Zellis musste mindestens zwei Tage lang in der Zelle
gefangen gewesen sein, bevor sie endlich jemanden
nach unten kommen sah. Es war eine Gruppe aus
einem massiven Hobgoblin, einem Menschen und
zwei Halborcs. Die Orcs und der Goblin waren
offensichtlich die Muskeln zur Einschüchterung,
während der Mensch, ein kleiner übergewichtiger
Mann mit ausfallendem Haar war. Dieser richtete
auch schließlich das Wort an Zellis, die
bewegungslos an jener Wand saß, die am fernsten
von den Stangen der Zelle war. “Echse! Ich habe gute
Nachrichten,” höhnte die kleine Pestbeule, “Keule
hat mir gesagt, ich darf dich in meinen Bestand
aufnehmen. Du wirst also nicht hier drin verrotten”
Ein Lächeln flog über sein Gesicht, das einen
Würgereiz in der besiegt dreinblickenden Drakken
auslöste. “Jungs.” Die drei großen Gestalten stellten
sich um die Zelle auf. Ein Halborc links davon und der
andere rechts von der Tür in den Stangen. Der
Hobgoblin zog einen rostigen Schlüssel von seinem
Gürtel und öffnete das Schloss, ohne den
Blickkontakt zu Zellis auch nur für eine Sekunde zu
unterbrechen. Seine Pink, Rot gemischten Augen
hatten das Goblin typische Glühen, das ein
schwaches übernatürliches Licht von sich gab,
bohrten sich tief in Zellis. Die Blicke der beiden
grünhäutigen Muskelberge wurden völlig in den
Schatten gestellt und Zellis bemerkte die beiden
nicht einmal. Sie und der Hob. Mehr existierte in
diesem Moment nicht. Langsam drehte sich der
Schlüssel und ein kurzes metallisches Kratzen wurde
von einem Klacken abgelöst. Langsam hob der Hob
seine massive tief dunkel grüne Hand an eine der
Stangen innerhalb der Tür und öffnete diese mit einer
langsamen Bewegung. Zellis hatte sich die gesamte
Zeit nicht einen Zentimeter von ihrer Wand bewegt
und keinen Muskel sichtbar gespannt. Das war der
Grund, warum der Hob, trotz seiner Vorsicht,
überrascht wurde, als ihm plötzlich eine
Feuerspuckende Tochter der Drachen
entgegensprang. Ein roter Sturm aus metallenen
Klauen und wütenden Flammen schoss direkt unter
den Beinen des verdutzten Goblins hindurch und ließ
ihre Waffen das grausame Werk vollführen, für das
Zeliss’ Familie berühmt war. Zellis ging mit einer
fließenden Überleitung in eine Kampfhaltung über,
um sich gegen die anderen Beiden zu schützen. Doch
zu ihrem absoluten Horror musste sie feststellen,
dass der Hobgoblin noch immer stand und nun sehr,
sehr wütend schien.
Zellis hatte all ihre Kraft in den Angriff gesteckt, wie
konnte er sich noch auf den Beinen halten?! Ihre
Klauen waren lang und stark genug, um bei ihrem
Manöver die Muskulatur der Beine des Hobs
vollständig ruiniert haben zu müssen. Doch als sie
ihren Blick für einen kurzen Moment nach unten
richtete, konnte sie sehen, dass die Beine zwar stark
bluteten, die Schnitte jedoch, nicht so tief waren, wie
sie es hätten sein sollen. Als Zellis sofort wieder nach
oben sah, war es bereits zu spät. Sie sah die Faust
auf sich zukommen, aber war zu langsam um den
Aufprall zu verhindern.
Ein Schlag wie von einem Eisengolem krachte in die
Brust von Zellis und schleuderte sie durch den
Kerker. Sie hatte das entsetzliche Geräusch von
brechenden Panzer Schuppen vernommen, bevor sie
gegen eine steinerne Wand prallte und alles schwarz
wurde. Als sie die Augen wieder öffnete, lag sie am
Boden und ihr gesamter Körper brannte vor Schmerz.
Der Aufprall muss auch an den Panzerschuppen
ihres Rückens Schaden angerichtet haben, denn sie
sah Splitter der etwas helleren, blasseren Stacheln
ihres unteren Rückens auf dem Boden unter sich.
Unter größter Mühe zwang sie sich aufzustehen und
Kampfhaltung einzunehmen. Zellis war seit Jahren
nicht mehr in einem echten Kampf gewesen. Nicht
mehr seit ihren Tagen als Soldatin in der
Monstereinheit. Sie hatte sich vor über sieben Jahren
zur Ruhe gesetzt und die Schmiede Kunst von einem
grummeligen Zwerg erlernt. Die beeindruckende
Muskulatur, auf die Zellis so stolz war, war nicht für
das Kämpfen gedacht. Doch sie hatte hier keine
Wahl. Eher würde sie sterbend niedergehen, bevor
sie eine Sklavin des, wohl ekelerregendsten
Menschen der Stadt wurde. Zum ersten Mal in fast
einem Jahrzehnt spreizte Zellis ihre Klauen um zu
Töten. Wie sehr sie dieses Gefühl hasste.
