Es war schwer in einer Stadt zu leben, wenn dich jeder sofort für einen Dieb oder ein Monster hielt. Es war doppelt schwer, wenn das mit dem Dieb tatsächlich zutraf. Nicht wenige Diskussion über dieses Thema hatte Beans aufgrund dieser Tatsache verloren. Sobald der Gegenüber realisierte, dass Beans Recht hatte, lief es immer auf das gleiche hinaus. “Und? Bist du nicht ein Dieb? Haben also nicht alle doch Recht?” Es war zum Haare ausreißen, dass diese Frage immer und immer wieder kam. Was sollte Beans denn tun? Es war ja nicht seine Schuld, dass Aktionen Konsequenzen haben. Heutzutage war er für gewöhnlich schnell genug, um zu fliehen, bevor man ihn erkannte, aber als er noch jung war und jeden Tag in den Slums um sein Überleben kämpfen musste, hatte er einfach zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das verfolgte ihn noch immer. Und weil Beans kein blöder Mensch oder Elf oder sowas war, sondern ein Goblin, konnte er sich nicht einmal verkleiden und in der Menge untergehen. Noch dazu war er ein Vollblut Goblin und damit klein genug, dass er bei einer Verkleidung ein Kind darstellen müsste.
Er hatte es früher mehrmals versucht, aber es war immer so schnell aufgeflogen, dass er sich eingestehen musste, dass er es nicht wie alle anderen Diebe machen konnte. Zu seinem Glück, Rückblickend. Denn Beans war dadurch gezwungen besser zu werden, damit er nicht erwischt und hingerichtet wurde.
Während die meisten Kriminellen Gefängnis oder Zwangsarbeit erwartete, hatten Goblins und andere goblinoide Rassen keine Rechte und keinen Schutz als Personen, also kam immer der Strang. Oder der Block. Oder einfach eine Wache mit einem Schwert.
Aber welche anderen Optionen gab es für ihn? Niemand würde einen Goblin anstellen und “Monster Spezies” hatten nicht das Recht Bürger zu werden und somit nicht die Chance ein eigenes Geschäft zu eröffnen. Die meisten hielten sich deshalb fernab von Städten und Dörfern, in Wäldern und Höhlen auf. Bildeten dort kleine Stämme um leichter überleben zu können und lebten dort wie Wilde.
Aber Beans würde lieber einer ganzen Armee an Stadtwachen gegenüber stehen, als sich auf so ein Leben einzulassen. Er war Vollblut! Das hieß er war aus einer langen Linie an rein Goblin Vorfahren und nicht wie viele andere eine Mischung aus verschiedenen Goblinoiden. Er hatte sogar noch die alte Magie in sich, wenn auch nur bedingt trainiert. Er war schlauer und einfach allgemein besser als diese Wilden, draußen in den Wäldern!
Seine gemurmelten Beschimpfungen über seine eigene Spezies würden jäh unterbrochen, als Beans die raue Stimme eines Drakken vernahm: “Ich habe keine Lust mehr hier den ganzen Tag herumzustehen Brolk! Können wir nicht eine kleine Pause einlegen? Ich kann das Essen bis HIER HER riechen!” Der Gnoll Partner der Wache bedachte es für einen Moment, aber der Geruch war wahrlich unwiderstehlich. Er hatte es schon seit über einer Stunde in der Nase und konnte sich kaum noch zurückhalten: “Mhhhm. Nagut. Eine kurze Pause. Aber dann müssen wir wieder hier her!” “Natürlich! Ich hoffe die haben auch ein schönes Bier, das zu dem leckeren Fleisch passt. Was glaubst du ist es? Rind? Schwein? Ziege?” Der Gnoll schnupperte kurz und grollte dann: “Rind. Steht wohl seit einer Weile schon, aber wir kriegen bestimmt auch frisch gegrilltes.”
Beans lauschte, wie die beiden Wachleute davon schlenderten, genau in die Richtung, in der er ein wundervolles Stück Rindfleisch über ein kleines Feuer gehängt hatte. Es hatte zwar länger gedauert als erhofft, aber es hatte schlussendlich funktioniert.
