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Kapitel 5

Arryn, auch Nachtklinge genannt, ließ die Landesgrenze und damit seine Heimat Valuan hinter sich. Der Assassine hatte eine unauffällige Kleidung gewählt. Die beigen und braunen Kleidungsstücke waren leicht verschmutzt und sein falscher, zerzauster Bart verstärkte den Eindruck, ein heimatloser Flüchtling zu sein. Migration nach Norden war nichts ungewöhnliches für die Bewohner der umliegenden Gebiete. Immer wieder gab es Deserteure die aus der Armee Valuans flüchteten und sich im Norden ein besseres Leben erhofften.

Für Nachtklinge gab es keine Menschen die niedriger waren als diese Deserteure. Sie ließen ihre Heimat im Stich, nur weil sie zu feige waren ihr eigenes Leben hinzugeben! Er selbst würde tausend Tode sterben um seine Heimat zu beschützen und ihre Sicherheit zu erhalten. Doch seine Verkleidung hatte mehr Funktionen als nur unauffällig zu sein. Sollte er anderen Flüchtlingen über den Weg laufen, konnte er mit ihnen reden, herausfinden ob sie Deserteure waren und dann das Kopfgeld kassieren, dass auf jeden einzelnen von ihnen ausgesetzt war.

Es war ein nettes Sümmchen, dass man mit dieser gefährlichen Arbeit verdienen konnte, doch Gold interessierte den Assassinen recht wenig. Arryn war Mitglied des Tempels der Ordnung, und all seine Verdienste kamen dem Tempel zugute. Jedes Kopfgeld wurde abgeliefert und für jeden Auftrag den er ausführte wurde der Tempel entlohnt. Und er hatte ohnehin nie das Verlangen verspürt etwas besitzen zu wollen.

Würde er einem Deserteur über den Weg laufen, gut. Ansonsten würde er seine Reise nicht unnötig verzögern. Denn sein Auftraggeber war diesmal das Ministerium für interne Angelegenheiten in Valuan. Die höchste nicht militärische Autorität des Landes, nur der Kaiser selbst stand höher.

Sein erstes Ziel war ein Informant. Während das Töten wohl die Hauptaufgabe des Assassinen war, lief nichts ohne die Grundsätze der Arbeit. Vorbereitung. Informationsbeschaffung. Risikoeinschätzung. Es nützte niemandem, wenn Arryn nichts über das Ziel wusste, einen ungünstigen Zeitpunkt oder Ort für ein Attentat auswählte oder seine Auftraggeber im Unklaren darüber ließ wo das Ziel war, was es tat und ob der Auftrag ausgeführt werden konnte. Schnell näherte er sich seinem Ziel.

Zenshin war seit beinahe sechshundert Jahren mit Valuan verbündet und dementsprechend lax waren auch die Grenzkontrollen. Zwei Soldaten, die in einem Wachhaus neben einem Gasthof stationiert waren. Von den beiden Wachen war momentan… keine anwesend. Wie zu erwarten war. Selbst wenn jemand anwesend gewesen wäre, könnte man fünfzehn Meter entfernt durch den Wald gehen und niemand würde es bemerken. Die beiden Soldaten waren mehr Wachpersonal für das Gastgewerbe als alles andere.

Doch in diesem Gasthaus, das am nähesten zur Grenze lag, hielt sich Arryn’s Informant auf. Ein Händer, Faruin Cér-Del’uin, hatte einen Brieffalken mit einer Meldung nach Garuyeri geschickt. Soldaten in dieser nördlichsten Stadt Valuans hatten dann diesen Bericht mit einem Eilreiter nach Süden geschickt. Die Falken die im Norden benutzt wurden, flogen nie zu weit nach Süden, daher musste dafür stets ein Reiter oder Schiff benutzt werden.

Wochen später hatte die Nachricht endlich die Hände von Jarya Zhulan, dem Minister für Interne Angelegenheiten in Antalia, erreicht. Der alte Adlige hatte beinahe einen Herzinfarkt bekommen, als er die schlechte Nachricht laß. Sofort sandte er nach dem besten Assassinen des Tempels der Ordnung. Arryn Nachtklinge. Nie zuvor hatte es so einen dringenden Fall gegeben, und der alte Mann fürchtete das Schlimmste.