“Warte einen Moment Glorbo.” ertönte eine
schleimige menschliche Stimme, “Zellis Stillwasser!
Ich habe weder vor dich hier sterben zu lassen, noch
dich in meine Sklavengruppen stecken. Ich werde
dich als Schmiedin für mich arbeiten lassen, du
musst, also nicht kämpfen! Komm einfach friedlich
mit mir und du wirst ein gutes Leben führen.” Er
hüstelte und fuhr fort, nun etwas leiser” Natürlich mit
weniger Freiheit, aber sieh doch bitte ein, dass es
diesen Widerstand nicht benötigt.”
Zellis ließ den Fokus nicht von dem Hobgoblin
Glorbo, doch sah mit ihrer Peripherie zu dem
Menschen hinüber. Er stand einige Meter hinter den
großen Orcs, die nun mit gezückten Waffen
kampfbereit standen und scheinbar nur auf einen
Angriffsbefehl warteten, um auf Zellis zu stürmen.
Aufgrund der Drakken Anatomie, war das periphere
Sehen für Zellis deutlich besser und sie konnte beide
Orcs vollständig im Auge behalten, obgleich der
Fokus ihres eisernen Blickes noch immer auf dem
dunkelgrünen Berg vor ihr lag. Zwischen gebleckten
Zähnen zischte sie: “Eher sterbe ich, als einem
Menschen zu gehören. Und bei dir, ist mir selbst der
schlimmste aller Tode lieber!” Und damit stürmte sie
los. Der Goblin blieb mit erhobenen Fäusten stehen
und wirkte wie ein Felsen, den man in raues Leder
gekleidet hatte und ihn Umgab eine Aura, die
Stabilität und Resistenz versprach. Die nur leicht
grünlichen Muskelprotze mit den gezückten
Schwertern blieben vorerst ebenfalls auf ihrer
Position, was Zellis die Chance gab, auf die sei
gehofft hatte. Sie würde diesen Kampf hier nicht
gewinnen. Das wusste sie. Nicht nachdem sie zwei
oder womöglich sogar drei Tage ohne Essen in einer
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dunklen Zelle vor sich hin wartete. Aber wenn sie es
schaffte die, immer noch einen Spalt weit geöffnete,
Tür nach oben zu erreichen, hatte sie womöglich eine
Gelegenheit zur Flucht. Auch wenn das hieße, sie
müsse ihr Schwert aufgeben.
Zellis hatte sich mit ihren starken Beinen direkt auf
den Goblin katapultiert, doch im letzten Moment,
schlug sie mit ihrem Schwanz aus und veränderte
ihre Flugbahn um statt auf ihren Gegner zu treffen, an
ihm vorbei und in die Richtung der steinernen Treppe
blitzte. Ihr Momentum war nicht hoch genug um die
gesamte Strecke zurückzulegen und bei etwas mehr
als der Hälfte kam Zellis auf dem Boden auf und
windete sich in eine Landung, die ihr die Luft aus der
Lunge presste. Doch genau wegen jener Landung,
konnte sie sich problemlos in einen Sprint begeben.
Gierig sog sie die schale, feuchte Luft des Kerkers ein
und ging in einen Spurt über, der sie Meter für Meter
näher in Richtung Freiheit führte.
Hinter sich hörte sie das Schreien, nein Kreischen,
eines kleinen erbärmlichen Sklaventreibers, der
seine Gorillas befahl “die Echse nicht entkommen zu
lassen, sonst landet ihr in der Minen Truppe!” Die
Motivation der drei schien nach dieser Drohung
deutlich angefeuert zu sein und schwere Schritte
begannen hinter Zellis los zu rennen. Die Drakken
war jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits am Fuß der
engen Steintreppe und erklomm die Stufen Hals über
Kopf.
Oben angekommen riss sie die Tür auf und stolperte
in einen mit Teppich ausgelegten Raum. Sie hatte
nicht die Zeit um die vielen Kunstwerke, teuren Stoffe
oder Statuen zu bewundern, denn sie konnte hinter
sich hören, wie ihre Verfolger schnell hinter ihr
herkamen. Sie musste dringend hier raus, doch als
sie hier durch die Gänge gebracht wurde in Richtung
der Zellen, hatte sie eine Augenbinde tragen müssen
und musste deshalb den Weg hinaus erraten. Sie
preschte nach Links und nahm den ersten Gang der
vom Hauptkorridor wegführte. Sie umrundete die
Ecke und spurtete direkt auf die nächste zu. Sie
würde erst ihre Verfolger abschütteln und sich dann
weitere Gedanken machen. Außerdem hatte sie
vielleicht Glück und würde durch Zufall den Weg
hinausfinden. Es war unwahrscheinlich, aber nicht
unmöglich.
