Ollowyn wollte sich seinerseits bereit machen. Einen Kampf für das Rudel, das war eine Selbstverständlichkeit für ihn. Doch Thasun schob ihn beiseite und befahl ihm sich jenseits der Straße zu setzen. Er wollte den Kampf offensichtlich alleine führen. Neugierig und doch etwas besorgt um das Resultat des Kampfes, setzte sich der Junge auf einen umgestürzten Baumstamm und beobachtete.
„Wollt ihr beide gleichzeitig kämpfen oder soll ich euch einen nach dem anderen töten?“, fragte Thasun mit einem überheblichen Grinsen. Der jüngere der beiden Schwertkämpfer, ein Mann mit kurzem Bart und einer Narbe an der Stirn, zog seine Waffe. Es war ein dunkles Katana, ganz klar aus Durkanstahl geschmiedet. Nur leicht schimmernde bläuliche und weiße Linien zogen sich in Kurven durch den Stahl wo man ihn beim Schmieden wieder und wieder gefaltet hatte. Ein teures Schwert. Für Ollowyn jedoch sah es nur schön und bedrohlich aus, da er absolut keine Ahnung von Waffen hatte.
Thasun legte seinen Kopf schief. „Hübsches Schwertlein. Darf ich es nach deinem Tod mitnehmen oder willst du es vererben?“ Sein Gegner lachte. „Mein Name ist Rothar Lindan, und solltest du mich töten können und mein Bruder Koltor, der talentierter ist als ich, dich nicht tötet so kannst du es haben. Ich habe keinen Nachfolger.“ Ollowyn beobachtete wie Thasun stumm nickte, und seinerseits ein Katana zog. Seine Waffe war aus einem gewöhnlichen Stahl geschmiedet.
Der zweite Gegner jedoch trat einige Schritte zurück um den beiden Kämpfern Platz zu schaffen. Ollowyn fand dieses ehrenhafte Verhalten seltsam, immerhin hätte die Beiden zu zweit bessere Chancen zu gewinnen. Doch die Aura, die nun von dem bevorstehenden Kampf ausging hatte etwas Mystisches und Erhabenes. Es war das erste Mal, dass der Junge einen Schwertkampf sehen würde und er hoffte, dass Thasun nicht verlor.
Rothar bezog eine erhobene Stellung, in der er sein mit beiden Händen Schwert hoch über seinem Haupt hielt und darauf wartete, dass sein Gegner angriff. Thasun trug die Waffe locker in seiner Rechten, wobei die Klinge nur einen Handbreit über dem Boden schwebte. „Bereit.“ – „Bereit.“ Die beiden Kämpfer gaben ihre Zustimmung und das Duell begann. Thasun ließ seinen Körper nach vorne fallen und schloss die Distanz mit einem Sprint, der so schnell war, dass Ollowyn überrumpelt war. Das Stahlschwert schoss nach oben und traf auf das herabsausende Durakstahl-Katana von Rothar.
Ein scharfer metallischer Klang ertönte, die beiden Klingen sprangen einige Zentimeter zurück und eine tiefe Kerbe hatte sich in das Stahlschwert geschlagen. „Tz.“, zischte Thasun und sprang einen Schritt zurück um sich neu zu positionieren. Ollowyn war erstaunt, dass er mit einer Hand diesen zweihändigen Angriff seines Gegners aufgehalten hatte. Diesmal hielt Thasun die Waffe auf Schulterhöhe, in Stichposition. Er verschwendete keine Zeit und griff sofort erneut an.
Das dunkle Schwert von Rothar fuhr erneut hinab, diesmal wich Thasun jedoch mit einem Ausfallschritt nach rechts aus. Seine Linke ergriff das Handgelenk seines Gegners während seine Rechte sein eigenes Katana zustechen ließ. Rothar blieb jedoch keineswegs untätig und trat mit seinem Knie gegen die Hand, die sich um sein Handgelenk gelegt hatte. Die daraus resultierende Drehung war genug um einen tödlichen Stich abzuwenden.
Die Klinge fuhr trotzdem tief in den Oberarm seines Gegners. Der Kniestoß war jedoch nicht ausreichend um Thasun’s eisernen Griff zu lösen und er trat mit seinem linken Fuß seitlich gegen das Bein von Rothar, das ihn noch allein aufrecht hielt. Der kraftvolle Tritt brach sein Knie und Thasun ließ das Durak Stahlschwert los. Einen Moment später hatte er bereits sein eigenes Katan aus dem Oberarm seines Gegners befreit und hieb mit beiden Händen tief in den Brustkorb des noch fallenden Gegners.
