Talent noch nie gesehen. Der Junge, den Thasun von seiner Reise mitgebracht hatte, konnte die Grundzüge des Iordai Kampfstils als hätte er es seit Jahren eingetrichtert bekommen. Nicht zu vergessen wie er seinen besten Schüler, Mephian, mit einem einzigen Treffen bewusstlos geschlagen hatte. Noch dazu mit einem Hieb der eigentlich pariert worden war.

Zartha kniete sich vor das Allerheiligste des Anwesens und verneigte sich. “Großer Meister. Wir haben einen viel versprechenden Schüler bekommen. Meister Torréi hat euch bestimmt berichtet?” Sein Meister sprach etwas, dann reichte er Zartha etwas. Der glatzköpfige Meister hatte einen besorgte Gesichtsausdruck. “Seid ihr sicher großer Meister? Bestimmt hat meister Torréi andere-”

Mit einem weiteren Befehl nahm er es entgegen und verbeugte sich erneut. “Verzeiht, ich wollte keineswegs eure Weisheit in Frage stellen.” Dann verließ Meister Zartha das Allerheiligste. Der Gedanke, dass sein großer Meister wohl allmählich senil wurde, blieb ihm den restlichen Abend erhalten. Nachdenklich musterte er den kleine Schuppen in dem das kleine Genie schlief. Armer Ollowyn, dachte er.