Ein Schrei ertönt. Laut, animalisch und durchdringend. Das Prickeln unter ihren Fingern bestätigt nur noch, was sie bereits weiß.
Die Falle hat zugeschnappt. Er versucht sich herauszuwinden, aber sie greift nur noch fester zu, sodass der Elf vor ihr auf die Knie sinkt. Sein Gesicht ist zu einer Fratze aus purem Schmerz verzogen und in seinen azurfarbenen Augen stehen Tränen.
Sie spürt, wie sich die unsichtbaren Dornenranken um seinen gesamten Geist wickeln und ihre spitzen Fortsätze hineinrammen. Die stechenden Schmerzen kann sie sich ohne Mühe vorstellen, schließlich hat sie diese schon oft genug selbst zu spüren bekommen.
In einem letzten Atemzug versucht das Wesen sich noch einmal zu befreien, aber da fällt auch schon die Decke der süßen Ohnmacht über ihn und der Körper klappt willenlos in sich zusammen.
Langsam löst sie ihre Finger von der blutverklebten Haut und lässt die blasse Hand des Elfen ins trockene Laub fallen. Für einige Momente steht sie nur da, tief ein und ausatmend.
Ihr Puls rast noch und ihre Hände zittern, als eine Welle der Erleichterung sie überströmt.
Es ist vorbei.
Das Monster ist geschlagen.
Noch einige tiefe Atemzüge, dann wendet sie sich von dem Körper des Elfen ab.
Sie bemerkt unweit von ihr die auf dem Boden liegenden Handschuhe und greift sofort danach.
Seit sie als kleines Kind in die Stadt gekommen ist und von der Oberin aufgenommen wurde, trug sie die Handschuhe zu jeder Zeit. Mittlerweile fühlt es sich unnatürlich an, auf ihren Händen nicht das vertraute Leder zu spüren.
Kurz bevor sei den Handschuh aufsetzen kann, bemerkt sie das klebrige Rot an ihrer Hand. Sie sieht zurück zu dem Hybriden. Das Handgelenk, welches sie gerade noch gehalten hat, ist wund und blutig. Sie hat es wohl ein wenig übertrieben.
Ob er wohl noch lebt? Wenn ja, sollte sie ihn vielleicht töten, solange er bewusstlos ist. Die Fürstin greift ihr Schwert mit beiden Händen und macht einige Schritte auf das Wesen zu. Sie erhebt die Klinge, bereit damit den bloßgelegten Hals zu durchtrennen, doch ein Gedanke lässt sie innehalten.
Es ist einige Jahre her, seit es einen ähnlich gefährlichen Hybriden gab. Die Sicherheit des gesamten Reiches bedrohende Monster sind selten, aber auch nichts Besonders. Doch noch nie war eines von ihnen intelligent genug, um eine Konversation zu halten.
Hybride denken und benehmen sich wie wilde Tiere und folgen allein ihren Instinkten. Sie machen keine Pläne, verwischen keine Spuren, benutzen keine Waffen und vor allem, sprechen sie nicht. Es kann hier nicht mit rechten Dingen zu gehen, so viel ist ihr klar.
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“Was…”
Sie dreht sich um und sieht den am Baum angelehnten Malo. Seine Wunden bluten nicht mehr, aber er scheint sich immer noch nicht bewegen zu können, geschweige denn aufstehen.
“Was…”, setzt er erneut an.
Die Augen weit aufgerissen starrt er an ihr vorbei zu dem am Boden liegenden Vampir.
Hühnerdreck, sie hatte vergessen, dass er die ganze Zeit bei Bewusstsein war.
“Was zum Teufel war das?”, bringt er schließlich heraus.
Sie seufzt. Vielleicht könnte sie ihn davon überzeugen, dass er eigentlich nichts gesehen hat.
“Ich habe den Vampir im Schwertkampf besiegt. Und ich kann es selbst kaum glauben. Fortuna musste heute...”
“Nein!”, schaltet sich Malo dazwischen, “Nein Rhea! Ich habe eindeutig gesehen…”
“Du bist gerade am Verbluten, was auch immer du gesehen hast, muss dir wohl dein Geist vorgespielt haben.”
“Rhea! Ich weiß, was ich gesehen habe!”
Darauf hat sie keine Antwort mehr.
Kurz schweigen sie beide. Dann unterbricht Malo wieder die Stille.
“Bist du eine von ihnen? Eine Hexe der Oberin?”
“Nein”, gibt Rhiscea entschieden zurück.
“Aber dann wie…?”
“Ich bin eine von ihr eingesetzte Fürstin, keine Hexe und falls jemals irgendwo einmal die Rede darauf kommt, hast du rein gar nichts gesehen, verstanden?!”, Der Befehl kommt etwas harscher heraus als beabsichtigt. Sie seufzt erneut. Wieso musste auch gerade Malo davon mitbekommen. Er würde bei der nächsten Gelegenheit im Wirtshaus damit prahlen, dass seine Fürstin eine mächtige Hexe war.
“Rhea…”
“Nein Malo, es ist eine lange Geschichte und ich habe gerade wirklich keine Nerven übrig für langwierige Erklärungen”, unterbricht sie ihn, das Nasenbein zwischen zwei Fingern eingezwickt.
“Rhea…”, versucht er es erneut, diesmal liegt ein wenig Besorgnis in seiner Stimme.
“Malo, wirklich, ich weiß, wie sturköpfig du sein kannst, aber hier und jetzt ist nicht der richtige…”
“Rhea, es ist weg!”
Es dauert ein paar Augenblicke, bis die Worte in ihrem Kopf Sinn ergeben. Dann dreht sie sich um. Der Schock steht ihr ins Gesicht geschrieben, als sie die blutigen Spuren am Waldboden entdeckt.
Das Rot verschmilzt praktisch mit dem Orange der heruntergefallenen Blätter, aber mehr als Blut und Laub ist nicht zu sehen.
Panisch sieht sich Rhea um, doch die Lichtung ist leer.
Es durfte nicht entkommen. Nicht, nachdem sie bereits so nahe dran gewesen ist, dem Chaos ein Ende zu bereiten.
Kann Es in den Wald gelaufen sein? Und wenn ja, war die Wunde groß genug, um eine deutliche Blutspur zu hinterlassen? Vielleicht ließe es sich noch finden, wenn sie nur schnell genug handelt.
Zügigen Schrittes eilt sie zurück zur blutbefleckten Stelle, den Blick, auf den mit Laub übersäten Boden fixiert.
Sie hätte das Wesen nicht einfach liegen lassen sollen. Sie hätte ihm die Kehle aufschneiden müssen, solange es noch ohnmächtig gewesen ist. Sie hätte nicht darauf vertrauen dürfen, dass ihre Kräfte ausreichen würden, um es vollständig auszuschalten.
Da, ein Tropfen Blut auf dem Boden. Und ein paar Ellen weiter der nächste und der nächste. Eine kaum sichtbare Spur zieht sich über die Lichtung.
Mit gebanntem Atem folgt Rhea dem Blut bis zum Stamm eines alten Baumes. Sie will ihn gerade umkreisen um hinter ihm weiter zu suchen, als etwas Kleines vor ihr auf den Boden fällt.
Sie bückt sich, um es aufzuheben, doch da ist nichts. Nur eine kleine Blutlache, in der auch schon der nächste Tropfen landet.
Noch bevor Rhiscea die Gelegenheit hat aufzusehen, schallt von oben herab schon ein schrilles Lachen.
Nächstes Kapitel: "Feuer im eisernen Herzen"