Der gesamte Kampf hatte kaum zwanzig Sekunden gedauert und Rothar lag sterbend am Boden. „Urgh.“, keuchte er bevor er fortfuhr: „Beende es. Es war mir eine Ehre gegen dich zu kämpfen.“ Thasun trat über ihn und stach seine Klinge tief in das Herz seines Gegners woraufhin dieser starb. Sein Bruder Koltor hatte einen gequälten Ausdruck auf seinem Gesicht. „Ruhe in Frieden, Bruder.“ Dann verdunkelte sich seine Miene und er wandte sich Thasun zu. „Er hat immer vor mir gekämpft. Obwohl er schwächer ist als ich. Ich kann nicht sagen ich wäre nicht darauf vorbereitet gewesen…“
Dann zog er sein Schwert. Auch dieses war aus Durakstahl geschmiedet worden. Eine reiche Familie. Thasun verschwendete keine Zeit und griff an. Es war nur zu deutlich, dass sein Gegner bereit war. Wieder trafen die beiden Klingen aufeinander als das Durakstahl-Katana auf den stählernen verwandten herab schnellte. Eine weitere Kerbe entstand auf Thasun’s Schwert. Diesmal ging der Kampf wesentlich länger. Zwar wich er den Angriffen von Koltor in der gleichen Bewegung aus wie er es bei Rothar getan hatte, doch war dieser nicht so ungeschickt sich seine Waffe greifen zu lassen.
Stiche wurden von Koltor aus der gleichen Position abgewehrt die er stets als Grundstellung einnahm. Das Schwert mit beiden Händen hoch über den Kopf erhoben, vernichtete es jeden Angriff. Mehr und mehr Kerben bildeten sich auf dem vorderen Drittel des Stahlschwertes. Bis das unausweichliche schließlich geschah. Der vordere Teil des Schwertes riss ab. Das scharfe Stück Metall schoss haarscharf an Koltors Gesicht vorbei und hinterließ einen blutigen Striemen an der Wange.
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Doch Thasun gab keineswegs auf. Seine Miene war ruhig und gelassen und nur ein leichtes Lächeln zeugte davon, dass er Freude an dem Kampf fand. „Hahaha! Du bist wahrlich besser als dein Bruder. Aber ihr wolltet doch die Schwertschule von Ritto Iordai herausfordern nicht wahr?“ Thasun machte einen blitzschnellen Ausfallschritt nach vorn und schlug mit aller Kraft zu. Das nun gekürzte Schwert trieb das dunkle Katana zurück und ließ den Gegner einige Schritte zurückweichen.
Ein böses Grinsen hatte sich auf Thasun’s Gesicht gelegt. „Erster Stil. Iordai Korduí.“ Koltor hob sein Durakstahl-Katana in wachsamer Defensivhaltung und wartete auf den Angriff. Erneut kam das Stahlschwert von Thasun in einem Schlag von unten. Doch unmittelbar bevor die beiden Katana aufeinander prallten, stand er dicht neben Koltor und trieb die abgebrochene Spitze seines Schwertes gegen die Seite des Durakschwertes.
Nun war Koltor weit offen und konnte dem Rückhandschlag den Thasun ausführte nicht mehr ausweichen. Nur ein Sprung zurück rettete sein Leben. Das verkürzte Schwert zerschnitt das Nasenbein und einen großen Teil der Wange seines Gegners. „Gah!“ Mit einem weiteren Hieb versuchte er Thasun auf Abstand zu halten, doch dieser hatte nicht nachgesetzt. „Beeindruckend. Ich konnte diesem blitzschnellen Ausfallschritt kaum folgen.“
Geschweige denn abwehren. Doch diesen Gedanken sprach Koltor nicht aus. „Wahrlich, ich sehe nun warum Ritto Iordai trotz seines hohen Alters noch so einen hohen Rang inne hält.“ Er hob den Ärmel seiner Robe und sog das Blut auf, dass aus seiner Wunde quoll. Dann atmete er einige Male tief durch. „Ich werde diese Wunde mit Ehre tragen sollte ich das hier überleben. Einen weiteren Stil des großen Meisters. Bitte.“ Sein Blick voller Entschlossenheit.
Thasun lächelte. „Respektvoll hm? Das ist gut.“ Er hob sein Schwert tief hinter seinem Körper. Erneut schwebte die Klinge kaum einen Handbreit über dem Boden. „Zweiter Stil. Iordai Zenzen.“ Er war noch fünf Meter seinem Gegner entfernt, doch schon sprang er mit einem tiefen Ausfallschritt nach vorn, ging auf sein linkes Knie nieder und ließ die Waffe nach vorn schnellen. Noch immer vier Meter entfernt. Ein Angriff ins Leere. Für einen Moment machte Koltor ein verwirrtes Gesicht, dann riss ein sanfter Windstoß eine tiefe Wunde in seine rechte Schulter, die als weniger tiefe über seinen Brustkorb verlief und einen kaum merklicher Schnitt an seiner linken Hand verursachte.
Thasun erhob sich und schritt zu seinem nun verletzten Gegner. „Iordai lehrt Vergebung. Ich vergebe eure Beleidigungen. Du wirst es vermutlich überleben.“ Dann bückte er sich, entwaffnete Koltor und verband seine Wunden grob. „Berichte von der Größe unserer Schule. Zu viele werfen ihre Leben weg indem sie leichtfertig über uns urteilen und dann in Duellen getötet werden.“ Koltor war noch immer geschockt. „W-Wie? Wie? Wie ist das möglich?“
„Hahaha. Komm Ollowyn. Wir gehen.“ Der Junge hatte einen neugierigen Blick. Der Kampf hatte ihn offenbar fasziniert. Thasun musste schmunzeln. Es ging ihm genauso, als er noch jung war. Er wusste, dass der Kampf den Jungen rufen würde. Diese Art der Faszination war nur schwer zu besänftigen. Ollowyn näherte sich dem verstorbenen Rothar. Er hob das dunkle Katana und die Waffenscheide und betrachtete die Waffe.
