“Addy pass auf!” rief Erin, die panisch nach Adelaide griff um sie vor einem umstürzenden Baum zu retten. Das Erdbeben warf die mittlerweile leeren Wägen um und ließ Felsbrocken umherrollen. Die Straße, auf der zuvor noch sehr ebene Steinplatten für eine angenehme Reise sorgte, riss auf und es brachen Wurzeln hindurch die unnatürlich bläulich waren.
Was nicht vorher vom Erbeben zerstört wurde, musste nun durch die Wurzeln und Ranken leiden, die ein Nebeneffekt der Naturkatastrophe sein, oder der Auslöser.
Doch weder Erin noch Adelaide hatten die Zeit sich darum Gedanken zu machen, während Erin sie zu Boden riss und sich schützend über sie stützte. “Danke” hustete Adelaide und sah zu ihrem Horror, wie eine Ranke sich erhob und eine der Steinplatten der Straße in die Luft beförderte. Die Platte flog in einem perfekten Bogen, direkt auf die sie und Erin zu. Doch es war zu spät um zu reagieren. Adelaide versuchte Erin zu warnen, aber der Stein war bereits im Sturzflug, nur wenige dutzend Meter über ihnen.
Erin wurde durch den gigantischen Schatten der Platte gewarnt, dass etwas riesiges auf sie zukommen musste und presste ihre neue Freundin so fest gegen sich wie sie es nur konnte und spannte ihren gesamten Körper an. Adelaide war nun vollständig von ihr bedeckt und erst dann realisierte sie, was Erin gerade tat. Sie würde versuchen die Kraft des Einschlages durch sich selbst in den Boden hinein zu lenken, damit Adelaide die, zugegebenermaßen geringe, Chance hatte zu überleben. Alles passierte so schnell, dass beide keine Worte aneinander richten konnten, Adelaide wünschte sie hätte noch ein wenig mehr Zeit mit der Halbelfe verbringen können. Beide machten sich auf den Einschlag gefasst, aber er schien sich ein wenig zu lange Zeit zu lassen. Adelaide wagte es nach zwei Sekunden eines ihrer Augen zu öffnen und sah die massive Steinplatte nur einen Meter über sich. Sie... hing? Ja. Die Platte hing in der Luft, grüne Haken an jeder Ecke, die von magischen Ketten gehalten wurden. Was war...
Mirs angestrengte Stimme schrie sie an: “MACHT DASS IHR DA WEGKOMMT!” Mehr brachte er nicht heraus. Seine Hände waren gen Himmel erhoben und unzählige Ketten erstreckten sich aus seinen Handinnenflächen und verschwanden kurz danach in einem Loch, das scheinbar in endloses Nichts verlief.
Erin reagierte zum Glück schneller als Adelaide und sprang mit ihr in den Armen unter der Steinplatte hervor. Nicht eine Sekunde später und sie wären zerquetscht worden, als Mirs Ketten schließlich brachen.
Erin blieb aber nicht stehen, sondern machte sich daran mit Adelaide in den Armen in Richtung der offenen Felder zu sprinten, so weit weg wie möglich von Straße und Wald. “Erin warte, Mir!” “Ist MIR egal!” “Dein Ernst?! In so einer Situation? Wow. Und wie schaffst du es so zu rennen und kaum außer Atem zu sein?” “Adrenalin und Jahre des Trainings” Bei dem letzten Satz reduzierte sie ihre halsbrecherische Geschwindigkeit und kam zum stehen. Statt darauf zu warten, dass Adelaide heruntergelassen wurde, schlang sie sich aus den stämmigen Armen der Halbelfe und sah in Richtung Mir.
Er hatte beide gerettet. Sie konnten ihn nicht einfach zurücklassen. Naja, ok, sie war eher besorgt er würde entkommen, aber sie konnte ja um beides gleichzeitig Sorgen machen. Erin griff ihre Schulter, aber statt sie von hier wegzuziehen stellte sie sich neben Adelaide. Wo hätten die beiden auch schon hin flüchten sollen? Das weit offene Feld war der sicherste Platz im Moment.