In den folgenden Gängen war kaum eine Seele
anzutreffen, nur vereinzelte Diener, in miserablem
Zustand, die am Putzen waren.
Zellis hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits durch
acht verschiedene Gänge begeben. Wie groß war
dieses verdammte Ding hier eigentlich?! Ihre Schritte
trugen sie weiter, doch mit dem Abklingenden
Adrenalin spürte sie die Schäden, die der Hob
verursacht hatte. Sie hatte viele angebrochenen und
einige fehlenden Schuppen auf ihrer Brust, durch die
Blut nach außen drang, sie vermutete, dass ihr
Rücken ähnlich aussehen würde. Sie musste den
Göttern danken, dass sie lange genug gegen
gefährliche Monster gekämpft hatte, damit sich ihre
Schuppen zu gepanzerten entwickelt hatten. Eine
magische Transformation, die häufig bei Drakken
Kriegern zu sehen war, wenn sie sehr häufig Schaden
erlitten. Der Schlag hätte sie umgebracht, wäre sie
nur von gewöhnlichen Drakken Schuppen geschützt
gewesen.
Der Boden begann bald schon merkbar grober und
unebener zu werden und nach wenigen weiteren
Momenten des Sprintens begann Zellis sich auf
nacktem Stein zu bewegen, die Teppiche von zuvor
zu teuer um hier entlang zu laufen. Das schien nach
einem guten Zeichen, doch mit der Veränderung des
Ganges kamen auch immer mehr Leute in Sicht. Bald
schon musste sie sich mit Feuer und Klauen
durchkämpfen, um weiterhin schnell
voranzukommen.
Kurz darauf sah sie eine schwere bronzene Tür, die
geschlossen war und vereinzelt von Leuten geöffnet
wurde um nach draußen in das Licht der Sonne zu
steigen.
Zellis jubelte innerlich und setzte zu einem letzten
Sprint mit voller Kraft an. Es würde der letzte Sprint
sein, den sie schaffen würde, danach musste sie
dringend einen sicheren Ort zum Erholen finden. Und
sie brauchte DRINGEND etwas zu Essen.
Zellis rammte die massige Tür, als ein Söldner vor ihr
diese gerade zu öffnen begann. Beide brachen in ein
offenes Feld und der Schwung warf Zellis ein Stück
weiter, einen kleinen Hügel hinunter.
Der folgende Aufprall und die darauf wiederum
folgenden Rollen über den harten Boden
verursachten, dass die Wunden auf Brust und
Rücken schlimmer wurden und Zellis geradezu
betäubte. Sie spürte ihren gesamten Körper brechen
und wusste, sie würde es nicht mehr schaffen,
aufzustehen!
Auf dem Boden liegend starrte sie gen Himmel und
drehte ihren Kopf dann ein wenig um auf die Tür zu
blicken. Doch das Hügel Tal machte das sehr
schwer.
Zellis nutzte das, um sich unter Mühe und
unterdrückten Schreien des Schmerzes von der
Stelle ihrer Landung zu entfernen. Mit leisem
Krächzen und Stöhnen schaffte sie es sich in den
Schutz eines Gebüsches zu zerren, das weit genug
war, damit sie vollständig darin verschwinden
konnte.
Endlich angekommen blickte sie an sich herab. Sie
hatte ihre Kleidung behalten, doch alles andere war
ihr genommen worden, als sie festgenommen wurde.
Mitunter auch ihr Notfall Heiltrank, den sie stets mit
sich hatte. Sie schloss die Augen für einen Moment
und verfluchte die Welt. Viel hätte der Trank zwar
nicht erreicht, da ein Heiltrank lediglich die
natürliche Heilung um ein Vielfaches beschleunigte,
aber mit einer so kleinen Flasche, hätte sie nicht eine
ihrer Wunden richtig heilen können. Aber der
Schmerzlinderungseffekt wäre in diesem Moment ein
wahres Geschenk der Himmel.
Schwer atmend und so unbeweglich wie nur möglich,
hielt Zellis in ihrem Gebüsch aus, doch als auch nach
zehn Minuten niemand kam um nach ihr zu suchen,
begann eine kleine Flamme der Hoffnung in ihrer
Brust zu brennen. Oder es war ihr Brennsack, der
nach dem ganzen Feuerspucken überansprucht war.
Wie dem auch sei, sie konnte aus dieser Situation
womöglich lebend herauskommen.