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8| Erin

Geschichten über die Sklaventreiber aus der großen Steppen Stadt Unulaku gehört, die Humanoide aller Rassen im gesamten gespaltenen Meer verkaufen. Geschichten voller Schmerz und Leid, und bis vor einer Woche noch absolut unvorstellbar für Erin Shields.

Sie war eine Halbelfe aus Midris, dem größeren Teil Kizaraîs. Ein Land das durch hunderte Jahre an Krieg zerbrochen und ruiniert war. Kleine Warlords kämpften um jedes Stück Land während Händler und Adelige aus anderen Teilen des Kontinents darum wettstreiten, wer die Bevölkerung am effizientesten ausnutzen kann. Die Landzunge in das viel reichere und stabilere Kizaraî wurde von Wällen und Unulaku kontrolliert und ohne Unmengen an Geld war es im Grunde unmöglich zu fliehen.

Erins Familie war wie tausende andere, immer am Kampf ums Überleben und musste dem hiesigen Warlord Marcus Aras dienen. Felder bestellen, Vieh halten, niedere Arbeiten erledigen und ähnliches. Aber Erin hatte sich seit ihrer Kindheit geweigert, was ihr tägliche Schläge eingeheimst hat. Doch das war es ihr wert. Sie die ersten 16 Jahre ihres Leben damit verbracht durch die ständigen Torturen stärker zu werden und sich einen Plan zurecht zu legen, wie sie all dem entkommen konnte.

Nicht lange nach ihrem 16. Namenstag packte sie das nötigste und den kleinen Geldsack, den sie sich angespart hatte. Sie nutzte den Schutz einer besonders dunklen Nacht und schlich vom kleinen Hof den ihre Familie vor über dreißig Jahren hier erworben hatte, als die, damals noch deutlich größere, Shields Familie aus Abora geflohen war.

Mit etwas mehr als 20 Blechmünzen und einer kleinen Ration an Proviant reiste sie in das nächstgrößere Dorf um ihren Plan umzusetzen. Ihr Körper war zu diesem Zeitpunkt bereits gut trainiert und sie hatte sich selbst das Kämpfen beigebracht, indem sie sich mit den Jungs ihres Dorfes geprügelt hatte. Sie würde einen Händler finden, der sie als Schutz anheuert und dann würde sie mit ihm durch das Land reißen. Mit etwas Glück würde sie sich irgendwann die Reise nach Norden leisten können.

Sie hatte nicht lange suchen müssen, denn ein fahrender Händler hatte ihr nach einem kleinen Test 5 Blechmünzen pro Tag angeboten für eine Eskorte in eine Stadt, fünf Tage entfernt. Nach dieser Eskorte sollte sie in jenem fahrenden Händler einen guten Freund entdecken und die nächsten zwei Jahre sein Bodyguard sein.

Die Erinnerungen schmerzten so viel mehr als ihre Wunden. Sie konnte Rek noch immer so klar vor ihren Augen sehen. Seine Stimme klang jeden Tag nach und seine schlechten Witze zogen in unregelmäßigen Abständen durch ihren Kopf.

Ihre Tränen waren bereits seit Tagen verbraucht und sie hatte all ihre Energie verbraucht im verzweifelten Kampf gegen ihre Ketten. Da sie kaum Nahrung erhielt, konnte sie sich auch nicht genug erholen, um diesen Kampf fortzuführen.

Ein bitteres, geräuschloses Lachen entkam ihr. Sie hatte in der kurzen Zeit in Kizaraî mehr gelitten als in fast zwanzig Jahren in Midris. Aus ihrem tiefsten Herzen wünschte sie, sie hätte Rek niemals gefragt, ob sie gemeinsam gen Norden reisen würden.

Leise Schritte bahnten sich an und Erin riss sich zusammen, wer kam da? Wieder dieser Dreckskerl mit der Mistgabel? Nein... Die Schritte waren von einer viel leichteren Person und so... sanft, als würden die Füße den Boden nur streichen statt aufzutreten. Eine leise feminine Stimme, mit einem rauchigen Unterton ertönte: “Hey, nicht erschrecken. Ich bin Adelaide, du weißt schon, von.... gestern? Ach, keine Ahnung, ich bin vorhin erst wieder zu mir gekommen. Ich habe ein Stück Brot für dich gestohlen. Hier”

Ein leiser Plumps ertönte direkt neben Erin und es roch nach altem Brot. Hastig griff sie danach und begann es zu verschlingen. Seit drei Tagen hatte sie nicht mehr so viel bekommen. Zumindest nichts, das nicht zum Großteil aus Schimmel bestand.