“Gute Idee hier zu warten.” kam eine keuchende Stimme von hinter ihnen. Erin drehte sich zuerst um und ihre Stimme klang eher wie das tiefe Grollen eines Werbären, “Du. Ich reiße dich in Stücke!” “Warte doch einen Moment Halbblut. Immerhin habe ich euch gerade geholfen.” “NAUND?!” Adelaide ging zwischen die Beiden. “Jetzt erst mal ganz ruhig Erin. Wir haben gerade größere Probleme! Und du Mir, glaube bloß nicht, dass deine kleine Rettungsaktion wettmacht, was du Erin angetan hast!”Weiter kam Adelaide jedoch nicht, denn eine der grünblauen Ranken schmetterte auf die Gruppe. Die Ranke war deutlich langsamer, als der Stein und so konnten alle drei ausweichen, aber die Ranke hatte es nun auf sie abgesehen. Sie schwang kreuz und quer über das Feld, Messerscharfe Blätter am vorderen Viertel.
Adelaide wünschte wirklich, sie hätte ihre Pfanne noch bei sich, aber die lag, platt wie eine Flunder, unter dem Stein der Straße. So blieb ihr nichts anderes übrig, als den Rückzug anzugehen. Erin hatte das gleiche Problem, Mir jedoch nicht. Wie der beiden anderen auch ging er langsam und vorsichtig Rückwärts die Augen auf die Ranken fokussiert, aber er war nicht unbewaffnet. Er schwang eine lange Kette, die schien, als wäre sie aus purem Feuer geschmiedet und begann die das gigantische Pflanzen Ding zurück zu drängen. Mit jedem Schlag brannten sich schwarze Stellen in das Gehölz und riss einige der Blätter ab. Vor Anstrengung schwitzend fragte Mir: “Was in den sieben Höllen macht das überdimensionierte Efeu hier?”
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“Hey Addy, hier rüber!” kam von Erin, die zwischen zwei neu gesprossenen Ranken hinter ihnen durchrann. “Mir! Hier entlang!” gab sie an den Magier weiter, “dein Feuer ist nicht stark genug um das Ding zu töten!” Sie sprintete auf Erin zu und hörte Mir fluchen und hinterherrennen.
Beide schafften es durch die beiden dünneren Ranken, die scheinbar darum kämpften, wer hier der Boss war. Aber vor sich hatte Erin ihren Schritt verlangsamt. Adelaide erkannte warum, als sie vollständig zu ihr aufschloss. Aus dem gesamten Feld brachen kleinere Ranken hervor, die sich ineinander schlangen und wage humanoide Formen erschufen. Die einzige Beschreibung die sie für diese Wesen aufbringen konnte war ‘Untote aus Holz und Biomasse’ Und weil das noch nicht bedrohlich genug war, schwang ein jede dieser Formen Holz-Keulen, -Schwerter und Knüppel, überzogen von Moß, Blättern und Blüten.
Vor sich hin zu fluchen wurde langsam alt, also stöhnte Adelaide einfach nur. Das konnte doch jetzt nicht wahr sein, aber Erin schien vor Freude zu explodieren, als sie auf die Monster zusprang. Mit ihren Ketten und bloßen Händen riss sie drei der Wesen in Stücke und nahm eines der hölzernen Schwerter. “Hier Addy!”
Da verstand sie. Ohne weiter zu zögern folgte sie Erin und nahm das Schwert. Es war leicht und lag überraschend gut in der Hand. Die Waffe hatte ähnliche Maße wie ein gewöhnliches Einhandschwert mit gerade Klinge, die fleckenhaft mit braun-grünem Moß und kleinen Ranken überzogen war und einem Griff der sich anfühlte, als würde sie jemandem die Hand schütteln. Nicht Adelaides erste Wahl, aber sie würde sicher noch einen Holz-Säbel, oder –Rapier finden. Mit neuem Mut stürzte sie sich nun auch endlich in den Kampf.