Was würde der Junge nun tun? Thasun musterte ihn nachdenklich. Der Junge befestigte die viel zu große Schwertscheide an seiner Hüfte. Dann hob er das Schwert mit einer Hand und hielt sie niedrig hinter seinem Rücken. Iordai Zenzen? Instinktiv wollte Thasun den Jungen davon abhalten, doch Neugier hielt ihn zurück. Der entschlossene Blick in Ollowyn’s Augen bestärkte ihn darin inne zu halten.
Dann brachte der Junge die Waffe mit einer Geschwindigkeit nach vorne, die Thasun’s gleichkam. Ollowyn führte die Bewegung mit Perfektion durch und landete elegant auf seinem linken Knie. Beeindruckend solch eine Technik so schnell so gut nachzuahmen. Doch dann geschah etwas das Thasun in seinen wildesten Träumen nicht erwartet hätte. Ein Windstoß schnellte an ihm vorbei und riss eine tiefe Kerbe in eine Tanne. Beinahe vier Zentimeter tief.
Solch ein Angriff hätte jeden Menschen tödlich verletzt. Das Kind war ein Naturtalent. Nein, ein Genie wie es nur einmal alle hundert Jahre vorkam. „Vielleicht war er doch ein Dämon?“, dachte Thasun. Ein Schauer lief ihm über den Rücken.
„Aaaah! Aaargh! Ah!“, schrie Ollowyn. Er hatte den Angriff seines Rudelführers nachgeahmt, wie er es stets in seinem Rudel getan hatte um sich einen höheren Rang zu erkämpfen, doch als er wieder aufzustehen versuchte, schoss ein unbeschreiblicher Schmerz von seinem Bein durch seinen Rücken und in seine Arme. Sein ganzer Körper schmerzte ungemein.
Sofort war Thasun über ihm. Ollwyn’s Körper verkrampfte und Wellen des Schmerzes zogen sich durch seinen Körper. Was war das? Es tat so weh! Sein Rudelführer sah ihn grimmig an. „Dachte ich mir schon. Zu schön um wahr zu sein. Tut mir leid Kleiner.“ Dann rammte ihm der Schwertkämpfer den Griff des Durakstahl Katanas an die Schläfe und alles wurde dunkel.
Stunden später kam Ollowyn wieder zu Bewusstsein. Seine Beine befanden sich in einer improvisierten Trage, die über den Boden schliff. Thasun zog ihn über die staubige Straße, die nun wesentlich steiler anstieg.
Eine weitere Welle von Krämpfen und Schmerz schüttelte ihn und trieb ihn zurück in totale Dunkelheit. Diesmal erwachte er nicht mehr unter freiem Himmel. Er fand sich in einem leicht abgedunkelten Raum wieder, eine ältere Dame saß neben seiner Bettstätte und wickelte etwas um seine Beine. Es kühlte. Tat gut. Etwas entspannter biss er seine Zähne zusammen und sank zurück. Zum allerersten Mal in seinem Leben lag Ollowyn auf etwas sehr Weichem.
Es erinnerte ihn ein bisschen an das warme Fell seiner Ziehmutter, auf dem er unzählige Male eingeschlafen war. Doch weitaus weicher und es roch weniger nach Wolf. Trotzdem trug diese Erinnerung dazu bei, dass er schnell erneut ins Land der Träume sank.
Im Schlaf träumte Ollowyn von den Ereignissen den vergangenen Tages. Die Geschehnisse hatten einen bleiben Eindruck hinterlassen. Als Mitglied eines Wolfsrudels hatte er gesehen wie Beute gerissen wurde, auch einen einsamen Jäger hatten sie in einer eisigen Winternacht zur Strecke gebracht um zu überleben. Doch diese Art zu Kämpfen, diese Art seine eigene Stärke und sein Können unter Beweis zu stellen? Das war neu.
Ollowyn wollte wissen wie es war stark zu sein. Könnte er sich ebenfalls mit anderen Kriegern messen? Eine Waffe so geschickt führen? Ollowyn hatte es versucht. Wieder und wieder spielte sich der Moment ab in dem er die Waffe gehalten hatte. Die schwarz schimmernde Durakstahlklinge, die danach schrie benutzt zu werden. Wie er den Angriff seines Rudelführers Thasun nachgeahmt und sich selbst Schaden zugefügt hatte.
Was würde er tun müssen um stark genug zu sein dieses Wissen anzuwenden? Der Drang danach sich zu beweisen, der Drang zu lernen, wurde stärker und stärker als sich die Geschehnisse wieder und wieder in seinen Träumen abspielten.