Nun musste er sich aber beeilen, damit er seinen Job hier erledigen konnte, bevor die beiden realisierten was hier ablief und den Alarm ringen würden.
Ohne das kleinste Geräusch zu verursachen ließ sich Beans vom Dach fallen und schlüpfte durch den Torbogen in die warme Halle, des Tempels.
Eine gigantische Feuerschale stand in der Mitte, umgeben von neun kleineren. Goldenes Feuer in der großen, blasses in den kleineren. Ein Altar für die zehn Gottheiten.
Beans wusste durch den Tipp den er per Brief erhalten hatte, die grobe Lage der Kiste mit den Wertsachen, die bei den Opferungen gespendet wurden. Sie wurde einmal pro Woche geleert und dazwischen hielten Wachen der Stadt ein Auge auf den Tempel. Mit katzenhafter Anmut huschte der kleine Goblin, von knappen 90 cm über den polierten Boden und hielt kurz vor einer versteckten Klappe, direkt unter der großen Feuerschale. Würde man nicht explizit danach suchen, war es beinahe unmöglich die feinen Fugen im Stein zu erkennen.
Beans horchte kurz nach Geräuschen und als er sich sicher war, alleine zu sein, begann er das versteckte Dietrich Set aus seinem Armschutz zu nehmen und sich an die Arbeit zu machen.
Das Schloss stellte sich als eine Variante des beliebtesten arkanen Schlosses heraus, das der Dieb schon hunderte Male gesehen hatte. Er ließ konzentriertes Mana durch seine Finger in das Metall der Dietriche fließen und mit minimalsten Bewegungen entriegelte er die Klappe im Stein. Dahinter fand er sein Ziel. Eine kleine Holzkiste, mit vergoldeten Ecken und wunderschönen Ornamenten. Die Kiste selbst war nicht verschlossen und er konnte sie, durch das einfach verschieben eines Bolzens aus Gold, öffnen.
Das Cyan seiner Iris leuchtete auf, als er den Blick über die unzähligen Münzen blitzen ließ. Das meiste waren Kupfer und ab und zu Silber, aber er konnte zwischen all den anderen Münzen einige Goldene erkennen, da mussten mindestens sieben oder acht Goldmünzen drin sein! Das, zusammen mit den restlichen Münzen machten das hier zum lukrativsten Diebstahl, den Beans je geschafft hatte.
Seine Augen leuchteten immer weiter, während Beans sich nicht darauf konzentrierte es zu unterdrücken und er mit dem Bestaunen der Kiste beschäftigt war. Es bildete einen unheimlichen Effekt, mit dem gelb seines restlichen Auges und verriet ihn immer sofort als Goblin. Er musste sich kurz schütteln, bevor er die Fassung wieder erlangte und schloss die Kiste. Nun konnte er das Leuchten wieder unterdrücken, um nicht auf sich aufmerksam zu machen. Ein blaues Licht, das unheilvoll aus zwei kleinen Augen floss, würde ihn hier im Schatten der großen Schale sofort verraten. Langsam erhob er sich und hielt die Kiste unter seinem linken Arm, während er den leeren Tempel absuchte. Aber zu seiner Erleichterung schien niemand etwas bemerkt zu haben. So vorsichtig wie möglich schloss er die Steinklappe wieder und machte sich auf den Weg zu seinem Fluchtpunkt.
The story has been illicitly taken; should you find it on Amazon, report the infringement.
Er hatte diesen Ort für eine ganze Woche lang im Auge behalten, um sicher zu sein, dass dort niemand sein würde, wenn er mit seinem Ziel floh. Er huschte von Feuerschale zu Feuerschale und mit flinkem Schritt kam er auf eine der Säulen zu.
Seinen Gürtel konnte er zweiteilen und konnte sich damit eine Schlinge machen, in die er die Kiste platzierte. Mit Beute auf dem Rücken öffnete er seine Hände und die dunklen Krallen seiner Finger begannen zu schimmern. Langsam und vorsichtig griff er in den Stein und seine Raubtier ähnlichen Krallen glitten in das Material, wie ein scharfer Dolch in den Hals eines nichtsahnenden Opfers.
