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13| Mir

Wie jede Nacht davor hörte Mir der Sklavenhändler aus Stonewall, das leise Reden der Halbelfe und der Eskortperson. Es war schwer sie zu ignorieren und stets zu tun als wäre er nicht in der Lage alles zu bemerken, das in einem Umkreis von 50 Metern um ihn herum passierte. Ein Segen und ein Fluch. Vor allem ein Fluch. Er war sich bis heute nicht sich, was es verursacht hat, dass er diese erweiterte Wahrnehmung hatte, aber es begann bereits früh in seinem Leben mit 37 Jahren.

Er war nun mittlerweile bereits 109 und hatte es noch immer nicht gelernt diesen Sinn abzuschalten. Also drehte er sich in seinem Bett und presste das Kissen auf seinen Kopf. Er könnte seine nichtsahnenden Wachleute oder die anderen Händler damit beauftragen, die beiden voneinander fern zu halten, aber das würde nur noch mehr Ärger bringen. Diese Adelaide war auch so schon ein wahrer Quälgeist. Sie musste bereits viermal von ihm in den Schlaf gezaubert werden, weil sie sich immer und immer wieder für die Sklaven einsetzte.

Mir bereute es bereits fast das Geld für den Job angenommen zu haben... Fast. Es war gutes Geld und er hatte es dringend nötig. Seine Familie hatte keinen Kontakt mehr zu ihm, seit er damals Stonewall verlassen hatte um Magier in Uzakya zu werden. Die strikte und rein arkane Magie Stonewalls war unerträglich für ihn gewesen.

Es war der technischen Magie der Gnome näher, als der wahren alten Fae Magie. Er wollte die Künste erlernen, die in seiner Heimat verboten waren, er wollte Nekromantie, intrusive Manipulationsmagie und die hohe Kunst der Illusionen lernen.

Er hatte all sein Vermögen, so gering dieses auch war, zusammengekratzt und ist mit einem vom Stall seines Vaters gestohlenen Pferdes geflohen. Sein Geld reichte nur knapp, aber konnte in die Lehre bei einem Meister der alten Magie gehen und lernte dort alles was sein Herz begehrte.

Das war nun über 50 Jahre her. Doch seine Familie hatte es ihm bis heute nicht verziehen. Sie hatten ihn aus allen Büchern streichen lassen und ihm verboten je zurück in das Anwesen zu kommen.

Als würde er diese- KRACH

Mirs Augen sprangen auf und er erhob sich aus seinem Bett. Noch immer von seiner Decke warm gehalten konzentrierte er sich auf seinen erweiterten Sinn und konnte sehen, wie Adelaide gerade über Töpfe im Camp gestolpert war und sich nun vor den Wachen versteckte. Augenrollend legte er sich zurück und verfluchte die Menschenfrau. Er sollte sie wirklich einfach einfangen lassen, wenn sie das nächste Mal Essen stahl. Oder mit dem verdammten Halbblut sprach.

Er hasste sein Leben, er hasste alle im Umkreis von hunderten Kilometern und er würde nichts lieber tun, als den ganzen Kontinent ins Chaos und den Tod zu stürzen.

Ok, so schlimm war es nicht, aber an Tagen wie heute fühlte es sich so an. Sobald er die Ladung verkauft hatte und vor allem das dunkle Halbblut, würde er es sich leisten können einen neuen magischen Fokus zu kaufen, nachdem sein Buch vor einigen Jahren während einer... Auseinandersetzung beschädigt und schließlich zerstört wurde.

Wenn er wieder seine volle Macht zur Verfügung hätte könnte er als Magier Geld verdienen oder sich einer Abenteurer Gruppe anschließen, wie er als Kind immer wollte.

Bei dem letzten Gedanken musste er lachen. Abenteurer. Die Glücksritter des Kontinents, mit einer Lebenserwartung von zwei Jahren oder fünf, wenn sie Glück hatten. Nein Danke, Mir verzichtete gerne darauf und würde es sich viel lieber in einem Magier Turm gemütlich machen.

Er malte sich aus, wie sein neues Buch aussehen würde und welcher der großen, etablierten Magier Türme wohl am geeignetsten war für seine Spezialgebiete. Er bekam kaum mit, wie sein Geist immer weiter in den Schlaf glitt und er von seinen Sorgen kurzzeitig erlöst war.

Der Frieden hielt nicht lange, denn der Morgen kam viel zu schnell für Mirs Geschmack. Murrend zwang er sich aufzustehen und begann damit kleinere Zauber zu wirken, für seine Morgenroutinen.