Vor ihr hatte Erin bereits eine Schneise geschlagen, indem sie ihre Ketten wie Dreschflegel um sich schwang. Jeder Schlag traf mindestens eine dieser Kreaturen und brach Holz mit jedem Einschlag. Adelaide musste zugeben, dass es scheinbar effektiv war, aber es sah wirklich seltsam aus. Erin könnte als einer der Jahrmarktskünstler durchgehen, die mit bunten Schalen um sich warfen.
Ein magisches Band schlang sich plötzlich um sie und riss sie von den Füßen. Zuerst konnte Adelaide die Situation nicht verstehen und dachte, eine der Ranken hätte sie gepackt, aber sie fiel lediglich zwei Meter nach hinten und landete unsanft auf ihrem Hintern. Da sah sie die hölzerne Axtklinge, die sie um ein Haar enthauptet hätte, wäre sie nicht weggerissen worden.
Sie versuchte sich aufzurichten um kein leichtes Opfer zu sein, aber die Kreatur war schneller. Mit zwei wankenden, aber überraschend schnellen Schritten stürzte es auf Adelaide zu und schwang wild in ihre Richtung. Adelaide hob ihr Schwert und konnte den ersten Schlag parieren und sich dabei wegrollen, doch sie kam nie zu dem dazugehörigen Gegenangriff. Als sie dazu ansetzen wollte sah sie, wie dutzende kleine grüne Beile das Holzwesen in Stücke schlugen. Das musste Mirs Magie sein, vermutete Adelaide und sah sich kurz um.
Der Sklaventreiber hatte sich von allen entfernt und stand auf einem kleinen Erdhügel, von welchem aus er die gigantischen Ranken beschäftigt und abgelenkt hielt und kleine Waffen über das Schlachtfeld bewegte, in welchem Adelaide und Erin gerade um ihr Leben kämpfen mussten. Ihn umgaben unzählige Löcher, die sie nur als Risse in der Realität beschreiben konnte, durch die Mir seine Ketten steuerte, die dutzende Meter entfernt ineffizient gegen die Ranken schlugen.
Adelaide rügte sich selbst, jetzt war nicht der Moment um Magie zu bewundern, immer mehr der Kreaturen kamen auf sie zu und Erin wurde allmählich umzingelt. Adelaide schloss für eine Sekunde lang ihre Augen und konzentrierte sich auf den Boden unter ihren Füßen, das Gewicht des Schwertes in ihrem Griff und die Geräusche der unheimlich Stillen Monster.
Ihr Training nahm über. Sie erinnerte sich an die unzähligen Jahre des Leids, die sie in ihrer Heimat Rat Ak’ir verbracht hatte um die ehrenvolle Kunst und Tradition ihres Volkes zu lernen. Sie begann sich zu bewegen und es war, als würde sie auf ungesehenen Winden über den Grund gleiten. Sie schwang das Schwert, wie einen weiteren Teil ihres Körpers. Grazil und mit einer Präzision, die von Jahren der Perfektion kamen schnitt sie sich in weiten Bögen durch die Menge an Holzgestalten.
Ihre Tänzerinnen Kleidung floss mit jeder Bewegung und verschleierte ihre nächsten Bewegungen. Sie hatte sich diese Art von Kleid anfertigen lassen, um ihre Kampfkunst, als Tanz zu verkaufen, während sie untergetaucht war. Nun sorgte das Kleid, dass nur bedingt als solches bezeichnet werden konnte, für die Performance ihres Lebens. Ihre Brust wurde von zwei breiten orange und braunen Stoffstreifen, die Überkreuzt verliefen, bedeckt. Jene Stoffstreifen gingen an ihrem Rücken ineinander über und bildeten den Bund für eine blutrote Hose, die weit geschnitten war, aber an ihren Waden mit Lederriemen enggeschnürt wurde. Um ihre Hüfte floss ein sehr dünner Rock, der so fein und leicht war, dass er teils transparent war und wie eine orangene Flamme wirkte, die um sie schwang.
Mir beobachtete Adelaide für einen Moment länger und konzentrierte sich dann wieder auf das Kämpfen selbst. Adelaide sah aus wie ein zum Leben erwecktes Feuer, welches wild in einem Kamin herumtobte.