Die Stimme fuhr fort: “Ich kann dir mehr bringen, aber ich muss darauf achten, dass ich nicht gesehen werde wie ich hier bei dir bin. Brauchst du auch Wasser? Im Lager gibt es ein Fass, das noch Regenwasser enthält.”

Mit vollem Mund gab Erin ihr ein “MHm Hmmh” und deutete auf das Dach über ihr, an dem noch immer ein wenig Wasser herablief, das sich auf dem Holz des Wagens sammelte. “Ah, du hast also schon, das ist gut. Ich werde sehen, wie ich dir noch helfen kann, aber ich muss noch zu den Sklaven in den Massenwägen, ich wette die werden auch miserabel behandelt. Aber keine Sorge, ich weiß dass du verletzt bist, ich werde also wieder kommen und dir Bandagen geben, vielleicht sogar einen Heiltrank, wenn ich an die Vorratskiste ran kommen kann.”

Zwischen hastigen Bissen presste Erin Worte heraus, die sich anfühlten, als würden sie aus Rosendornen bestehen, während sie ihre Kehle verließen: “Danke. Ich bin Erin. Danke” sie hustete und zwang sich zu einem weiteren Satz: “Hilf den anderen auch, ich habe gehört, wie einige Schmerzen leiden. Weiß nicht wer.”

“Werde ich. Bis dann Erin.”

Das Brot füllte Erins Magen und half ihr sich wieder ein wenig normal zu fühlen, obwohl die alte Kruste sehr unangenehm war. Aber wen störte das schon, sie hatte Essen bekommen! Adelaide... Das musste die von vor zwei Tagen gewesen sein, die in ihrem Käfig aufgewacht und Randale gemacht hatte.

Der schmalste Hauch eines Lächelns für über Erins volle Lippen, die von Dehydration und altem Blut verkrustet waren. Sie erinnerte sich an die Schreie von ihr, als sie den Wachen gegenüber stand. Hörte ihren versuchten Kampf und schließlich ihren Körper fallen und die Ruhe danach. Das war eine wahre Kämpferin. Mehr als Erin es jemals sein würde. Aber sie war jemand zu dem Erin aufsehen konnte. Gefangen genommen werden und das erste was sie tut ist es jemand anderem zu helfen und sich dann für die Person einzusetzen... Erin würde sich diesen Namen und diese Stimme merken. Es war das dimme Licht eines Glühwürmchens, das tief im dunklen Sumpf aufleuchtete.

Die restliche Nacht verlief auf die gleiche Weise wie immer, alleine und hilflos. Aber nicht mehr Hoffnungslos. Adelaide kam auch am nächsten Tag wieder, sie hatte diesmal nicht nur Brot, sondern auch ein Stück Käse dabei, zusammen mit Bandagen. Zumindest nannte sie es so, es fühlte sich eher nach zerrissener Kleidung an, aber Erin würde sich nicht beschweren.

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“Die anderen sind nicht so übel dran wie du Erin, die haben sogar jeden Tag etwas zu Essen. Warum bist du hier alleine drin und so übel zugerichtet?” fragte Adelaide leise. Es war Nacht und wegen der schwächer werdenden Wärme des am nächst gelegenen Lagerfeuers konnte Erin einschätzen, dass die meisten bereits am Schlafen waren. Sie selbst fühlte sich auch müde, aber auf dieses Gefühl konnte sie sich kaum verlassen, seit sie hier war, war sie immer müde. Sie drehte ihren Kopf in Richtung der Stimme und antwortete ihr: “Die haben sich nicht gewehrt. Zumindest nicht so wie ich. Sie waren schlauer. Und sie haben keinem Wachmann das Ohr abgebissen und einem anderen die Zähne ausgeschlagen.” Ein freudloses HEH, kam durch ihren vollen Mund und Erin lehnte ihren Kopf gegen die Eisenstäbe. “All das, weil du dich nicht gefügt hast?! Die Verletzungen verstehe ich ja, bei diesen Monstern hier, aber warum geben sie dir kaum Nahrung?” “Weil ich so nicht in der Lage bin es zu wiederholen.” “Mag schon sein, aber von dem was ich hier im Lager aufgeschnappt habe ist es diesen Tieren wichtig, dass ihr auf dem Markt viel Geld einbringt.” “Ich werde vermutlich nicht wie alle anderen verkauft.” Erin musste eine kurze Pause einlegen, um den Rest des Käses in sich hineinzustopfen, “Ich bin Halbelfe, die werden angeblich von den gleichen Leuten für den gleichen Preis gekauft, egal welcher Zustand oder wie alt.”