Ein kleiner Reinigungszauber, ein leichter Illusionszauber für die Haare und sein Aussehen, gefolgt von einem Schutzzauber, den er stets aktiv hielt, für den Fall, dass ihn jemand angriff.

Er starrte seine Müden Augen an und wirkte eine weitere Illusion um die Augenringe zu verstecken. So konnte er seinen Untergebenen entgegentreten, ohne sich sorgen zu müssen, wie einer von ihnen auszusehen. Zwar würde sein extravaganter Umhang dafür ohnehin sorgen, aber es war besser alle daran zu erinnern, dass er kein gewöhnlicher Pöbel war. Sie mussten ja nicht wissen, dass sein Adelshaus ihn exkommuniziert hatte.

Wie auch, keiner von den Wachen konnte lesen und die anderen Händler unter ihm waren nur in der Lage zahlen und grundlegende Symbole zu identifizieren. Wie sehr Mir sie alle verachtete. Gewöhnliche Sklaventreiber und glorifizierte Banditen. Mehr waren sie nicht.

Mit einer eleganten Drehung schlang er den buntgefärbten Umhang über seine rechte Schulter und trat mit der Selbstsicherheit eines Lords aus seinem Zelt.

Vor ihm lag ein bewusstloser Wachmann, direkt neben ihm ein weiterer und neben dem Feuer kämpfte gerade eine hübsche Frau mit einer Pfanne in der Hand gegen drei weitere Soldaten.

“Was zum....” weiter kam er nicht, denn Adelaide, die er eskortieren sollte stürzte sich mit brennenden Augen auf ihn. Sie bewegte sich mit einer Eleganz und Geschwindigkeit, die geradezu erschreckend war. Bei ihren früheren Eskapaden, hatte Mir bereits erkannt, dass sie irgendeine Form von Training erhalten haben musste, aber das gerade war.... es war unglaublich.

Vergeblich warf er sich zurück um dem Gusseisen der auf ihn zu schwirrenden Pfanne zu entgehen, doch Adelaide war zu schnell. Das Metall prallte mit einem satten KLONK gegen den Kopf des Elfen und hätte ihn schwer verletzt, wenn er nicht im letzten Moment ein rudimentäres Schild auf die Stelle gewirkt hätte, die Kontakt mit der Pfann hatte.

So wurde er lediglich zurück in sein Zelt geworfen und konnte sich mit einer schnellen Rolle wieder auf die Beine befördern. Ohne aktiv darüber nachzudenken war bereits der Zauber gewirkt, der ihn einen so guten Sklavenhändler hat werden lassen. Ein kleiner Riss in der Realität brachte eine grünschimmernde inkorporale Kette hervor, eine feine Klinge am Ende befestigt. Sein Blick fiel auf das leicht gekrümmte Messer und er änderte es in einen stumpfen Ball. Er würde Adelaide nicht verletzen, egal wie sehr sie ihn auf die Palme trieb.

Mit entschlossenem Schritt verließ Mir sein Zelt nun zum zweiten Mal und musste erkennen, dass von den Wachen, die wenige Momente davor noch im Kampf waren, lediglich 2 noch standen. Amateure. Wertlos. So viel Geld für diese Nichtsnutze und sie waren nicht einmal in der Lage eine durchgeknallte Menschenfrau zu bändigen.

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Mir hatte das hier bereits mehrmals hinter sich. Adelaide hatte fast jede Nacht irgendwelche Probleme verursacht, meist nicht gewaltsam. Und die wenigen Ausnahmen, konnte er jedes Mal mit seiner Magie lösen. Ein kleiner Schlafzauber hier, ein paar magische Ketten dort. Es würde das gleiche werden, aber es wurde mit jedem Mal zunehmend irritierender.

“Genug.” kam aus Mirs Kehle. Nicht geschrien, sondern in einem diplomatischen Ton. Adelaide kämpfte weiter gegen die übrigen zwei Wachmänner. Er seufzte.

Dann brach seine Kette in Bewegung aus. Der Ball am Ende schoss direkt auf Adelaides Rücken zu, als sie ihre restlichen beiden Gegner zu Boden warf und KO schlug. Doch statt einem Aufprall, bewegte sich die Kette einfach weiter. Die junge Frau hatte sich zur Seite gelehnt und war der Magie einfach ausgewichen. Mirs Auge zuckte kurz und er ließ weitere Risse erscheinen, jeder mit einer Kette aus reiner Magie.