Noch in derselben Stunde in der ihn de Auftrag erreicht hatte war Arryn aus der Hauptstadt ausgereist nachdem er sich ein Paar Tharken aus den königlichen Ställen geliehen hatte. Die großen Kampfhunde waren weitaus ausdauernder und schneller als Pferde. Auch wenn sie nicht dasselbe Gewicht tragen konnten, war es jedoch leicht möglich abwechselnd auf ihnen zu reiten um wesentlich schneller ans Ziel zu gelangen.

Es war ein besonderes Privileg, auf das Arryn verzichten musste, seit er Garuyeri erreicht hatte. Von dort war er zu Fuß über die Grenze gelaufen, war in diesem billigen Gasthof eingetreten und hatte an die Tür des Händlers geklopft. An welcher ein sehr junges Mädchen öffnete. Offenbar hatte sich der Mann Gesellschaft genehmigt. Widerwärtig. Sie war höchstens zehn Jahre alt. “Guten Tag. Würdest du mich bitte eintreten lassen? Ich müsste mit Herrn Cér-Del’uin sprechen. Du kannst inzwischen draußen warten.”

Das Mädchen nickte schüchtern und trat nach draußen, während sie den letzten Knopf ihres Hemdes zuknöpfte. Arryn musste beinahe würgen, solch Abscheu befiel ihn. Er trat in das Zimmer und musterte den halbnackten Mann der ein seinem Bett lag. Verbände verhießen eine schwere Verletzung die ihm am Brustkorb zugefügt wurde. Gebrochene Rippen? Als der Händler ihn empört anfuhr, was Arryn hier zu suchen habe, zog der Assassine ein Messer und war mit einer schnellen Bewegung neben dem Mann.

Die Klinge auf dessen Kehle gerichtet, bedeutete er mit einem Zeigefinger vor den Lippen, dass er schweigen sollte. “Kein Wort. Ich werde euch nun Fragen stellen. Ihr werdet diese wahr und so genau wie möglich beantworten. Blinzelt dreimal schnell wenn ihr verstanden habt.” Sprach Arryn eisig. Der Mann gehorchte, nun etwas ängstlich. “Das Kind mit den schneeweißen Haaren. Wer hat es mitgenommen. Erzähl mir was du weißt.”

Der Mann schluckte. “Also- ich. Ehrm. Ein Mann namens… namens Thasun Torreí hatte das Kind offenbar bewusstlos auf einer Straße gefunden. Ich habe versucht den Leuten zu erklären was es ist. Warum es sterben muss! Sie haben nicht auf mich gehört. Also habe ich versuch das Kind zu töten. Dabei hat der Schwertkämpfer- den ich gerade erwähnt hatte, er hat das Kind gefunden- er hat… mich brutal angegriffen und beinahe getötet.”

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Arryn sah die Lügen in den Augen des Mannes. Nicht alles entsprach der Wahrheit. “Du lügst. Noch einmal und du verlierst einen Finger.” Arryns braune Augen stachen in Drohung und Kälte hervor. Der Händer zuckte zurück. “Verzeiht. Ich war… vielleicht nicht so tapfer wie ich mich… ausgab.” Er musste schlucken als die Klinge etwas stärker in seine Kehle drückte. “Wer ist dieser Thasun Torréi? Hast du Informationen eingeholt wie es deine Pflicht in einer solchen Angelegenheit ist?”

Schnell versuchte Faruin den Assassinen mit seinen Antworten zu besänftigen. “Schwertkämpfer, Iordai Kampfschule. Im Norden. Tal von Ending.” Arryn zog den Druck der Klinge etwas zurück. Norden. Das bedeutete Zenshin Hoheitsgebiet. Ein diplomatischer Albtraum. Valuan brauchte das Bündnis im Norden bei der momentan Instabilität im Süden. “Was weißt du noch? Hat das Tal oder die Schule bedeutung für Zenshin? Gibt es diplomatische Hindernisse?”