Mit Griff über Griff kletterte Beans die Säule entlang nach oben, bis er auf der Höhe der Auskragung war und mit einem gezielten Sprung, den er zuvor an einer 1:1 Nachbildung geübt hatte, die er aus Holzresten gebastelt hatte. Nun musste er nur noch einige Meter weit den dünnen Steinvorsprung entlang balancieren und konnte von dort aus durch ein kleines Fenster entkommen.
Es war eng, aber nicht unmöglich. Er nahm die Kiste vom Rücken und schob sie zuerst durch, um danach selbst hindurch zu kriechen. Wäre Beans auch nur um ein kleines bisschen breiter, würde er hier stecken bleiben. Zum Glück war es schwer fett zu werden, wenn man nicht regelmäßig Essen konnte.
Jetzt musste er nur noch vom Dach kommen und war sicher. Er schlang die Kiste wieder auf seinen Rücken und machte sich zum Rand der dunkelrot gefärbten Ziegel, doch bevor er mit einem Satz auf das anschließende Dach springen konnte, zu seinem absoluten Horror, vernahm er die Stimme von zwei Wachmännern. Sie atmeten schwer und stolperten übereinander in dem Versuch so schnell wie möglich auf ihre Posten zurück zu kehren. Beans versuchte sich schnell genug aus dem Sichtfeld zu entfernen, doch er war zu langsam. Unter ihm ertönten Rufe der Panik und Erzürnung: “Da oben, schau, da ist der Dieb!” und “Ist das ein verdammter Goblin?!”
Es lief Beans eiskalt den Rücken herunter. Sie hatten ihn gesehen. Sie würden alle verfügbaren Steckbriefe durchgehen, die von Goblins waren und, sie würden ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder erkennen. Voller Schrecken sah er zu den beiden hinab. Beide hatten ihre Waffen gezückt und der Drakken war im Begriff durch ein Horn zu blasen.
Die Zeit verlangsamte sich und der kleine Goblin hatte tausende Gedanken gleichzeitig. Was sollte er tun? Wenn er flüchtete, würde bald die gesamte Stadtwache von ihm wissen und ihn jagen, er würde es unter Umständen nicht schnell genug aus der Stadt schaffen, bevor es dazu kam. Sollte er die beiden töten? Er hatte seinen Dolch bei sich, aber konnte er es? Nicht nur physisch, sondern auch emotional? Beans hatte bisher noch nie getötet, allerhöchstens verwundet. Seine Geschichten, die er in Tavernen gerne von sich gab, enthielten eine Menge tödliche Interaktionen, aber das war alles nur gelogen. Er spürte wie seine Hand zum Griff an seiner Hüfte glitt, aber es gelang ihm nicht die Waffe zu ziehen. Ein Knoten bildete sich in seinen Eingeweiden und machte ihn Unfähig etwas zu unternehmen. Er stand nur da und starrte die beiden Bewaffneten an. Das Horn erklang. Kurz darauf in der Ferne eine Glocke und weitere Hörner.
Er musste hier weg. Aber er konnte sich nicht dazu zwingen sich vom Dach fallen zu lassen und die Zeugen zum Schweigen zu bringen. Also tat er das, wovon er wusste, dass es die falsche Entscheidung war. Er begann das Dach entlang zu rennen und sprang noch zwei Dächer weiter bevor er sich in eine enge Gasse fallen ließ und zu einem der Zugänge in die Kanalisation rannte.
Beans würde sich erst nach seiner Flucht darum kümmern, sich selbst zu beleidigen, dass er so dumm war, aber jetzt musste er entkommen, bevor die Wache seine Identität bekanntmachten. Es gab noch andere Goblins in der Stadt, aber sein Aussehen war markant genug, dass die Leute “Die Goblin Elster” erkennen würden und die Wachen sofort wissen lassen würden, wo er sich befand.
Die Kanalisation war besser erbaut als in den meisten Städten, aber trotzdem noch immer eine Kanalisation. Beans bahnte sich seinen Weg durch das Kniehohe verdreckte Wasser und achtete darauf, dass so wenig Dreck wie möglich an seine Kleidung kam. Er würde zwar auch so nach Scheiße und Abfall stinken, aber Gerüche waren leichter zu entfernen, als Flecken, oder angetrocknetes.