Doch erneute wurde mir von den grazilen Bewegungen seiner zu geleitenden Person überrascht. Sie ging in Ausweichbewegungen über, die einem exotischen Tanz glichen, wie Mir es aus Bordellen kannte, in welchen talentierte Damen der Nacht aus Nythal, arbeiteten. Es gelang ihr den wild herumdreschenden Ketten zu entgehen und sich dabei Stück für Stück immer weiter in seine Richtung zu bewegen.

Adelaide glitt durch die Luft, wie ein Seidenschal, der von einer leichten Brise umhergetragen wird. Posen, mit denen sie sich neu positionierte gingen in Sprünge, Drehungen und Pirouetten über. Nicht eine Bewegung war unnötig, nicht ein Muskel ineffizient.

Mir war so gebannt von der ätherischen Figur, dass er es nicht kommen sah, als die flache Seite einer schweren Eisenpfanne in seinem Gesicht landete und ihn in das Land der Träume sandte.

Als er durch Wasser aus einem Eimer geweckt wurde, dröhnte sein Kopf wie nie zuvor. Selbst die leichteste Bewegung sandte Wellen des Schmerzes durch Mirs gesamten Körper. Eine zuckersüße Stimme begrüßte ihn: “Guten Morgen du kleiner Morgenmuffel. Es ist Zeit aufzustehen. Deine Männer warten bereits.” Der letzte Satz ging von süß zu eisig im Bruchteil einer Sekunde. Die Kälte in Adelaides Stimme, kombiniert mit dem intensiven Blick der grünen Augen, der schonungslose Gewalt versprach, ließen Mir erschauern. Doch er zwang sich, nichts nach außen zu zeigen, er sagte lediglich: “Verdammt.”

“Lass mich diesen Scheißkerl in Paste verwandeln, Addy, Biiiiitte” “Geduld Erin. Es gibt noch ein paar Sachen die ich ihn fragen will. Und je nachdem wie er antwortet darfst du ihn womöglich gar nicht in... Paste... verwandeln.” “WAS?! WARUM?!” “Warte Bitte einfach Erin.”

Mir schluckte, aber hielt dem Blick der Menschin stand. Er wagte es nicht zu sprechen und wartete stattdessen, dass seine Eskortperson die Befragung begann. “Mir. Warum hast du nichts dagegen unternommen, dass ich jede Nacht bei Erin war? Ich habe mitbekommen, wie du mich ab und zu angesehen hast. Wissend. Du musst also gewusst haben, was ich in der Nacht getan habe.”

Eine Sekunde der Stille verging. Dann eine weitere. Nach der fünften stillen Sekunde öffnete Mir den Mund: “Ich hatte keinen Grund dich zu bestrafen, du hast zwar dem verdorbenen Blut geholfen, aber da du dich nicht am Schloss zu schaffen gemacht hast, war es mir einerlei. So warst du zumindest beschäftigt.”

“Schwachsinn!” kam von Adelaide

“FICK DICH DU PISSER!” bellte Erin

Mir schloss die Augen. Er hoffte das würde bald vorbei sein. Er wusste, dass er es hier nicht lebend herausschaffen würde, es ging nun nur noch darum, ob er vor seinem Tod lange Leiden müsste.

Adelaide setzte fort, nachdem sie der Halbelfe die Schulter streichelte: “Dein Pokerface ist miserabel Mir. Muss ich erst Erin auf dich loslassen?” Die massive, dunkelhäutige Kreatur schlug ihre Faust in die offene Hand und war bereit für Gewalt.

“Ich bin dir weder Rede noch Antwort schuldig. Die Konstellation der hier anwesenden zeigt mir mein unmittelbar bevorstehendes Schicksal. Ich werde aber weder für mein eigenes Überleben betteln, noch werde ich mich in keinsterweise entschuldigen.”

“Und warum nicht? Denkst du nicht, dass die von dir versklavten eine Entschudligung verdienen?!” Adelaides Stimme war noch immer kalt, aber es war eine neutralere Kälte und nicht mehr die beängstigende von zuvor.

Mir hob den Kopf so hoch wie möglich um eine Aura der Herablassung entstehen zu lassen. Vergeblich.

“Argh. Nun gut, wenn du es unbedingt wissen musst. Ich bin mir durchaus meiner Taten bewusst. Zwar kenne ich auch alle Kontexte und Gründe, aber ich werde es nicht schönreden oder rationalisieren. Ich habe Humanoide wie Waren verkauft und...” er blickte mit gleichen Teilen Hass, Ekel und Verachtung zu Erin, “Halbelfen gejagt.” Er spuckte das Wort geradezu heraus. “Keine Entschuldigung dieser Welt würde meine Sünden reduzieren. Nun denn, wenn du dann so frei wärst, mein Hals hat voraussichtlich noch eine Trennung von meinem Kopf vor sich und ich würde beide nur ungerne warten lassen.” Er streckte den Kopf noch ein bisschen weiter und entblößte seinen Hals.