Das hatte sie von dem Elf mit dem grausamen Lächeln erfahren. Er schien es genossen zu haben, ihre Reaktion mitanzusehen und war ein bisschen enttäuscht, als sie ihn einfach ignoriert hatte. Das war der Grund für ihre schmerzenden Augen und die darauffolgende Augenbinde.

Adelaide hauchte etwas, das Erin jedoch nicht verstehen konnte und legte dann durch den Käfig hindurch eine Hand auf Erins Schulter. Die Berührung tat gut.

“Ich hole dich hier raus. Ich weiß nur noch nicht wie. Ich verspreche es dir Erin!” “Lass es sein Adelaide... Wenn du jemandem beim Ausbruch helfen willst, dann finde einen Weg die Türen der überladenen Wägen zu öffnen. Sobald sie offen sind, können alle einfach weglaufen, ich bin hier mit meinen Ketten festgemacht... Und der Elf hat den Schlüssel stet bei sich.” “Weißt du denn wo der Schlüssel für die Türen ist?” “Nope. Aber wird bei den Wachen sein, wenn ich raten müsste. Aber sag mal... Warum bist du eigentlich frei? Vor allem nach deiner Aktion letztens”

Adelaide nahm tief Luft und antwortete nach einer kurzen Pause: “Ich habe mich aus Stonewall schmuggeln lassen und wurde nur zur Täuschung gefangen gehalten. Ich habe einiges bezahlt und mir wurde versichert mir würde nichts passieren. Noch bin ich mir nicht ganz sicher ob das der Fall ist.”

“Geschmuggelt?! Du hast dich freiwillig von Unulaku Sklavenhändlern gefangen nehmen lassen um aus der Stadt zu kommen? Das ist doch Wahnsinn.” “Ich weiß” zischte Adelaide, “Hätte ich gewusst, dass es so endet hätte ich es natürlich nicht getan. Aber es war so teuer, dass ich die Hoffnung hatte, es würde sicherer für mich sein.”

“Heh... Wie viel hat dich die Aktion gekostet?” Nach einer kurzen, peinlich bedrückten Pause, antwortete sie: ”Fünf Silbermark und Fünfundzwanzig Groschen…” Erin versuchte sich die Tabelle in den Kopf zu rufen, mit welcher Rek das Geld aus Midris hatte wechseln lassen. “Das sind ja über 500 Kupfer Rand! Das ist ja noch wahnsinniger als ich dachte!”

“Hey, jetzt reib es mir nicht noch unter die Nase, sonst lasse ich mir morgen besonders lange Zeit, bis ich dir etwas bringe.” “Du verscheißerst mich doch gerade. Habe ich Recht?” “Nein Erin. Ich war wirklich so dämlich.” Adelaide klang genervt, aber Erin hatte nicht das Gefühl, dass es gegen sie selbst gerichtet war. “Woher hast du denn überhaupt so viel Geld?” wollte Erin nach einem kurzen Moment der gemeinsamen Stille wissen. Fünf Hundert Kupfer Rand waren Fünf TAUSEND Blechmünzen. Damit konnte man sich gute Ausrüstung kaufen, oder eine Weile lang richtig gut leben.

“Ich...” Adelaide zögerte. Erin hatte das Brot nun auch vollständig verputzt und wartete neugierig. “Ich komme aus einem Adelshaus und bin von dort geflohen. Mehr kann ich nicht sagen, es tut mir leid Erin.” Adel? Adelaide klang nicht wie jemand Nobles. Auch wenn es in ihrem Namen geschrieben war. Wurde der Name so geschrieben? Ach egal. Wichtig war, dass ihre Retterin jemand wichtiges war. Erin musste herausfinden, ob sie das auf irgendeine Weise für sich nutzen konnte.