Seine lange, spitzzulaufende Nase gerümpft navigierte Beans unter der Stadt entlang gen Stadtwall. Wenn er in der Nähe der gigantischen Mauer herausklettern konnte, würde er es unter Umständen schaffen schnell aus der Stadt zu kommen. Er könnte auch dem Wasser in Richtung Meer folgen, aber der Hafen von Stonewall war so belebt, dass er sich nicht sicher war, wie lange er dort versteckt bleiben würde.
Über ihm hörte er wie die Hörner weiterhin bliesen und Signale quer durch die Stadt sandten. Einzelne Hornstöße in verschiedenen Längen und Tonlagen stellten Fragen und lieferten Antworten.
Beans war sich sicher gewesen, dass er Angst vor Jahren schon verloren hatte, aber nun schnürte sie ihm die Kehle zu und ließ seinen Magen in einem Loch versinken. Wenn er e aus der Stadt schaffte, würde er entkommen können. Aber wohin würde er gehen? Beans kannte nichts anderes, als die riesige Stadt Stonewall. Das Leben auf dem Land, oder gar in den Wäldern, war ihm völlig fremd. Würde er es schaffen dort zu überleben? Er würde lernen müssen wie man jagt. Und wie man Essen zubereitete. Und wie man ein Feuer machte. Und wie er sich nicht verlaufen würde. Mit jedem Schritt wurde der zitternde Goblin langsamer, bis er schließlich stehen blieb. Er würde es nicht schaffen. Selbst wenn er entkam. Er würde sich von Zivilisation fern halten müssen und in der Wildnis sterben. Ihn erwartete ein grausamer und langsamer Tod. Wäre es da nicht besser einfach sein Schicksal hier zu akzeptieren? Die Wachen töteten in der Regel mit wenigen Schlägen und wenn er hingerichtet würde, könnte er sogar noch schneller sterben, mit kleinem Aufenthalt im Gefängnis vorher.
Er sah an sich herab. Enggeschnittene Straßenkleidung, mit viel gezeigter Haut, darauf ausgelegt verführerisch zu sein, wie sollte er es schaffen zu überleben. Er wandte seinen Blick ab, als er sah, wie sehr er am Zittern war. Warum? WARUM?! Beans hatte schon unzählige solcher Situationen in seiner Kindheit gehabt. Warum erlitt er nun eine solche Panik? Er hatte schon immer seinen Tod akzeptiert, kein Nichthumanoide lebte lange in einer Stadt. Er hatte es auf beeindruckende 10 Jahre geschafft. Was für einen Goblin alt war. Die meisten starben Jahre vorher. Jeder Goblin wusste, dass ihn kein langes Leben bevorstand. Es lag in ihrer Natur. Das wusste Beans. Nach dieser Tatsache hatte er gelebt. Risiken eingehen, denn wenn er starb, war es nur natürlich.
Wann hatte er vergessen, dass so das Leben eines Goblins aussah? Wann hatte er Angst bekommen zu sterben? Es war nicht Goblin. NICHT GOBLIN! Goblins waren furchtlos! Bereit das zu tun was nötig war um zu überleben und zu akzeptieren, dass die Welt grausam war.
Beans spürte etwas Nasses sein Gesicht herablaufen, zuerst dachte er, dass über ihm die Struktur undicht war. Aber als er nach oben sah, war dort alles trocken. Doch noch immer ran ihm etwas die Wangen entlang. Er griff sich ins Gesicht und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
Ein Schluchzen entlief ihm, bevor es verhindern und verkneifen konnte und Beans wurde eines klar. Er war kein echter Goblin mehr. Er hatte Angst vor dem Ende, er hatte Angst das Risiko der Wildnis einzugehen und er zeigte Gefühle, die ein wahrer Goblin NIEMALS zeigen würde. Er war schwach.
Was sollte er nun tun? Er sah die Kanalisation entlang zu beiden Seiten und ging in seinem Kopf durch, seit wann er nicht mehr Goblin war. Abwesend stapfte er durch das stinkende Wasser und machte sich auf den Weg. Wohin? Das wusste niemand.