“Addy, lass mich ihm den Kopf abreißen!” “Warte Erin!” “Verdammt noch mal, warum?! Er ist ein Monster!” “Mag sein, aber es gibt einen Grund warum ich ihn nicht wie die anderen getötet habe. Ihm fehlt die angeborene Bosheit in den Augen” “Pah”, stieß Mir hervor, noch immer den Kopf hoch erhoben. Er würde nicht so sterben wie er gelebt hat. Er würde mit Würde sterben und keine Angst zeigen.

“Da hast du es, er selbst glaubt nicht an den Scheiß den du redest.” Erins Stimme nahm einen flehenden Ton an. Adelaide blickte weiterhin auf Mir und ihre Augen durchdrangen ihn. “Seine Bosheit ist antrainiert. Wir packen ihn in den Käfig und sehen, ob wir ihn als Sklaven loswerden können. Er hat es nicht verdient hier und jetzt niedergestreckt zu werden, aber er muss für seine Sünden büßen. Welche Buße ist passender als diese.”

Mir zuckte bei den Worten zurück. Es fiel ihm schwer seinen neutralen Gesichtsausdruck beizubehalten und er senkte seinen Kopf ein wenig: “Töte mich einfach hier und jetzt. Ich hätte schon vor Jahren mein Ende finden sollen, es war nur eine Frage der Zeit.” Seine Stimme war fest und es war kein Zeichen von Angst zu hören, doch in seinem Inneren zitterte Mir am gesamten Leib. Sollen sie es doch endlich hinter sich bringen.

“Der Mistkerl ist ein Magier, den kann man nicht einfach so ohne weiteres wegsperren.” “Mhm. Du hast Recht. Daran hatte ich nicht gedacht.” Mir spürte wie sich die Kälte Adelaides veränderte und sie scheinbar mit sich selbst zu kämpfen hatte.

“Addy. Was soll das hier gerade?! Vor nicht einmal zehn Minuten hast du Wachen mit einer götterverdammten PFANNE totgeschlagen. Warum das hier jetzt? Schon vergessen, wie ich behandelt wurde?” Erin hatte Schwierigkeiten ihren feurigen Zorn im Zaum zu halten. “Ich selbst weiß wie es ist in Situationen zu geraten in denen man gezwungen ist zu einem Monster zu werden. Wie gesagt: Ihm fehlt die angeborene Bosheit.” “ABER ER HAT TROTZDEM HALBELFEN GEJAGT!” “Und deswegen werden wir ihn bestrafen. Ok, sieh es so, Erin: Wenn du ihn jetzt tötest hat er es hinter sich, wenn er aber als Sklave irgendwo arbeiten muss, wird es eine lange Zeit dauern bis er irgendwann stirbt.” “Ist mir egal ob die Strafe lang ist. Ich weiß wie er mich behandelt hat und ich habe die Geschichten gehört, was er mit anderen getan hat.”

Mir konnte sich ein genervtes Seufzen nicht verkneifen und fing sich den Hasserfüllten Blick Erins ein. Langsam begann er: “Töte mich einfach, du kannst auch deine Freundin den Job erledigen lassen. Ich habe es verdient zu leiden, aber ich bin als Magier zu gefährlich. Ich bin mir sicher das weißt du ebenso Lady Adelaide. Mache dir nichts vor und beende es einfach.”

Erins Augen rollten fast aus ihren Augenhöhlen: ”LADY?!” “Nicht jetzt Erin.” Erin stammelte vor sich hin, während die fast schon übernatürlichen Augen Adelaides sich in Mir hineinbohrten. Er hatte das Gefühl, sie sah ihm direkt in die Seele hinein.

Während die drei im großen Zelt von Mir waren und noch immer keine Entscheidung gefallen war erschütterte die Erde und ein kaum zu beschreibender Krach brach über sie herein. Es klang, als würde man Berge ineinanderschieben und die Flammen der Höllen gleichzeitig freisetzen.

Erin und Adelaide hatten Schwierigkeiten aufrecht stehen zu bleiben und der kniende Mir fand sich auf dem Boden wieder, als das unglaublich starke Erdbeben über das Land zog