Der Mann wirkte überfordert. “Uhm. Ich… Es ist eine Schwertkampfschule, d-d-die bilden Schw-Schwertkämpfer aus, die für adlige in Zenshin als Soldaten arbeiten. Bitte! Ich weiß nicht mehr als das!” Doch Arryn war noch nicht fertig. Der Mann widerte ihn mehr und mehr an. Nichtmal Informationen hatte er beschafft. “Bist du Mitglied der Eisernen Gilde oder der Handelslegion?” Verwirrt stammelte der Mann: “N-Nein. W-was hat das mit dem Kind zu tun?”

Nichts, dachte Arryn, bevor er dem Mann den Dolch tief in die Kehle rammte. Blitzschnell zog er die Decke vom Bett und schob diese vor die Wunde, dann zog er die Waffe heraus und stach mehrmals in den Oberkörper des Händlers. Als er sicher war das Herz getroffen zu haben, deckte er den sterbenden Mann zu und ließ ihn verenden. Eine kurze Suche später hielt er Geldbörse und Wertsachen des Verstorbenen in seinen Händen. Eine große Summe, offenbar war der Mann ohnehin auf seiner Rückreise gewesen.

“Die Ordnung dankt.”, sprach er leise. Dann verließ er den Raum. Als er die Tür öffnete stand jedoch das junge Mädchen vor ihm. Arryn musterte sie genau. Sie hatte einen emotionslosen Blick. Wusste sie was passiert war? Der Assassine konnte es nicht sagen. Er lange in seine Tasche und reichte dem Mädchen ein Silberstück. Furch trat in ihre Augen, die kurz darauf von derselben emotionslosen Maske ersetzt wurde.

Es war klar ersichtlich, dass sie vermutete für weitere “Arbeit” bezahlt worden zu sein. Arryn biss die Zähne zusammen. Armes Ding. “Danke für deine Dienste. Er will heute nicht mehr gestört werden. Du kannst gehen.” Verwirrung wurde schnell durch ein erleichtertes und müdes Lächeln ersetzt. Dann drehte sie sich wortlos um und verließ den ersten Stock des Gasthofes.

Das Mädchen war kein Einzelschicksal. Es kam viel zu oft vor, dass die Männer Valuans in anderen Ländern den Verbrechen frönten die in ihrer Heimat verboten waren. Speziell als Händler waren sie überall gern gesehen und Behörden drückten ein Auge zu. Ginge es nach Arryn würde er das ganze Gasthaus niederbrennen, und jeden töten der das Kind dazu bewegt hatte. Doch er hatte keine Zeit diese Widerwärtigkeit zu beseitigen. Er hatte einen Auftrag zu erledigen. Bedauerlich.

Schnell erkundigte er sich direkt bei den Wachsoldaten nach dem Weg ins Tal von Ending und brach sofort auf. Sollten sie die Leiche finden würde man nach einem namenlosen Flüchtling suchen. Flüchtlinge die hier ohnehin kamen und gingen. Wenn die Wachen überhaupt Aufsehen über einen unbekannten Händler erregten, der nicht Mitglied einer Handelsvereinigungen war.

Zufrieden darüber, zumindest einen Kinderschänder aus dem Verkehr gezogen zu haben. kam Arryn Nachtklinge schnell voran. Das Wetter war beständig, die Sonne war jedoch immer wieder von Wolken verdeckt, sodass es angenehm war zu reisen. Wenige Tage später erreichte er den Pass Dunéin. Es war kein großer Aufstieg, wie es bei manch anderen Bergpässen der Fall war, doch das Ambiente machte diesen Pass zu etwas ganz Besonderem.

