“Milady”, meldet sich Sith zu Wort, “ich hätte eine Idee, wenn Sie gestatten.”
Darum bemüht, sich die Erleichterung nicht anmerken zu lassen, wendet sich die Fürstin dem Ritter zu.
“Sprich. Woran denkst du?”
Der Geschworene räuspert sich, bevor er anfängt zu erklären: “Es ist nur eine gewagte Vermutung, aber ich denke, dass wir eine einzigartige Gelegenheit haben, den Unterschlupf des Hybriden zu finden können. Wir müssen dafür nur schnell genug handeln.”
Rhiscea hebt kritisch eine Augenbraue. Sie weiß, dass die mentalen Fähigkeiten ihres Ritters an Genie grenzen, aber das hier hört sich für sie dann doch mehr nach Wunschdenken als nach einem soliden Plan an. Und es wäre immer noch besser, den Wald auf gut Glück zu durchsuchen, als wilden Träumereien hinterherzulaufen.
“Es ist natürlich mit vielen Unsicherheiten verbunden”, wirft Sith dazwischen, “aber ich denke es könnte einen Versuch wert sein.”
Malo bemerkt Rheas Zögern.
“Ach lass ihn doch seinen Plan erklären, vielleicht ist er ja gut”, meint der Hüne, während er dem jungen Ritter kumpelhaft einen Arm um die Schultern legt, “Es sei denn”, er legt eine vielsagende Pause ein und wedelt demonstrativ mit der Hand, “du hast schon eine bessere Idee.”
Nein, das hat sie nicht.
Sie seufzt und fährt sich über die Stirn. Viele Möglichkeiten bleiben ja nicht.
“Na gut, worum geht es?”
“Der Hybrid hat heute innerhalb weniger Stunden zwei Angriffe auf die Bewohner versucht. Das könnte im besten Falle heißen, dass verzweifelt oder übermütig geworden ist. Es wäre also auch wahrscheinlicher, dass er Fehler begeht.”
“Soweit kann ich folgen”, beantwortet Rhiscea den erwartenden Blick ihres Ritters.
Sith nickt und setzt seine Erläuterungen fort: “Zeugen haben ihn von zwei verschiedenen Orten weg, in Richtung Wald fliegen sehen. Meine Vermutung ist, dass er unaufmerksam genug war, um geradewegs wieder zu seinem Versteck zu fliegen.”
Der Ritter blickt in eine Runde aus fragenden und zweifelnden Gesichtern.
“Was ich sagen will…”, er macht eine kleine Pause, “Wenn er selbstsicher genug ist, um sich am helllichten Tag in der Stadt blicken zu lassen, ist er vielleicht arrogant genug um keine Umwege mehr zu seinem Nest zu nehmen.”
“Du willst ihn anhand der Flugrichtungen triangulieren”, schaltet sich Ruby dazwischen, Arme vor der Brust verschränkt und Augenbrauen zusammengezogen.
Sith nickt nur stumm.
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“Ist das so etwas wie Strangulieren? Weil da wäre ich dabei!”, unterbricht Malo.
“Wir nehmen an, dass seine Flugbahnen gerade Linien sind, die sich irgendwann schneiden müssen. Dort können wir dann in etwa sein Versteck vermuten.”
“Und weil er zweimal innerhalb von kurzer Zeit geflogen ist”, fügt Rhiscea hinzu, “erwarten wir, dass er es nicht geschafft hat, sein Lager zu verlegen.”
Ruby ist immer noch nicht ganz überzeugt. “Aber er könnte es noch verlegen.”
“Deswegen müssen wir schnell handeln.”, argumentiert Sith.
Natürlich ist nicht gewiss, dass ihre Abschätzungen sie genau zu seinem Unterschlupf führen werden, es sollte das Gebiet dennoch genug eingrenzen, um eine Suche sinnvoll zu machen. Es ist ein löchriger Plan mit vielen Unbekannten, aber…
“Es könnte gerade verrückt genug sein, um zu funktionieren.”, schließt Rhiscea die Diskussion.