“Ich muss zu den anderen, wir sehen uns mor- oh, äh, wir hören uns morgen.” Erin konnte die sanften Schritte noch ein wenig hören, bevor sie zu leise wurden und nur noch das Zirpen von Insekten und das wiegen des Grases zu hören war. Erin begann ihre Bandagen zu wechseln und bemerkte, dass die meisten ihrer Wunden kaum noch am Bluten waren. Aber wenn sie das hier überleben würde, würden die Narben sie ihr ganzes Leben lang erinnern.

“Pssssst. Erin. Hey, Erin. Heeeey Erin... ERIN” das letzte Worte war nicht geflüstert, wie die ersten und Erin brauchte einen Moment zu verstehen was sie da gerade hörte. Sie hob den Kopf und sah sich blind um, als sie Adelaide hörte: “Na endlich. Hier nimm das. Mach schnell, bevor es jemand mitbekommt!”

Verwirrt nahm Erin ein abgerundetes hartes Etwas entgegen, das ihr von Adelaide in die Seite gepresst wurde. Bevor sie fragen konnte ob das gerade ein Traum war, oder Realität, war Adelaide bereits wieder verschwunden. Was war soeben geschehen?

Langsam kam Erin immer weiter zu sich und betastete schließlich das Etwas in ihrer Hand. Eine Glas Flasche, mit wachsversiegeltem Korken und dem Gewicht nach war sie gefüllt. Hatte Adelaide ihr wirklich einen Heilungstrank beschafft?!

Sie brach das Wachs und zog an dem herausstehenden Korken. Der Geruch des Gebräus war eindeutig. Als hätte man den Geruch von blühenden Blumen mit dem von angebranntem Kuchen gemischt. Würde Erin sehen können, würde sie mit absoluter Sicherheit eine golden schimmernde Flüssigkeit im Inneren vorfinden.

Sie sog so viel Luft wie möglich, scharf durch die Nase ein und setzte die kleine Faustgroße Flasche an ihren Mund. Sie hatte schon früher Heiltränke benutzt und wusste, dass ein fauler Geschmack auf sie wartete. Die dickflüssige Masse floss aus dem Flaschenkopf und in ihre Kehle, der Geschmack, dem eines verrottenden Fisches gleich. Sie trank, was sie für die Hälfte hielt und verteilte den Rest auf den Wunden und spürte sofort wie sich die Haut an mehreren Stellen zusammenzog und Fleisch in Wunden entstand, die besonders schlimm waren. Der Trank heilte sie auf die gleiche Schmerzhafte Art, wie sie es kannte, doch war dabei ein wenig schneller als sie gewohnt war. Es musste von besserer Qualität gewesen sein und sie wusste, dass selbst die günstigeren nicht gerade billig waren. Es musste also direkt aus der Vorratskiste der Wachen kommen.

Das letzte Körperteil der vollständig heilte, waren ihre Augen, eines war nur ein kurzer Stich, aber das andere fühlte sich an, als würde jemand ihr eine halbe Minute lang einen Nagel durch die Pupille schlagen. Es kostete Erin all ihre Willenskraft, nicht aufzuschreien und damit auf sich aufmerksam zu machen. Sie wusste nicht wie schlimm ihr linkes Auge verletzt war, aber nun war sie sich sicher, dass sie ohne den Trank nie wieder hätte durch jenes Auge sehen können. Sie wusste, dass sie sich glücklich schätzen konnte, dass der Augapfel nicht vollends zerstört war, denn dann hätte auch das beste aller Mittel nicht helfen können.

Aber nun da ihr Licht wiederhergestellt war, konnte sie erkennen, dass ihre Augenbinde nicht sonderlich gut saß. Sie konnte darunter durchsehen und so einen Teil ihres Umfelds ausmachen. Sie realisierte schnell, dass ihr Körper, nun geheilt, deutlich besser aussah, selbst mit dem getrockneten Blut überall. Sie tastete hastig nach benutzten Bandagen und suchte jene heraus, die sie als am blutigsten erkennen konnte. Sie wickelte sich erneut ein und ließ alle Beweise verschwinden. Die leere Flasche, der Korken und die Wachsreste flogen aus dem Käfig tief in die Nacht hinein.