Zwei Statuen waren in den Felsen gehauen worden, jeweils über zwanzig Meter hoch. Sie hatten kampfbereit die Waffen erhoben und starrten sich aggressiv an. Einer Statue fehlte ein Teil des Schildes, der anderen der Axtkopf. Sehr mitgenommene Denkmäler einer lange vergangenen Zeit. Die beiden Brüder, Erben zu einem lange vergessenen Königreich, das vor Jahrhunderten im Tal von Ending zugrunde gegangen war. Der Bürgerkrieg zwischen ihnen hatte die Bevölkerung gespalten und daraus resultierende Schlacht in diesem Tal hatte so viele Tote gefordert, dass das Königreich daran zerbrochen war.

Sie wurden von Valuan aus dem Süden und Zenshin aus dem Osten angegriffen und völlig besiegt. Nachdenklich musterte Arryn die beiden verwitterten Steinmänner und den schmalen Grat der Eintritt in das Tal ermöglichte. Es war ein Pass der sich für einen Hinterhalt oder eine Falle eignen würde. Arryn Nachtklinge bedachte erneut die vorhandenen Informationen zu seinem Auftrag.

Da es so schien als ob der Junge Zuflucht gefunden hatte, war es unwahrscheinlich, dass Zeitdruck bestand. Der Auftrag konnte langsam und bedacht angefasst werden und Vorbereitung war wichtig. Der Assassine beschloss, hier eine Falle zu verstecken die er in einigen wenigen Handgriffen einsatzbereit machen könnte. Sollte es notwendig sein zu fliehen, würde er hier Verfolger abschütteln können.

Nachdem er eine Nacht damit verbracht hatte diese Vorbereitungen zu treffen, stieg er in das tiefer gelegene Tal ab. Umgeben von dichten Wäldern und Bergketten, breitete sich ein grünes und fruchtbares Tal aus. Weite Wiesen waren mit Nutztieren gesäumt und einige Felder bauten diverses Gemüse und Getreide an. Es war Irrsinn zu denken, dass ein solch fruchtbares Tal einfach beinahe ungenützt blieb.

Doch der Frieden hier war trügerisch. Einige dutzend Kilometer weiter nördlich lag die Bergfestung Than Dúin. Eine Festung so gewaltig, dass kein Mensch sich vorstellen könnte, sie jemals militärisch einzunehmen. Und ihre Verteidigungsanlagen konnte man nicht vergleichen. Die etwa sechs Meter breite Bergstraße, die zur Festung führte war gespickt mit Fallen und auch durch den Beschuss mit Bolzen, Pfeilen oder Katapulten geschützt.

Dazu kam noch ein Vorfall, der sich vor etwa hundert Jahren ereignet hatte. Ein Dorf an der Grenze zur Festung ist über Nacht einfach dem Erdboden gleich gemacht worden. Von den Bewohnern keine Spur. Und da das Tal sonst keinerlei Bodenschätze aufwies, hatte Zenshin darauf verzichtet es zu besiedeln und sah es als Pufferfläche. Sollte ein Angriff der Bewohner von Than Dúin stattfinden gäbe das zumindest die Zeit zu reagieren. Arryn fand das etwas übervorsichtig, doch er war kein König. Was wusste er schon?

Während er den sanften Berghang hinabstieg, wechselte er in die Wälder um seine Spuren zu verwischen und zu verhindern, dass jemand seine Anwesenheit verfrüht entdeckte. Die Verkleidung eines Flüchtlings fiel ab. Falscher Bart, dreckige Kleidung und überflüssiges Gepäck wurde zwischen den Wurzeln eines großen, alten Baumes gesteckt. Befreit von seiner Last, näherte er sich dem Dorf im Laufschritt.

Es war an der Zeit auszuspähen, Schwachstellen zu finden und diese auszunutzen. Mit etwas Glück würde sich der Assassine nicht lange im Dorf aufhalten müssen. Doch seiner Erfahrung nach wies ein Dorf, das so klein war, meist nicht viele Schwachstellen auf. Es würde eine lange und ausgiebige Suche sein, doch er würde den Jungen ausfindig machen und seine Bewacher umgehen.

Zweifel daran waren ihm fremd. Schließlich hatte Arryn Nachtklinge nie darin versagt einen Auftrag zu beenden.