“Also, worauf warten wir?”, ruft Malo enthusiastisch, und wirft beide Hände in die Luft, “Strangulieren wir dieses Mistvieh und verbrennen seine Leiche!”
Und bevor sich Rhiscea versieht, marschiert der Hüne bereits schnellen Schrittes auf die Waldgrenze zu. Auch der Rest der Truppe beginnt sich langsam und etwas zögerlicher in Bewegung zu setzen. Nur die Fürstin bleibt stehen.
Beim Anblick des in der Weite immer düster werdenden Waldes, dämmert ihr, dass die Suche nach dem Monster nicht der schwere Teil dieser Aufgabe sein wird. Sie wollen sich in die Grotte des Drachen begeben, um ihn auf seinem eigenen Boden zu bekämpfen.
Die Bilder der zerfetzten Wachen und ihrem im Schotter versickernden Blut hat sie selbst nach drei langen Jahren nicht vergessen. Auch an die vielen Opfer, die tot oder fast verblutet auf den Straßen ihrer Stadt gefunden wurden, kann sie sich klar erinnern. Nicht einmal die Fürstin der Frühlingsstadt konnte es mit dem Ding aufnehmen.
Vor allem aber, war es die ganze Zeit über in der Lage, beinahe unbeobachtet zu bleiben. Niemand weiß, wie es kämpft, ob es aus dem Hinterhalt angreift oder seine Opfer auch ohne Überraschungsmoment überwältigen kann. Vielleicht hat es Krallen, vielleicht ist es bewaffnet. Benutzt es seine Flügel bei einer Auseinandersetzung, stürzt es sich wie ein Falke von oben auf seine Beute oder ist es dazu zu träge?
Mittlerweile sind ihre Geschworenen ebenfalls stehen geblieben und haben sich Befehle erwartend zu ihr umgedreht.
Noch bevor Malo einen seiner üblichen Kommentare bringen kann, spricht die Fürstin ihre Gedanken aus: “Wir haben uns selten mit etwas so Durchdachtem und Brutalen angelegt. Ihr werdet wahrscheinlich zu Schaden kommen oder könntet in dieser Schlacht sogar euer Leben lassen”, sie erhebt beinahe anklagend einen Finger gegen den Wald, “Also, bevor wir da reingehen, muss ich wissen, dass ihr euch dessen bewusst seid.”
Kurz herrscht bedrückte Stille. Einige ihrer Ritter blicken zu Boden, andere werfen unsichere Blicke in Richtung des Waldes hinter ihnen. Sie zweifelt nicht daran, dass sich in ihren Köpfen gerade dieselben Szenen abspielen, wie gerade eben noch bei ihr. Sie waren alle dabei, seit der Hybrid zum ersten Mal auf ihrem Gebiet gemordet hat.
Sie haben gesehen, wozu das Ding in der Lage war.
“Ich schwöre…”
Sith tritt aus der Gruppe heraus und kniet ritterlich vor der Fürstin nieder.
“…auf Leib und Leben…“
Er hebt seine rechte Faust zum Herzen.
“…dieses Land und seine Bürger zu schützen. Vor Gefahren von innen und außen, zwischen uns und mit uns. Und wenn mein Leben als Preis für meine Treue gefordert wird, so gebe ich es gern und mit Tatendrang.”
Er erhebt sich wieder.
“Das habe ich Ihnen, my Lady, vor fünf Jahren geschworen und ich werde meinen Schwur nicht brechen. Dem Tun des Monsters muss ein Ende gesetzt werden, selbst wenn es mich mein Leben kosten soll.”
Die Fürstin nickt und sieht sich dann nach den anderen um.
Ruby ist die nächste, die sich zu Wort meldet: “Das Monster muss sterben.”
“Wenn es sich mit mir anlegen will, kann es das gern. Ich komm auch allein mit dem Mistkerl klar.”, bestätigt Malo.
Zuletzt dreht sich die Fürstin zu Viktor um. Kurz bleibt er still, doch dann gibt er kleinlaut zu:
“Ich vertraue Ihnen, Milady.”