Sie ist umgeben von Wasser. Alles hört sich dumpf und wie aus weiter Ferne an. Es ist schwarz und kalt um sie herum. Nur der langsam pochende Schmerz an ihrem Hals hält sie davon ab, ganz in die Tiefe abzudriften.
Die Kälte des Wassers dringt durch ihre Haut in jeden Muskel und bis an die Knochen. Es fühlt sich so an, als würde die Kälte langsam den letzten Funken Leben aus ihr saugen.
Ist sie tot? Oder fühlt sich so sterben an? Würde sie die Kälte überhaupt fühlen können, wenn sie tot wäre?
Plötzlich erscheint ein kleines Licht über ihr.
Sie beobachtet wie es durch das Wasser in immer wieder neue Formen verzerrt und gebrochen wird. Es glitzert so schön in der Ferne…
Sie möchte danach greifen, sich daran wärmen. Alles nur heraus aus diesem kalten Nass. Sie müsste nur die Hand ausstrecken, doch die schwarze Kälte saugt sie wieder zurück in ihre Tiefen. Sie wehrt sich, streckt sich nach dem langsam erlöschenden Licht, aber die Dunkelheit zieht sie dennoch erbarmungslos immer weiter hinunter.
Mit aller Kraft, die sie noch in sich finden kann, stemmt sie sich ein letztes Mal gegen den Sog und die Finsternis unter ihr, bevor sie endgültig verschlungen wird.
Und dann ist wieder das Licht da und es wird heller und sie fühlt wie sich etwas, das sie bis dahin umschlungen hielt, lockert. Plötzlich treibt sie in die entgegengesetzte Richtung, nach oben, zum Licht hinauf, aus dem Wasser und der dumpfen Kälte heraus.
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Sie braucht einige Sekunden, um sich die Geschehnisse wieder ins Gedächtnis zu rufen und die alles überlagernde Orientierungslosigkeit zu zerstreuen.
Die Sonne strahlt hell in ihr Gesicht und sie kann den Waldboden unter sich riechen. Nasse Erde, sich langsam zersetzendes Laub, die frische Windbrise und ein metallischer Beigeschmack füllen die Luft. Es dauert nur einen kurzen Augenblick, bis sie diesen speziellen Beigeschmack zuordnen kann.
Blut.
Mit einem Ruck fährt sie hoch, doch bereut diese abrupte Bewegung noch in demselben Augenblick, denn ein spitzer Schmerz bohrt sich durch ihren Hals und ihre Schulter.
Reflexartig greift sie nach der Stelle und ihre Finger werden bei der Berührung mit etwas dickflüssigem und klebrigem überzogen. Ein Blick auf das Rot an ihrer Hand reicht aus, um es als Blut zu erkennen.
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In derselben Sekunde kommt auch sofort wieder alles zurück. Von einem Schrecken durchblitzt fährt sie erneut hoch, diesmal in eine stehende, kampfbereite Position und sieht sich hastig um. Knapp neben sich glaubt sie einen angestrengten Atemzug zu vernehmen.
Sie stolpere beinahe reflexartig einige Schritte rückwärts, um Abstand zu gewinnen.
Neben ihr steht auf allen vieren der Vampir. Das Gesicht hat er dem Boden zugeneigt und eine blutähnliche Substanz tropft aus seinem Mund. Zögernd geht die Fürstin in die Hocke um das Wesen genauer zu betrachten.
Es ist immer noch der Elfhybrid, aber seine Züge sind jetzt verändert. Rotes Blut besudelt die untere Hälfte seines Gesichtes, die Fangzähne sind entblößt und seine Augen blutunterlaufen. Die ganze Gestalt könnte auf den ersten Blick furchterregend aussehen aber nach einen kurzen Schockmoment erkennt sie nur noch den Schatten des vorher unbesiegbaren Wesens in ihm wieder. Zitternd, vor Schwäche gelähmt, kniet es vor ihr im Dreck.
Dann übergibt es sich. Die schwarze, glänzende Flüssigkeit verteilt sich über den Boden, seine Hände und Arme und fließt in einem kleinen Strom hinunter zu ihren Füßen.
Es ist ein erbärmlicher Anblick. Dieses wehrlose, am Boden kriechende Wesen könnte einem fast leidtun, wäre es nicht einfach nur eine abartige Laune der Natur, bestimmt dazu, bis zu seinem gewaltsamen Tod zu leiden und Leiden zu verursachen.
Plötzlich blitzt über ihm etwas auf. Die Fürstin zucke zusammen und hebe ihren Blick ruckartig. Eine schwer atmende Ruby steht über das Tier gebeugt, das Schwert über ihren Kopf erhoben, bereit zum Zustoßen.
Rhiscea reagiert blitzartig und noch bevor die Schwertspitze den verdreckten Leinenstoff an seinem Rücken berühren kann, wird die Waffe von ihrer eigenen weggestoßen. Ein lautes metallisches Klirren ertönt, und das gerade noch hinuntersausende Schwert nommt schlitternd einige Meter weiter zum Liegen.
Erschrocken und verwirrt sieht Ruby zu ihrer Fürstin auf.
"Ich will Es lebend."
Ihre Worte sind hart und verbieten jeglichen Widerspruch und so nickt Ruby nur langsam und entfernt sich wortlos.
Rhiscea blickt wieder auf das Wesen unter ihr. Es hockt immer noch in derselben Position über der Lache aus schwarzem, halbverdautem Blut, die Augen leer, seine Gesichtszüge teilnahmslos, so als würde es das Geschehen um sich herum nicht wahrnehmen.
‘Lebend'
Es ist ein Risiko, aber es bleiben noch zu viele Fragen ungeklärt. Töten kann sie es auch, nachdem sie herausgefunden hat, seit wann Hybriden menschliche Intelligenz besitzen. Sie könnte es hinrichten lassen. Am besten vor den Augen der Oberin und aller Fürsten, die wie Kaninchen zitternd in ihren Bauten gehockt haben, während dieses Biest umhergezogen ist.
Ein Schmunzeln durchzuckt ihre Mundwinkel bei dem Gedanken, dieses Ding eigenhändig vor die Häupter des Reiches zu zerren und es dort unter dem Thron der Oberin ausbluten zu lassen.
Sie hat schon zu lange gekämpft, um sich nicht ein kleines Sahnehäubchen an Rache zu gönnen.
Und wieso auch nicht? Er scheint auch so schon geschwächt genug, um sich nicht einmal einem tödlichen Schwertstoß zu erwehren. Wieso dann die einzigartige Chance nicht nutzen?
Wie zu ihrer Bestätigung verstärkt sich das Zittern in den Armen des Wesens, bis sie unter ihm nachgeben und es bewusstlos in die Blutlache unter sich zusammensackt.
Das Ende einer erfolgreichen Jagd ist süß wie Honig, auch wenn die erbrachten Opfer auf der Zunge einen bitteren Geschmack hinterlassen.
Nächstes Kapitel: "Die Wunden lecken"